11.12.2003 · IWW-Abrufnummer 032707
Landgericht Aachen: Urteil vom 08.04.2003 – 10 O 99/02
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Aachen
IM NAMEN DES VOLKES
U R T E I
10 0 99/02
Verkündet am 08. 04. 2003
In dem Rechtsstreit
pp.
g e g e n
pp.
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen
auf die mündliche Verhandlung vom 18. Februar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Bretschneider,
den Richter am Landgericht Beenken und die
Richterin Hufer
f ü r R e c h t e r k a n n t :
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin betreibt eine Wirtschaftsberatung. Sie schloss mit der Beklagten am 13. 01. 1998 eine ?Vermittlungsgebührenvereinbarung?. Ausweislich dieser Vermittlungsgebührenvereinbarung verpflichtete sich die Beklagte für die Vermittlung eines Versicherungsvertrages zur Zahlung einer Vermittlungsgebühr. In Ziffer 1) des Vertrages heißt es:
?Für die Vermittlung des nachfolgend aufgeführten Versicherungsvertrages erhält der Handelsmakler vom Kunden eine Vermittlungsgebühr. Der Handelsmakler erhält vom Versicherungsunternehmen für die Vermittlung des Versicherungsvertrages keine Vergütung. Die vom Handelsmakler zu erbringende Leistung ist auf die Vermittlung des Versicherungsvertrages beschränkt. Eine über die Vermittlung des Versicherungsvertrages hinausgehende Beratungs- oder Betreuungspflicht ist nicht Gegenstand dieser Vereinbarung und wird vom Handelsmakler nicht geschuldet.?
Aufgrund der Vermittlung der Klägerin kam ein Versicherungsvertrag zwischen der Beklagten und dem Versicherungsunternehmen Atlanticlux zustande. Es handelt sich dabei um einen fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrag mit einer Beitragssumme von 661.989,24 DM, einer Vertrags- bzw. Zahlungsdauer von 30 Jahren sowie einen in den ersten 3 Versicherungsjahren monatlich zu zahlenden Versicherungsbeitrag von DM 566,79 bzw. ab dem 4. Versicherungsjahr monatlich zu zahlenden Versicherungsbeitrag von jeweils DM 1.980,20. Sowohl der Versicherungsvertrag als auch die Vermittlungsgebührenvereinbarung kamen aufgrund von Verhandlungen mit einem Mitarbeiter der Klägerin, einem Herrn .... zustande.
Die Beklagte ist noch jung. Sie war seinerzeit Studentin. Die monatlich fälligen Raten wurden vom Konto ihres Vaters, Herrn ...., mit dessen Einverständnis abgebucht. Die Raten wurden bis einschließlich Februar 1999 gezahlt. Der Versicherungsvertrag wurde daraufhin wegen Verzugs mit der Zahlung der Folgeprämien gekündigt.
Die Klägerin verlangt mit der vorliegenden Klage die Zahlung der Vermittlungsprovision entsprechend der Vermittlungsgebührenvereinbarung vom 13. 01. 1998 für die ersten 3 Jahre in Höhe von 18.840,53 ?.
Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 13. 05. 2002, Bl. 42 ff d. A., verwiesen.
Die Klägerin ist der Auffassung, der Anspruch auf Zahlung von Maklerprovision bestehe unabhängig von der Kündigung des Versicherungsvertrages. Sie meint, § 2 der Vermittlungsgebührenvereinbarung sei eindeutig, der Anspruch betreffe die Gebühr für 3 Jahre. Sie behauptet, die Beklagte sei durch ihren Mitarbeiter .... nicht falsch beraten worden. Sie behauptet ferner, sie sei nicht als Versicherungsmakler, sondern lediglich als Handelsmakler tätig geworden. Als Handelsmakler sei sie aber nicht verpflichtet, den Vertragspartner besonders aufzuklären.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 18.840,53 ? nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz hieraus ab dem 01. 04. 2001 sowie 5,11 ? vorgerichtliche Mahnauslagen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, sie sei als Studentin mit der Erfüllung des Vertrages völlig überfordert gewesen. Nach Zahlungseinstellung sei der Vertrag auch storniert worden. Sie ist der Auffassung, der Vermittlungsgebührenanspruch hänge von den Beitragszahlungen der Versicherungsprämien ab. Da der Versicherungsvertrag storniert worden sei, bestehe auch kein Anspruch auf Zahlung von Maklerlohn. Sie trägt vor, sie habe lediglich als ?Strohfrau? fungiert und fungieren sollen und sei auch nicht über die Folgen der eigenen Inanspruchnahme aufgeklärt worden; insoweit liege eine Falschberatung seitens der Klägerin vor.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von Maklerlohn aus § 652 BGB zu. Zwar ist aufgrund der Vermittlungsgebührenvereinbarung vom 13. 01. 1998 ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von Maklerlohn entstanden. Gleichzeitig steht der Beklagten gegen die Klägerin jedoch ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung des Maklervertrages zu, der die Beklagte gemäß § 249 BGB berechtigt, so gestellt zu werden, als wäre der Versicherungsvertrag nicht zustande gekommen. Das bedeutet, gemäß § 652 BGB wäre dann die Maklerprovision wegen Nichtzustandekommen des Hauptvertrages nicht angefallen, so dass die Beklagte damit Befreiung von der Provisionspflicht verlangen kann.
Ausgangspunkt für das Bestehen des Schadensersatzanspruchs der Beklagten ist der Pflichtenkreis, den die Rechtsprechung dem Versicherungsmakler auferlegt (vgl. grundlegend: BGHZ 94, 356 ?Sachwalterurteil?): Der Versicherungsmakler ist danach treuhänderischer Sachwalter des Versicherungsnehmers. Er hat als Vertrauter und Berater den passenden Versicherungsvertrag auszuwählen und den Versicherungsnehmer umfassend zu beraten (vgl. auch OLG München VersR. 2001, 459; OLG Hamm VersR. 2001, 583, 584; OLG Düsseldorf VersR. 2000, 54; Römer/Langheid, VVG, § 43 Rdnr. 3; Kollhosser in: Prölss/Martin VVG, 26. Aufl., Anhang zu §§ 43 ? 48 Rdnrn. 4 f.; Benkel/Reusch VersR 1992, 1302, 1306 f.). Voraussetzung für die Anlegung dieses Haftungsmaßstabs ist, dass die Klägerin als Versicherungsmakler anzusehen ist. Unter Verweis auf Ziffer 1 der Vermittlungsgebührenvereinbarung meint die Klägerin, sie sei nur ?Handelsmakler?. Das vermag im Ergebnis allerdings nichts an der rechtlichen Einordnung des Vertrages als Versicherungsmaklervertrag zu ändern.
Der Versicherungsmakler ist nämlich Handelsmakler im Sinne der §§ 93 ff. HGB (vgl. von Hoyningen-Huene in: Münchner Kommentar zum HGB, § 93 Rdnr. 9; Kollhosser a. a. O. Rdnr. 1; Benkel/Reusch a. a. O. Seite 1304). Die Abgrenzung erfolgt nicht zwischen dem Versicherungsmakler und dem Handelsmakler, sondern entweder zwischen dem Versicherungsmakler und dem Versicherungsagenten oder innerhalb des Kreises der Versicherungsmakler zwischen dem Handelsmakler einerseits und dem Zivilmakler andererseits (vgl. BGH a. a. O. Seite 359; Kollhosser a. a. O. Rdnr. 1; von Hoyningen-Huene a. a. O.; Benkel/Reusch a. a. O. Seite 1303 f.). Wenn die Klägerin also unstreitig Handelsmakler ist und Gegenstand des Vertrages ebenfalls unstreitig die Vermittlung von Versicherungsverträgen ist, ist sie notwendiger Weise Versicherungsmakler.
Allerdings handelt es sich vorliegend nicht um das typische Versicherungsmaklerverhältnis, das durch eine dauerhafte Betreuung gekennzeichnet ist. Aus der erwähnten Rechtsprechung und Literatur wird jedoch deutlich, dass der Ausgangspunkt für die ?Sachwalterhaftung? zwar der Charakter des Geschäftsbesorgungsvertrages ist (vgl. Benkel/Reusch a. a. O. Seite 1305 m. w. N.), die Haftung des Versicherungsmaklers wird gleichwohl an dessen Stellung als solche geknüpft, also ohne dass im Einzelfall zusätzliche Merkmale, insbesondere eine dauernde Betreuung als tatbestandliche Voraussetzung erfüllt sein müsste (Zinnert VersR. 2000, 399, 401 nimmt sogar einen Fall von Richterrecht an). Das bedeutet, die Klägerin kann sich nicht darauf stützen, dass der Vertrag nur auf einmalige Vermittlung gerichtet war.
Jedenfalls bei der Vermittlung des hier in Rede stehenden Vertrages musste die Klägerin die typischen Pflichten des Versicherungsmaklers erfüllen. Von einer Pflichtverletzung ? die allerdings die Beklagte nachzuweisen hat (vgl. OLG Hamm VersR. 2001, 583, 584; NJW ? RR 1999, 217, 218 f.; a. A. Zinnert a. a. O. Seite 401) ? ist hier auszugehen. Der Versicherungsvertrag war für die Beklagte nämlich objektiv ungeeignet. Sie war Studentin und verfügte nur über ein geringes Monatseinkommen. Sie war nicht in der Lage, die monatlich fälligen Zahlungen in Höhe von insgesamt 2.000,-- DM aus eigenen Einkünften zu leisten. Es ist nicht ersichtlich, dass der Abschluss einer Lebensversicherung über 661.989,24 DM in irgend einer Weise den Verhältnissen der Beklagten gerecht wurde.
Die Klägerin bestreitet zwar halbherzig den Vortrag der Beklagten zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, das ist hier aber zu pauschal und damit im Ergebnis unwirksam. Wenn nach materiellem Recht die Pflicht besteht, den individuell bestehenden Versicherungsschutz zu besorgen, muss die Klägerin auch die Vermögensverhältnisse der Beklagten kennen. Dann ist aber prozessual ein qualifiziertes Bestreiten erforderlich. Die Beklagte hat im einzelnen zu ihrem Einkommen vorgetragen, die Klägerin hätte nun ihrerseits darlegen müssen, welches denn nun nach ihren Kenntnissen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beklagten sein sollen. Das hat die Klägerin nicht getan.
Der Vortrag der Klägerin zur Erfüllung der Beratungspflicht ist unzureichend. Es genügt gerade nicht, auf die Höhe der Versicherungsleistungen und der Verpflichtungen des Versicherungsnehmers hinzuweisen. Die Klägerin hätte vielmehr die Beklagte vor dem Abschluss des Vertrages warnen müssen. Sie hätte darauf hinweisen müssen, dass der Versicherungsvertrag im Hinblick auf die Vermögens- und Einkommensverhältnisse für die Beklagte völlig ungeeignet ist.
Die Klägerin kann auch nicht der Umstand entlasten, dass die Beklagte lediglich als Strohfrau vorgeschoben wurde und im Hintergrund der Vater und der Onkel standen, die zahlen sollten. Aufgrund dieser Umstände hätte erst recht vor den Gefahren gewarnt werden müssen.
Steht die Pflichtverletzung ? wie vorliegend - fest, ist es Sache des Versicherungsmaklers nachzuweisen, dass sich der Kunde trotz ordnungsgemäßer Beratung über den Rat hinweggesetzt hätte (vgl. OLG Hamm a. a. O.; BGH a. a. O. Seite 363). Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen.
Die Haftung der Klägerin ist auch nicht durch die Regelung in Ziffer 1) der Vermittlungsgebührenvereinbarung ausgeschlossen. Satz 4 der vertraglichen Bestimmung (?eine über die Vermittlung des Versicherungsvertrages hinausgehende Beratungs- oder Betreuungspflicht ist nicht Gegenstand dieser Vereinbarung und wird vom Handelsmakler nicht geschuldet?) ist keine Leistungsbeschreibung im Sinne von § 8 AGBG, die einer Inhaltskontrolle nicht unterworfen wäre. Die Beratungspflicht ist vielmehr dem Vertrag ohne weiteres immanent. Die Klausel läuft daher auf eine völlige Freizeichnung von der Haftung für Falschberatung hinaus. Das ist in jedem Fall ein Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG, da es sich bei den Beratungspflichten um sogenannte ?Kardinalpflichten? handelt (vgl. Werber VersR. 1996, 917, 922; Kollhosser a. a. O. Rdnr. 11; Benkel/Reusch a. a. O. Seite 1318).
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
Streitwert: 18.840,53 ?