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  • Aktuelle Fallbeispiele

    Die Insektenstich-Behandlung in der Samstag-Sprechstunde

    Mit dem Anstieg der Temperatur im Frühjahr treten auch die Insekten in Erscheinung. Mit ihren teils beißenden, teils stechenden Übergriffen können diese Tiere für den Menschen indirekt und unter bestimmten Voraussetzungen zu einer durchaus lebensbedrohenden Gefahr werden. Dabei ist zwischen Insektenbiss und Insektenstich zu unterscheiden. Bei manchen Betroffenen verursacht der Biss der blutsaugenden Insekten Beschwerden oder eine Erkrankung (zum Beispiel Schnaken usw.), bei anderen steht eine allergische Reaktion im Vordergrund.

    Milben und Zecken gehören zu den Spinnentieren. Sie haben saugend-stechende Mundwerkzeuge, die der Nahrungsaufnahme dienen. Durch einen Biss dieser Tiere können Krankheitserreger unter die Haut des Menschen gelangen. Am häufigsten ist hier der Zeckenbiss wegen der möglichen Übertragung der Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) gefürchtet. Die aus mehreren Teilen bestehenden Mundwerkzeuge sind teilweise zu einem kurzen Saugrüssel verschmolzen, der stark sklerosiert und mit kräftigen Zähnchen besetzt ist. Diese Zähnchen sind es auch, die eine Entfernung der Zecke aus der Haut so schwierig machen. Bei unvorsichtigen Entfernungsversuchen bleibt meist nicht der Kopf, sondern nur die Mundwerkzeuge bleiben in der Haut zurück. Milben hinterlassen oftmals kleinste, stark juckende einzelstehende papulopustulöse Effloreszensen, die nach zwei bis drei Tagen wieder verschwinden.

    Die ubiquitär vorkommenden Fliegen (zum Beispiel Stubenfliege) spielen als Überträger spezieller Erkrankungen keine Rolle. Durch den Wechsel zwischen Mensch und verschiedenen Infektionsquellen kommt ihnen als Keimüberträger doch eine gewisse Bedeutung zu. Bei der so genannten Regenbremse und dem Wadenstecher kommt es infolge des ausgetretenen Speichels – beim Stich mit dem Stechrüssel – zu einer stark schmerzhaften lokalen Reaktion mit ödematöser Hautschwellung und nachfolgendem, teils quälenden Juckreiz. Wespen, Bienen, Hummeln und Hornissen gehören alle zu der Gruppe der Aculeata. Diese Insekten sind gekennzeichnet durch ihre typische Wespentaille und den am Ende des Hinterleibes befindlichen so genannten „Wehrstachel“, der mit einer Giftdrüse verbunden ist. Die Ameisen können mit ihren beißenden Mundwerkzeugen – mit denen sie gleichzeitig Histamine in die Haut abgeben – ebenfalls teils heftige Hautreaktionen auslösen.

    Das Krankheitsbild der Insektenstichreaktion ist in den meisten Fällen durch epidermal-dermale, gerötete, entzündlich infiltrierte, urticarielle Papeln oder Plaques gekennzeichnet. Hierbei entsteht eine mehr oder weniger starke Schwellung mit einem deutlichen Spannungsgefühl. Ein typisches Zeichen ist der Juckreiz. Allgemeinsymptome wie Fieber, Übelkeit, Lymphknotenschwellung, Abgeschlagenheit oder Gelenkschmerzen können vorhanden sein. Bei entsprechender allergischer Disposition kann es auch zum Vollbild eines anaphylaktischen Schocks kommen.

    Der Fall

    Ein 36-jähriger Patient stellt sich notfallmäßig in der Samstag-Sprechstunde vor. Er gibt an, vor etwa drei Stunden von einem ihm unbekannten Insekt in den linken Unterarm gestochen worden zu sein. Jetzt habe er starke Schmerzen, einen schier unerträglichen Juckreiz und ein kribbelndes Gefühl im Hals. Auf Schnakenstiche würde er im allgemeinen sehr stark reagieren, eine Allergie sei ihm nicht bekannt. Bei der körperlichen Untersuchung zeigt sich neben einem Quincke-Ödem auch eine Lymphknotenschwellung nuchal und eine starke Rötung sowie eine Schwellung der Rachenschleimhäute. Die Haut hat am ganzen Körper urticarielle Papeln. Lokal ist eine handflächengroße derbe Schwellung mit massiver Rötung und Überwärmung zu erkennen. Der Blutdruck ist mit 115/65 mmHg für den Patienten nicht ungewöhnlich, der Puls zeigt eine deutliche Tachykardie. Die typische Insektenstichreaktion wird mit dem Patienten erörtert und die Notwendigkeit einer Kortikoid-Infusion sowie der Injektion eines Antihistaminikums besprochen. Lokal wird ein antiseptischer und kühlender Verband angelegt.

    *)  Die Nr. 273 EBM ist dann berechnungsfähig, wenn die Infusionsdauer mindestens 10 Minuten beträgt. In der GOÄ gilt für eine Infusionszeit von weniger als 30 Minuten die Nr. 271 (120 Punkte) und bei mehr als 30 Minuten die Nr. 272 (180 Punkte).

    **) Die eingehende Beratung nach Nr. 3 GOÄ ist nur als einzige Leistung oder im Zusammenhang mit einer Untersuchungsleistung nach den Nrn. 5, 6, 7, 8, 800 oder 801 GOÄ berechnungsfähig. Deshalb wird auf diese Leistung verzichtet. Zusätzlich schließt sich die Beratung nach Nr. 1 GOÄ neben der Nr. 3 aus.

     

    Bei der Diagnostik von Insektenstichreaktionen kann anamnestisch durchaus ein Insektenstich nicht erinnerlich sein. Das ist bei Milbenbissen bzw. Flohbissen häufig der Fall, kann aber auch bei anderen Insektenstichen vorkommen. Hilfreich für die Diagnostik ist neben der relativ typischen Klinik auch die jahreszeitliche Verteilung, verbunden mit dem Wissen, wie häufig die unterschiedlichen Insekten- bzw. Spinnenarten an welcher bevorzugten Stelle vorkommen. Darüber hinaus hilft die charakteristische Verteilung der Hautreaktionen auf die Bisse oder Stiche. So weisen gehäufte Effloreszensen, die scheinbar uncharakteristisch und einzelstehend am ganzen Körper auftreten, auf Flohstiche hin. Eine Häufung am Hosenbund und an den Strumpfrändern sowie an den Hemdärmeln ist ein typisches Befallsmuster für Milben. Schnaken stechen vorwiegend im Bereich der Extremitäten und des Gesichts, Wespenstiche treten gehäuft an Händen, distalem Unterarm und Füßen auf, wobei auch andere Lokalisationen möglich sind.

    Normalerweise reichen lokal kühlende Umschläge, Lotio alba oder lokale Steroidapplikationen in Form von Ö/W-Emulsionen. Diese Maßnahmen sind nach dem EBM nicht berechnungsfähig, sondern mit der Ordinationsgebühr abgegolten. Im Rahmen der GOÄ lässt sich ein Kältepack mit der Nr. 530 (35 Punkte) und die großflächige Applikation der Externa zur Juckreizstillung nach der Nr. 209 (150 Punkte) berechnen. Zur Juckreizstillung bei disseminierten Hauterscheinungen empfehlen sich Antihistaminika. Bei superinfizierten Herden ist eventuell eine Antibiose notwendig. Nach der Infusion bleibt der Patient für 30 Minuten zur Nachbeobachtung in der Praxis. Dem Patienten wird mitgeteilt, dass er sich auch am Folgetag (Sonntag) bei Fragen oder Unklarheiten telefonisch melden kann. Dies nimmt der Patient wahr und meldet sich am Sonntag telefonisch. Für Montag wird ein weiterer Untersuchungstermin vereinbart.

    Die abschließende Untersuchung ergibt lediglich eine lokale Rötung, verbunden mit einem leichten Juckreiz. Die übrigen Hauterscheinungen und das Quincke-Ödem sind verschwunden. Der Patient wird über die Rezidivprophylaxe aufgeklärt.

    *) Die Nr. 1 GOÄ ist an diesem Tag nicht berechnungsfähig, da die eingehende Beratung nach Nr. 3 berechnet wird. Neben der Nr. 3 als alleiniger Leistung sind Untersuchungsleistungen berechnungsfähig, so dass die symptombezogene Untersuchung nach Nr. 5 abgerechnet werden kann.

     

    Die Rezidivprophylaxe umfasst einmal die Expositionsprophylaxe mittels entsprechender Kleidung, sowie die Verwendung von Repellents bei Aufenthalt im Freien. Bei wiederholten anaphylaktischen Reaktionen wäre ein Notfallset – bestehend aus einem Antihistaminikum, einem injizierbaren Kortikoid und einem Dosieraerosol – zu empfehlen. Eventuell wäre dann eine Hyposensibilisierungsbehandlung anzustreben.

    Quelle: Abrechnung aktuell - Ausgabe 07/2001, Seite 14

    Quelle: Seite 14 | ID 99981