01.01.2006 | Fallbeispiel
Refluxösophagitis: Diagnose, Therapie und Abrechnung
Weihnachtszeit und Jahreswechsel – das ist ein Zeitraum, in dem viele Menschen Belastungen ausgesetzt sind, die auf Magen und Darm schlagen können. Zum einen ist da der Weihnachtstrubel, den so mancher als stressig empfindet; zum anderen wird auch gern dem Alkohol und Nikotin mehr zugesprochen als sonst üblich und die vielen verführerischen Köstlichkeiten während der Festtage tun ein Übriges dazu, dass Magen und Darm unter Dauerbelastung steht! Da kann es schon mal vorkommen, dass Magensäure zurück in die Speiseröhre fließt und sich die gereizte Schleimhaut in der Speiseröhre dann durch Sodbrennen bemerkbar macht.
Sodbrennen ist weit verbreitet. Mit dem Begriff „gastroösophageale Refluxösophagitis“ werden all jene Symptome zusammengefasst, die durch die Einwirkung des sauren Magensaftes auf die Ösophagusschleimhaut hervorgerufen werden. Etwa 50 bis 60 Prozent der Bundesbürger leiden darunter und etwa 10 Prozent haben eine behandlungsbedürftige Refluxkrankheit. Nach epidemiologischen Erhebungen haben Refluxerkrankungen der Speiseröhre in den letzten Jahren extrem zugenommen. Das liegt nicht zuletzt auch an den sich ändernden Ernährungsgewohnheiten: „Zu viel, zu fett, zu süß!“ Während früher vorwiegend Männer unter dieser Krankheit litten, sind inzwischen Frauen und Männer nahezu gleich häufig betroffen.
Sodbrennen wird von den meisten Menschen lediglich als Befindlichkeitsstörung angesehen – lästig, aber nicht wirklich schlimm. In vielen Fällen mag dies stimmen, in einigen aber eben nicht, denn Sodbrennen kann schwerwiegende Folgen bis hin zum Barrett-Karzinom nach sich ziehen! Deshalb ist das gezielte diagnostische und therapeutische Vorgehen äußerst wichtig.
ICD-10-GM*
Diagnose | ICD-10 |
Sodbrennen | R12 |
Ösophagitis | K20 |
Refluxösophagitis | K21.0 |
Refluxkrankheit, gastroösophageal | K21.9 |
Ösophaguserosion | K22.1 |
Ösophagusulcus | K22.1 |
Bösartige Neubildung des Ösophagus | C15.9 |
Der Fall
Ein 59-jähriger übergewichtiger Patient (178 cm, 101 kg) stellt sich in der Sprechstunde vor und klagt über einen seit Wochen andauernden, teils quälenden Reizhusten, der mit Schmerzen hinter dem Brustbein und dauernden Oberbauchschmerzen einhergeht. Außerdem muss er häufig sauer aufstoßen. Über die vergangenen Festtage seien die Beschwerden besonders schlimm gewesen, so dass er nachts auch „Saures“ erbrochen hätte.
Befragt nach seinen Essensgewohnheiten gibt der Patient an, beruflich viel mit dem Auto unterwegs zu sein und daher sehr unregelmäßig zu essen – häufig fetthaltige Speisen und Süßigkeiten. Außerdem trinkt er viel Limonade und viel Kaffee, regelmäßig auch trockene Weißweine.
Seine regelmäßigen Magenbeschwerden bekämpft der Patient seit Jahren mit verschiedenen Hausmitteln und frei käuflichen Magenmitteln (vorwiegend Antacida). Aufgrund seiner besonders starken Beschwerden in den letzten Wochen nimmt er immer mehr von diesen Mitteln. Die erhoffte Linderung ist allerdings nicht eingetreten.
Diagnose und Abrechnung
Die von dem Patienten geschilderten Beschwerden deuten darauf hin, dass es sich nicht mehr um ein harmloses, gelegentlich auftretendes Sodbrennen handelt, sondern dass hier eine ausgeprägte Refluxkrankheit vorliegt.
Bei der körperlichen Untersuchung zeigt sich eine deutliche Druckschmerzhaftigkeit im epigastrischen Winkel sowie eine belegte Zunge. Herz und Lunge zeigen keine pathologischen Befunde. Die Sonographie zeigt eine deutliche Fettleber bei sonst unauffälligem Oberbauchbefund.
Eine Blutentnahme zur Laboruntersuchung wird vorgenommen und ein Termin zur endoskopischen Untersuchung beim Spezialisten vereinbart. Die endoskopische Untersuchung ist angezeigt, wenn die gerade beschriebenen Beschwerden bereits über einen längeren Zeitraum vorliegen. Durch die endoskopische Untersuchung soll geklärt werden, ob und in welcher Ausprägung bereits Komplikationen der Refluxkrankheit vorliegen. Diese können von einer leichten Entzündungsreaktion der Ösophagusschleimhaut (Erosion) über eine Striktur, einen Ulcus bis hin zur Metaplasie oder zum Barrett-Syndrom reichen. In letzter Konsequenz kann auf dem Boden der säurebedingten Veränderung der Mucosa ein Ösophaguskarzinom entstehen. Weiterhin dient die endoskopische Untersuchung auch der Feststellung, ob es sich um eine helicobacterassoziierte Erkrankung handelt, die dann mit einer entsprechenden Eradikationstherapie behandelt wird.
Differentialdiagnostisch muss bei der bestehenden Risikokonstellation und dem Vorliegen von Retrosternalschmerzen auch eine KHK ausgeschlossen werden. Deshalb wird auch ein EKG geschrieben. Für die Ergebnisbesprechung und das Belastungs-EKG wird ein Termin vereinbart.
1. Konsultation
EBM | Legende | GOÄ | ||
Ziffern | Punkte |
| Ziffern | Punkte |
03112 | 225 | Ordinationsgebühr | 1 | 80 |
03311 | 300 | Ganzkörperstatus | 8 | 260 |
33042
| 425 | Sonographie Oberbauch | 410 + 3 x 420* | 200 + 3 x 80 |
03320 | 220 | EKG | 651 | 253 |
03120 | 150 | Erörterung | –** | – |
Laboruntersuchung
EBM | Legende | GOÄ | ||
Ziffern | Euro |
| Ziffern | Punkte |
– | – | Blutentnahme | 250 | 40 |
32042 | 0,25 | BKS | 3501 | 60 |
32120 | 0,50 | Kleines Blutbild + Thrombos | 3550 | 60 |
32040 | 1,45 | Blut im Stuhl | 3500 | 90 |
32057 | 0,25 | Glucose | 3560 | 40 |
32065 | 0,25 | Harnstoff | 3584.H1 | 40 |
32066 | 0,25 | Kreatinin | 3585.H1 | 40 |
32071 | 0,25 | y-GT | 3592.H1 | 40 |
32069 | 0,25 | GOT | 3594.H1 | 40 |
32070 | 0,25 | GPT | 3595.H1 | 40 |
32060 | 0,25 | Cholesterin | 3562.H1 | 40 |
32061 | 0,25 | HDL-Cholesterin | 3563.H1 | 40 |
32062 | 0,25 | LDL-Cholesterin | 3564.H1 | 40 |
32063 | 0,25 | Triglyceride | 3565.H1 | 40 |
32056 | 0,25 | Gesamteiweiß | 3573.H1 | 30 |
Das EKG ist unauffällig, die Gastroskopie zeigt eine diskrete Antrumgastritis und eine deutliche Refluxösophagitis. Der Nachweis von Helicobakter ist negativ.
Die Behandlung der Refluxkrankheit dient in erster Linie der Verhinderung von Spätfolgen. Durch einen möglichst frühzeitigen Therapiebeginn soll eine vollständige und anhaltende Ausheilung der Schleimhautveränderungen erreicht werden. Hierzu eignen sich vor allem die Protonenpumpeninhibitoren (PPI), die heute in der Therapie der Refluxösophagitis ein Mittel der ersten Wahl darstellen. Bei bereits eingetretenen Komplikationen bedürfen die Patienten einer entsprechenden Langzeittherapie, nicht zuletzt auch unter dem Aspekt einer Rezidivprophylaxe.
Therapie und Abrechnung
Das praktische Vorgehen sollte sich nach dem „Genval-Konsens“ (Step-up/Step-down-Therapie) richten. Danach wird initial eine hoch dosierte Akuttherapie mit einem Protonenpumpeninhibitor durchgeführt (Step-up), der eine niedrig dosierte Erhaltungstherapie mit der gleichen Substanz folgt (Step-down). Die medikamentöse Therapie ersetzt jedoch nicht die Notwendigkeit der Änderung der Ernährungsgewohnheiten und Lebensführung. Diesbezüglich muss der Patient intensiv beraten und auch „geführt“ werden, um dadurch auch seinen Teil zur Problemlösung beizutragen.
2. Konsultation
EBM |
| GOÄ | ||
Ziffern | Punkte | Legende | Ziffern | Punkte |
03115 | 35 | Konsultationsgebühr | – | – |
– | – | Organuntersuchung | 7 | 160 |
03120 | 150 | Eingehende Erörterung | 34 | 300 |
03321 | 545 | Belastungs-EKG | 652 | 445 |
Besonders wichtig bei der Beratung und Erörterung zur Ernährungsumstellung sind die Hinweise darauf, dass voluminöse Mahlzeiten, starker Genuss von Kaffee sowie Süßspeisen jeder Art zu vermeiden sind. Das Gleiche gilt für den Konsum von „säurelockenden“ Getränken wie Limonaden oder von trockenen, säurebetonten Weißweinen.
Auch der Hinweis darauf, dass das berühmte Mittagsschläfchen nach dem Essen bei Patienten mit Refluxbeschwerden unbedingt durch etwas Bewegung ersetzt werden sollte, darf nicht fehlen. Mindestens aber sollte der Patient auf den notwendigen zeitlichen Abstand zwischen Essen und Ruhen hingewiesen werden.