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  • · Fachbeitrag · Hausarzt-EBM

    Die neue Gesprächsleistung - Nur Ärger und Frust

    | Neben der Neuregelung des Chronikerzuschlags erhitzt auch die neu eingeführte hausärztliche Gesprächsleistung die Gemüter. Die Kritik entzündet sich zum einen an der Formulierung der Leistungslegende, zum anderen an der Mengenbegrenzung im EBM. |

    Alter Wein in (schlechten) neuen Schläuchen

    Die hausärztliche Gesprächsleistung im EBM ist nicht neu: Im alten bis 31. März 2005 gültigen EBM konnte das hausärztliche Gespräch mit der Nr. 10 abgerechnet werden, ab 1. April 2005 im EBM 2000plus bis zur Einbeziehung in die Versichertenpauschale zum 1. Januar 2008 mit der Nr. 03120 - jeweils zeitgetaktet je vollendete 10 Minuten berechnungsfähig. Zwischen der früheren EBM-Nr. 03120 und der jetzigen Gesprächsziffer Nr. 03230 gibt es jedoch zwei wesentliche Unterschiede: Das Budget und den „Zusammenhang mit einer lebensverändernden Erkrankung“.

    Gesprächsanlass „lebensverändernd“

    Die Leistungslegende der alten EBM-Nr. 03120 lautete: „Beratung, Erörterung und/oder Abklärung“. Weitere Voraussetzungen bezogen auf die Art der Erkrankung und Gesprächsführung waren nicht definiert. Die Leistungslegende der neuen Nr. 03230 lautet demgegenüber „Problemorientiertes ärztliches Gespräch im Zusammenhang mit einer lebensverändernden Erkrankung“.

     

    Problemorientiert ist jedes Gespräch mit einem Patienten über seine Erkrankung. Auf diesen Zusatz hätte der Bewertungsausschuss verzichten können.

    Viel gravierender ist jedoch die Einschränkung der Berechnung der Nr. 03230 auf eine „lebensverändernde Erkrankung“.

     

    Es steht außer Frage, dass nicht jede Erkrankung lebensverändernd ist, eine Schürfwunde beispielsweise sicher nicht. Ob eine Erkrankung lebensverändernd ist oder nicht, hängt neben der Schwere der Erkrankung auch von den persönlichen Lebensumständen des Patienten ab. Eine Erkrankung mit geringem Krankheitswert kann insofern sehr wohl unter Berücksichtigung der familiären, beruflichen und sozialen Situation des Patienten lebensverändernd sein. Wie bei der Chronikerpauschale, die ebenfalls das Vorliegen einer lebensverändernden Erkrankung voraussetzt (die zusätzlich chronisch = lang andauernd sein muss), hat der Arzt folglich einen relativ großen Beurteilungsspielraum (lesen Sie dazu AAA 08/2013, Seite 13).

    Das Gesprächsbudget

    Das zweite Ärgernis ist die Mengenbegrenzung durch das EBM-Budget für die Nr. 03230. Nach Nr. 10 der Präambel zum Kapitel 03 beträgt dieses Budget 45 Punkte multipliziert mit der Zahl der Behandlungsfälle der Praxis.

     

    Als Fall für dieses Gesprächsbudget zählen alle Behandlungsfälle der Praxis, auch Behandlungsfälle, in denen beispielsweise lediglich der Verwaltungskomplex Nr. 01430 oder die Bereitschaftspauschale Nr. 01435 berechnet wird. Ausgenommen von der Fallzählung für dieses Budget sind lediglich

     

    • Notfälle im organisierten Not(-fall)dienst (Muster 19),

     

    • Überweisungsfälle zur Durchführung ausschließlich von Probenuntersuchungen oder zur Befundung von dokumentierten Untersuchungsergebnissen,

     

    • Behandlungsfälle, in denen ausschließlich Kostenerstattungen des Kapitels 40 berechnet werden sowie

     

    • stationäre (belegärztliche) Behandlungsfälle.

     

    Im Ergebnis bedeutet dies, dass maximal für jeden zweiten Behandlungsfall eine Gesprächsleistung zur Verfügung steht.

     

    • Beispiel

    Im Quartal 4/2013 reicht Hausarzt Meier 800 für die Fallzählung des Gesprächsbudgets relevante Behandlungsfälle ein. Sein „Gesprächsbudget“ beträgt 36.000 Punkte (800 Behandlungsfälle multipliziert mit 45 Punkten) bzw. 3.600 Euro. Wie Hausarzt Meier diese umgerechnet maximal 400 Gespräche bei seinen Patienten erbringt - bei einzelnen Patienten mehrfache Berechnung der Nr. 03230, bei anderen keine - ist unerheblich.

     

    Die Verfahrensweise bei Budgetüberschreitung

    Der Hausarzt-EBM enthielt in seiner ursprünglichen Fassung keine Regelung, wie im Falle der Überschreitung dieses Gesprächsbudgets zu verfahren ist. Drei KVen, nämlich Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen hatten daher in ihren regionalen Honorarverteilungsmaßstäben bestimmt, dass auch die über das Budget hinaus abgerechneten Gespräche vergütet werden (AAA 11/2013, Seite 1).

     

    Dieses „Schlupfloch“ hat der Bewertungsausschuss am 18. Dezember 2013 geschlossen, indem er Nr. 10 der Präambel zum Kapitel 03 dahingehend ergänzt hat, dass über das berechnete Punktzahlvolumen hinausgehende Gespräche nicht vergütet werden.

     

    Die KV Baden-Württemberg sah sich deshalb gezwungen, das Gesprächsbudget ab Quartal 1/2014 gemäß dem EBM anzuwenden. Es ist davon auszugehen, dass die KVen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen folgen werden.

     

    Die Umsetzung des Gesprächsbudgets bei Überschreitung erfolgt, indem das Budget dem abgerechneten Punktzahlvolumen für Gesprächsleistungen gegenübergestellt und eine Vergütungsquote für alle abgerechneten Gesprächsleistungen ermittelt wird.

     

    • Beispiel (Fortsetzung)

    Hausarzt Meier hat im Quartal 4/2013 in seinen 800 Behandlungsfällen 500 Gesprächsleistungen nach der Nr. 03230, somit insgesamt 45.000 Punkte (500 Behandlungsfälle multipliziert mit 90 Punkten) bzw. 4.500 Euro abgerechnet. Er überschreitet sein Gesprächsbudget um 9.000 Punkte bzw. 25 Prozent. In der Abrechnung werden nun alle abgerechneten Gesprächsleistungen nur zu 80 Prozent berücksichtigt (Budget 36.000 Punkte/abgerechnete Leistungen 45.000 Punkte). Der Wert seiner Gesprächsleistung nach Nr. 03230 beträgt damit statt 90 Punkte nur 72 Punkte.

     

    Die KBV begründet die Budgetierung wie folgt: „Gesprächsleistungen hat es in früheren Versionen des EBM schon gegeben. Die Erfahrungen haben allerdings gezeigt, dass Gespräche dann zum Teil unplausibel häufig abgerechnet wurden. Das Kontingent soll diese Ausweitung der Gesprächsleistung zulasten aller Ärzte verhindern.“

     

    Angesichts der Tatsache, dass in den meisten KVen auch für Gesprächsleistungen Regelungen zur Mengenbegrenzung gelten (überwiegend Bestandteil des RLV bzw. eines Gesamtbudgets - lesen Sie hierzu AAA 10/2013, Seite 6), führt dies zu einer Doppelbudgetierung (Budget innerhalb eines Budgets).

     

    Für implausible oder unwirtschaftliche Abrechnungen stehen jedoch genügend andere Instrumente zur Verfügung. Zudem berücksichtigt dieses für alle Hausarztpraxen gleich hohe (niedrige) Budget nicht die Unterschiede in der Patienten- und Praxisstruktur und den daraus resultierenden unterschiedlichen Gesprächsbedarf. Die Abrechnungsfrequenzen der früheren Nr. 03120 zeigen, dass gerade für Hausarztpraxen mit vielen chronisch kranken Patienten oder auch für diabetologische Schwerpunktpraxen dieses Budget nicht ausreichend bemessen ist.

     

    FAZIT | Es ist nur konsequent, dass die Forderungen von Nachbesserungen des Hausarzt-EBM auch den Verzicht auf die Einschränkung „lebensverändernde Erkrankung“ und die Aufhebung des Gesprächsbudgets beinhalten (lesen Sie dazu auch AAA 01/2014, Seite 3).

     

    Es bleibt abzuwarten, ob sich KBV und Krankenkassen in den nächsten Wochen im Bewertungsausschuss auf entsprechende Änderungen verständigen können.

    Wir halten Sie wie immer auf dem Laufenden!

     

    Weiterführende Hinweise

    • Chronikerpauschalen und Gesprächsleistung: Wann ist welche Erkrankung „lebensverändernd“? (AAA 08/2013, Seite 13)
    • Gesprächsleistung - In diesen KVen gilt kein Budget (AAA 11/2013, Seite 1)
    • KBV-Forderungen auf Nachbesserung zum Teil umgesetzt (AAA 01/2014, Seite 4)
    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 2 | ID 42539109