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  • · Fachbeitrag · Arzneimittelversorgung

    „Für die Substitutionsbehandlung finde ich bei Apotheken immer offene Ohren“

    | Auf dem Land ist es für Substitutionspatienten schwierig, einen Substitutionsarzt in der Nähe des Wohnorts zu finden. Diese Erfahrung machte auch Dr. Werner Tauber, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Als Oberarzt in Ansbach ist er u. a. für den stationären Drogenentzug und die ambulante substitutionsgestützte Behandlung Opioidabhängiger zuständig. Um seine Patienten nach der Entlassung gut versorgt zu wissen, baute er ein Netzwerk aus substituierenden Apotheken auf. Ursula Katthöfer ( textwiese.com ) fragte ihn nach seiner Motivation und seinen Erfahrungen. |

     

    Frage: Warum haben Sie ein so großes Netz aufgebaut?

     

    Antwort: Bei uns im ländlichen Umfeld der Stadt Ansbach ist es für die Patienten schwieriger als in einer Großstadt, täglich in die Ambulanz zu kommen. Der Sichtbezug lässt sich nicht einfach mit dem Beruf oder der Kindererziehung vereinbaren, ganz abgesehen vom zeitlichen und finanziellen Aufwand.

     

    Frage: Seit wann gibt es das Netzwerk?

     

    Antwort: Ich hatte im September 2001 meinen allerersten Substitutionspatienten. Im Januar 2002 habe ich wegen eines anderen, berufstätigen „Kandidaten“ eine wohnortnahe Apotheke angerufen und mit dem Apotheker erstmals eine Sichtvergabe in der Apotheke vereinbart. Das lief sehr gut. Das Netzwerk wuchs nach und nach. Mittlerweile besteht es aus gut 20 Apotheken.

     

    Frage: Wie reagieren Apotheker, wenn Sie mit Ihrem Anliegen anrufen?

     

    Antwort: Ich fand bisher immer offene Ohren. Ganz entscheidend scheint mir zu sein, sich zu Beginn die Zeit zu nehmen, um einer Apotheke am Telefon alles zu erklären. Ich schildere meine eigene Motivation, die Behandlungsabsicht und betone, dass der Patient umgänglich und friedfertig ist. Da man ja vermuten muss, dass bei den Apothekern die Sorge besteht, so ein Mensch könnte ihnen alles durcheinanderbringen, schlage ich vor, mit dem Patienten ein Zeitfenster für die Vergabe abzusprechen. Grundsätzlich scheint mir Sorgfalt bei der Auswahl der Patienten wichtig, um zu verhindern, dass eine Apotheke gleich durch eine „verwegene Gestalt“ abgeschreckt wird.

     

    Frage: Sie kennen die Patienten sicher sehr gut?

     

    Antwort: Fast alle unsere Patienten waren zuvor stationär bei uns. Anschließend kommen sie zumindest etliche Wochen täglich zu uns in die Institutsambulanz. Ich kann daher sehr gut einschätzen, ob jemand zuverlässig und umgänglich ist. Auch gebe ich den Apotheken nach dem Erstgespräch ein paar Tage Zeit, um sich die Sache zu überlegen. Doch inzwischen kommen Erstgespräche kaum noch vor.

     

    Frage: Haben Sie auch ganz praktische Tipps?

     

    Antwort: Ich schicke einen ausführlichen Leitfaden für Apotheken mit. Da sich die tägliche Arbeit mit der Vergabe im Normalfall auf ganz wenige Abläufe beschränkt, ist der Leitfaden eher ein Nachschlagewerk. Am Telefon erläutere ich, wie das erste Rezept aussieht und wie die Wochenend- bzw. Sonn- und Feiertagssituation ist. Vorab faxen wir eine Rezeptversion zur Information, das Original folgt per Post ‒ wobei der Patient es ja seit Oktober 2017 auch mitnehmen dürfte.

     

    Frage: Treffen Sie eine schriftliche Vereinbarung?

     

    Antwort: Ja, ich faxe eine Arzt-Apotheker-Vereinbarung ‒ ein Formblatt der Bundesapothekerkammer (BAK) ‒ teilausgefüllt und unterschrieben zu. Unsere Kontaktdaten sind vermerkt, sodass die Apotheke bei Unklarheiten immer anrufen kann. Der Apotheker füllt dann den Text mit seinen Kontaktdaten, unterschreibt und faxt ihn zurück. Bei Unklarheiten wird erneut telefoniert.

     

    Frage: Ermöglichen die Apotheken nur Take-Home oder auch Sichtbezug?

     

    Antwort: Beides. Zurzeit werden in unserer Ambulanz 30 Patienten substituiert. Hinzu kommen vier Konsiliariuspatienten. Bei der Take-Home-Vergabe haben wir sehr individuelle Regelungen, da manche Patienten z. B. im Schichtdienst arbeiten. Sie erhalten z. B. eine 2 + 2 + 3- oder eine 3 + 4-Take-Home-Verordnung.

     

    Frage: Wie gehen die Apotheken mit der Stigmatisierung um?

     

    Antwort: Da höre ich nichts ‒ weder zur Stigmatisierung der Patienten noch zu den Apotheken. Unsere Patienten wirken äußerlich sehr angepasst. Bei vielen würde man nie draufkommen, dass sie opiatabhängig sind.

     

    Frage: Wie kontrollieren Sie so viele Apotheken? Schließlich sind Sie letztendlich immer verantwortlich.

     

    Antwort: Ja, theoretisch ist das ein großes Problem. Bestenfalls müsste ich hinfahren, was ich aus Zeitgründen aber nicht tue. Ich sehe mehrere Ebenen: Erstens schicken die Apotheken mir bei Sichtbezug ein wöchentliches Vergabeprotokoll, das ich mir immer ansehe. Zweitens findet bei unseren Telefonaten automatisch auch eine Kontrolle im weiteren Sinne statt. Und drittens nutzen wir die Alternative, die Punkt 9 der Arzt-Apotheker-Vereinbarung der BAK eröffnet. Bei der Auswahl „Die Kontrolle erfolgt durch den Arzt“ oder „Die Kontrolle erfolgt durch den Apotheker“ kreuzen wir nach einvernehmlicher Rücksprache immer „Apotheker“ an. Ich habe da nie Bedenken gehabt. Die Apotheken machen das sehr gut.

     

    Frage: Könnten Patienten den Kontakt zur Apotheke selbst herstellen?

     

    Antwort: Davon rate ich ab. Das ist kein Mittel, um Eigenverantwortung zu stärken. Da dürfte unsere Klientel bestenfalls auf extreme Skepsis stoßen.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2021 | Seite 5 | ID 46833846