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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 18.01.2001 – 16 K 3182/97 E

    1. Der Beweis des ersten Anscheins für die Gewinnerzielungsabsicht bei dem hauptberuflichen Betrieb eines Architekturbüros wird durch die objektive Unmöglichkeit der Erzielung eines Totalgewinns widerlegt. Dies ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige über einen langen Zeitraum (20 Jahre) ohne Gegensteuerung durch innerbetriebliche Strukturmaßnahmen keine bzw. nur geringfügige Umsätze (ohne Anlagenverkäufe, Privatanteile, Umsatzsteuer) erzielt, keine außergewöhnlichen Verlustursachen ersichtlich sind und sich auch bei einer vernünftigen Reduzierung der Betriebsausgaben kein Totalgewinn ergeben könnte.

    2. Kfz-Kosten eines zu 100% schwerbehinderten Steuerpflichtigen (Merkmale G+H) können nur bei Nachweis durch ein Fahrtenbuch oder andere Aufzeichnungen mit einer höheren Jahresfahrleistung als 3000 km als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden.


    Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

    Tatbestand

    I. 1. Die Kläger sind Eheleute, die vom Beklagten (das Finanzamt - FA -) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden und drei Klagen, nämlich (1.) gegen die Einkommensteuerbescheide 1988 vom 22.2.1995 und 1989 bis 1991 vom 24.4.1995 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 15.4.1997 (16 K 3182/97 E), (2.) gegen den Einkommensteuerbescheid 1993 vom 20.6.1995 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 5.5.1997 (16 K 3576/97 E) sowie (3.) gegen den Einkommensteuerbescheid 1994 vom 25.10.1986 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 5.5.1997 (16 K 3577/97 E) - erhoben haben.

    2. Die Klagen betreffen zwei Streitpunkte (Nichtanerkennung geltend gemachter Verluste des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit als Architekt und die teilweise Nichtanerkennung geltend gemachter außergewöhnlicher Belastungen des Klägers), die Gegenstand einer bei dem Kläger für die Jahre 1989 bis 1991 durchgeführten Außenprüfung waren. Ausweislich des Prüfungsberichts vom 30.1.1995 fand am 20.12.1994 eine Schlußbesprechung statt.

    a) Der Kläger ist zu 100 % schwerbehindert. Er besitzt seit dem 8.3.1985 den Behindertenausweis mit den Merkmalen „G + H”. Das FA hatte Kfz-Kosten erklärungsgemäß für jeweils 3.000 km mit dem betreffenden Pauschsatz (0,42 DM/km bis 1992; 0,52 DM/km ab 1993) als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anerkannt. Während der Prüfung wurde beantragt, alle Fahrzeugkosten, die bei der Ermittlung der Einkünfte weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten berücksichtigt werden, als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Der Prüfer folgte dem nicht, weil das Merkmal „aG” fehle (vgl. Tz. 16 des Berichts).

    b) Der Prüfer ging ferner aufgrund einer „Gesamtbetrachtung der freiberuflichen Tätigkeit” davon aus, daß die Absicht zur Gewinnerzielung fehle. Der Kläger sei seit dem 1.5.1960 als selbständiger Architekt tätig. Das Büro befinde sich in den Kellerräumen des 1968 fertiggestellten Einfamilienhauses der Klägerin. Gewinnermittlungen für die Jahre bis 1977 lägen nicht mehr vor. Eine Analyse des Gesamtbetriebsergebnisses der letzten 14 Jahre (Gesamtverlust 1978 bis 1991 i.H. von 239.671,31 DM) lasse erkennen, daß den sehr stark rückläufigen Betriebseinnahmen fast gleichbleibende Betriebsausgaben gegenüberstünden. Der Kläger sei nicht bemüht gewesen, die Betriebsausgaben der veränderten Einnahmesituation anzupassen. Die geltend gemachten Personalkosten (im Prüfungszeitraum jeweils 5.280 DM) beruhten auf einem Arbeitsvertrag vom 31.12.1987 mit dem Sohn „A”. Die tatsächliche Durchführung des Arbeitsverhältnisses sei jedoch zweifelhaft. Im übrigen sei anhand der Belege festgestellt worden, daß in nicht unheblichem Umfang Kosten des Privatbereichs als Betriebsausgaben geltend gemacht worden seien. Aber auch bei einer Kürzung der Betriebsausgaben um diese nicht abzugsfähigen Kosten des Privatbereichs würden sich keine Gewinne ergeben. Soweit der Kläger während der Prüfung vorgetragen habe, er würde aus mehreren Großprojekten, die er teilweise bereits seit 1965 plane, noch hohe Erträge erwarten, die spätestens im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung zu realisieren seien, sei dem aus tatsächlichen Gründen nicht zu folgen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in Tz. 12 (= S. 5 bis 8) des Berichts verwiesen.

    3. Das FA wies sämtliche Einsprüche durch die eingangs erwähnten Einspruchsentscheidungen als unbegründet zurück.

    a) Zur Beurteilung der Architektentätigkeit als Liebhaberei führte es - anknüpfend an den in Tz. 12 des Berichts erwähnten Gesamtverlust 1978 bis 1991 i.H. von 239.671,31 DM - ergänzend aus, in den Einkommensteuererklärungen 1992 bis 1996 seien weitere Verluste von insges. 75.307,41 DM erklärt worden. Der Gesamtverlust für die Jahre 1978 bis 1996 betrage somit 314.978,72 DM. Es seien auch für die Jahre 1988 und 1992 bis 1996 nur geringfügige Einnahmen erzielt worden, und zwar 3.237,89 DM (1988), 7.305,91 DM (1992), 2.218,70 DM (1993), 3.739,13 DM (1994), 3.043,48 DM (1995) und 4.277,30 DM (1996). Sodann führte es zu diesem Streitpunkt gleichlautend aus (wörtliche Wiedergabe):

    Zu Recht hat das Finanzamt die Einkünfte aus der Architektentätigkeit für die Streitjahre dem steuerlich nicht relevanten Bereich der Liebhaberei zugeordnet.

    Gemäß § 15 Abs. 2 EStG setzt ein Gewerbebetrieb u. a. eine Betätigung voraus, die mit der Absicht betrieben wird, Gewinn zu erzielen. Diese Gewinnerzielungsabsicht bedeutet, daß der Gewerbetreibende den ernstlichen Vorsatz haben muß, aus dieser Tätigkeit nachhaltig Überschüsse zu erzielen. Dieser Überschuß muß sich auf die Totalperiode beziehen, was bedeutet, daß in den Anfangsjahren oder auch später erzielte Verluste durch entsprechend hohe Gewinne in den Folgejahren soweit ausgeglichen werden, daß sich insgesamt ein Überschuß aus der Gesamttätigkeit ergibt.

    Auf die innere Motivation des Gewerbetreibenden kann regelmäßig nur anhand objektiv ersichtlicher äußerer Umstände geschlossen werden. Maßgebend ist immer, wie sich die Verhältnisse aus der Sicht des an objektiven Gegebenheiten orientierten Steuerpflichtigen dargestellt haben. Gewinnerzielungsabsicht kann deshalb auch dann gegeben sein, wenn ein Betrieb aus der Sicht eines objektiven, sachkundigen Beobachters nach seiner Wesensart oder Art der Betriebsführung keinen Totalgewinn erzielen kann. In einem solchen Fall wird der Steuerpflichtige allerdings substantiiert Umstände darlegen und glaubhaft machen müssen, die ihn aus seiner Sicht zu der Annahme berechtigten, die in der Vergangenheit angefallenen Verluste im Laufe der weiteren Entwicklung des Betriebs durch spätere Gewinne ausgleichen und ein positives Gesamtergebnis erzielen zu können.

    Bei einem Architektenbüro spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß es in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird. Denn Unternehmen dieser Art sind nach der Lebenserfahrung typischerweise nicht dazu bestimmt und geeignet, der Befriedung persönlicher Neigungen des Steuerpflichtigen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen.

    Dieser Anscheinbeweis kann vom FA entkräftet werden. Er entfällt bereits dann, wenn das FA die ernsthafte Möglichkeit darlegt, daß im konkreten Einzelfall nicht das Streben nach einem Totalgewinn, sondern persönliche Motive des Steuerpflichtigen für die Fortführung des Unternehmens bestimmend waren. Die ernsthafte Möglichkeit, daß ein jahrelang ausschließlich mit Verlusten arbeitender Betrieb nicht in der Absicht der Gewinnerzielung geführt wird, ist jedenfalls dann gegeben, wenn feststeht, daß der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art der Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten kann. Die Beantwortung der Frage, ob ein Betrieb nach seiner Wesensart und der Art der Betriebsführung auf die Dauer gesehen dazu geeignet ist, mit Gewinn zu arbeiten, erfordert eine in die Zukunft gerichtete Beurteilung, für die die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten können. Unter diesem Gesichtspunkt ist es nicht nur zulässig, sondern auch geboten, für die Beurteilung dieser Frage auch die nach den Streitjahren angefallen Verluste in die rechtliche Wertung mit einzubeziehen.

    Die objektive Beweislast für das Vorhandensein der Gewinnabsicht trägt derjenige, der sich zur Ableitung bestimmter Rechtsfolgen auf das Vorhandensein eines Gewerbebetriebs beruft. Das ist im Streitfall der Steuerpflichtige, der positive Einkünfte mit den Verlusten aus der gewerblichen Tätigkeit ausgleichen will.

    Danach kann eine Tätigkeit auch erst von einem späteren Zeitpunkt als dem Beginn als Liebhaberei angesehen werden, wenn das Finanzamt dies feststellt.

    Außerdem muß ausgeschlossen werden, daß der Steuerpflichtige die Verlust bringende Tätigkeit nur aus dem Bereich der Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt. Dabei sind subjektive Absichten und Vorstellungen des Steuerpflichtigen für das Fortführen eines Betriebs, der jahrelang Verluste erlitten hat, gegeben, wenn dieser das Gewerbe in stets gleichbleibender Forrn weiterbetreibt und sich nicht bemüht, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen.

    Im Streitfall hat das FA festgestellt, daß der Ef. aus dem Architektenbüro für die Jahre 1978 bis 1996 einen Gesamtverlust i. H. v. ca. 315.000,- DM erzielt hat. Daraus und aus der Tatsache, daß außergewöhnliche Verlustursachen nicht ersichtlich waren, hat das FA zutreffend den Schluß gezogen, daß der Betrieb nach seiner Wesensart und Art der Bewirtschaftung zur nachhaltigen Gewinnerzielungsabsicht nicht geeignet war. Denn selbst eine ernsthafte Tätigkeit - wenn diese in Anbetracht der Höhe der Einnahmen überhaupt unterstellt werden kann - kann einkommensteuerrechtlich unbeachtlich sein, wenn sie zur Erzielung eines Totalgewinns weder bestimmt noch geeignet ist. Hinzu kommt die Feststellung, daß der Betrieb trotz anhaltender Verluste in stets gleichbleibender Form weiterbetrieben wurde. Der Ef. hat keine innerbetrieblichen Strukturmaßnahmen zur Erzielung positiver Ergebnisse ergriffen und auch nicht dargetan, daß er aussichtsreiche Anstrengungen zur Steigerung des Umsatzes unternommen hat. Zu derartigen Darlegungen war der Ef. - entgegen seiner Auffassung -, der die objektive Beweislast für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht als Merkmal des Gewerbebetriebs trifft, jedoch verpflichtet. Es war seine Aufgabe, Umstände vorzutragen, die nach seiner Ansicht trotz der jahrelangen Verluste für die Gewinnerzielungsabsicht sprechen, und diese Umstände nachzuweisen oder glaubhaft zu machen.

    Der vom Ef. vorgetragenen Sachverhalt und seine Beweggründe und Ausführungen sind jedoch nicht geeignet, die Ansicht des FA, der Betrieb könne keinen Totalgewinn mehr erzielen, zu entkräften. Insbesondere ist die Argumentation, er rechne mit einer Gewinnrealisierung durch Zeitablauf, nicht glaubhaft. Die von ihm vorgetragene beabsichtigte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen oder die Annahme, er könne bei der Veräußerung der Praxis einen zur Verlustdeckung ausreichend hohen Gewinn erzielen, muß als reine Schutzbehauptung gewertet werden. Der Ef. hat nämlich nicht glaubhaft gemacht, daß er realistisch betrachtet mit Schadensersatz rechnen kann. So hat er bei dem Objekt „B” keinerlei nachprüfbare Unterlagen eingereicht. Auch können aus einer mündlichen Vereinbarung dieser Art keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, zumal es durchaus üblich ist, daß Architekten auch ohne Honoraranspruch Vorentwürfe erstellen. Dies gilt auch für das Wochenendhausgebiet „C”. Zum einen wurde der Sachverhalt nicht vollkommen und in sich schlüssig dargelegt. Zum anderen ist es unglaubhaft, daß der Ef. bezüglich der Schadensersatzansprüche jetzt noch tätig wird, obwohl er jahrelang seine vermeintlichen Rechte nicht wahrgenommen hat und obwohl ihm bekannt sein mußte, daß im Flächennutzungsplan von 1973 für diese Gemeinden kein Wochenendhausgebiet ausgewiesen wurde. Auch die Aussage der BP, im neuen Flächennutzungsplan sei die Ausweisung als Wochenendhausgebiet nicht vorgesehen, hat nicht zu Tätigkeiten des Ef. in diesem Sinne geführt. Jedenfalls hat der Ef. dies nicht vorgetragen. Letztlich kann der Ef. nach Ansicht des FA auch nicht tatsächlich davon ausgehen, daß sich diese von ihm vorgetragenen Honoraransprüche beim Entgelt bei einer Praxisveräußerung niederschlagen werden. Die Honoraransprüche sind - wenn überhaupt vorhanden - zu unbestimmt, als daß ein eventueller Käufer dafür ein Entgelt zahlen würde. Aus diesem Grunde müßten sie bei der Bewertung des Firmenwertes mit 0,- DM angesetzt werden.

    Daß sich der Sachverhalt und damit die rechtliche Würdigung für das Streitjahr geändert hat, ist aus den Akten nicht ersichtlich und wurde auch von den Ef. nicht vorgetragen.”

    b) Zu den außergewöhnlichen Belastungen vertrat das FA im Ergebnis zwar die Ansicht, für die Streitjahre seien zu Recht lediglich Fahrtkosten für 3.000 km berücksichtigt worden, begründete dies aber - u.a. unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2.10.1992 III R 63/91 (Bundessteuerblatt - BStBl - II 1993, 286) - nunmehr wie folgt: Bei dem Kläger sei eine jährliche Fahrleistung von 3.000 km als außergewöhnliche Belastung anerkannt worden. Entgegen der bisher vom FA vertretenen Rechtsauffassung wäre zwar grundsätzlich „eine höhere Fahrleistung möglich”. Den zur Anerkennung notwendigen Nachweis habe der Kläger jedoch nicht erbracht und könne auch von ihm nicht erbracht werden. Denn für die Streitjahre seien weder ein Fahrtenbuch noch andere Aufzeichnungen geführt worden. Eine Anerkennung der gesamten Fahrtkosten ohne jegliche Einschränkung sei nicht möglich.

    II.

    Dagegen haben die Kläger jeweils fristgerecht Klage erhoben. Sie führen aus:

    1. Einkommensteuer 1988:

    Aufgrund einer Anweisung des Prüfers vom 15.11.1994 sei der geänderte Einkommensteuerbescheid 1988 bereits am 6.12.1994 ergangen. Dies sei im Hinblick darauf, daß der Termin für die Schlußbesprechung erst am 28.11.1994 vereinbart und die Schlußbesprechung erst am 20.12.1994 abgehalten worden sei, verfahrensrechtlich zu beanstanden. In der Vorwegnahme des Ergebnisses der laufenden Betriebsprüfung liege ein besonders schwerwiegenden Fehler, der nach § 125 Abs. 1 AO zur Nichtigkeit des Bescheids führe. Die Erteilung des Bescheids sei offensichtlich eine „reine Willkürmaßnahme zur ausschließlichen Vermeidung der Festsetzungsverjährung.” Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten des Vorbringens der Kläger wird auf die Schriftsätze vom 16.1.1998 und 23.4.1998 (zum Verfahren 16 K 3182/97 E) verwiesen.

    2. Außergewöhnliche Belastungen:

    Eine Einschränkung der erweiterten Abzugsmöglichkeit von Kfz-Kosten als außergewöhnliche Belastungen nur auf Steuerpflichtigen mit dem Merkmal „aG” gehe aus dem FA zitierten BFH-Urteil in BStBl II 1993, 286 nicht hervor. Vielmehr werde hier festgestellt, daß bei Vorliegen des Merkmals „aG” die Voraussetzungen für eine erweiterte Anerkennung gegeben seien. Eine solche erweiterte Anerkennung müsse um so mehr Gültigkeit haben für einen Steuerpflichtigen, dessen Behinderung schwerer sei, als wenn er „nur” das Merkmal „aG” zuerkannt bekommen hätte. Die Rechtsprechung werde hier vom FA zu eng ausgelegt. Die Kläger fühlten sich in ihren Grundrechten, insbesondere nach Art. 3 GG verletzt. Im Urteil des Finanzgerichts (FG) Bremen vom 25.4.1996 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1996, 760) werde entgegen der BFH-Rechtsprechung festgestellt, daß bei der erweiterten Anerkennung von Kfz-Kosten als außergewöhnliche Belastung die Beschränkung der Anerkennung auf 15.000 km bzw. DM 0,52/km gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Gegen dieses Urteil sei Revision eingelegt worden (Az. BFH III R 71/96). Insoweit werde beantragt, das Verfahren bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung ruhen zu lassen.

    Das FG hat in der mündlichen Verhandlung auf das BFH-Urteil vom 26.3.1997 III R 71/96 (BStBl II 1997, 538) hingewiesen. Daraufhin haben die Kläger ihren Klageantrag entsprechend eingeschränkt.

    3. Architektentätigkeit als Liebhaberei:

    a) Klageschrift 16 K 3182/97 E vom 7.5.1997, Klageschrift 16 K 3576/97 E vom 21.5.1997 und Klageschrift 16 K 3577/97 E vom 21.5.1997 (wörtliche Wiedergabe):

    Es ist den Klägern völlig unklar, warum vom Beklagten die Überprüfung und anschließende Bewertung der Architektentätigkeit des Klägers nach den Bewertungsmaßstäben über die Gewinnerzielungsabsicht von Gewerbebetrieben vorgenommen wurde, vgl. die Ausführungen der Einspruchsentscheidung vom 05.05.1997 auf Seite 7 ff. Die Tätigkeit eines Architekten ist nach § 18 Absatz 1 Nr.1 EStG ausdrücklich per Gesetz eine freiberufliche Tätigkeit. Gründe, die für die Tätigkeit des Klägers im Rahmen eines Gewerbebetriebes sprechen würden, z.B. wegen besonderer Größe seines Unternehmens, wurden vom Beklagten bisher nicht aufgeführt.

    Die Maßstäbe für die Beurteilung einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht unterscheiden sich bei der Beurteilung von Gewerbebetrieben und der Tätigkeiten von Freiberuflern in erheblichem Maße: Beim Freiberufler steht die schöpferische Leistung und besondere Qualifizierung seiner Tätigkeit gegenüber dem Gewerbebetrieb im Vordergrund. Die Verwertung seiner besonderen Fähigkeiten ist für den Freiberufler in der Regel ungleich schwieriger als für den Gewerbetreibenden, der z. B. seine Produkte in Massenverfahren absetzen kann und die Möglichkeit hat, durch umfassende Marketingmaßnahmen (insbesondere Werbung) seine Marktgröße und Absatzfelder selbst zu bestimmen. Demgegenüber übt der Freiberufler überwiegend Einzelleistungen aus, die in der Regel nicht beliebig reproduzierbar sind.

    Die bestehenden Einschränkungen erschweren es dem Freiberufler, seine beabsichtigten Gewinne zu realisieren. Dies hat direkten Einfluß auf den möglichen Zeitpunkt, bis zu dem der Freiberufler die Früchte seiner Erträge ernten kann. Häufig ist davon auch die Art und Weise betroffen, wie der Steuerpflichtige seine Gewinne erzielen kann.

    Diese Eigenheiten einer freiberuflichen Tätigkeit dürfen bei der Beurteilung der Frage, ob seine Tätigkeit auch mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wurde, nicht außer Acht gelassen werden, vergleiche BFH IV R 8/84, BStBl II 1985 Seite 424. Nach Urteil des BFH IV R 75/74, BStBl II 1977, Seite 538, spricht auch eine Spezialisierung im Architektenberuf nicht von vornherein gegen eine fehlende Gewinnermittlungsabsicht.

    Wie vom Beklagten zutreffend festgestellt, betreibt der Kläger seit dem 01.05.1960 ein Architektenbüro, das auf die Planung und Errichtung von Großobjekten spezialisiert ist. Bei dieser Spezialisierung ist es besonders typisch, daß nur sehr wenige Projekte abgewickelt werden. Der Kläger betreibt seine Tätigkeit bereits seit Jahren ohne Zuhilfenahme von fachlich ausgebildeten Angestellten. So ist es für ihn unumgänglich, daß er neben den Jahren, in denen er besonders hohe Erträge erwirtschaftet, lange Schaffensperioden mit geringfügigen Erträgen in Kauf nehmen muß, um seine beruflichen Ziele zu verwirklichen. Nichtsdestoweniger sind diese Schaffensperioden durch intensive Tätigkeiten geprägt. Hierbei ist für ihn das Ausfallrisiko der erwarteten Erträge eines in Aussicht gestellten Projektes deutlich höher als bei durchschnittlichen Standardleistungen. Häufig geschieht es, daß der Architekt Planungsarbeiten über lange Perioden ausübt, ohne hinterher den Auftrag zur Durchführung zu erhalten. Im Städtebau wird dem oft durch Preisverteilung Rechnung getragen, bei Kunden aus der Privatwirtschaft ist das seltener der Fall. Dieses höhere Risiko, Erträge zu erzielen, wird bei Projektdurchführung mit besonders hohen Erträgen ausgeglichen.

    Für die Beurteilung einer Gewinnerzielungsabsicht ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung auf das Streben eines Totalgewinns während der gesamten Schaffensperiode eines Freiberuflers abzustellen. Dies ist vom Beklagten nicht vorgenommen worden. Vielmehr hat sich der Beklagte in seiner Beurteilung auf die Zeiträume seit 1978 beschränkt. Soweit ihm nach eigenen Behauptungen Gewinnermittlungen für die Jahre vor 1978 nicht mehr vorlagen, ist dem entgegenzuhalten, daß zumindest durch Glaubhaftmachung die Größenordnung der bis zu diesem Zeitraum erzielten Gewinne hätte klar werden müssen.

    Die Kläger haben in dieser Zeit so viele Gewinne erwirtschaften können, daß sie u. a. neben dem selbstgenutzten Einfamilienhaus zwei große Mehrfamilienhäuser errichten konnten und beiden Söhnen eine langjährige wissenschaftliche Ausbildung ermöglicht haben. Während der Zeit der Selbständigkeit des Klägers haben die Kläger keine weiteren Einkünfte aus aktiven Tätigkeiten erzielt.

    Im Rahmen der Betriebsprüfung haben die Kläger dem Prüfer verschiedene in Bearbeitung befindliche Projekte benannt, deren Realisierung sie erwarteten. Die Summe der Honorarerwartungen beläuft sich auf über DM 5.000.000,00. Darüber hinaus wurden dem Prüfer zusätzliche Aufträge nachgewiesen, deren Planung sich (im Zeitpunkt der Betriebsprüfung!) bereits als vergebliche Tätigkeit erwiesen hatte. Neben den vom Beklagten im Betriebsprüfungsbericht und in der Einspruchsentscheidung aufgenommenen Unterlagen wurden u. a. dem Betriebsprüfer die vom Kläger gefertigten Arbeiten teilweise vorgelegt. Vom Beklagten wurden die Nachweise des Klägers als unglaubwürdig nicht anerkannt, Argumente für den zukünftigen Ablauf der Tätigkeiten des Klägers teilweise als Schutzbehauptung gewertet.

    Diese Handlungsweise des Beklagten kann aber an die Anforderungen einer ordnungsgemäßen Zukunftsprognose nicht genügen. Gemäß Hermann Heuer, EStG, § 2 Anmerkung 400 kann ein Betrieb mit positiver Prognose auf einen wahrscheinlichen Totalgewinn nur durch späteren Strukturwandel zum Liebhabereibetrieb werden. Dies liegt im Falle der Kläger nicht vor. Das Architekturbüro wird seit Beginn der Selbständigkeit des Klägers in gleicher Weise fortgeführt. Es bestehen weiterhin Aussichten, gewinnbringende Erträge zu erwirtschaften. Der Kläger hat lediglich in den vergangenen Jahren dadurch Verluste hinnehmen müssen, daß er im Rahmen seines erhöhten Ausfallrisikos in Aussicht gestellte Aufträge trotz umfassender Bearbeitung nicht erhalten hat.

    Hierzu wird auch vermerkt, daß der Kläger auch z. Zt. noch in den dem Beklagten bekannten erwarteten Projekten tätig ist. In der Sache „D” hat der Kläger zwischenzeitlich Zivilklage erhoben. Nach neuesten Auskünften strebt die Gegenseite des Zivilprozesses einen außergerichtlichen Vergleich an.

    Auch die Behauptungen des Beklagten, der Firmenwert betrage DM 0,00, können nicht nachvollzogen werden. Im Rahmen einer Übergabe des Architektenbüros an einen Nachfolger würde der Kläger auch die von ihm vorbereiteten Projektarbeiten übertragen. Diese teilweise fertigen Arbeiten hätten für einen potentiellen Erwerber durch die erhebliche, u. U. jahrelange, Zeitersparnis von Projektierungsarbeiten einen hohen finanziellen Wert, den sich der Kläger vergüten lassen kann. Darüber hinaus stünde dem potentiellen Erwerber ein vollständig eingerichtetes Architekturbüro zur Verfügung. Besonders für Berufsanfänger wäre ein solches Übernahmeangebot ein geeigneter Start in eine berufliche Selbständigkeit. Darüber hinaus verfügt der Kläger über umfassendes Fachwissen, Behörden- und Geschäftskontakte, die er im Rahmen einer begleitenden Übergabe an einen potentiellen Erwerber ebenfalls vergütet bekommen kann.

    Eine solche Handlungsweise ist im übrigen bei Freiberuflern üblich. Der Geschäftswert einer Freiberuflerpraxis oder - wie hier - eines Architektenbüros stellt einen erheblichen Teil der Altersversorgung des Freiberuflers dar.

    In der Angelegenheit erscheint es den Klägern befremdlich, daß seit Erteilung des Betriebsprüfungsberichtes insbesondere im Hinblick auf diesen vehement von den Klägern bestrittenen Erörterungspunkt weder im Veranlagungsverfahren noch im Rechtsbehelfsverfahren weitere Anhörungen durch den Beklagten erfolgt sind.

    Nach Auffassung der Kläger hat sich der Beklagte auch nicht mit der möglichen Motivation der unterstellten Liebhaberei befaßt.

    Eine Tätigkeit aus privaten Motiven scheidet aus, da der Kläger seine Tätigkeit als Haupteinnahmequelle seiner Einkünfte nutzt. Er unterhält auch ein Architekturbüro, wie es branchenüblich ist.

    Die Tätigkeit wird aktiv betrieben. Es werden nicht Aufwendungen in die freiberufliche Tätigkeit übertragen, um durch deren Geltendmachung Gewinne anderer Einkünfte nicht versteuern zu müssen.

    Soweit vom Beklagten die Behauptung während der Betriebsprüfung aufgestellt wurde, die Aufwendungen dienten nicht einer Tätigkeit als Architekt, sondern der Verwaltung der Immobilien der Kläger, hätte die Konsequenz daraus gezogen werden müssen, und die Aufwendungen als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung angesetzt werden müssen. Dies ist nicht geschehen. Vom Kläger besteht hierzu auch keine Veranlassung, da nach seiner Ansicht die geltend gemachten Aufwendungen durch die Gewinnerzielungsabsicht aus freiberuflicher Tätigkeit veranlaßt sind.

    Die Weiterführung eines verlustbringenden Betriebes, um ihn der Familie zu erhalten, scheidet ebenfalls aus. Beide Söhne sind hoch spezialisierte Ärzte mit teilweise wissenschaftlichen Aufgaben, die kein Interesse an einer späteren Übernahme des Architektenbüros des Vaters haben.

    Die Verluste sind auch nicht wegen Überinvestitionen oder privat veranlaßtem Personalaufwand entstanden. Es ist auch nicht so, daß der Kläger auf Verluste nicht reagiert hat. Vielmehr ist es gerade für seine Tätigkeit typisch, daß er langjährig mit Verlusten arbeiten muß, um später entsprechend höhere Gewinne zu erzielen.

    Vorgenommene Fehlmaßnahmen dürfen hierbei nicht als Kriterium einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht gewertet werden. Schließlich ist es ja besonders dem Geschick des Unternehmers zu verdanken, ob er sein Unternehmen besonders erfolgreich führt, oder aus äußeren oder inneren Umständen heraus Fehlschläge erleiden muß.”

    b) Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 21.5.1997 (Bl. 16 d.A. 16 K 3182/97 E) die Kopie eines Schreibens an das FA vom selben Tage zur Kenntnisnahme übersandt. In demselben teilten die Kläger mit, daß der Kläger seit 1996 ein neues Projekt in „E” zur Erstellung von 15 Häusern mit einem Volumen von ca. 1,5 Mio. DM in Bearbeitung habe.

    c) Die Kläger haben zum Schriftsatz des FA vom 16.9.1997 mit den zu den Verfahren 16 K 3182/97 E, 16 K 3576/97 E und 16 K 3577/97 E eingereichten Schriftsätzen vom 6.11.1997 u.a. wie folgt (gleichlautend) Stellung genommen:

    „Die im Schriftsatz wiederholte Rechtsansicht des Beklagten, zur Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht sei eine Unterscheidung zwischen Gewerbetreibenden und Freiberuflern nicht erforderlich, kann nicht nachvollzogen werden. Es mag ja sein, daß auch Gewerbetreibende bei bestimmten Verrichtungen individuelle Ergebnisse ihrer Tätigkeit produzieren. So ist es verständlich, daß z.B. ein Bäckermeister, der täglich 500 Brötchen backt, durch die Formgebung per Hand jedem einzelnen Brötchen ein individuelles Aussehen gibt. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, daß bei allen 500 unterschiedlichen Verrichtungen insgesamt eine einzige geistige Leistung dahinter steht, nämlich die Wahl der richtigen Backmischung, das Kneten und schließlich das Backen der Produkte.

    Dies kann aber nicht in Vergleich gesetzt werden mit der Tätigkeit des Architekten. Hier mag es zwar auch richtig sein, daß Teile der Leistung des Architekten schematisiert und wiederholt werden können, z. B. statische Berechnungen. Im Vordergrund der architektonischen Leistung steht aber in erster Linie die individuelle Gestaltung des vom ihm bearbeiteten Projektes. Hierzu gehört neben künstlerischen/künstlerisch nahen Aspekten - wie der äußeren Formgebung - z. B. auch die Überlegungen einer sinnvollen Koordination der Projekteinheiten sowie die Beachtung eines umfangreichen Gesetzeswerkes und anderer Vorschriften. Bekannterweise sind die Vorschriften im Bauwesen äußerst kompliziert und weisen zudem umfangreiche Ausnahmemöglichkeiten auf. So kommt z.B. auch immer wieder vor, daß ein Architekt seine eigenen Projekte vollständig verwerfen muß. Bei einem Gewerbetreibenden wäre dies in der Regel nur dann der Fall, wenn die Arbeit fehlerbehaftet ist.

    Soweit vom Beklagten der Erfolg eines Unternehmens auf die Qualität der geleisteten Arbeit und einen erworbenen ,,guten Namen” abgestellt wird, wird darauf hingewiesen, daß diese Kriterien nicht einzig entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg einer Unternehmung sind. Das Streben nach Erfolg im steuerlichen Sinne ist das Streben nach einem positiven wirtschaftlichen Ergebnis in Form eines Totalgewinnes, aber nicht das Streben nach dem Erreichen einer gewissen Größe des Unternehmens. Ebenfalls unklar ist die vom Beklagten dargelegte Rechtsansicht, das BFH-Urteil IV R 8/84 sei auf diesen Fall nur bedingt anwendbar. Auch wenn es sich im Streitfall um eine andere Berufsgruppe handelt, haben die das zitierte BFH-Urteil tragenden Rechtsgrundsätze auch für den Fall des Klägers erhebliche Bedeutung. Hier wird insbesondere auf die Ausführungen der besonderen Überprüfungspflicht bei Ungewißheit des finanziellen Erfolges einer Tätigkeit und dem möglichen Zeitpunkt einer späteren Realisierung verwiesen. Der BFH weist dabei ausdrücklich darauf hin, daß auch eine lang andauernde Verlustphase für sich allein kein Indiz ist, das für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht spricht. Erst bei Erkenntnis, daß die ausgeübte Tätigkeit sich wirtschaftlich nicht mehr verwerten läßt, würde ein Steuerpflichtiger zur Aufrechterhaltung seiner Gewinnerzielungsabsicht weitere Maßnahmen ergreifen müssen, um sein Streben nach Totalgewinn zu erhalten. Aber gerade die Erkenntnis, daß sich die vom Kläger bearbeiteten Projekte nach seiner Ansicht weiterhin realisieren lassen (und zwar mit erheblichem Gewinn), wurde dem Beklagten immer wieder dargestellt.

    Soweit der Beklagte behauptet, die Zivilklage „D” sei ausschließlich wegen der Steuerstreitsache erhoben worden, wird ausdrücklich Beweisantritt gefordert. Bereits das Prozeßkostenrisiko beträgt für den Kläger ein Vielfaches sämtlicher wegen angeblich fehlender Gewinnerzielungsabsicht bestehender Rechtsstreitverfahren in Frage kommender Einkommensteuerbelastungen. Es macht für den Kläger keinen Sinn, ein erhebliches Risiko einzugehen, um bei möglichem positiven Ergebnis ein zusätzliches Hilfsargument in einer Steuerstreitsache zu erhalten.

    Abschließend wird nochmals in besonderem Maße betont, daß im vorliegenden Fall für eine angeblich fehlende Gewinnerzielungsabsicht des Klägers das Motiv der persönlichen außersteuerlichen Veranlassung fehlt, vergleich auch Seite 9 der Klageschrift vom 07.05.1997. Hierauf ist der Beklagte bis heute nicht eingegangen. Zur Frage der Beweislast wird auf das Urteil des niedersächsischen Finanzgerichtes, IX 251/96 DStRE 1997 Seite 494 497 hingewiesen.”

    Die Kläger beantragen,

    die Einkommensteuerbescheide 1988 vom 22.2.1995 und 1989 bis 1991 vom 24.4.1995, jeweils i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 15.4.1997, dahin abzuändern, daß Verluste aus selbständiger Arbeit des Klägers i.H. von 28.316 DM (1988), 18.503 DM (1989), 19.824 DM (1990) und 23.022 DM (1991) berücksichtigt und die Fahrzeugkosten bis zur Grenze von 15.000 km und 0,42 DM/km, soweit sie weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten abgezogen werden, als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG angesetzt werden (16 K 3182/97 E).

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Wegen seiner Ausführungen wird auf die Schriftsätze vom 16.9.1997 und 11.2.1998 Bezug genommen.

    Der Senat hat die den Streitfall betreffenden Steuerakten (u.a. Einkommensteuerakten 1986 bis 1998, Bilanzakten 1978 bis 1998, Prüfungshandakten) beigezogen. Entsprechend den Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG für die Jahre 1997 und 1998, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, machte der Kläger Verluste i.H. von 11.222,85 DM (1997) und 8.650,71 DM (1998) geltend. Die Betriebseinnahmen wurden mit insges. 7.349,04 DM (1997) und 13.803,23 DM (1998) erklärt; sie beruhten auf Privatanteilen und Umsatzsteuer (1997) sowie auf Erlösen aus Anlagenverkäufen, Privatanteilen und Umsatzsteuer (1998).

    Gründe

    III.

    Die Klage ist unbegründet.

    1. Die verfahrensrechtlichen Einwände, die die Änderung des Einkommensteuerbescheides 1988 betreffen, greifen nicht durch.

    a) Der Bescheid vom 6.12.1994, den das FA während des Einspruchsverfahren durch den angefochtenen Bescheid zugunsten der Kläger geändert hat, war weder in bezug auf die Änderungsbefugnis noch in bezug auf die Festsetzungsverjährung zu beanstanden. Da der Einkommensteuerbescheid 1988 vom 5.2.1992 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, ergab sich die Änderungsbefugnis aus § 164 Abs. 2 AO. Die Einkommensteuererklärung 1988 wurde erst am 21.12.1990 abgegeben; demzufolge lief die Festsetzungsfrist, wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, erst am 31.12.1994 ab.

    b) Der Einkommensteuerbescheid 1988 vom 6.12.1994 war auch entgegen der Ansicht der Kläger nicht nach § 125 Abs. 1 AO nichtig.

    Der hier zu beurteilende Verfahrensfehler - Verletzung des rechtlichen Gehör durch Unterlassung der Anhörung nach § 91 AO bzw. der Schlußbesprechung nach § 201 AO - führt nach allgemeiner Meinung nicht zur Nichtigkeit eines Steuerbescheids (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 125 Rz. 22, m.w.N.). Er zählt nach § 126 Abs. 1 Nr. 3 AO zu den Rechtsfehlern, die bis zum Abschluß des Einspruchsverfahrens heilbar sind. Eine solche Heilung ist - durch Abhalten der Schlußbesprechung und Anhörung im Einspruchsverfahren - hier eingetreten mit der Folge, daß der Fehler sogar unbeachtlich, d.h. der Einkommensteuerbescheid 1988 nicht wegen des Fehlers rechtswidrig ist.

    2. Das FA hat die Verluste aus der freiberuflichen Tätigkeit des Klägers mangels Gewinnerzielungsabsicht zu Recht nicht anerkannt.

    a) Ebenso wie bei der Einkunftsart „Gewerbebetrieb”, bei der die Absicht der Gewinnerzielung zu den ausdrücklich erwähnten Tatbestandsmerkmalen gehört (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG), ist auch bei der Einkunftsart „selbständige Arbeit” eine Gewinnerzielungsabsicht Voraussetzung für das Vorliegen einer einkommensteuerrechtlich relevanten Tätigkeit. Nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BStBl II 1984, 751, 766) ist die Gewinnerzielungsabsicht wie jede innere Tatsache anhand äußerer Merkmale zu beurteilen. Aus objektiven Umständen muß auf das Vorliegen oder das Fehlen der Absicht zur Gewinnerzielung geschlossen werden, wobei einzelne Umstände einen Anscheinsbeweis liefern können.

    Beweisanzeichen für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht kann eine Betriebsführung sein, bei der der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen dazu geeignet und bestimmt ist, mit Gewinn zu arbeiten. Dies fordert eine in die Zukunft gerichtete und langfristige Beurteilung, wofür die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten können. Wenn dauernde Verluste auf das Fehlen einer Gewinnabsicht hindeuten, kann dies allein nicht ausschlaggebend sein. Bei längeren Verlustperioden muß aus weiteren Anzeichen die Feststellung möglich sein, daß der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt (BFH-Beschluß in BStBl II 1984, 751, unter C. IV. 3. c bb (1)).

    b) Im Streitfall spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß der Kläger sein Architekturbüro in der Absicht betrieben hat, Gewinne zu erzielen; denn ein Unternehmen dieser Art ist regelmäßig nicht dazu bestimmt und geeignet, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen (vgl. BFH-Urteil vom 22.4.1998 XI R 10/97, BStBl II 1998, 663 betr. Rechtsanwaltskanzlei mit Hinweis auf BFH-Urteil vom 19.11.1985 VIII R 4/83, BStBl II 1986, 289).

    c) Die ernsthafte Möglichkeit, daß ein jahrelang ausschließlich mit Verlusten arbeitender Betrieb nicht in der Absicht der Gewinnerzielung geführt wird, ist allerdings gegeben, wenn feststeht, daß der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten kann. Dieses Merkmal setzt voraus, daß der Betrieb aus objektiven Gründen nicht zur Erzielung von Gewinnen geeignet erscheint. Diese Auslegung liegt auch der Entscheidung des BFH zum Getränkegroßhandel (in BStBl II 1986, 289) zugrunde, in der die Vorinstanz die objektive Unmöglichkeit der Erwirtschaftung von Gewinnen aus der Tatsache abgeleitet hatte, daß außergewöhnliche Verlustursachen nicht ersichtlich waren.

    Danach genügt die Annahme einer lediglich subjektiv schlechten Betriebsführung nicht, weil sie die Geeignetheit des Betriebs, Gewinne zu erzielen, nicht in Frage stellt. Dementsprechend hat auch der BFH in der Entscheidung zur Rechtsanwaltskanzlei (in BStBl II 1998, 663) der Revision des Klägers mit der Erwägung stattgegeben, das FG sei aufgrund der erzielten Umsätze (Einnahmen lt. Tatbestand des BFH-Urteils in den Jahren 1977 bis 1992 jeweils zwischen rd. 107.000 DM und 417.000 DM) gerade davon ausgegangen, daß der Kläger bei vernünftiger Reduzierung der Ausgaben keine Verluste, sondern Gewinne erzielt hätte; bei - aus betriebswirtschaftlicher Sicht - zu hohen Ausgaben könne sich aber allenfalls die Frage stellen, ob einzelne Aufwendungen die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren und deshalb nach § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG ganz oder teilweise vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen seien. Darüber hinaus habe das FG keine persönlichen Gründe oder Motive festgestellt, die den Kläger trotz überwiegender Verluste zur Weiterführung seiner Anwaltskanzlei bewogen haben könnten. Der Umstand allein, daß der Kläger wegen anderweitiger hoher Einkünfte in der Lage gewesen sei, die aus der „repräsentativen Kanzleiführung” jährlich anfallenden Verluste zu tragen, begründe kein solches persönliches Motiv. Angesichts der Tatsache, daß der Kläger seine Kanzlei hauptberuflich betrieben und ständig mindestens zwei Arbeitnehmer beschäftigt habe, sowie - nach der ausdrücklichen Feststellung durch die Vorinstanz - die Anwaltstätigkeit „mit vollem persönlichen Einsatz” ausgeübt habe, sei ein derartiges persönliches Motiv auch nicht naheliegend. Eine Rechtsanwaltstätigkeit aus Gründen der Liebhaberei könne hier nicht angenommen werden.

    d) Nach den letzterwähnten Grundsätzen läßt sich die objektive Unmöglichkeit der Erwirtschaftung von Gewinnen aus der Tatsache ableiten hatte, daß außergewöhnliche Verlustursachen nicht ersichtlich sind.

    aa) Die Besonderheit des Streitfalles besteht darin, daß der Kläger über einen langen Zeitraum keine bzw. nur geringfügige Umsätze erzielt hat. Da die Umsätze für die Beurteilung der Frage, „mit welchem Einsatz” der Kläger die Architektentätigkeit ausgeübt hat, wesentlich ist, sind Umsätze (Einnahmen) aus Anlagenverkäufen, Privatanteilen und Umsatzsteuer nicht zu berücksichtigen. Aufgrund der geringfügigen Umsätze ist auch insbesondere den Ausführungen des Prüfers, auch bei einer Kürzung der Betriebsausgaben um nicht abzugsfähige Kosten des Privatbereichs würden sich keine Gewinne ergeben, beizupflichten. Danach ist hier die Annahme, daß der Kläger bei einer vernünftigen Reduzierung der Ausgaben keine Verluste, sondern Gewinne erzielt hätte, ausgeschlossen.

    bb) Das FG hält die vorerwähnte Besonderheit des Streitfalles für durchgreifend und die weiteren, die Planung von Großprojekten, die Honorarerwartungen sowie die Betriebsveräußerung betreffenden Einwendungen des Klägers nicht für begründet. Das FG folgt in bezug auf diese weiteren Einwendungen der zutreffenden Einspruchsentscheidung und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Ergänzend wird insoweit darauf hingewiesen, daß es sowohl hinsichtlich des Zivilprozesses in der Sache „D” (Vergleich) als auch des neuen Projektes in „E” (1996) an einem detaillierten Vortrag und an Nachweisen fehlt.

    3. Das FA hat auch die außergewöhnlichen Belastungen zu Recht nur mit einer Fahrleistung von 3.000 km und den in den LStR festgesetzten Pauschsätzen anerkannt.

    Kfz-Kosten eines Körperbehinderten sind nur insoweit als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, als sie nicht außerhalb des Rahmens des Angemessenen liegen. Zu dessen Bestimmung ist grundsätzlich neben einer Begrenzung der als angemessen anzusehenden jährlichen Fahrleistung auf 15 000 km auf die in den LStR festgesetzten Pauschsätze zurückzugreifen. Diese Grenze der Angemessenheit bedeutet nicht, daß ein Nachweis der Fahrleistung verzichtbar ist.

    Das FG folgt deshalb auch insoweit der zutreffenden Einspruchsentscheidung und sieht deshalb von einer weiteren Begründung ab (§ 105 Abs. 5 FGO). In bezug auf die Erforderlichkeit eines Nachweises wird ergänzend darauf hingewiesen, daß die als Betriebsausgaben geltend gemachten Kosten zwei Kfz betrafen und eine Kfz-Nutzung durch die Klägerin und die beiden Söhne in Betracht zu ziehen war.

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenEStG § 15 Abs. 2 Satz 1, EStG § 18 Abs. 1, EStG § 18 Abs. 4, EStG § 33