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  • 05.08.2009 | Off-Label-Use

    Methylphenidat bei Erwachsenen?
    BSG bleibt bei Off-Label-Use restriktiv

    von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Gerhard Nitz, Dierks + Bohle Rechtsanwälte, Berlin

    In der Vergangenheit wurden zulassungsüberschreitende Verordnungen von Arzneimitteln (sogenannter Off-Label-Use) immer wieder zur Regressfalle für Ärzte. Dabei stellt sich die Frage nach dem Off-Label-Use nicht nur bei seltenen Krankheitsbildern, sondern auch immer wieder bei vergleichsweise häufigen Krankheiten. Während manch ein Off-Label-Use offenbar unstreitig zulässig ist - zum Beispiel Clopidogrel bei akutem Koronarsyndrom -, sind andere typische Off-Label-Konstellationen von den Gerichten immer wieder abgelehnt worden. Am Beispiel der Verordnung von Methylphenidat bei Erwachsenen zur Behandlung von ADS/ADHS bestätigte das Bundessozialgericht (BSG) nun aktuell seinen restriktiven Kurs (Urteil vom 30. Juni 2009, Az: B 1 KR 5/09 R). Wie dieses Urteil im Gesamtzusammenhang mit der Off-Label-Rechtsprechung zu sehen ist und welche Konsequenzen Sie daraus ziehen sollten, erfahren Sie in diesem Beitrag.  

    Rechtsrahmen des Off-Label-Use

    Zur Erinnerung: Seit ungefähr zehn Jahren postuliert die Rechtsprechung, dass die Leistungsvoraussetzungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Arzneitherapien im Falle eines Off-Label-Use in der Regel nicht erfüllt sind, weil mit der fehlenden Zulassung für die konkret betroffene Indikation regelmäßig einhergehe, dass die Behandlung nicht auf der Grundlage der evidenzbasierten Medizin hinreichend evaluiert und sicher ist. Da aber insbesondere in der Pädiatrie und der Onkologie ein unabweisbares Bedürfnis für einen Off-Label-Use besteht, weil Zulassungen für sämtliche Indikationen unrealistisch sind, lässt die Rechtsprechung einen Off-Label-Use ausnahmsweise zu, wenn es  

     

    1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht,
    2. keine andere Therapie verfügbar ist und
    3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.

     

    Damit Letzteres angenommen werden kann, müssen Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Davon kann ausgegangen werden, wenn entweder  

    • die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder

     

    • außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.“ (BSG vom 19.3.02, Az: B 1 KR 37/00 R)