05.11.2024 · IWW-Abrufnummer 244605
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 14.08.2024 – 10 Sa 4/24
1. Eine Inflationsausgleichsprämie kann als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung ausgestaltet werden. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz steht einer solchen Gruppenbildung nicht entgegen.
2. § 3 Nr. 11c EStG steht einer arbeitsleistungsbezogenen Ausgestaltung der Inflationsausgleichsprämie ebenfalls nicht entgegen.
In der Rechtssache
- Kläger/Berufungskläger -
Proz.-Bev.:
gegen
- Beklagte/Berufungsbeklagte -
Proz.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 10. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Zimmermann, die ehrenamtliche Richterin
Kniebühler und den ehrenamtlichen Richter Scherer auf die mündliche Verhandlung vom 14.08.2024
für Recht erkannt:
Tenor: 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Villingen-Schwenningen vom 19. Dezember 2023 - 6 Ca 13/23 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. 2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufung noch über eine Inflationsausgleichsprämie.
Der Kläger ist seit dem 9. April 1980 als Arbeitnehmer bei der Beklagten in Vollzeit beschäftigt. Er erbrachte im gesamten Jahr 2023 keine Arbeitsleistung, weil er arbeitsunfähig erkrankt war. Die Beklagte leistete in diesem Jahr keine Entgeltfortzahlung. Der Kläger bezog vielmehr Krankengeld. Rückwirkend zum 2. März 2022 wurde ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt.
Zusammen mit der Vergütung für März 2023 zahlte die Beklagte an ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen eine Inflationsausgleichsprämie - nachfolgend: IAP - in Höhe von 1.500,00 Euro netto. Die Zahlung erfolgte ausschließlich dann, wenn Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auch eine Vergütung für geleistete Arbeit im Jahr 2023 bezogen. An Arbeitnehmer wie den Kläger, die aufgrund einer Langzeiterkrankung keine Arbeitsleistung erbrachten und die durch Entgeltersatzleistungen wie z.B. Krankengeld abgesichert waren, zahlte sie dagegen keine IAP. Mit Schreiben vom 3. Mai 2023 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung bis 10. Mai 2023 auf (Anlage K14, Bl. 54 der erstinstanzlichen Akte). Die Beklagte zahlte nicht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe die IAP zu. Eine Unterscheidung dahingehend, ob das Arbeitsverhältnis ruhe, weil man arbeitsunfähig sei, oder ob man arbeite sei bezüglich der Inflationsausgleichsprämie nicht möglich.
Der Kläger hat - soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung - beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Inflationsausgleichsprämie i.H.v. 1.500,00 Euro netto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 3. April 2023 zu bezahlen.Die Beklagte hat beantragt:
Klageabweisung.Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Ungleichbehandlung des Klägers sei sachlich gerechtfertigt, weil die Hauptpflichten im Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ruhten. Der Zweck der IAP habe nämlich darin bestanden, die inflationsbedingten Härten für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Rahmen einer zusätzlichen Vergütung für eine tatsächlich im aktiven Beschäftigungsverhältnis erbrachte Arbeitsleistung auszugleichen. Dieser Zweck sei bezogen auf den Kläger nicht einschlägig.
Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung - mit Urteil vom 19. Dezember 2023 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor. Steuerrechtlich gesehen sei die IAP mischcharakterfähig, da der Arbeitgeber neben dem steuerrechtlich vorgesehenen Sozialzweck "Kaufkraftausgleich" auch weitere Zwecke wie Betriebstreue und Leistungsanreize verfolgen könne. Der Sozialzweck sei wegen der Finanzierungsverantwortung des Arbeitgebers nicht abschließend. Es obliege daher der Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers, ob er die Sozialleistung von der tatsächlichen Arbeitsleistung abhängig mache. Gestützt werde dies auch durch den Wortlaut in § 3 Nr. 11c EStG. Danach werde die IAP zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt.
Gegen das dem Kläger am 21. Dezember 2023 zugestellte Urteil hat er am 15. Januar 2024 Berufung eingelegt und diese am 5. Februar 2024 begründet.
Er trägt vor, die gesetzliche Zweckbestimmung der IAP stehe nicht zur Disposition der Beklagten. Die IAP wolle insgesamt Arbeitnehmer von den gestiegenen Verbraucherpreisen entlasten. Wenn § 3 Nr. 11c EStG davon spreche, dass die IAP zusätzlich zum Arbeitslohn gezahlt werde, habe dadurch verhindert werden sollen, dass Arbeitgeber einen Teil ohnehin geschuldeten Arbeitsentgelts steuer- und sozialabgabenfrei als IAP deklarierten. Unerheblich sei, ob die Beklagte eine Gegenleistung erhalte. Dies sei nicht Ziel des Gesetzgebers gewesen. Die IAP habe nach seinem Willen keine eigene Leistung der Arbeitnehmer vorausgesetzt. Gerade der Kläger habe aufgrund des Krankengeldbezugs besonders unter den gestiegenen Verbraucherpreisen gelitten.
Der Kläger beantragt:
Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Villingen-Schwenningen vom 19. Dezember 2023 - 6 Ca 13/23 - wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine IAP in Höhe von 1.500,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 3. April 2023 zu bezahlen.Die Beklagte beantragt:
Zurückweisung der Berufung.Zur Begründung trägt sie vor, der Gesetzgeber habe nicht festgelegt, dass die Prämie an alle Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Arbeitsleistung gezahlt werden müsse. Das Arbeitsgericht habe zutreffend entschieden.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b ArbGG). Sie ist auch frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO). Die Berufungsbegründung lässt zudem gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG die Umstände erkennen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben soll.
II.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf eine IAP zu.
1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat einen bezifferten Antrag gestellt, so dass der Antrag hinreichend bestimmt ist (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Er hat zudem in der mündlichen Berufungsverhandlung klargestellt, dass er den Anspruch allein aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz herleitet, andere Streitgegenstände stelle er nicht zur Entscheidung.
2. Die Klage ist in Bezug auf die begehrte Verurteilung der Beklagten zu einer Netto-Zahlung gemäß § 3 Nr. 11c EStG selbst dann unbegründet, wenn dem Kläger dem Grunde nach ein Zahlungsanspruch zustünde.
a) Die Gerichte für Arbeitssachen können nicht mit Bindung für die Steuerbehörden und Finanzgerichte sowie die Krankenkassen festlegen, ob ein Betrag abgabenpflichtig ist oder nicht. Deshalb ist in eine Entscheidungsformel das Wort "netto" nur dann aufzunehmen, wenn der Arbeitgeber aus arbeitsrechtlichen Gründen gehalten ist, alle etwaigen Abgaben zu tragen, die auf eine von ihm geschuldete Geldleistung zu entrichten sind (BAG 24. Februar 2021 - 10 AZR 130/19 - Rn. 35). Nichts anderes gilt nach Auffassung des Berufungsgerichts, wenn noch nicht klar ist, ob eine Inflationsausgleichsprämie nach § 3 Nr. 11c EStG über die steuerrechtliche Sozialzweckbindung hinaus an weitere - arbeitsrechtliche - Voraussetzungen geknüpft werden kann. Sollte dies verneint werden, kann trotzdem ein Anspruch des Klägers auf eine Zahlung von 1.500,00 Euro entstanden sein, die dann allerdings nicht steuer- und abgabenfrei wäre. Dies könnte dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass das Wort "netto" im Tenor nicht verwendet würde. Es handelte sich aber noch immer um denselben Streitgegenstand (vgl. BAG 24. Februar 2021 - 10 AZR 130/19 - Rn. 41 ff. in Abgrenzung zu BAG 23. September 2020 - 5 AZR 251/19 - Rn. 23; Arbeitsgericht Stuttgart 14. November 2023 - 3 Ca 2713/23 - Rn. 28 zitiert nach juris).
b) Für Zahlungen, die ein Arbeitgeber wie vorliegend im Hinblick auf § 3 Nr. 11c EStG vornimmt, ist nicht geklärt, wann eine für die steuer- und daran anknüpfende abgabenrechtliche Privilegierung erforderliche zusätzliche Leistung i.S.d §§ 3 Nr. 11 c, 8 Abs. 4 EStG vorliegt und nach welchen Kriterien der Arbeitgeber hinsichtlich des Ob - also des berechtigten Personenkreises, aber auch der Höhe der zu zahlenden Sonderleistung - differenzieren sowie Bindungsregelungen vorsehen kann, ohne die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Privilegierung zu verlieren (vgl. hierzu nur Uffmann NZA 2023, 65 ff.). Diese offene steuerrechtliche Fragestellung kann das Berufungsgericht nicht für die Steuerbehörden und Finanzgerichte sowie die Krankenkassen verbindlich entscheiden, weshalb eine "Netto"-Verurteilung von vornherein nicht in Betracht kommt.
3. Dem Kläger steht aber auch dem Grunde nach kein Zahlungsanspruch zu. Er hat den Zahlungsanspruch ausschließlich auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt. Dessen Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wird inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt. Er gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz auch bei der Zahlung der Arbeitsvergütung anwendbar, wenn diese durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben wird oder der Arbeitgeber die Leistung nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liegt grundsätzlich beim anspruchstellenden Arbeitnehmer (st. Rspr., vgl. nur BAG 26. April 2023 - 10 AZR 137/22 - Rn. 22 f. m.w.N.).
b) Unstreitig hat die Beklagte an alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen eine IAP in Höhe von 1.500,00 Euro bezahlt, dem Kläger jedoch nicht. Sie hat den Kläger daher aus einer Gruppe von vergleichbaren und vorteilhaft behandelten Personen ausgenommen. Denn der Kläger ist ebenso wie allen anderen Begünstigten Arbeitnehmer der Beklagten. Sie durfte die Leistung der IAP jedoch unter die Voraussetzung stellen, sie nur solchen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zu zahlen, die einen Anspruch auf arbeitsleistungsbezogene Vergütung hatten. Darin liegt keine sachfremde Gruppenbildung.
aa) Die Beklagte hat die IAP als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung ausgestaltet.
(1) Die Beklagte hat unbestritten vorgetragen, dass alle Arbeitnehmer, die "einen" Verdienst für geleistete Arbeit im Jahr 2023 erzielt haben, anspruchsberechtigt waren. Arbeitnehmer, denen sie keine Vergütung für Arbeitsleistung - auch nicht im Sinne von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 EFZG - schuldete, erhielten auch keine IAP. Damit waren nur Arbeitnehmer von der IAP ausgeschlossen, die im gesamten Jahr 2023 gar keine Arbeitsleistung erbracht und keinerlei Entgeltleistungen von der Beklagten erhalten haben. Arbeitnehmer, die nicht für das ganze Jahr Entgelt bezogen haben, aber immerhin teilweise, hätten einen Anspruch. Es kann dahinstehen, wie es sich konkret ausgewirkt hätte, wenn der Kläger nicht das ganze Jahr arbeitsunfähig mit Krankengeldbezug gewesen wäre und in welcher Höhe ihm ein Teilanspruch zugestanden hätte, wenn er im Laufe des Jahres 2023 seine Arbeitsleistung wieder hätte erbringen können. Denn der Kläger hat das ganze Jahr Krankengeld bezogen, so dass auch ein Anspruch auf eine gekürzte IAP nicht in Betracht kommt.
(2) Grundsätzlich darf ein Arbeitgeber eine Sonderzahlung an die Voraussetzung knüpfen, dass in dem Zeitraum, für den die Zahlung geleistet wird, Arbeit erbracht wird. Es handelt sich dann um Arbeitsentgelt für geleistete Arbeit, das zu einem anderen Zeitpunkt fällig wird als das übliche Entgelt. Für den Fall, dass keine Arbeit oder nur teilweise Arbeit geleistet wird, ist dann auch der Anspruch auf die zusätzliche Zahlung nicht bzw. nur teilweise entstanden und zwar auch dann, wenn keine Kürzungsregelung vereinbart ist.
bb) Der Ausgestaltung der IAP als arbeitsleistungsbezogenes Entgelt steht der gesetzgeberische Zweck nach § 3 Nr. 11c EStG nicht entgegen. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
(1) Aus dem Gesetzgebungsverfahren lässt sich dem Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz vom 29. September 2022 (BT-Drs. 20/3763, 6) entnehmen, dass an den "Zusammenhang zwischen Leistung und Preissteigerung (keine) besonderen Anforderungen" zu stellen seien. Ausreichend sei es vielmehr, wenn der Arbeitgeber bei der Gewährung der Leistung in beliebiger Form, etwa durch einen Hinweis auf dem Überweisungsträger, deutlich mache, dass diese im Zusammenhang mit der Preissteigerung stehe. Zusätzliche Zwecke werden dadurch nicht ausgeschlossen.
(2) Die Inflationsausgleichsprämie muss nach § 3 Nr. 11c EStG "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" gewährt werden. Hintergrund dieses auch für andere Steuerbefreiungstatbestände geltenden Tatbestandsmerkmals ist in erster Linie der fiskalpolitische Zweck, das Lohnsteuersubstrat sowie daran anknüpfend das Beitragsaufkommen in der Sozialversicherung zu sichern, weshalb die Umwandlung von steuerpflichtigem Lohn in steuerbefreiten Lohn unterbunden wird. Wann eine Zahlung "zusätzlich" in diesem Sinne ist, ist in § 8 Abs. 4 EStG genauer ausformuliert. Vereinfacht ausgedrückt dürfen Arbeitgeber nicht die IAP gegen aus anderen Gründen geschuldete Vergütung gegenrechnen (vgl. hierzu auch Uffmann NZA 2023, 65, 69 f.). Daraus lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen, ob der Arbeitgeber mit der Zahlung der IAP über den in § 3 Nr. 11c EStG verfolgten Sozialzweck hinaus auch rein arbeitsrechtliche Ziele wie die Vergütung von Arbeitsleistung verfolgen darf. Denn Arbeitslohn kann auch ein Weihnachtsgeld sein, das ausschließlich Betriebstreue honorieren will, nicht aber Arbeitsleistung (vgl. hierzu auch Uffmann a.a.O.). Das "Zusätzlichkeitsgebot" bezieht sich also nicht zwingend nur auf arbeitsleistungsbezogenes Entgelt.
(3) Die Bundesregierung hat auf eine kleine Anfrage im Jahr 2023 ausgeführt, dass bei Tarifabschlüssen im Jahr 2022 zwar ein Trend zu etwas höheren Zuwächsen erkennbar sei, sie jedoch deutlich hinter der Entwicklung der Verbraucherpreise zurückblieben, so dass für eine Lohn-Preis-Spirale keine Anzeichen bestünden. In Deutschland trage u.a. die die Inflationsausgleichsprämie des § 3 Nr. 11c EStG dazu bei (vgl. BT Drs. 20/6569 S. 7). Die Verbindung zwischen "Vergütung" von Arbeitsleistung und Teuerung wird erneut deutlich. Die Inflationsausgleichsprämie soll eine Lohn-Preis-Spirale verhindern, indem sie eine Einmalzahlung gegenüber einer prozentualen Lohnsteigerung attraktiv macht. Die dauerhafte Verteuerung von Arbeit durch eine prozentuale Lohnsteigerung sollte verhindert werden. Da Lohn der Vergütung von Arbeitsleistung dient (§ 611a Abs. 2 BGB), stellt nicht nur die prozentuale Lohnsteigerung Vergütung dar, sondern gerade auch die sie ersetzende Einmalzahlung i.S.d. § 3 Nr. 11c EStG (so zutreffend LAG Düsseldorf 5. März 2024 - 14 Sa 1148/23 - Rn. 85, zitiert nach juris, nicht rechtskräftig [Az. beim BAG 9 AZR 71/24]).
(4) Die Zielerreichung - Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise sowie Vermeidung einer Lohn-Preis-Spirale - wird nur möglich, wenn der Arbeitgeber freiwillig hierfür eigene, zusätzliche Mittel bereitstellt (Uffmann NZA 2023, 65, 72). Die steuerbefreiten Leistungen stammen gerade nicht aus öffentlichen Mitteln (BeckOK/Levedag EStG 19. Ed. 1. Juli 2024 § 3 Nr. 11c Rn. 2). Es liegt keine Beihilfe i.S.d. § 3 Nr. 11 EStG vor. Verwehrte man dem Arbeitgeber jegliche Differenzierung durch zusätzliche Zwecksetzungen, da alle Arbeitnehmer grundsätzlich von den Verbraucherpreisen gleichermaßen betroffen wären, so dürfte dieser die Prämie etwa hinsichtlich des Umfangs bei Teilzeitkräften nicht von dem Umfang der Arbeitsleistung im Verhältnis zur Arbeitsleistung Vollzeitbeschäftigter abhängig machen. Insbesondere die Herausnahme bestimmter Arbeitnehmergruppen, etwa bei ruhenden Arbeitsverhältnissen oder wie hier bei gänzlich fehlender Arbeitsleistung, wären nicht möglich. Dies erscheint zum einen mit Blick auf die sog. Finanzierungsverantwortung des Arbeitgebers nicht sachgerecht. Wer freiwillig leistet, muss auch in den Grenzen der Gesetze über die Verteilung der Leistung bestimmen dürfen. Zum anderen würde dies zudem dazu führen, dass die Arbeitgeber von dem Institut der Inflationsausgleichsprämie eher zurückhaltend Gebrauch machen würden, was letztlich das Ziel des Gesetzes insgesamt konterkarieren würde (so zutreffend Arbeitsgericht Dortmund 2. Februar 2024 - 3 Ca 124/24 - Rn. 67, zitiert nach juris). Dass Arbeitnehmer wie der Kläger, der mit dem Krankengeldbezug weniger an Einkommen bezieht als wenn er arbeitete, und deshalb vom Sozialzweck der IAP besonders profitieren würde, ändert nichts daran, dass die Leistung vom Arbeitgeber gewährt wird und er entscheidet, ob er überhaupt die Privilegierung "auslösen" will.
(5) Soweit auch der vom Bundesministeriums der Finanzen mit den Obersten Finanzbehörden der Länder erstellte Handreichung (sog. FAQ, abrufbar unter https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2022-12-07-FAQ-Inflationsausgleichspraemie.html) zur Inflationsausgleichsprämie Bedeutung beigemessen wird (vgl. LAG Düsseldorf 5. März 2024 - 14 Sa 1148/23 - Rn. 88; Arbeitsgericht Dortmund 2. Februar 2024 - 3 Ca 124/24 - Rn. 65; Arbeitsgericht Stuttgart 14. November 2023 - 3 Ca 27/13 - 23 Rn. 28, alle zitiert nach juris), lässt das Berufungsgericht dies dahinstehen. Zwar lassen sie in Nr. 9 erkennen, dass Bedingungen für die Prämiengewährung durch den Arbeitgeber wie z.B. Betriebszugehörigkeit, bestandene Probezeit (vgl. für eine Zahlung anknüpfend an zukünftig zu erwartende Arbeitsleistung LAG Niedersachsen 21. Februar 2024 - 8 Sa 564/23 - Rn. 39 f., zitiert nach juris) generell zulässig sind. Das Bundesministeriums der Finanzen meint hierzu, unabhängig davon, ob solche Bedingungen arbeitsrechtlich zulässig sind, seien sie für die Steuerfreiheit unschädlich. Das spricht dafür, dass die IAP an weitere Bedingungen geknüpft, insbesondere von Arbeitsleistung abhängig gemacht werden kann. Allerdings ist bislang ungeklärt, welche rechtliche Qualität diesen FAQ zukommt, insbesondere ob sie zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen (weiterführend Uffmann NZA 2023, 65, 70). Das Berufungsgericht misst ihnen daher keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
(6) Es kann aufgrund des vorstehend gefundenen Ergebnisses dahinstehen, ob eine Verfehlung der in § 3 Nr. 11c EStG angelegten Zwecksetzung der IAP durch die arbeitsleistungsbezogene Ausgestaltung durch die Beklagte dazu führt, dass sie keine steuerliche Privilegierung erhält und damit rechnen muss, für den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung in Anspruch genommen zu werden und für die Lohnsteuer haftete, ohne Rückgriff bei ihren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen nehmen zu können (vgl. weitergehend Uffmann NZA 2023, 65, 66). Denn der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wäre auch im Falle einer steuerrechtlichen Zweckverfehlung noch immer nicht verletzt.
III.
1. Der Kläger trägt als unterlegene Partei die Kosten des Berufungsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
2. Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
ZimmermannKniebühlerSchererVerkündet am 14.08.2024