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  • · Fachbeitrag · Apothekenentwicklung

    Die Apotheke von morgen, Teil 3: Individuelle Digitalisierung über Systemsoftware und Ausstattung

    von Dr. Doortje Cramer-Scharnagl, Edewecht

    | Apotheken in Deutschland haben ihr Digitalisierungspotenzial bislang in ganz unterschiedlichem Grad ausgeschöpft ‒ von (fast) vollautomatisierten Omni-Channel-Apotheken bis hin zur Offizin mit Schubladenorganisation existieren alle Varianten. AH stellt bewährte und innovative Möglichkeiten vor, Ihre Apotheke einem „digitalen Fitnessprogramm“ zu unterziehen. |

    Warenwirtschaftssysteme

    Warenwirtschaftssysteme erleichtern die Buchhaltung sowie die Organisation und Kontrolle von Bestellungen, Warenein- und -ausgängen. Am verbreitetsten sind Point-of-Sale-Systeme, mit denen ‒ einer immerwährenden Inventur entsprechend ‒ kontinuierlich erfasst wird, welche Präparate in welchen Mengen in der Apotheke vorrätig sind bzw. abgegeben werden. Werden bestimmte Lagerbestände unterschritten, schlagen diese Systeme selbstständig eine Nachbestellmenge vor.

     

    Bald wird es u. a. möglich sein, die Daten aus Warenwirtschaftssystemen mittels selbstlernender Algorithmen und künstlicher Intelligenz (KI) zu analysieren, so bestimmte Einkaufstrends zu erkennen und sich frühzeitig darauf vorzubereiten. Auf diese Weise lässt sich z. B. die Lagerhaltung optimieren oder Sie können bereits im Winter günstig Sommerartikel einkaufen, zu denen das Warenwirtschaftssystem einen Trend erkannt hat. Eine weitere Möglichkeit bietet sich hier: Sollen Präparate zum Kunden geliefert werden, könnte das Warenwirtschaftssystem die entsprechenden Lieferdaten direkt auf das Tablet des Auslieferfahrers senden und die beste Fahrtroute gleich mit anzeigen. DHL und andere Paketdienste machen zudem vor, wie eine Zustellung vom Kunden fast in Echtzeit verfolgt werden kann.

    Kommissionierautomaten

    Kommissionierautomaten gibt es bereits seit über zwanzig Jahren ‒ dennoch sind noch längst nicht alle Apotheken damit ausgestattet. Die Roboter schaffen Freiräume für die Patientenversorgung und andere wichtige Tätigkeiten, indem sie per Knopfdruck Medikamente einlagern und ausgeben. Die zeitaufwendige Suche nach Artikeln in den Schubladen entfällt. Kommissionierer werden meist mit Warenwirtschaftssystemen gekoppelt, sodass sich noch größere Effekte hinsichtlich der Verwaltung von Lagerbeständen ergeben.

    Elektronische Preisauszeichnung

    Eine weitere sinnvolle Ergänzung des Warenwirtschaftssystems kann ein automatisches elektronisches Preis- und Datenmanagement sein, mit dem Sie alle Produkte mit aktuellen Preisinformationen versehen können. Die digitalen Preisschilder oder ESL (Electronic Shelf Label) ersetzen inzwischen in vielen Apotheken die Papieretiketten an den Regalen. Ein wichtiger Vorteil ist auch hier die Zeitersparnis für das Personal. Außerdem können entsprechend ausgestattete ESL Zusatzinformationen und grafische Elemente anzeigen, die die Kundenbindung stärken. Beispiele sind QR-Codes für ergänzende Produktdetails, Hinweise auf Sonderangebote, Ihr Apotheken-Logo etc.

    Virtuelle Sichtwahl

    Noch einen Schritt weiter geht die virtuelle Sichtwahl: Statt in Regalen, die per Hand bestückt, gereinigt und elektronisch oder händisch ausgezeichnet werden müssen, werden umsatzstarke Produkte auf Touchscreen-Monitoren in einer digitalen Sichtwahl präsentiert. Über diese Technologie lassen sich auch

    • Marken- und Schwerpunktregale gestalten,
    • Produkt- und Informationsinhalte nach Bedarf ändern (z. B. bei unterschiedlichen Zielgruppenschwerpunkten zu unterschiedlichen Zeiten),
    • eigene Themen sowie Aktionen unterbringen und
    • außerdem können vollautomatisch Zusatzempfehlungen abgerufen oder für den Kunden bereitgestellt werden, der sie liest, während das Medikament geholt wird.

     

    MERKE | Noch praktischer ist die Kombination mit einem Kommissionierautomaten: Verlangt der Kunde nach einem Präparat, berührt die PTA einfach den Bildschirm, löst damit die entsprechende Aktion des Kommissionierers aus und hält wenige Sekunden später das Produkt am Point of Sale in den Händen.

     

    Freiwahl-Monitore/Service-Terminals

    Für die Bestellung und Ausgabe von rezeptfreien Präparaten, Apothekenkosmetik etc. können separate Service-Terminals eingesetzt werden, an denen die Kunden per Touchscreen das Sortiment sichten oder Artikel direkt auswählen können. Der so generierte virtuelle Einkaufskorb wird dann an der Kasse ausgelagert und bereitgestellt.

    Digitale Servicekonzepte

    Seit Beginn der Coronapandemie hat sich das Einkaufsverhalten der Kunden stark in Richtung Online-Bestellungen und Lieferdienste verlagert. Auch Apotheken sind davon nicht ausgenommen. Sie tun daher gut daran, ihren Kunden sogenannte Cross-Channel-Konzepte anzubieten (siehe dazu im Detail „Die Apotheke von morgen, Teil 2: Digitale Servicekonzepte sind das A und O“, in AH 09/2021, Seite 7, Abruf-Nr. 47462064):

     

    • Click & Collect
    • Abholstationen
    • Online-Shopsysteme
    • Apotheken-Apps
    • Gesundheits-App-Beratung

    Zukunftsvisionen

    Die Ideen für die Digitalisierung der Apotheke sind unerschöpflich ‒ an einigen wird auch bereits gearbeitet:

     

    • Weitere Nutzung von KI: Mithilfe von KI werden überregionale und auch regionale epidemiologische Daten ausgewertet. Die Ergebnisse werden vom Warenwirtschaftssystem übernommen, das wiederum eine entsprechende Bevorratung auslöst.

     

    • Automatisierte 24/7-Kundenberatung: Mit textbasierten Dialogsystemen (Chatbots) wird die Patientenberatung auf Zeiten nach Ladenschluss ausgeweitet. Das kann auf Wunsch auch in Verbindung mit einem Avatar geschehen, also einer künstlichen „Person“, die beim Chat dargestellt wird. Chatbot-Systeme greifen inzwischen auf immense Datenbestände zurück und ermöglichen so intelligente Dialoge, ohne dass ein echter Mensch dahintersteht.

     

    • Mit dem 3-D-Drucker hergestellte Medikamente: In Rezepturen, die mit einem Medikamenten-3-D-Drucker ausgestattet sind, können auch in Apotheken vor Ort Arzneimittel hergestellt werden, die individuell auf die Patientenbedürfnisse zugeschnitten sind. Das erste Medikament aus einem 3-D-Drucker wurde schon 2015 in den USA zugelassen: das Epilepsiepräparat Spritam. 3-D-Drucker bieten darüber hinaus verbesserte Möglichkeiten z. B. bei der Herstellung orodispersibler Tabletten.

     

    • Auslieferung per Drohne: Mit Drohnen ist die kontaktlose Übergabe von Arzneimitteln an Patienten möglich. Erste Apotheken-Drohnenprojekte in Deutschland laufen bereits, z. B. an der Berliner Charité. Möglich macht das die EU-Drohnenverordnung, die Ende 2020 in Kraft getreten ist.

     

    FAZIT | Digitalisierung bedeutet nicht nur Erfüllung gesetzlicher Vorgaben (wie hinsichtlich der Telematikinfrastruktur), Steigerung der Effizienz (wie sie durch Kommissionierautomaten möglich ist) oder zusätzlichen Service (wie bei Click & Collect). Digitalisierung ist, sofern sie richtig inszeniert wird, auch ein erheblicher Marketingvorteil, denn mit ihrer Hilfe stellen Sie Ihre Apotheke als zeitgemäß und kundenorientiert dar. Im besten Fall entsteht eine optimale Schnittmenge aus den digitalen Vorteilen von Versandapotheken und den persönlichen Vorteilen von Präsenzapotheken, nämlich pharmazeutischer Kompetenz und Beratung, Verfügbarkeit, Sicherheit, Erreichbarkeit, Kundenbindung und Vertrauen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • „Die Apotheke von morgen, Teil 1: Digitale Anwendungen ‒ fest etabliert bis ausbaufähig“, in AH 08/2021, Seite 14
    • „Digitale Sicht- und Freiwahl: Neue Möglichkeiten der Produkt- und Apothekenpräsentation“, in AH 05/2015, Seite 3
    • „Kommissionierautomaten: Technische Helfer schenken Ihnen mehr Zeit für Ihre Kunden“ in AH 10/2013, Seite 9
    Quelle: Ausgabe 11 / 2021 | Seite 2 | ID 47462066