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  • · Fachbeitrag · Interview mit Dr. med. Kristina Spöhrer

    „PVS-Messenger kommt bei den Patienten gut an!“

    | Um die ambulante Versorgung zu verbessern und Praxisteams zu entlasten, will die schwarz-rote Koalition das Primärarztsystem einführen. Im Zuge dessen schlägt der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, eine „smarte Patientensteuerung“ vor. Wie kann die Digitalisierung Hausarztpraxen dabei unterstützen? Diese und andere Fragen beantwortet Dr. med. Kristina Spöhrer, niedergelassene Allgemeinmedizinerin in Winsen (Luhe), Mitglied im Vorstand des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes (HAEV) und Sprecherin der Arbeitsgruppe (AG) Digitales im HAEV. Das Interview führte Ursula Katthöfer ( textwiese.com ). |

     

    Frage: Das Primärarztsystem kommt, Patienten werden sich vermehrt an ihren Hausarzt wenden. Welche Tools zur Praxisorganisation wären für die ArztPraxen sinnvoll?

     

    Antwort: Zunächst einmal halte ich ein verbindliches Primärarztsystem für sehr wichtig, um der Zersplitterung im Gesundheitswesen etwas entgegenzusetzen. Heute haben wir große Reibungsverluste. Deshalb werden Patienten schlechter behandelt als es sein müsste. In unserer Praxis bieten wir daher so oft wie möglich Hausarztzentrierte Versorgungsverträge an. Dort ist das hausärztliche Primärarztsystem ja bereits umgesetzt. Weil die Patientinnen und Patienten in einem Primärarztsystem fest an die Praxis gebunden sind, wird die Organisation eher einfacher als schwerer. Es ist beispielsweise leichter, Tools wie digitale Kalender mit Online-Terminbuchung zu implementieren, da die Patienten in der Praxis bekannt sind.

     

    Frage: Aber in einer Hausarztpraxis lässt sich kaum planen, wie viele Patienten an einem Tag mit welchen Beschwerden kommen. Wie lässt sich das auffangen?

     

    Antwort: Ein gutes Beispiel ist die Online-Terminbuchung, die unser PVS anbietet. Das hilft uns sehr, unsere Tage besser zu strukturieren. Wir blockieren Slots für Akuttermine, die die Patienten buchen können. Auch die Infektionssprechstunde ist online buchbar, um das Team bei Telefonaten zu entlasten. Natürlich müssen wir auch improvisieren. Wir planen den Kalender so, dass wir reagieren können.

     

    Frage: Wie nehmen die Patienten die Online-Terminbuchung an?

     

    Antwort: Gut. Unsere Klientel ist gemischt, einige telefonieren lieber. Sie freuen sich, dass die Praxis telefonisch besser erreichbar ist, seitdem andere Patienten ihre Termine online buchen. Grundsätzlich erlebe ich, dass die Patienten für digitale Lösungen offener sind als noch vor einigen Jahren. Das wird sich fortsetzen.

     

    Frage: Ließe sich auch ein Telefonat zur Ersteinschätzung, das bisher oft durch eine MFA geführt wird, digital ersetzen?

     

    Antwort: Unser Versuch mit einem digitalen Telefonassistenten hat nicht gut funktioniert, weil wir die Auswahl der Anliegen nicht an unsere Praxis anpassen konnten. Auch rätselte die Software oft, welcher Medikamentenname gemeint sein könnte. Patienten riefen mehrfach an, weil sie mit der Kommunikation nicht zurechtkamen. Um den Assistenten anpassen zu lassen, mussten wir immer wieder mit dem Hersteller sprechen, das war sehr nervig. Deutlich bessere Erfahrungen machen wir mit dem Messenger, den unser PVS anbietet und der daher tief in die Software integriert ist. Ihn nutzen unsere Patienten gern zur Rezeptbestellung. Der Messenger vereinfacht den Prozess sehr, insbesondere, wenn wir Mediziner das Medikament bereits einmal verordnet haben und es im Medikationsplan steht. Diese Art der Rezeptbestellung verhindert auch Versehen wie eine falsche Dosierung. Für den Messenger müssen die Patienten sich eine App herunterladen, die wir über einen direkt generierten QR-Code mit der Praxis verknüpfen.

     

    Frage: Jede Arztpraxis ist ein betriebswirtschaftlich handelndes Unternehmen. Welche Tools empfehlen Sie zum Praxiscontrolling?

     

    Antwort: Kontrollen bei der Abrechnung sind unerlässlich. Wichtig ist, dass die Praxen diese nach ihren Bedürfnissen im PVS einrichten können. So lassen sich zum Beispiel Pop-ups einstellen, wann der nächste Gesundheits-Check-up bei einem Patienten möglich wäre. Stößt das System eine Ultraschalluntersuchung an, muss es auch fragen, ob die Leistung abgerechnet wurde. Geschieht dies nicht, bekommen wir eine Fehlermeldung. Solche Kontrollmöglichkeiten sind enorm wichtig, da es unter Zeitdruck leicht passieren kann, dass Ziffern nicht abgerechnet werden, obwohl die Leistung erbracht wurde. Die Tools unterstützen auch bei Versorgungsaspekten, beispielsweise wenn sie die Abrechnungsdaten durchsehen und die Impfquoten der eigenen Praxis mit anderen vergleichen. Liegt die eigene Impfrate unter dem Durchschnitt, kann mit dem Team über eine andere Herangehensweise gesprochen werden. Soll ein Recallsystem eingeführt werden oder ist es besser, die Patienten aktiver anzusprechen?

     

    Frage: Die AG Digitales des HAEV hat zur Künstlichen Intelligenz (KI) in der Hausarztpraxis ein Positionspapier geschrieben. Welche Voraussetzungen muss eine Praxis schaffen, um KI sicher und effizient nutzen zu können?

     

    Antwort: Ich würde den Spieß umdrehen: Welche Voraussetzungen muss KI mitbringen, damit wir sie sinnvoll nutzen können? KI kann nur gut sein, wenn sie eine valide Datenbasis hat. Darauf müssen wir uns in der Medizin verlassen können. Deshalb brauchen wir Transparenz und Evaluationen der KI. Stimmt die Datenbasis, kann KI uns z.B. dabei unterstützen, große Datenmengen in Leitlinien nach Informationen zu besonderen Symptomen oder Interaktionen zu durchforsten. Außerdem kann die KI natürlich auch Daten, die beispielsweise von Wearables erhoben werden, analysieren und im Zweifel Alarm schlagen. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz ist das zum Beispiel sehr gut möglich. Dafür müssen dann allerdings auch bestimmte Parameter klar definiert werden. Eine häufig genannte Möglichkeit ist, Arzt-Patienten-Gespräche zu transkribieren. Die Idee ist gut, aber an diesem Beispiel zeigen sich auch gewisse Grenzen, die es aktuell noch gibt. Gerade bei emotionalen Gesprächen kann KI nicht alles dokumentieren. Es sind wichtige Informationen, ob ein Patient weint oder bedrückt wirkt. Auch da werden wir sehen, wo KI sinnvoll ist. Die Anwendungsfelder sind schier endlos.

     

    Frage: Was erwarten Sie von den PVS-Herstellern, um KI nutzen zu können?

     

    Antwort: Wichtig sind endlich offene Schnittstellen. Zurzeit schnüren die Hersteller gerne Pakete, in denen ihre Software mit einzelnen Tools fest verknüpft ist. Für die Praxis ist es dann häufig unmöglich, Alternativen einzubinden. Sie sind an das gekettet, was die Hersteller ihnen vorsetzten. Praxen agieren jedoch unterschiedlich. Daher braucht es dringend die Möglichkeit, individuelle Lösungen zu integrieren. Mit offenen Schnittstellen könnten wir neue Tools ausprobieren, um zu entscheiden, was für die eigene Praxis am besten passt. Das wäre eine große Erleichterung. Denn in Zukunft werden wir eher mehr als weniger Software haben.

     

    Weiterführende Hinweise

    Quelle: ID 50405631