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  • 06.08.2008 | Privatliquidation

    Arzt und Kostenträger: Abrechnungsmodalitäten bei der Bundespolizei

    von Dr. med. Bernhard Kleinken, PVS Consult, Köln

    Bei der Abrechnung gegenüber Angehörigen der Bundespolizei (BPOL, ehemals Bundesgrenzschutz) sind die Regelungen sehr verschachtelt und unterschiedlich. Nachfolgend ein Überblick.  

    Freie Heilfürsorge oder privat?

    Die meisten Patienten, die Angehörige der Bundespolizei sind, haben gegenüber ihrem Dienstherrn einen Anspruch auf sogenannte „freie Heilfürsorge“. Danach übernimmt der Dienstherr die Kosten der Krankenversorgung im Rahmen eines Sachleistungsprinzips. Die Sicherstellung der Versorgung erfolgt auf Grundlage des Vertrages der KBV mit dem Bundesministerium des Innern (PVB-Vertrag). Die Abrechnung unterscheidet sich jedoch erheblich von der bei normalen GKV-Patienten. Den PVB-Vertrag finden Sie unter www.iww.de, myIWW unter „Gesetze/Richtlinien/Verordnungen“.  

     

    Ein (kleinerer) Teil der Patienten fällt nicht unter die freie Heilfürsorge. Dies sind zum Beispiel Beamte der Besoldungsgruppe A8 und höher. Diese sind „semiprivate“ Patienten, bei denen die Abrechnung zwar nach GOÄ, aber nicht gegenüber dem Patienten, sondern dem Dienstherrn erfolgt. Solche Patienten können zum Beispiel auch Nicht-Vertragsärzte und im Krankenhaus Wahlleistungen in Anspruch nehmen.  

     

    Zudem sind weitere Besonderheiten zu beachten. Diese ergeben sich vor allem aus dem Abkommen der Bundesärztekammer und ärztlicher Verbände mit dem Bundesministerium des Innern. Dieses Abkommen von 1999 finden Sie unter www.iww.de, myIWW unter „Gesetze/Richtlinien/Verordnungen“. Das Abkommen ist allerdings in Überarbeitung und wird möglicherweise noch in diesem Jahr neu gefasst. Wir werden dann berichten.  

     

    Außerdem ist es bei diesen Patienten für den Arzt nicht rechtsverbindlich. Zur Rechtsverbindlichkeit für den Arzt bedarf es der Annahme einer vom Patienten vorgelegten Kostenübernahmeerklärung der Bundespolizei durch den Arzt. Praktisch hat diese Wahlfreiheit des Arztes aber keine große Bedeutung. Wer will schon den eingeschränkt privaten Patienten, wenn auch mit eingeschränkten Liquidationsmöglichkeiten, verprellen?  

     

    Inanspruchnahme freie Heilfürsorge im Sachleistungsprinzip

    Durch den PVB-Vertrag sind Vertragsärzte gebunden. Nicht-Vertragsärzte können auf Antrag der Bundespolizei von der KV ermächtigt werden. Die Inanspruchnahme des Arztes erfolgt grundsätzlich nur auf Überweisung des Polizeiarztes. Der Patient legt vor Beginn der Behandlung einen vom Polizeiarzt unterschriebenen „Überweisungs- und Abrechnungsschein“ vor. Er ist auf das laufende Quartal befristet. Die Gültigkeit kann aber auch beschränkt werden. Für jedes neu beginnende Quartal muss der Schein erneuert werden. Achten Sie also auf die Unterschrift des Polizeiarztes und die Gültigkeitsdauer!  

     

    Der Überweisungsschein kann in besonderen Fällen (Unfall, akute schwere Erkrankung, standortferne Behandlung) auch innerhalb von vier Wochen nachgereicht werden. Erst danach ist der Arzt berechtigt, eine Privatabrechnung vorzunehmen.  

    Abrechnung bei Freier Heilfürsorge

    Abgerechnet werden die „Bundespolizei-Fälle“ im Normalfall über die KV nach der E-GO. Gegebenenfalls bestehende regionale Absprachen sind zu beachten. Für Einzelverträge von Ärzten mit der BPOL können abweichende Regelungen gelten.  

     

    Überweisungs- oder Zielauftrag

    Für den Überweisungs- oder Zielauftrag rechnet der Arzt die entsprechende(n) Position(en) zuzüglich der Konsultationspauschale Nr. 01436 EBM ab. Sind die zu erbringenden Leistungen in einer der Grundpauschalen des EBM aufgegangen (im Anhang 1 des EBM), so kann einmal im Quartal die volle (!) Grundpauschale berechnet werden.  

     

    Berichte und Befunde

    Die unkommentierte Mitteilung eines Befundes ist nicht gesondert berechnungsfähig. Ist ein Bericht oder Arztbrief erforderlich, kann dieser berechnet werden (Nr. 01600). Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dürfen nicht ausgestellt werden, wohl aber Bescheinigungen über die Erkrankung und Reise(un)fähigkeit (mit Diagnose). Diese können auf dem AU-Vordruck gegeben werden und sind nach der Nr. 01430 berechenbar. Hier gilt die besondere Abrechenbarkeit weiter (im Gegensatz zum GKV-Bereich). Bei Auftragsleistungen können schriftliche Mitteilungen (Nrn. 01600 und 01601) nur nach Anforderung berechnet werden bzw. wenn sie im Nachhinein begründet werden können.  

    Verordnung bei Freier Heilfürsorge

    Sprechstundenbedarf ist dem (Ersatzkassen-) Bestand zu entnehmen. Arznei- und Verbandmittel, Heil- und Hilfsmittel können grundsätzlich nur vom Polizeiarzt verordnet werden. Der in Anspruch genommene Arzt gibt dem Polizeiarzt eine formlose Verordnungsempfehlung. Hierfür dürfen allerdings keine Rezept- oder Verordnungsvordrucke verwendet werden.  

     

    In Notfällen oder wenn der Polizeiarzt nicht erreichbar ist, können für Arznei- und Verbandmittel normale Rezeptvordrucke benutzt werden. Festbetragsregelungen sind zu beachten. Dabei sind Name, Vorname, Geburtsdatum, Dienststelle des Patienten, der Vermerk „Gebührpflicht“ sowie gegebenenfalls die Kennzeichnungen „Unfall“ und „noctu“ einzutragen. Der Vermerk „Notfall“ darf nicht fehlen. Fehlt dieser oder kann der Notfall im Nachhinein nicht nachgewiesen werden, kann der Arzt regresspflichtig gemacht werden. Informieren Sie Ihr Praxispersonal entsprechend.  

    Umfang des Auftrags

    Der in Anspruch genommene Arzt ist an den Überweisungsauftrag des Polizeiarztes gebunden. Hält der Arzt weitere Leistungen für nötig, erfordert das einen weiteren Überweisungsschein. Ausnahmen gelten nur für die Notfall- und Akutversorgung, die dann aber auf das für die Akutversorgung Notwendige zu beschränken ist. Dies gilt auch für die Weiter- oder Mitbehandlung durch andere Ärzte. Klären Sie den Leistungsumfang in dringenden Fällen mit dem Polizeiarzt telefonisch.  

     

    Im PVB-Vertrag ist unter anderem vorgesehen, dass Polizeiärzte Fach-Vertragsärzte oder Ärzte mit besonderen Teilgebiets- oder Zusatzbezeichnungen aus arbeitsmedizinischen oder fürsorgeärztlichen Gründen und Gründen zur Ausführung von Konsiliar- und Auftragsleistungen in Anspruch nehmen dürfen. Insbesondere bei arbeitsmedizinischen Fragestellungen können dabei Leistungen, die bei normalen GKV-Patienten IGeL sind (zum Beispiel zur Feststellung der Eignung für eine bestimmte Tätigkeit) zu vertragsärztlichen Leistungen „mutieren“. Tipp: Achten Sie darauf, dass dann dem Patienten keine GOÄ-Rechnung ausgestellt wird, sondern dass auf Basis der E-GO abgerechnet wird (siehe oben).  

     

    Musterungen

    Vertragsärzte können auch im Rahmen einer Musterung herangezogen werden. Hierfür gelten besondere Vordrucke. Der Auftrag bezieht sich aber nur auf das für die Musterung Notwendige.  

     

    Praxistipp: Wird anlässlich der im Rahmen der Musterung angeforderten Leistungen eine abklärungs- oder behandlungsbedürftige Erkrankung festgestellt, so hat die Abklärung bzw. Behandlung zu Lasten der Krankenversicherung des Patienten zu erfolgen.  

    Angehörige von Bundespolizei-Beamten

    Der Versorgungsanspruch gilt nur für den Polizeibeamten selbst. Angehörige sind entweder GKV-versichert oder beihilfeberechtigte Privatpatienten.  

    Andere Polizisten

    Auch andere Polizisten als die der Bundespolizei haben Anspruch auf freie Heilfürsorge. Die entsprechenden Verträge werden jedoch auf regionaler Ebene mit den jeweiligen KVen geschlossen. Diese können vom PVB-Vertrag abweichen. Zu unterscheiden sind vollständige Sicherstellungsaufträge (vergleichbar mit der GKV-Versorgung) und teilweise Sicherstellungsaufträge (vergleichbar dem PVB-Vertrag). Erkundigen Sie sich gegebenenfalls bei Ihrer KV über die geltenden Regelungen.  

    Überweisungsverfahren bei „Semi-Privatpatienten“

    Auch bei diesen Patienten ist der Arzt durch die Annahme der Kostenübernahmeerklärung an den darin angeführten Überweisungsumfang gebunden. Hinsichtlich weiterer, vom Arzt für notwendig erachteter Untersuchungen oder Behandlungen oder Überweisungen an andere Ärzte sowie für Notfallbehandlungen gilt dasselbe im Rahmen der freien Heilfürsorge. Auch hier ist die Gültigkeitsdauer der Übernahmeerklärung auf das laufende Quartal begrenzt, sofern keine abweichende Laufzeit auf der Erklärung vermerkt ist. In Notfällen ist die Frist zum Nachreichen der Kostenübernahmerklärung aber nur eine statt vier Wochen.  

     

    Praxistipp: Lassen Sie die Personalien des Patienten (mit Heimat- und Standortanschrift und telefonischer Erreichbarkeit ) genau aufnehmen. Nur so kann gegebenenfalls innerhalb der Wochenfrist geklärt werden, ob nicht doch eine Privatliquidation normal nach der GOÄ erfolgen soll.  

     

    Nach Abschluss der Untersuchung/Behandlung schickt der Arzt die zweite Ausfertigung der Kostenübernahmerklärung zusammen mit dem erforderlichen Bericht oder Gutachten an den Polizeiarzt. Je nach Umfang und Ausführung können dafür die Nrn. 70, 75, 80 oder 85 GOÄ berechnet werden.  

     

    Praxistipp: Der Polizeiarzt kann festlegen, was für eine Art Bericht er wünscht. Achten Sie gegebenenfalls darauf.  

    Verordnung außerhalb der freien Heilfürsorge

    Verordnungen erfolgen durch den Polizeiarzt. Ist dies nicht möglich (Notfall oder der Polizeiarzt ist nicht erreichbar), kann der Arzt eigene Rezepte ausstellen. Diese müssen jedoch als zu Lasten der (jeweiligen) Bundespolizeidirektion gekennzeichnet sein. Die übrigen Angaben entsprechen denen in der freien Heilfürsorge. Heil- und Hilfsmittel können nur empfohlen werden. Alternativ zur Rezeptausstellung in Notfällen kann der Arzt das Medikament oder den Verband aushändigen und nach § 10 GOÄ als Auslagen berechnen.  

    Abrechnung außerhalb der freien Heilfürsorge

    Die Abrechnung der in Anspruch genommenen Leistungen erfolgt zwar nach GOÄ, aber zu vorgegebenen Sätzen und nicht gegenüber dem Patienten, sondern dem ärztlichen Dienst der in der Kostenübernahmeerklärung angegebenen Bundespolizeidirektion. Der Rechnung ist die Kostenübernahmeerklärung beizufügen.  

     

    Zuzahlungen vom Patienten zu verlangen, ist unzulässig.  

     

    Die Steigerungsfaktoren

    In der Abrechnung ist der Arzt an die GOÄ-Steigerungssätze der Vereinbarung „Inanspruchnahme ziviler Ärzte“ Bundesärztekammer e.a./Bundesinnenministerium gebunden. Somit gelten bei ambulanten Leistungen folgende Faktorerhöhungen:  

     

    • 2,0-fach für sogenannte ärztliche Leistungen (normal nach GOÄ 2,3-fach);
    • 1,1-fach für die Abschnitte A, E und O der GOÄ (normal nach GOÄ 1,8-fach);
    • 1,0-fach Abschnitt M der GOÄ (normal nach GOÄ 1,15-fach).

     

    Hinzu kommt gegebenenfalls der Auslagenersatz nach § 10 GOÄ.  

    Umsatzsteuerpflichtige Leistungen

    Auftragsleistungen können – auch wenn es sich hier um vertragsärztliche Leistungen handelt – umsatzsteuerpflichtig sein (Beispiel: Audiometrie oder Sehschärfenbestimmung für Kfz-Tauglichkeit). In diesem Fall stempelt der Polizeiarzt den Überweisungsschein mit „Umsatzsteuerpflichtige Leistung“. Dann rechnet der Arzt seine Leistungen grundsätzlich nicht über die KV, sondern direkt gegenüber dem Kostenträger ab (im Regelfall über die Abrechnungsstelle in Sankt Augustin).  

     

    Dies tritt aber nur dann ein, wenn der Arzt selbst umsatzsteuerpflichtig ist. Fällt er unter die Kleinunternehmerregelung des Umsatzsteuer-Gesetzes, wird doch über die KV abgerechnet. Als Kleinunternehmer gelten Unternehmer bzw Freiberufler, deren Umsatz im vorangegangenen Jahr einen Betrag von 17.500 Euro nicht überstiegen hat und deren Umsatz im laufenden Jahr 50.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird. Beide Voraussetzungen müssen gegeben sein.  

     

    Bei Umsatzsteuerpflicht des Arztes ermittelt der Arzt den Nettobetrag, indem er den EBM-Punktwert der Ersatzkassen des ersten Quartals des Vorjahres zugrunde legt.  

    Quelle: Ausgabe 08 / 2008 | Seite 10 | ID 120957