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  • · Fachbeitrag · Vertragsarztrecht

    KV-Zulassung entzogen, weil Arzt nicht „peinlich genau“ abrechnet

    von RA, FA für MedR und FA für StrafR Dr. Maximilian Warntjen, D + B Rechtsanwälte, Berlin, db-law.de

    | Die „peinlich genaue Abrechnung“ gehört bekanntlich zu den Grundpflichten des Vertragsarztes. Verstöße können das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen zerstören, sodass sogar die Entziehung der Zulassung gerechtfertigt ist. Denn das vertragsärztliche System lebt vom Vertrauen in eine ordnungsgemäße Abrechnung des Arztes. Wichtig ist, dass sich die Zulassungsgremien dabei auch auf bestandskräftige Entscheidungen von Plausibilitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen stützen können. Wer entsprechende Bescheide allein „um des lieben Friedens willen“ akzeptiert, kann böse Überraschungen erleben. Das zeigt eine Entscheidung des Sozialgerichts (SG) München (Urteil vom 24.10.2019, Az. S 38 KA 140/18). |

    Sachverhalt

    Der Kläger war als Allgemeinarzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und in Gemeinschaftspraxis mit seiner Ehefrau tätig.

     

    Diverse Auffälligkeiten bei Plausibilitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung

    Die Abrechnung der Praxis war Gegenstand mehrerer Plausibilitätsprüfungen der KV, da sich in einzelnen Quartalen auffällige Nettoarbeitszeiten von mehr als 80 Stunden pro Woche zeigten. Die KV forderte hierauf Honorar in Höhe von ca. 168.000 Euro zurück. Ebenso fanden Wirtschaftlichkeitsprüfungen statt, in deren Folge Regresse festgesetzt wurden.

     

    Im Ergebnis der Prüfungen wurde festgestellt, dass der Kläger die EBM-Nrn. 35100 und 35110 (psychosomatische Grundversorgung) in großem Umfang abgerechnet hatte, obgleich die Leistungen entweder nur teilweise oder sogar überhaupt nicht erbracht worden waren. Die Ehefrau des Klägers, deren entsprechende Leistungen ebenfalls zur Abrechnung gebracht worden waren, besaß gleich gar keine Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung psychosomatischer Leistungen.

     

    Strafrechtsverfahren stellt Abrechnungsbetrug fest

    Außerdem nahm sich die Staatsanwaltschaft der Sache an und leitete ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Arzt ein. Das Strafverfahren mündete in eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten wegen gewerbsmäßigem Abrechnungsbetrug bei einer Schadenssumme von knapp 190.000 Euro.

     

    Ausschuss entzieht KV-Zulassung

    Des Weiteren entzog der Zulassungsausschuss dem Arzt die vertragsärztliche Zulassung und begründete dies mit den zutage getretenen Abrechnungsverstößen, die eine „gröbliche Pflichtverletzung“ darstellten.

     

    Der Zulassungsausschuss stützte sich dabei nicht nur auf das rechtskräftige Strafurteil, sondern auch auf die bestandskräftigen Bescheide der Plausibilitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen! Zu Recht, wie das SG nun entschied.

    Entscheidungsgründe

    Das Gericht wertete insbesondere zulasten des Klägers, dass nach der Kenntnis der fehlenden Abrechnungsgenehmigung der Ehefrau die Leistungen der psychosomatischen Grundversorgung offenbar praxisintern „umgeschichtet“ wurden. Die Leistungen nach den EBM-Nrn. 35100 und 35110 stiegen in der Folge beim Arzt entsprechend an. Dies verdeutliche, so das Gericht, dass bei dem Arzt das Streben nach Honoraroptimierung im Vordergrund stehe. Insgesamt war nach Auffassung des Gerichts auf der Grundlage der Regressbescheide sogar von einer noch höheren Schadenssumme von ca. 234.000 Euro auszugehen.

    Folgen für die Praxis

    In der Konstellation, die der Entscheidung des SG München zugrunde lag, hätte es zur Rechtfertigung des Zulassungsentzugs vermutlich ausgereicht, wenn sich die Zulassungsgremien nur auf die strafgerichtliche Verurteilung gestützt hätten.

     

    Konsequenzen der KV-rechtlichen Verfahren nicht unterschätzen

    Ein zusätzliches Abstellen auf die Ergebnisse der Plausibilitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen war angesichts der massiven und vorsätzlichen Abrechnungsverstöße des dortigen Klägers nicht zwingend erforderlich.

     

    Die Entscheidung verdeutlicht aber, dass nicht erst strafrechtliche Verurteilungen, sondern bereits in KV-rechtlichen Verfahren festgestellte Abrechnungsunrichtigkeiten und/oder Unwirtschaftlichkeiten weitreichende Konsequenzen bis hin zur Zulassungsentziehung haben können.

     

    Vergleich mit der KV kann Risiken einhegen

    Diese Möglichkeit muss der Vertragsarzt in seine Überlegungen einbeziehen, wenn er vor der Frage steht, ob er einen Bescheid aus Plausibilitäts- und/oder Wirtschaftlichkeitsprüfung akzeptiert oder sich wehrt. Der Wunsch, „endlich Ruhe“ zu haben, ist zwar verständlich, es nützt aber nichts, wenn ein bestandskräftiger Bescheid anschließend unliebsame Folgeverfahren auslöst. Stattdessen sollte z. B. in Honorarrückforderungsverfahren versucht werden, einen Vergleich mit der KV zu schließen. Nimmt man in diesen Vergleich eine ausdrückliche Zusicherung der KV auf,

    • weder die Durchführung eines Disziplinarverfahrens,
    • noch die Entziehung der Zulassung zu beantragen,

     

    erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass die Angelegenheit tatsächlich mit der Honorarrückzahlung abgeschlossen ist!

     

    Aber Vorsicht | Eine absolute Sicherheit besteht nicht, denn der Zulassungsausschuss kann auch von Amts wegen tätig werden.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2020 | Seite 13 | ID 46647029