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  • 27.01.2011 | AMNOG

    Die neue Mehrkostenregelung ist praxisfern

    Seit Einführung der Rabattverträge haben Patienten quasi das schlucken müssen, was ihre Krankenkassen mit Pharmaherstellern ausgehandelt haben. Obwohl die Differenz zum gewünschten, oft langjährig bewährten Präparat häufig nur Centbeträge ausmacht, war es bislang nicht möglich, dass der Kunde diesen geringen Betrag einfach zuzahlt. Um den Patienten nun doch ihr „Wunschpräparat“ zu ermöglichen, wurde mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) die sogenannte Mehrkostenregelung geschaffen, mit vielen Unklarheiten. Denn der Patient soll etwas bezahlen, für dessen Ermittlung der Apotheke die Datengrundlagen fehlen. Ein für den Patienten unbequemes Prozedere könnte deshalb zurzeit folgendermaßen aussehen:  

    • Der Patient bezahlt sein „Wunscharzneimittel“ (soweit überhaupt austauschbar) voll, also den „Lauerpreis“ wie ein Privatpatient, aber abzüglich des Kassenrabatts. Er erhält das auf seinem Rezept und mit dem Kassenbon quittiert. Dieses Rezept geht nicht in die übliche Abrechnung!
    • Der 0,85-prozentige Herstellerabschlag ist in 2011 bereits in diesen Listenpreisen enthalten (auch Privatversicherte profitieren von diesem Abschlag).
    • Der Patient muss sich selbst mit seiner Krankenkasse in Verbindung setzen und das quittierte Rezept einreichen.
    • Die Krankenkasse verrechnet ihre Abschläge: in jedem Fall den Apothekenabschlag (2,05 Euro je Rx-Packung), wahrscheinlich eine „Verwaltungsgebühr“ und gegebenenfalls einen pauschalierten Ausgleich für die - abseits des 16-prozentigen Herstellerrabatts - erhaltenen, individuellen Rabatte nach Individualverträgen, die weder Apotheke noch Arzt noch Kunde kennen (dürfen).

    Hinweis: Alternativ könnte das Rezept regulär in die GKV-Abrechnung gehen; die Apotheken stünden dann aber im Obligo, beim Patienten erst im Nachhinein die im Rahmen der Abrechnung mit den Kassen ermittelten, individuellen Zuzahlungsbeträge beim Patienten wieder einzutreiben. Darauf werden sich die Apotheken keinesfalls einlassen wollen.  

    Fazit: Die Apotheke kann den Kunden keinerlei exakte Angaben machen, was sie von ihrer Kasse erstattet bekommen. Aufgrund dieser Sachlage werden sich nur die wenigsten Kunden auf einen solchen Handel ins Blaue hinein einlassen. Sofern hier keine einfach praktizierbare Lösung gefunden wird, bleibt die heutige Mehrkostenregelung nichts weiter als eine Alibiregelung, die kaum jemand nutzen wird.  

    Praktisch wird die Verantwortung damit wieder auf den Arzt delegiert: Durch Setzen des aut-idem-Kreuzes kann die „Wunschverordnung“ ebenfalls erfüllt werden. Und darin dürfte die vorrangige Aufgabe der Apotheke bestehen: Diesen Weg im engen Kontakt mit den Ärzten gangbar zu machen, wenn Kunden mit den zuerst verordneten Medikamenten nicht zurechtkommen.  

    (von Apotheker und Unternehmensberater Dr. R. Herzog, Tübingen)

     

    Quelle: Ausgabe 02 / 2011 | Seite 1 | ID 141804