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  • 05.07.2011 · IWW-Abrufnummer 112228

    Sozialgericht Berlin: Urteil vom 20.04.2011 – S 71 KA 632/09

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    S 71 KA 632/09
    Tenor:
    Der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2009 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger hinsichtlich der Zuweisung des Regelleistungsvolumens für das Quartal I/2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.

    Tatbestand
    Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Zuweisung eines höheren Regelleistungsvolumens (RLV) für das Quartal I/2009.

    Der Kläger nimmt seit dem 1. März 2000 als Facharzt für Innere Medizin im Verwaltungsbezirk C-W an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 wies ihm die Beklagte für das Quartal I/2009 ein RLV in Höhe von 21.233,30 Euro zu.

    Hiergegen legte der Kläger über seinen Verfahrensbevollmächtigten mit am 29. Dezember 2008 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben Widerspruch ein. Seiner Praxis drohe ein erheblicher Honorarverlust, da das festgelegte RLV um knapp 30% unter dem bisherigen Individualbudget liege. Maßgebliche Leistungen, die der Vertragsarzt außerhalb des RLV erbringen könne, würden ausweislich der Anlage 2 zum Bescheid nicht vorliegen. Daher werde eine Ausnahme- bzw. Härtefallregelung zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten beantragt. Des Weiteren habe nach § 87 b Absatz 5 Satz 1, 2. Halbsatz Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die erstmalige Zuweisung des RLV zum 30. November 2008 zu erfolgen. Ihm sei sein neues RLV mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 und entsprechend verzögertem Posteingang zugewiesen worden. Als Konsequenz regele § 87 b Absatz 5 SGB V, dass, wenn ein RLV nicht rechtzeitig vor Beginn des Geltungszeitraumes zugewiesen werden könne, das bisherige dem Arzt oder der Arztpraxis zugewiesene RLV vorläufig fort gelte. Da die Regelleistungsvolumina das bisherige Individualbudget ersetzen würden, sei im Rahmen der gebotenen Auslegung und Schließung einer terminologischen Rechtslücke anzunehmen, dass jedenfalls das bisherige Honorarvolumen vorläufig fortzuzahlen sei. Bereits aus diesem Grunde verbiete sich eine Kürzung der Abschlagszahlungen. Dem Bescheid über die Erteilung des RLV für das Quartal I/2009 könne zudem nicht entnommen werden, warum Leistungen, die früher außerhalb des Individualbudgets vergütet worden seien, nun innerhalb des RLV lägen. Es sei auch nicht erkennbar, wie der Fallwert für die Fachgruppe zustande gekommen sei. Die Richtigkeit der Berechnung werde ausdrücklich angezweifelt, zumal in anderen Bezirken der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) abweichende Fallwerte ermittelt worden seien. Der im streitigen Bescheid festgesetzte Arztgruppenfallwert passe nicht auf seine hochspezialisierte Praxis mit dem Schwerpunkt "metabolisches Syndrom". Die Patientinnen und Patienten mit entsprechender Erkrankung würden einen hohen diagnostischen und therapeutischen Aufwand erfordern. Hinsichtlich des Trennungsfaktors habe die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mittels Vorstandsrichtlinie eine zu Gunsten der Hausärzte abweichende Regelung verkündet, obwohl der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27. August 2008 die Berechnung des Trennungsfaktors abschließend geregelt habe. Dieser Regelung der KBV - der Beigeladenen - sei die Beklagte gefolgt. Nach der Vorgabe des Bewertungsausschusses sei die Trennung auf Basis der gezahlten Honorare 2007 abzüglich der Leistungen des Kapitels 3.2 durchzuführen. Die KBV-Richtlinie sehe eine Trennung auf der Basis der gezahlten Honorare 2007 abzüglich der Leistungen des Kapitels 3.2. sowie der extrabudgetären Leistungen vor. Die Vorgabe des Bewertungsausschusses sei verbindlich und könne weder durch die KBV noch auf lokaler Ebene durch die zuständige KV geändert werden.

    Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Beschluss vom 25. August 2009 bzw. ausgefertigten Bescheid vom 26. August 2009 zurück. Die Anwendung der Regelungen bei der Berechnung des RLV für das Quartal I/2009 sei nicht zu beanstanden. Dies gelte insbesondere für die Festsetzung des Trennungsfaktors bei der Berechnung des RLV-Vergütungsvolumens für den haus- und den fachärztlichen Bereich. Maßgeblich für die Berechnung des Trennungsfaktors seien gemäß Anlage 2 zu Teil F des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung vom 27./28. August 2008 die versorgungsbereichsspezifischen Anteile des entsprechenden Vergütungsvolumens des Jahres 2007 ohne die antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen des Kapitels 35.2 des EBM unter Berücksichtigung der Anpassungen des EBM 2008. Die hierzu auf der Grundlage des § 75 Absatz 7 Nr. 1 SGB V ergangene Vorstandsrichtlinie der KBV vom 25. November 2008 definiere zu Teil F unter Nr. 14 dieses Vergütungsvolumen. Demnach handele es sich hierbei um das zur Auszahlung gelangte Honorar für dem RLV-Vergütungsvolumen unterliegende Leistungen, unter Berücksichtigung der Anpassungen des EBM 2008 und nach Abzug der antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen des Kapitels 35.2 des EBM. Weitere über die Vorgaben des Erweiterten Bewertungsausschusses hinaus regional vereinbarte Leistungen würden bei der Berechnung der haus- und fachärztlichen Vergütungsvolumina des Jahres 2007 außer Betracht bleiben. Die von der Beigeladenen vorgenommene Interpretation des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses sei zulässig und für sie - die Beklagte - im Interesse einer bundeseinheitlichen Rechtsanwendung bindend. Die Beigeladene habe den ihr gemäß § 75 Absatz 7 Nr. 1 SGB V zustehenden Kompetenzrahmen nicht überschritten. Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 enthalte weiterhin keine ausdrückliche Regelung zur Frage der Berücksichtigung von Honorarvolumina für Leistungen, die nicht dem RLV-Vergütungsvolumen unterliegen bzw. außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung vereinbart werden. Für die Berechnung des Trennungsfaktors sei diesbezüglich jedoch eine Festlegung zu treffen gewesen. Die Beigeladene habe dies im Rahmen der ihr zustehenden Kompetenzen getan. Sie hätte ihren Zuständigkeitsrahmen im Sinne des § 75 SGB V für den Erlass von Richtlinien nur dann überschritten, wenn sie einen Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses in einer Weise ausgelegt hätte, die mit dem Sinn und Zweck des Beschlusses nicht vereinbar wäre bzw. von einer ausdrücklichen Regelung oder der Systematik in nicht vertretbarer Weise abweichen würde. Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 lasse jedoch systematisch eine Interpretation dahingehend zu, dass Honorarvolumina für solche Leistungen außer Betracht bleiben, die nicht dem RLV-Vergütungsvolumen unterliegen bzw. außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung vereinbart werden. Zutreffend sei zwar, dass die Zuteilung des RLV für das Quartal I/2009 erst mit Bescheid vom 19. Dezember 2008 erfolgt sei. Die in § 87 b Absatz 5 SGB V geregelte Rechtsfolge bei einer verspäteten Mitteilung des RLV könne hier aber nicht zum Tragen kommen. Das Gesetz bestimme, dass in diesen Fällen das bisher geltende RLV fortwirke. Vorliegend handele es sich jedoch um die erstmalige Zuordnung des RLV, da diese erst zum 1. Januar 2009 eingeführt worden seien. Insofern fehle es an einem "bisherigen" RLV, das ersatzweise zugeordnet werden könne. Auch eine Verletzung des Transparenzgebotes könne nicht festgestellt werden. Die Art und Höhe der außerhalb des RLV zu vergütenden Leistungen sei den hierzu ergangenen Beschlüssen des Bewertungsausschusses zu entnehmen und stelle überdies keine Einzelfallregelung dar, so dass sie auch nicht Bestandteil des streitigen Verwaltungsaktes sei. Im Übrigen sei der Rechenweg anhand der dem streitbefangenen Bescheid beigefügten Anlage 1 nachvollziehbar. Die festgestellten Werte beruhten auf der Honorarfestsetzung des Klägers für das Quartal I/2008 (arztindividuelle Fallzahl, Morbiditätsfaktor) und ließen sich zum Beispiel anhand der Rechnungszusammenstellung für dieses Quartal leicht auf ihre Richtigkeit überprüfen. Arztgruppenfallwert und -fallzahl seien das Resultat eines komplexen Rechenwegs. Dass dieser nicht vollständig dargestellt sei, stehe der Rechtmäßigkeit des streitbefangenen Bescheides nicht entgegen.

    Am 14. September 2009 erhob der Kläger über seinen damaligen Prozessbevollmächtigten Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Seien die Fallzahl und der Morbiditätsfaktor durch seine Abrechnung des entsprechenden Vorjahresquartals zumindest ansatzweise nachvollziehbar, so gelte dies indes nicht für die Berechnung des Fallwertes. Dessen Berechnung sei völlig intransparent. Dem Vertragsarzt müsste zumindest das Finanzvolumen innerhalb seiner Fachgruppe mit dem entsprechenden Zahlenwerk vorliegen, um so den von der Beklagten ermittelten Fallwert nachvollziehen zu können.

    Der Kläger beantragt,

    den Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2009 aufzuheben und

    die Beklagte zu verpflichten, ihn hinsichtlich der Zuweisung des Regelleistungsvolumens für das Quartal I/2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend führt sie aus, ausweislich Teil F Ziffern 1 - 4 der Anlage 2 zum Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses aus seiner Sitzung vom 27./28. August 2008 werde zur Berechnung des arztgruppenspezifischen Fallwertes das Vergütungsvolumen, das für die RLV der jeweiligen Arztgruppe innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zur Verfügung stehe, durch die RLV-relevanten Fallzahlen der Arztgruppe im Vorjahresquartal dividiert. Das Ergebnis sei der arztgruppenspezifische Fallwert, der im Quartal I/2009 für die Arztgruppe des Klägers bei 43,78 Euro liege. Soweit der Kläger die unterschiedliche Höhe der Fallwerte in seiner Arztgruppe in den Quartalen I/2009 bis I/2010 bemängele, verkenne er, dass die RLV gemäß Teil B § 5 der Anlage 1 zum Honorarvertrag 2009 der Beklagten für jedes Abrechnungsquartal neu ermittelt würden. Aufgrund des unterschiedlichen Vergütungsvolumens pro Quartal, das für die RLV der jeweiligen Arztgruppe innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zur Verfügung stehe und der nicht in jedem Quartal gleichen Fallzahlen der Arztgruppe könne der Fallwert nicht in jedem Quartal identisch sein. Ein Verstoß gegen das Begründungserfordernis des § 35 SGB X liege nicht vor. In Teil F Ziffer 1-4 der Anlage 2 zum Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 seien die Berechnung des Fallwertes sowie die entsprechenden Berechnungsschritte konkret dargelegt. Die diese Berechnungsformeln ausfüllenden konkreten Beträge seien im Honorarverteilungsausschuss, in dem auch Ärztevertreter säßen, ausführlich besprochen worden. Zudem seien sie Berufsverbänden auf entsprechende Anforderung hin umfassend dargelegt worden. Auch vorliegend habe sich die Beklagte mehrfach bereit erklärt, Verständnisschwierigkeiten des Klägers in einem (er)klärenden Gespräch auszuräumen.

    Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie schließt sich der Auffassung der Beklagten an und geht davon aus, dass sich die Richtlinien in dem durch den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 vorgegebenen Rahmen bewegen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung waren, Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe
    Die zulässige Klage ist begründet.

    Der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Festsetzung des RLV für das Quartal I/2009 ist vorliegend in formeller Hinsicht zu beanstanden.

    Das Gesetz bestimmt in § 87 b Absatz 2 SGB V, dass für jedes Quartal ein arzt- bzw. praxisbezogenes RLV festzulegen ist. Ein RLV ist die von dem Arzt oder der Arztpraxis in einem Quartal abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87 a Absatz 2 SGB V enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist. Die das RLV überschreitende Leistungsmenge wird mit abgestaffelten Preisen vergütet. Die Ermittlung des arztindividuellen RLV erfolgt in drei Schritten, an denen unterschiedliche Akteure beteiligt sind und von denen die ersten beiden Schritte normative Akte darstellen, während der dritte die verwaltungsmäßige Umsetzung betrifft.

    Im ersten Schritt hat der Bewertungsausschuss das Verfahren zur Berechnung und Anpassung der RLV zu bestimmen (§ 87 b Absatz 4 Satz 1). Diese Vorgabe hat der Erweiterte Bewertungsausschuss in Teil F Anlage 2 seines Beschlusses vom 27./28. August 2008 (DÄ 2008, S. A 1995 f. - mit Änderungen durch Beschluss vom 20. April 2009, DÄ 2009, S. A 943 ff.) umgesetzt und dort ein detailliertes Berechnungsverfahren vorgegeben.

    In einem zweiten Schritt haben die Vertragspartner auf regionaler Ebene - also die Kassenärztliche Vereinigung, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen - gemeinsam gemäß den Vorgaben des Bewertungsausschusses nach § 87 b Abs. 4 Sätze 1 und 2 unter Verwendung der erforderlichen regionalen Daten die für die Zuweisung der RLV nach § 87 b Absatz 5 konkret anzuwendende Berechnungsformel festzustellen (§ 87 b Absatz 4 Satz 3). Die Feststellung, die auf Kassenseite einheitlich ("gemeinsam") - das heißt kassenartenübergreifend - zu treffen ist, hat erstmalig bis zum 15. November 2008 und danach jeweils bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres zu erfolgen.

    Im dritten Schritt hat die zuständige Kassenärztliche Vereinigung anhand der Berechnungsformel die arztindividuellen RLV zu ermitteln und dem Arzt bzw. der Arztpraxis zuzuweisen (§ 87 b Absatz 5 Satz 1, Halbsatz 1).

    Konkret errechnet sich das arztindividuelle RLV wie folgt: zunächst ist anhand der im Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 (Anlage 2 zu Teil F Nr. 1, DÄ 2008, S. A-1995) festgelegten Berechnungsformel - getrennt nach hausärztlichem und fachärztlichem Versorgungsbereich - das "vorläufige RLV-Vergütungsvolumen" zu ermitteln, sodann aus diesem unter Vornahme vorgegebener Abzüge (insbesondere für abgestaffelte Leistungen, erwartete Zahlungen für Neupraxen, für Ärzte und Einrichtungen, die kein RLV erhalten, sowie der Vergütungen des Jahres 2007 für bestimmte Leistungen, im hausärztlichen Bereich auch für zu erwartende Zahlungen für Qualitätszuschläge) das jeweilige RLV-Vergütungsvolumen eines Versorgungsbereichs (Nr. 2). Gemäß der unter der Nr. 3 vorgegebenen Formel ist sodann der arztgruppenspezifische Anteil hieran zu berechnen, sodann gemäß der Nr. 4 der arztgruppenspezifische Fallwert. Die Multiplikation dieses Fallwertes mit der Fallzahl des Arztes (Nr. 5) sowie eine morbiditätsbezogene Differenzierung nach Altersklassen gemäß der unter Nr. 6 aufgeführten Formel ergibt dann unter Anwendung der konkreten (regionalen) Berechnungsformel das arztindividuelle RLV. § 87 b Absatz 5 bestimmt die der Kassenärztlichen Vereinigung im Zusammenhang mit den RLV zustehenden Befugnisse bzw. die ihr obliegenden Aufgaben. Insbesondere obliegt ihr gemäß § 87 b Absatz 5 Satz 1 Halbsatz 1 die Zuweisung der RLV an den Arzt oder die Arztpraxis. Dies beinhaltet, dass die jeweils örtlich zuständige Kassenärztliche Vereinigung das sich aus der regionalen Berechnungsformel ergebende arztindividuelle RLV zu ermitteln und dem einzelnen Vertragsarzt bzw. der Arztpraxis mitzuteilen hat. Zugleich hat sie dem Arzt bzw. der Arztpraxis auch die Leistungen, die außerhalb der RLV vergütet werden, sowie die jeweils für ihn geltenden regionalen Preise mitzuteilen.

    Übertragen auf das vorliegend für das Quartal I/2009 zugewiesene Regelleistungsvolumen bedeutet dies:

    Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 steht in Einklang mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, §§ 87 ff SGB V (vgl. Sozialgericht Marburg, Urteil vom 6. Oktober 2010, S 11 KA 340/09, veröffentlicht in [...]). Dies wird auch durch den Kläger nicht in Abrede gestellt. Auch der von der Beklagten zugrunde gelegte Morbiditätsfaktor wird weder grundlegend angezweifelt, noch ergeben sich für die Kammer Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit. Ebenso wenig ergeben sich Bedenken gegen den Trennungsfaktor zwischen haus- und fachärztlichem Bereich. Die Berechnung des Trennungsfaktors hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden ausführlich dargestellt, so dass die Kammer gemäß § 136 Absatz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht und auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten Bezug nimmt.

    Nicht erkennbar ist indes, wie der Fallwert für die Fachgruppe des Klägers sowie die arztgruppenspezifische Fallzahl zustande gekommen sind. Die Kammer erachtet den Beschluss der Beklagten insoweit für nicht ausreichend begründet im Sinne des § 35 Absatz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), so dass der Bescheid formell rechtswidrig ist. Nach der genannten Vorschrift ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen (Satz 1). In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (Satz 2). 35 Absatz 1 SGB X verlangt nicht, schriftliche Verwaltungsakte in allen Einzelheiten zu begründen. Vielmehr sind dem Betroffenen nur die wesentlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Dabei richten sich Inhalt und Umfang der notwendigen Begründung nach den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets und nach den Umständen des einzelnen Falles. Die Begründung braucht sich nicht ausdrücklich mit allen in Betracht kommenden Umständen und Einzelüberlegungen auseinander zu setzen. Es reicht aus, wenn dem Betroffenen die Gründe der Entscheidung in solcher Weise und in solchem Umfang bekannt gegeben werden, dass er seine Rechte sachgemäß wahrnehmen kann. Die Verwaltung darf sich deshalb auf die Angabe der maßgebend tragenden Erwägungen beschränken und braucht Gesichtspunkte und Umstände, die auf der Hand liegen oder dem Betroffenen bekannt sind, nicht nochmals ausführlich zu erörtern. Die Anforderungen an die Darlegungen und Berechnungen dürfen nicht überspannt werden. Dies gilt insbesondere auch bei Bescheiden auf dem Gebiet des Vertragsarztrechts. Denn bei ihnen kommt dem Umstand Bedeutung zu, dass sie sich an einen sachkundigen Personenkreis richten, der mit den Voraussetzungen grundsätzlich vertraut ist bzw. zu dessen Pflichten es gehört, über die rechtlichen Grundlagen des Vertragsarztwesens Bescheid zu wissen. Das erlaubt es der Kassenärztlichen Vereinigung, Kenntnisse, welche von ihr regelmäßig durch Rundschreiben oder anderweitige Veröffentlichungen unter allen Vertragsärzten verbreitet werden, vorauszusetzen und die Begründung ihrer Bescheide hierauf einzustellen. So hat es das Bundessozialgericht nicht für erforderlich gehalten, dass etwa eine Kassenärztliche Vereinigung alle für die Festlegung einer Honorarbegrenzungsmaßnahme wesentlichen Umstände, Zahlen und Beträge im Einzelnen im Bescheid aufführt; es reicht vielmehr aus, wenn sich der für die Berechnung maßgebliche Rechenvorgang aus dem Honorarverteilungsmaßstab ergibt. Die Anforderungen an die Darlegungen und Berechnungen dürfen nicht überspannt werden. Es genügt, wenn die betroffenen Beteiligten die Entscheidung nachprüfen können und in die Lage versetzt werden, ihre Rechte sachgerecht wahrzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - B 6 KA 44/03 R - SozR 4-2500 § 72 Nr. 2 = BSGE 94, 50 = Breithaupt 2005, 817, zitiert nach [...], Rn. 32 f.). Auf der anderen Seite ist die gerichtliche Überprüfung in besonderer Weise davon abhängig, dass der Beklagte die tatsächlichen und rechtlichen Gründe sowie die Gesichtspunkte angibt, die für seine Entscheidung maßgebend gewesen sind (BSG, Urteil vom 21. Mai 1984, 6 RKa 21/82, bei [...] Rn. 18).

    Gemessen an diesen Vorgaben ist der angegriffene Bescheid - soweit die Berechnung des Fallwertes und der Fallzahl der Arztgruppe betroffen sind - nicht ausreichend begründet. Denn die Angaben, die der einzelne Vertragsarzt benötigt, um seine Rechte wahrnehmen zu können, sind nicht enthalten. Der einzelne Vertragsarzt kann seine Rechte nur dann wahrnehmen, wenn er zumindest die Berechnungen des Fallwertes und der Fallzahl nachvollziehen kann. Die zur Berechnung der Fallwerte benötigten Angaben bezeichnet die Anlage 2 zum Teil F des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008. Die Berechnung des arztgruppenspezifischen Fallwertes erfolgt nach den Vorgaben der dortigen Nr. 4: Danach wird der arztgruppenspezifische Fallwert ermittelt, indem der arztgruppenspezifische Anteil am RLV-Vergütungsvolumen durch die arztgruppenspezifische Fallzahl dividiert wird. Bei der arztgruppenspezifischen Fallzahl handelt es sich um die Anzahl der kurativ-ambulanten Arztfälle der Arztgruppe im Vorjahresquartal. Diese sind indes weder dem Bescheid noch anderen Veröffentlichungen der Beklagten zu entnehmen. Der arztgruppenspezifische Anteil am RLV-Vergütungsvolumen berechnet sich, nach Nr. 3 der Anlage 2 zum Teil F des Beschlusses vom 27./28. August 2008, als Anteil am RLV-Vergütungsvolumen des Versorgungsbereichs. Die Höhe des Anteils entspricht - vereinfacht dargestellt - dem Anteil des Leistungsbedarfs der Arztgruppe am Leistungsbedarf des Versorgungsbereichs, jeweils in Punkten im Jahr 2007. Im vorliegenden Fall müsste also der in Punkten bemessene Leistungsbedarf des hausärztlichen und fachärztlichen Versorgungsbereichs im Jahr 2007 bekannt sein. Dieser wird indes weder in den angegriffenen Bescheiden noch in anderen Veröffentlichungen der Beklagten genannt. Die Beklagte hätte in den angefochtenen Bescheiden zumindest darstellen müssen, wie viel Gesamtvergütung für das betreffende Quartal zur Verfügung steht, wie die Gesamtvergütung auf die Haus- und Fachärzte aufgeteilt wird, welche prozentuale Beteiligung die einzelnen Facharztgruppen an dem Facharzttopf haben und welche Vorwegabzüge getätigt wurden bzw. ggf. in welchen Bereichen - soweit sich entsprechendes nicht bereits aus Rundschreiben oder anderen, unter allen Vertragsärzten verbreiteten Veröffentlichungen ergibt. Dass letzteres der Fall wäre, ist weder von der Beklagten vorgetragen, noch ersichtlich. Werden entsprechende Angaben dem Kläger nicht zugänglich gemacht, so bleibt ihm die Möglichkeit verwehrt, die Berechnung des Fallwertes nachzuvollziehen und ggf. im Einzelnen angreifen zu können. Auch das Gericht kann die Berechnung des Fallwertes ohne die Darstellung einzelner Berechnungselemente und Rechenschritte nicht nachvollziehen. Diese Beschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Klägers infolge unzureichender Begründung zieht die Rechtswidrigkeit des Bescheides nach sich. Die Beklagte wird bei der Neubescheidung des Klägers entsprechende substantiierte Angaben zur Berechnung des Fallwertes nachholen müssen. Eine entsprechende Begründungspflicht kann nicht dadurch ersetzt werden, dass die die Berechnungsformeln ausfüllenden konkreten Beträge im Honorarverteilungsausschuss, in dem auch Ärztevertreter sitzen, besprochen worden sind und Darlegungen der Beklagten auf entsprechende Anforderung hin gegenüber den Berufsverbänden erfolgten und vorliegend auch dem Kläger angeboten worden waren. Mündliche Erläuterungen sind zum einen bereits nicht gerichtlich überprüfbar; zudem ist es dem Kläger nicht zuzumuten, auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs in der Erwartung zu verzichten, die von ihm angezweifelten Berechnungen würden ihm gegenüber schon nachvollziehbar mündlich erläutert werden können. Vielmehr müssen sich die wesentlichen Berechnungselemente und -schritte schon aus dem Bescheid selbst ergeben oder sich jedenfalls aus dem Adressatenkreis allgemein zugänglichen schriftlichen Quellen entnehmen lassen. Die Beklagte ist indes - entgegen dem Vorbringen des Klägers aus dem Verwaltungsverfahren - nicht gehalten, im Rahmen der Zuweisung des RLV für das Quartal I/2009 etwaige Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen. Der Antrag auf Anerkennung von Praxisbesonderheiten wurde von der Beklagten durch Bescheid vom 6. Juli 2009 abgelehnt, gegen den der Kläger Widerspruch eingelegt hatte. Dieser Antrag ist also Gegenstand eines anderen Verfahrens. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich ein Anspruch auf Zuweisung eines höheren RLV für das Quartal I/2009 auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass die Beklagte die Zuweisung des RLV entgegen der Vorschrift des § 87 b Absatz 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V erst mit Bescheid vom 19. Dezember 2008 vorgenommen hatte. Die Zuweisung der RLV wie auch die Mitteilung der maßgeblichen Preise hat erstmalig zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des RLV zu erfolgen (§ 87 b Absatz 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V). Durch die gesetzlichen Fristen wird sichergestellt, dass das RLV dem Arzt bzw. der Arztpraxis jeweils vorab bekannt gemacht wird, so dass er Kalkulationssicherheit erhält (FraktE GKV-WSG, BT-Drucksache 16/3100 S. 126 zu § 85 b Abs. 4 = M 016 S. 88). Kann ein RLV nicht rechtzeitig vor Beginn des Geltungszeitraums zugewiesen werden, gilt das bisherige dem Arzt oder der Arztpraxis zugewiesene RLV vorläufig fort (§ 87 b Abs. 5 Satz 4). Hierdurch soll eine kontinuierliche Geltung des Mengensteuerungsinstruments gewährleistet werden (FraktE GKV-WSG, BT-Drucksache 16/3100 S. 126 zu § 85 b Abs. 6 = M 016 S. 89). Dies bedeutet aber auch, dass ein gegebenenfalls zu hohes (fortgeltendes) RLV nicht nachträglich korrigiert werden darf. Hinsichtlich der erstmaligen Zuweisung von RLV stellt sich das Problem, dass es ein "bisheriges" zugewiesenes RLV nicht gibt, jedenfalls kein auf § 87 b beruhendes. Im Schrifttum wird hierzu vertreten, dass es insoweit gerechtfertigt sein dürfte, die bisherigen, ebenfalls als RLV ausgestalteten Budgetierungsregelungen fortgelten zu lassen (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V Kommentar § 87 b Rn. 83). Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an. Wird dem Vertragsarzt ein RLV erst nach dem in § 87 b Absatz 5 Satz 1 Halbsatz 2 bestimmten Zeitpunkt zugewiesen, kann das RLV seine gesetzlich gewollte Aufgabe, dem Vertragsarzt Kalkulationssicherheit zu gewähren, nicht mehr voll erfüllen. Somit müssten bisherige, ebenfalls als RLV ausgestaltete Budgetierungsregelungen im Quartal I/2009 fortgelten, datiert doch der Bescheid über die Zuweisung des RLV für das Quartal I/2009 erst auf den 19. Dezember 2008. Eine Fortgeltung der im Quartal IV/2008 geltenden Budgetierungsregelung im Quartal I/2009 kann jedoch angesichts des eindeutigen Wortlautes des § 87 b Absatz 5 Satz 4 SGB V nur dann in Betracht kommen, wenn diese einem RLV zumindest vergleichbar waren. Eine solche Vergleichbarkeit ist hier indes nicht gegeben, so dass auch - trotz der verspäteten Zuweisung des RLV - ein Rückgriff auf im Vorquartal geltende Budgetierungsregelungen ausscheidet und dieses Versäumnis der Beklagten im Ergebnis sanktionslos bleibt: Die bis zum Quartal IV/2008 geltenden Honorarverteilungsregelungen im Sinne von Individualbudgets entsprachen nicht den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V zur Einführung von RLV. Kernpunkt dieser Bestimmung sind zwei Vorgaben, nämlich die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte und fester Punktwerte, - und gemäß § 85 Absatz 4 Satz 8 SGB V kommt hinzu, dass für die darüber hinaus gehenden Leistungsmengen abgestaffelte Punktwerte vorzusehen sind. Indes ergab sich unter dem Regime der Individualbudgets der Punktwert für den einzelnen Arzt aus dem Honorarvolumen für die Arztgruppe dividiert durch die Summe der den Ärzten der Gruppe zuerkannten Punktzahlen. Somit hing die Höhe des Punktwertes davon ab, wie sich das Verhältnis zwischen dem Honorarvolumen für die Arztgruppe zu der Summe der den Ärzten der Gruppe zuerkannten Punktzahlen verhielt: Je nachdem, ob diese von den Ärzten abgerechnete Punktmenge größer oder kleiner war, errechnete sich ein geringerer oder höherer Punktwert. Somit war ein sogenannter floatender Punktwert nach Maßgabe des der Arztgruppe zugeordneten Honorarvolumens vorgegeben. Dieser stand in Widerspruch zu der Vorgabe fester Punktwerte in der Regelung des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V. Zudem fehlten in den bis zum Quartal IV/2008 geltenden Honorarverteilungsregelungen auf der Grundlage von Individualbudgets auch arztgruppenspezifische Festlegungen. Das Merkmal arztgruppenspezifischer Grenzwerte im Sinne des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB erfordert, dass in die Regelung jedenfalls auch ein Element arztgruppeneinheitlicher Festlegung einfließt. Hierfür reicht nicht aus, dass jeder Arztgruppe ein gemeinschaftliches Honorarkontingent zugeordnet ist. Vielmehr müsste die Regelung zum Beispiel jedenfalls auf arztgruppeneinheitlichen Fallpunktzahlen aufbauen, und zwar dergestalt, dass eine arztgruppeneinheitliche Festlegung nur bei den Fallpunktzahlen vorgegeben wird und deren Multiplikation mit den individuellen Behandlungsfallzahlen dann zu praxisindividuellen Grenzwerten führt. Bei der Bemessung des Individualbudgets auf der Grundlage der Honorarverteilungsregelungen der Beklagten war die Arztgruppenzugehörigkeit des jeweiligen Arztes jedoch unbeachtlich. Fehlt es den Individualbudgets an den nach dem Wortlaut des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V erforderlichen, das Wesen der RLV bestimmenden, Regelungen - feste Punktwerte und arztgruppenspezifische Grenzwerte - so kann trotz eines Verstoßes der Beklagten gegen § 87 b Absatz 5 Satz 1, 2. Halbsatz (erstmalige Zuweisung der RLV zum 30. November 2008) kein Rückgriff auf die im Vorquartal gültige Budgetierungsregelung im Sinne des § 87 b Absatz 5 Satz 4 SGB V erfolgen.

    Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 Teilsatz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 154 Absatz 1, Absatz 3, 162 Absatz 3 der Verwaltungsgerichtordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie keinen eigenen Antrag gestellt und somit kein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist.

    RechtsgebieteSGB V, SGB XVorschriften§ 87 b Abs. 2 SGB V § 35 Abs. 1 SGB X § 85 Abs. 4 S. 7 SGB V § 87b Abs. 5 S. 1 Hs. 2 SGB V