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  • · Fachbeitrag · Personal


    Mitarbeitermotivation mit Verstand und Einfühlungsvermögen


    von Apotheker und Unternehmensberater Dr. Reinhard Herzog, Tübingen 


    | In unserer Wohlstandsgesellschaft hat die Arbeit häufig nicht mehr nur die alleinige Funktion des Gelderwerbs und der Sicherung des Lebensunterhalts. Dinge wie Sinnerfüllung, Spaß, das Gefühl, gebraucht und anerkannt zu werden, sowie die Pflege sozialer Kontakte treten oft gleichberechtigt hinzu. Gerade in der Apotheke mit ihren zahlreichen Teilzeit-Arbeitsverhältnissen, die oft nur das Einkommen des Hauptverdieners aufbessern, sind Geld oder materielle Anreize nur bedingt als dauerhaft wirksame Motivationsförderer geeignet. Hier gilt es, mehr Fantasie walten zu lassen. |

    Motivierte Mitarbeiter steigern den Betriebserfolg


    Wie hoch die Bedeutung von motivierten Mitarbeitern für den Betriebserfolg ist, wird immer noch unterschätzt - sowohl in positiver als auch in negativer Richtung. Einem unmotivierten Mitarbeiter im Verkauf „gelingt“ es im Nu und ohne, dass es dafür echter, abmahnwürdiger Verfehlungen bedarf, die Zahl der treuen Stammkunden spürbar zu reduzieren. Jeder gute ApothekenStammkunde steht dabei für einen Rohertrag von mehreren hundert Euro im Jahr - bei den Top-Kunden sind es vierstellige Beträge. Unterbleibende Zusatzempfehlungen sowie wenig Einfühlungsvermögen im Umgang mit den Kunden addieren sich rasch zu fünfstelligen „verhinderten“ Umsätzen je Jahr. Umgekehrt gelingt es hoch motivierten und qualifizierten Mitarbeitern, derartige Umsatzpotenziale zu heben und die Kundenzahlen noch zu steigern. Es lohnt sich also, über Motivationsanreize nachzudenken. Sie werden sehen - mit etwas Geschick und Fantasie muss das nicht einmal sonderlich teuer sein! 


    Was treibt Ihre Mitarbeiter an?


    Bevor Sie das Füllhorn ausschütten und dann möglicherweise über den geringen Erfolg enttäuscht sind, versuchen Sie zuerst zu ergründen, welche Mitarbeiter warum bei Ihnen arbeiten und was sie antreibt bzw. blockiert. 


    So gibt es die Alleinerziehende mit knappem Geldbeutel, für die Geld, aber auch immaterielle Dinge wie eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung Priorität haben. Dann gibt es die Ehegattin des gutverdienenden Hauptverdieners, die nebenbei etwas Taschengeld verdient, in erster Linie aber unter Leuten sein und sich selbst etwas beweisen möchte. Wir sehen den jungen Nachwuchs-Apotheker, der sich seine ersten Sporen verdient, aber möglicherweise auch immer auf dem Sprung ist, wenn sich ihm eine Möglichkeit für die eigene Apotheke bietet. Schließlich kennen wir den schon seit vielen Jahren im Dienst befindlichen, abgeklärten Apotheker, der mit der Selbstständigkeit abgeschlossen hat, seine Arbeit zuverlässig verrichtet, indes aber zunehmend zu eingefahrenen Verhaltensweisen neigt. Jüngere Chefs fürchten bisweilen die altgediente PKA oder PTA, die schon Jahrzehnte im gleichen Betrieb beschäftigt ist, alles weiß und kann (oder dies zumindest glaubt) und nicht selten die „heimliche Chefin“ markiert.


    Sie sehen an dieser kleinen Aufzählung schon, dass all diese Menschen offenkundig sehr unterschiedliche Motivationen aufweisen und durch ihre teilweise langjährige Biografie geprägt sind. Wenn Sie nun jeder dieser Personen zum Beispiel 1.500 Euro Jahresprämie auszahlen oder das Gehalt um zehn Prozent erhöhen, wird dies dennoch verschiedene Effekte haben. Die Aufwands-Nutzen-Relation dürfte sehr unterschiedlich ausfallen.


    PRAXISHINWEIS |  Die Kunst liegt darin, erst einmal die einzelnen Mitarbeiter zu verstehen und eine Vorstellung zu entwickeln, was sie antreibt, welche Prioritäten sie haben, welche Aversionen sie hegen. Im Vorteil sind dabei jene Chefs, die sich über das Dienstliche hinaus für die Belange ihrer Angestellten interessieren und den Familienstand nicht nur an der Lohnsteuerkarte ablesen. Im laufenden Betrieb ergeben sich für den aufmerksamen Beobachter zudem ständig Gelegenheiten, etwas über die Vorlieben, Abneigungen, Wünsche und Antriebskräfte der Mitarbeiter zu erfahren. Ob das Gespräche über Freizeitaktivitäten, Urlaubserlebnisse oder die Familie sind, aufblitzende Sorgen und Nöte, Reaktionen auf Lob, Tadel, Prämien oder Geschenke, Andeutungen aller Art - wer genau hinschaut und hinhört (gerade auch bei Zwischentönen), der sollte ein ganz gutes Bild der einzelnen Personen zeichnen können.

    Mit einer Tabelle nach folgendem Muster können Sie vor allem bei einem größeren Mitarbeiterstab die Übersicht behalten: 


    • Welche Anreize fruchten bei welchem Mitarbeiter?
    Derzeitige Motivation
    Motivationsmittel Geld
    Andere materielle Motivationsmittel
    Nicht-materielle Motivationsmittel
    Eignung für höhere Aufgaben, Fort- und Weiterbildung
    Interessen, Hobbys, Vorlieben, Abneigungen

    Frau A

    +

    +++

    Frau B

    ++

    +

    Herr C

    0

    -

    Frau D

    --

    +

    Skala von +++ (sehr hoch) über 0 (indifferent) bis --- (minimal) bzw. konkrete Motivationsmittel und Anreize eintragen


    PRAXISHINWEIS |  Um die Mitarbeitermotivation möglichst effizient und zielgenau zu gestalten, sollten Sie sich von den billigsten zu den teuersten Maßnahmen hindurcharbeiten.

    Am billigsten: Lob, Anerkennung, richtige Aufgabenzuordnung 


    Ein ehrliches, klares, verständliches Lob und das bewusste Erkennen guter Leistungen an der richtigen Stelle kostet allenfalls die eigene Überwindung, kann aber enorme Motivationsschübe auslösen - vor allem, wenn es bisher Mangelware war. Ein wenig Mangelware darf das Loben aber durchaus bleiben: Nur was knapp ist, behält seinen Wert. Inflationäres Schulterklopfen hingegen führt rasch zur Abstumpfung und Entwertung. Die Kunst liegt darin, den richtigen Mittelweg zu finden. Deshalb sollten nur Dinge belobigt werden, die aus der üblichen Routine herausragen. Zwar sollte es auch Anerkennung für den gut laufenden Routinebetrieb geben. Dies ist aber eine Frage des Betriebsklimas, das es ebenfalls zu pflegen gilt. 


    PRAXISHINWEIS |  Wer durch eigenes Vorleben (der wichtigste „kostenlose“ Punkt), nette, nicht allzu teure Alltagsannehmlichkeiten wie zum Beispiel kostenfreie Getränke, persönlich geprägte, einwandfreie und herzliche Umgangsformen, ein Ohr für die Sorgen und Nöte der Mitarbeiter sowie eine positive, lebensfrohe Ausrichtung der Apotheke für die entsprechende Grundstimmung sorgt, hat bereits viel erreicht. Er muss dann nur herausragende Leistungen extra loben.

    Man kann Lob auch formalisieren - zum Beispiel mit der Auszeichnung „Mitarbeiter des Jahres“, Ranking-Listen nach Verkaufserfolg etc. Dabei ist aber darauf zu achten, dass dies nicht zur Herabsetzung der Schwächeren führt oder den Konkurrenzkampf untereinander in nicht produktiver Weise anstachelt. Unter dem Strich kostenneutral, wenn nicht sogar rentabel ist ein etabliertes Vorschlagswesen. Gute, dann tatsächlich mit Erfolg umgesetzte Verbesserungsvorschläge werden adäquat prämiert - zum Nutzen von Mitarbeitern und Apotheke. 


    Der richtige Mitarbeiter für die richtigen Aufgaben


    Durch die richtige Aufgabenverteilung und die Nutzung der Talente und Fähigkeiten lässt sich viel Frust vermeiden und die Produktivität beträchtlich steigern. Wem es nicht gelingt, hier die eine oder andere Denkblockade zu überwinden („das ist nun mal die Aufgabe von XY“, womöglich noch beflügelt durch im Qualitätsmanagement-System hinterlegte, starre Arbeitsplatzbeschreibungen), verschenkt möglicherweise viel Potenzial. Auch die Übertragung verantwortungsvollerer Aufgaben, zum Beispiel ein eigenes Budget für ausgewählte Werbemaßnahmen, neue Kompetenzen oder ein „Titel“ für bestimmte Zuständigkeitsbereiche gehören dazu. Das muss im Übrigen nicht immer gleich mit einem höheren Gehalt verbunden sein. 


    Arbeitszeiten effizient und mitarbeiterfreundlich gestalten


    Zu den weitgehend kostenneutral gestaltbaren Anreizsystemen gehören weiterhin eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung, die Nutzung von Jahresarbeitszeitkonten und die Möglichkeit, sich freie Zeit „anzusparen“. Je größer ein Betrieb ist, umso eher funktioniert so etwas. Kleine Apotheken sind hier stärker gehandicapt, da sie mit wenig Arbeitszeitreserve arbeiten und kaum „Verschiebemasse“ haben. 


    Motivierend ist zudem die Gewährung von kreativ- oder rein projektbezogenen Zeitkontingenten, bei denen sich die Mitarbeiter weitgehend ungestört besonderen anspruchsvollen Projektaufgaben widmen können. Die Erfahrung lehrt zudem, dass Projekte weit besser vorankommen, wenn sie am Stück durchgezogen und nicht ständig durch Alltagsaufgaben unterbrochen werden. Insoweit profitiert auch der Arbeitgeber von höherer Effizienz. 


    Etwas tiefer in die Tasche greifen: „Incentives“


    Unter „Incentives“ sind zumeist materielle bzw. geldwerte Anreize zu verstehen, die sich nicht auf das Gehalt selbst beziehen, sondern dieses ergänzen. Geschickt ausgewählt, können sie den Mitarbeitern mehr Lächeln ins Gesicht zaubern als eine übliche Gehaltserhöhung. Hier kommt es besonders darauf an zu wissen, wie die Mitarbeiter „ticken“ und mit was man sie motivieren und begeistern kann. Je unerwarteter und überraschender die Belohnung ausfällt, umso wirksamer ist sie. Wird diese nämlich zur Selbstverständlichkeit, wird sie sich als Motivator abnutzen. Unterschätzen Sie deshalb nicht die Wirkung kleiner Aufmerksamkeiten, die von Herzen kommen und gerne anlassbezogen sind - zum Beispiel nach guter Zusammenarbeit in übermäßig stressigen Zeiten. Außerdem können Sie mit folgenden Incentives motivieren:


    • Motivationseffekte können von gemeinsamen Erlebnissen aller Art ausgehen: Ausflüge, der Besuch von Veranstaltungen, Betriebsessen sowie Adventure-Events wie Wildwasserfahren oder sportliche Betätigungen, was natürlich sehr von der jeweiligen Teamzusammensetzung abhängt.


    • Zusätzliche Qualifikationen sowie Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen haben für neugierige, engagierte Mitarbeiter oft einen höheren Motivationswert als rein materielle Anreize. Indes gilt dies nicht für alle gleichermaßen - manche müssen förmlich gedrängt werden (und dann ist das eher Verpflichtung als Motivationsförderer). Aber Sie kennen Ihre Mitarbeiter und wissen, wer damit wie zu locken ist. 


    • Auf der Ebene materieller Anreize gibt es neben den üblichen Gutscheinen oder verschiedenen Buch- und Sachgeschenken auch unkonventionellere Geschenke, deren wirklicher Wert sich oft erst in fernerer Zukunft erschließt: Edelmetalle (zum Beispiel Barren und Münzen), ausgewählte werthaltige Langfrist-Aktien, Baumsparbücher und anderes mehr. Sind Barren und Münzen gesetzliches Zahlungsmittel, sind sie unter Umständen nur mit ihrem niedrigen Nominalwert steuerpflichtig. Hier gibt es ein breites Spektrum ungewöhnlicher Möglichkeiten, teils mit mehr oder weniger spekulativem Charakter, was je nach Person auf unterschiedliches Echo stoßen kann. Eine gewisse Werthaltigkeit sollte aber in jedem Falle gegeben sein. Einige Hektar Mondfläche (gibt es tatsächlich!) mögen witzig sein, aber aller Voraussicht nach eben auch nicht mehr ...


    • Ein sehr wirksames Instrument ist ein Dienst-Pkw insbesondere für leitende Mitarbeiter oder Filialleiter, was allerdings einigen Aufwand erfordert und zudem Probleme im Falle eines vorzeitigen Ausscheidens machen kann. Fragen wie Kauf oder Leasing stehen im Raum, zudem steuerliche Erwägungen auch auf Seiten des Mitarbeiters (Steuern und Sozialabgaben auf den geldwerten Vorteil, Ein-Prozent-Regelung). Bei der Wahl des Pkw-Typs bis hin zur Farbe kann man zudem in manches Fettnäpfchen treten und den Wert dieser Leistung in den Augen des Mitarbeiters erheblich schmälern - unterhalten Sie sich mal mit dem Chef eines größeren Außendienstes! 


    • Eine über das tarifliche Maß hinausgehende zusätzliche Altersvorsorge (bis hin zur firmeneigenen Pensionskasse) kommt gleichfalls in Betracht, bedeutet aber ebenfalls Mehraufwand. Eine Altersvorsorge wird zudem nicht als unmittelbar spürbarer Anreiz wahrgenommen, sondern verkommt ganz schnell zur Selbstverständlichkeit, für die man sich nicht mehr gesondert einsetzen muss. 


    PRAXISHINWEIS |  Bedenken Sie bei allen materiellen Zuwendungen die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Grenzen und Vorgaben. „Kleinigkeiten“ fallen unter diverse Freigrenzen und vieles ist durch Pauschalabgaben seitens des Arbeitgebers abzugelten, sodass den Mitarbeiter keine Belastung trifft. Angesichts der komplizierten Detailregelungen sollten Sie Ihre Aktionen vorher mit dem Steuerberater individuell abklären.

    Am teuersten: pauschale Gehaltserhöhungen 


    Das Gehalt zu erhöhen, erweist sich als die teuerste und zudem ineffektivste Variante der Anreizsetzung. Denn die Freude verpufft rasch, da im Nu ein Gewöhnungseffekt eintritt. Das höhere Einkommen wird einfach vereinnahmt und fest verplant. Weiterhin ist zu bedenken, dass Sie als Arbeitgeber für jeden Euro, den Sie Ihren Mitarbeitern zusätzlich auf dem regulären Gehaltszettel zukommen lassen möchten, selbst gut zwei bis drei Euro aufwenden müssen - je nach Belastung des Angestellten mit Steuern (Progression!) und Sozialabgaben. 


    Auch bei den beliebten Prämien verdient der Fiskus kräftig mit. Prämien lassen sich am besten aufteilen in eine pauschale Teamprämie, die arbeitszeitanteilig, ansonsten aber gleichmäßig auf alle Mitarbeiter ausgeschüttet wird (Vorschlag: die Hälfte der angedachten Prämiensumme), sowie individuelle leistungsabhängige Prämien. Letztere kann man an den von den einzelnen Personen getätigten Umsätzen oder Roherträgen bzw. an den von ihnen erzielten Steigerungen derselben festmachen. 


    PRAXISHINWEIS |  Besonders elegant ist es, die Prämien im Rahmen individueller Zielvereinbarungen für das jeweilige Jahr zu vereinbaren. So können auch Leistungen außerhalb reiner Verkaufsaktivitäten besonders honoriert werden - beispielsweise Projektaufgaben, die Straffung des Warenlagers um soundsoviel Prozent unter Beibehaltung der Lieferfähigkeit oder die Erreichung anderer Ziele wie die Erschließung neuer Kundengruppen oder die erfolgreiche Etablierung neuer Sortimente.

    Beachten Sie | Prämien entfalten nur dann eine Wirkung und sind etwas Erstrebenswertes, wenn sie betragsmäßig wirklich in der Tasche des Mitarbeiters spürbar sind. Für einige hundert Euro im Jahr - nach Abzügen oft auf die Hälfte gemindert - legt sich kaum jemand 365 Tage mächtig ins Zeug.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 3 | ID 37394180