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  • 17.10.2024 · IWW-Abrufnummer 244303

    Arbeitsgericht Solingen: Urteil vom 11.04.2024 – 2 Ca 1497/23

    1. Die Aufforderung zur oralen Befriedigung an eine Auszubildende - die sich aus Angst nicht dagegen gewehrt hat - durch einen Arbeitnehmer ist objektiv unerwünscht und damit eine sexuelle Belästigung iSd § 3 Abs. 4 AGG.

    2. Die Aufforderung an eine Auszubildende - die sich aus Angst nicht dagegen gewehrt hat - zum Anfassen des Genitals und/oder zum Anfassen lassen im eigenen Genitalbereich/ an der Brust durch einen Arbeitnehmer ist objektiv unerwünscht und damit eine sexuelle Belästigung iSd § 3 Abs. 4 AGG.

    3. Das Ablecken/Küssen des Nackens einer Auszubildenden - die sich aus Angst nicht dagegen gewehrt hat - durch einen Arbeitnehmer ist objektiv unerwünscht und damit eine sexuelle Belästigung iSd § 3 Abs. 4 AGG.

    4. Die Aufforderung zur Nackenmassage an eine Auszubildende durch einen Arbeitnehmer ist objektiv unerwünscht und damit eine sexuelle Belästigung iSd § 3 Abs. 4 AGG.

    5. Bei Vorliegen offenkundiger Widersprüche im Klägervorbringen, erheblicher Ablenkungsmanöver und greifbarer Schutzbehauptungen bedarf es keines Zeugenbeweises durch Vernehmung des Opfers einer sexuellen Belästigung im Rahmen einer 4-Augen-Situation.

    6. Eine durch den fristlos gekündigten Akteur einer vom Arbeitgeber behaupteten sexuellen Belästigung betriebene Täter-Opfer-Umkehr und/oder Legendenbildung muss im Rahmen der Erheblichkeit des Klagevorbringens insbesondere bei 4-Augen-Situationen zugunsten der belästigten Person berücksichtigt werden.

    7. Eine vom Kläger bestrittene sexuelle Belästigung im Rahmen einer 4-Augen-Situation kann als Verdachtskündigung - ohne weitere Beweisaufnahme - wirksam sein.

    8. Bei einer sexuellen Belästigung kommt es im Arbeitsrecht - anders als im Strafrecht - nicht auf den geäußerten entgegenstehenden Willen des Opfers und somit nicht auf eine Erkennbarkeit für den Täter an.

    9. Im Arbeitsverhältnis kommt es bei der Einordnung einer sexuellen Belästigung immer entscheidend auf das vorhandene Machtgefälle zwischen Täter und Opfer an.

    10. Jede sexuelle Belästigung ist grundsätzlich und ohne vorangegangene Abmahnung geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Auf die Schwere der Belästigung kommt es nicht an


    Arbeitsgericht Solingen 

    Urteil vom 11.04.2024


    Tenor:

    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
    3. Streitwert: 12.920,00 €.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit einer fristlosen sowie einer hilfsweise erklärten fristgerechten Kündigung. Ausgelöst wurden beide Kündigungen durch von der Beklagten behauptete mehrfache und sich steigernde sexuelle Übergriffe des Klägers gegenüber einer Auszubildenden, die der Kläger allesamt bestreitet.

    Im Einzelnen:

    Der Kläger ist seit 00.00.2021 im Bereich der Lagerlogistik für die Beklagte zu einer Bruttovergütung in Höhe von 3.230,00 € tätig. Er war zunächst Leiharbeitnehmer und ist dort seit 2022 unbefristet tätig. Er ist Fachkraft für Warenlogistik, im Gebäude N01 im Logistikzentrum der Beklagten eingesetzt, verheiratet und einem Kleinkind zum Unterhalt verpflichtet. Ein Betriebsrat ist eingerichtet.

    Die Auszubildende Frau C. M. (im Folgenden Frau M.) ist seit dem 00.00.2022 bei der Beklagten in Ausbildung. Sie durchläuft die Ausbildung in verschiedenen Bereichen, so u.a. in der Zeit vom 26.06. bis zum 07.07.2023 im Logistikzentrum. Dort gibt es einen Pausenraum, der grundsätzlich von den Mitarbeitenden des Lagers genutzt wird, so auch von Frau M. Die Auszubildenden bei der Beklagten verfügen grundsätzlich nicht über Schlüssel für die Pausenräume. Darüber hinaus sind sie auch nicht befugt, bestimmte sicherheitsrelevante Bereiche zu betreten, ohne diesbezüglich von einer befugten Person begleitet zu werden. Zu einer solchen Begleitung der Auszubildenden Frau M. durch den Kläger kam es am 07.07.2023 am Vormittag zwischen 10 Uhr und 11 Uhr, da der Kläger Frau M. zu einem um 11 Uhr angesetzten Beurteilungsgespräch bei ihrem unmittelbaren Vorgesetzten gebracht hat. Auf diesem Weg liegt u.a. das sog. Kleinteilelager, das vom Kläger um 10:39 Uhr betreten wurde und in dem sich kurz darauf auch Frau M. befand. Dieses Lager ist zu diesem Zeitpunkt nicht videoüberwacht gewesen, was der Kläger wusste. Die genauen Einzelheiten an diesem Vormittag sind zwischen den Parteien streitig. Insbesondere ist streitig, ob es in dem Kleinteilelager zu einem massiven, strafrechtlich relevanten Übergriff seitens des Klägers auf Frau M. gekommen ist. Unstreitig erschien Frau M. gegen 11 Uhr zu dem angesetzten Beurteilungsgespräch bei ihrem Vorgesetzten.

    Am 28.08.2023 informierten Arbeitskolleginnen der Auszubildenden Herrn A., Vorgesetzter im Bereich S. Product Supply darüber, dass Frau M. durch den Kläger mehrfach sexuell belästigt worden sein solle. Daraufhin wurde der Sachverhalt, insbesondere durch Einschaltung des Ermittlungsdienstes des Werksschutzes der G. GmbH & Co. OHG (im Folgenden G.) ermittelt. In diesem Zusammenhang kam es zu verschiedenen Vernehmungen, nämlich zunächst zu einem zeugenschaftlichen Interview mit Frau M. am 30.08.2023. Ein erstes Gespräch mit dem Kläger erfolgte einen Tag später, ebenfalls durch den Werksschutz am 01.09.2023. Ein zweites Gespräch mit der Auszubildenden wurde am 06.09.2023 durchgeführt und schließlich wurde ein zeugenschaftliches Interview mit der Mitauszubildenden Frau R. Z. (im Folgenden Z.) durchgeführt. Im Anschluss an diese "Interviews", auf die im Folgenden noch näher eingegangen werden wird, überprüfte die Beklagte die angefallenen Arbeiten im Kleinteilelager für den 07.07.2023 und holte sodann noch sog. Eindrucksvermerke der ermittelnden Personen der G. ein, auf die ebenfalls noch näher eingegangen werden wird. Am 15.09.2023, also etwa 14 Tage nach seiner Anhörung, machte der Kläger - nachdem er aus dem Urlaub zurückgekehrt war - ergänzende Angaben zu den streitigen Vorfällen in Form einer E-Mail (Blatt 119 d.A.). In dieser E-Mail heißt es - im Original - wie folgt:

    "Sehr geehrte Damen und Herren,

    ich möchte gerne zu meinem Untersuchungsfall folgende Mitteilung und Ergänzung machen die mir in meinem Urlaub noch eingefallen sind. Evtl. helfen diese Punkte, um die Aufklärung zu unterstützen.

    1.
    Leider war es mir nicht möglich, die von mir in meiner Aussage erwähnten WhatsApp-Chats wieder herzustellen, da ich leider kein Backup dazu habe.

    2.
    Zu meiner Aussage, dass ich im Kleinteilelager eine Ein- oder Auslagerung gemacht ist mir eingefallen, dass ich an dem Tag keine ein- und Auslagerungen gemacht habe, da ich den ganzen Tag an einer Umpackaktion im N02-Lager (Betriebspalettenlager) beschäftigt war. Ich habe mir morgens den Scanner im Kleinteilelager geholt und auf dem Weg, wo ich die Azubine zu Herrn F. gebracht habe, habe ich im Kleinteilelager meinen Akku von dem Datenscanner gewechselt.

    3.
    Ebenso hat die von mir angegebene Azubine mich Ende Juli/Anfang August mehrfach gefragt ob ich sie abholen könnte zur Arbeit, da ihr Auto defekt ist. Dies habe ich nach seinem Urlaub auch meinem Vorgesetzten gezeigt. Ich habe das Abholen verneint, da ich das nicht wollte, da es mir zu weit ging. Ebenso hätte es aufgrund der verschieden Schichtzeiten (sie war in einer anderen Abteilung eingeteilt), sowieso nicht geklappt.

    Freundliche Grüße

    D. U."

    Am 18.09.2023 erfolgte daraufhin ein zweites Gespräch mit dem Kläger durch die G. (Bl. 120 d.A.). Zu einer irgendwie gearteten Autofahrt zwischen dem Kläger und Frau M. kam es in der Folgezeit nicht mehr. Beide begegneten sich lediglich noch auf dem Sommerfest im August 2023.

    Noch am 18.9.2023 wurde der Betriebsrat zur außerordentlich fristlosen sowie vorsorglich fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses und zwar zum einen auf der Grundlage einer Tatkündigung sowie parallel auf der Grundlage einer sog. Verdachtskündigung angehört. Wegen des genauen Wortlautes des ausführlichen Anhörungsschreibens wird auf Bl. 60 ff. d.A. verwiesen. Dem Anhörungsschreiben an den Betriebsrat waren alle relevanten Unterlagen beigefügt sowie sämtliche zeugenschaftlichen Interviews, eine Nachricht des Vorgesetzten Herrn J. vom 06.09.2023, verschiedene WhatsApp-Ausdrucke, die einerseits die Konversation einer Chat-Gruppe mehrerer Auszubildenden bei der Beklagten betreffen und andererseits Chat-Verläufe zwischen dem Kläger und Frau M. Des Weiteren wurde dem Betriebsrat vorgelegt der Screenshot (Computer) eines E-Mails-Entwurfs von Frau M. an ihren Vorgesetzten Herrn J. (Bl. 97 d.A.) vom 10.07.2023, in dem es wie folgt heißt:

    "Guten Abend Herr J.,

    ich kämpfe jetzt schon seit ein paar Tagen mit mir Ihnen zu schreiben. Ich bin Azubi aus der N03 und war die letzten zwei Wochen in der Logistik eingesetzt. In der letzten Woche ist mir etwas passiert. Einer der Mitarbeiter hat mich sexuell belästigt. In meiner Vergangenheit habe ich schonmal mit sexuellem Missbrauch zu tun gehabt und seitdem eine Angst entwickelt. Ich kann in solchen Situationen nicht "Nein" sagen. Ich habe aus Angst so getan, als würde ich es auch wollen und habe alles mitgemacht, was er auf der Arbeit von mir wollte. Es ging sogar so weit, dass wir unsere Handynummern ausgetauscht haben und ich ihm angeboten habe, dass wir uns in meinem Urlaub treffen, weil ich nach der Arbeit nicht auf ihn gewartet habe und dann Angst hatte, dass er merkt, dass ich Angst vor ihm habe.

    Seit Montag wollte ich mit ihnen reden, aber habe mich nicht getraut, weil es so aussieht. als hätte ich es auch gewollt, weil ich Angst hatte, dem Mitarbeiter zu sagen, dass ich es nicht will."

    Weiter wurde dem Betriebsrat ein Ausdruck des Chat-Verlaufs zwischen Frau M. und der Mitauszubildenden Z. Vorgelegt. Sämtliche sog. "Eindrucksvermerke" zu den durchgeführten zeugenschaftlichen Interviews wurden ebenfalls an den Betriebsrat weitergeleitet sowie verschiedene Gesprächsprotokolle zwischen den Führungskräften und dem Betriebsleiter Herrn T.. U.a. ergibt sich aus einem Gesprächsprotokoll vom 08.09.2023 folgendes:

    "(...) Während der Pause kommt es gelegentlich vor, dass Kollegen sich mit Massagen bei der Entspannung unterstützen, spezifisch im Nackenbereich. Herr E. bietet Massagetips an, u.a. weil er selbst beim Physiotherapeuten ist. Diese Massagen werden als einvernehmlich wahrgenommen, z.B. Jemand fragt "kann mich jemand massieren"? Wenn sich niemand meldet oder jemand mit "nein" antwortet, wird dies akzeptiert.

    In KW 27 gab es eine Sonderaktion, die die Gruppe gemeinsam abgewickelt hat (siehe unten), sodass der Pausenraum recht voll war. N. kann sich an mindestens eine Situation erinnern, in der U. hatte abgab, Nackenschmerzen zu haben und gefragt zu haben "Wer kann mich massieren?". Verschiedene Kollegen (ca. 3) haben angeboten, zu massieren. Ausführung der Massage geschah in dem Fall, an den sich N. bewusst erinnern konnte, durch Hrn. L., vielleicht auch durch die Auszubildende.

    Zu der Beteiligung von Massagen: C. M. hat und wurde massiert. Dies ist nach Aussage von N. bei Azubis eher unüblich.C. M. hat dies bei einer Gelegenheit angeboten, es war allem Anschein nach einvernehmlich.

    (...)

    Tätigkeiten im Kleinteilelager am 07. Juli 2023

    Es ging auf den Stillstand des Verpackungsbetriebs N04 zu, sodass wenig Materialumschlag an diesen Tagen im Kleinteilelager zu verzeichnen war Am Freitag, dem 07. Juli 2023 gab es drei Ein- und Auslagerungen gemäß System. Diese fanden nach 16 Uhr statt, d.h. während der sog. Spätschicht.

    Zusätzlich musste zu einer Einlagerung (Es gab 8 Einlagerungen aus der Spätschicht vom 06. Juli 2023.) vom Vortag eine Palettenkarte aktualisiert werden: um 10:14 Uhr wurde durch Hrn. E. und Hrn. V. diese dokumentierte Tätigkeit ausgeführt.

    Für weitere Tätigkeiten oder den Bedarf gibt es keine Anhaltspunkte. Alle Mitarbeitenden wurden in der Sonderaktion benötigt."

    Dem Betriebsrat wurde auch die E-Mail des Klägers vom 15.09.2023 vorgelegt. Der Betriebsrat widersprach der fristgerechten Kündigung am 21.9.2023 auszugsweise wie folgt:

    "Bei der beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Herr U. handelt es sich um eine Verdachtskündigung. Die Verdachtsmomente sowie das Verfahren der Befragung und die abgegebene Stellungnahme der Fachabteilung N05-S. sind für den Betriebsrat nicht nachvollziehbar.

    Den Ausspruch einer Kündigung empfindet der Betriebsrat, aufgrund der mangelnden Beweislage, für nicht gerechtfertigt.

    (...)"

    Am 22.9.2023 stellte die Beklagte die fristlose, am 26.9.2023 die fristgerechte Kündigung zu. Einen Tag nach Anhörung des Betriebsrats, nämlich am 19.09.2023 hat der Kläger beim Polizeipräsidium Köln Anzeige gegen Frau M. wegen übler Nachrede erstattet. Aufgrund der dadurch im Raum stehenden Vorwürfe gegen den Kläger gem. § 177 ff. StGB wurde auch ein Ermittlungsverfahren gegen diesen eingeleitet. Dieses Ermittlungsverfahren ist am 24.01.2024 unter Hinweis auf § 170 II StPO eingestellt worden. In dem Einstellungsbeschluss wird darauf hingewiesen, dass den Angaben von Frau M. nicht zu entnehmen sei, dass sie "gerade nicht und in keiner Weise in keiner der von ihr geschilderten Situationen ihren entgegenstehenden Willen geäußert" habe, sondern vielmehr "kooperiert" habe oder "die Handlungen des Klägers über sich habe ergehen" lassen. Ein vorsätzliches Handeln des Klägers (Beschuldigten) entgegen dem ausdrücklichen Willen oder entgegen eines unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten Willens sei daher nicht nachweisbar. Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Köln (260 Js 380/23) hat die erkennende Kammer beigezogen.

    Der Kläger behauptet, er habe die Auszubildende Frau M. zu keinem Zeitpunkt sexuell belästigt. Bis auf eine Nackenmassage im Beisein von weiteren Kollegen sei nichts vorgefallen. Keinesfalls sei es zu der behaupteten sexuellen Nötigung im Kleinteillager gekommen, auch andere Berührungen im Genitalbereich, am Nacken, am Hals oder am Gesäß von Frau M. habe es niemals gegeben. Er behauptet, derartige Nackenmassagen seien üblich. Er hat außerdem zunächst behauptet, zu keinem Zeitpunkt mit der Auszubildenden alleine gewesen zu sein. Dies sei niemals vorgekommen. In einem weiteren Schriftsatz hat der Kläger dann allerdings vortragen lassen, dass er am 05.07.2023, als die Auszubildende Z. den Pausenraum betreten hatte, am Kühlschrank gestanden habe, während Frau M. weiter entfernt davon am Tisch gesessen habe. Er hat in diesem Schriftsatz darlegen lassen, daran zeige sich, dass er keinerlei körperliche Nähe zu der Auszubildenden in dieser Situation gehabt haben könnte. In einem nächsten Schriftsatz hat er sodann wiederum bestritten, dass die Mitauszubildende Z. den Pausenraum am 05.07.2023 überhaupt betreten habe. In diesem Schriftsatz (Bl. 223 d.A.) heißt es auszugsweise wie folgt:

    "Es wird weiterhin bestritten das Frau Z. den Kläger und Frau M. im Pausenraum angetroffen habe. Der Pausenraum befindet sich, wie bereits ausgeführt, in einem gesicherten Bereich. Zu diesem gesicherten Bereich haben die Azubis keinen Zugang. Es erscheint höchst unwahrscheinlich, dass weitere Mitarbeiter die Auszubildende ohne Erlaubnis in den gesicherten Bereich gelassen haben sollen. Ebenfalls konnte nicht mitgeteilt werden, wer Frau Z. in den gesicherten Bereich gelassen hat. Es stimmt schlichtweg nicht, dass Frau Z. im gesicherten Bereich des Pausenraumes den Kläger und Frau M. beobachtet habe."

    Der Kläger hat behauptet, die Auszubildende habe auch völlig andere Pausenräume nutzen können. Der Kläger hat in der Anhörung durch die G. außerdem zunächst behauptet, er habe im Kleinteillager am 07.07.2023 Arbeiten verrichtet. In seiner später versendeten E-Mail vom 15.09.2023 hat er hingegen behauptet, er habe im Kleinteillager den Akku seines Datenscanners wechseln müssen, da die Batterien leer gewesen seien. Er habe den auf ihn personalisierten Scanner die ganze Zeit für den Batteriewechsel bei sich gehabt. Er habe dann mit dem Datenscanner um 10:39 Uhr das Kleinteillager betreten, wobei diese Uhrzeit zwischen den Parteien unstreitig ist, und habe dort die Batterien gewechselt. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Datenscanner und der letzte Scan in das SAP-System übermittelt. Er habe um 10:46 Uhr bereits den nächsten Arbeitsvorgang durchgeführt, indem er den nächsten Scann mit dem Datenscanner im Lager - an einem anderen Ort als das Kleinteillager - ausgeführt habe. Die Batterien seien jeweils bestimmten Orten zugeordnet, es habe für ihn nicht die Möglichkeit bestanden, die Batterie in unmittelbarer Nähe zu seinem Arbeitsort zu wechseln. Dafür habe er das Kleinteillager aufsuchen müssen. Insgesamt seien die Wege, also auch der Weg zum Büro des Vorgesetzten der Auszubildenden, auf dem er diese - unstreitig - begleitet habe, sehr kurz, so habe er um 10:39 Uhr das Lager betreten, was ebenfalls unstreitig ist. Von dort aus seien es etwa zwei bis drei Minuten zum Büro des Vorgesetzten und von dort wiederum etwa drei Minuten zurück zu seinem Arbeitsplatz. Der Scann um 10:46 Uhr sei daher von ihm selbst nach Rückkehr an seinem Arbeitsplatz erfolgt.

    Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 11.04.2024 präzise Angaben zur Räumlichkeit des Kleinteillagers gemacht. Er hat dargestellt, es handle sich hierbei um einen Lagerraum, der sehr gut einsehbar, da verglast sei. Zudem verfüge dieser Raum über zwei Türen, nämlich eine am Anfang und eine am Ende der Lagergänge. Dieser Darstellung ist der ebenfalls in der mündlichen Verhandlung anwesende Betriebsleiter der Beklagten, Herr T. entgegengetreten. Dieser erläuterte, dass der Lagerraum zwar über zwei Türen verfüge, die hintere Tür jedoch (inzwischen) dauerhaft und fest verschlossen sei und die Regalreihen in weiten Teilen des hinteren Bereichs des Lagers gerade nicht einsehbar seien. Er berichtete, dass sämtliche Scheiben mit Milchglasfolie verklebt und damit der Raum weitgehend nicht einsehbar sei. Im Übrigen handle es sich um einige Regalreihen, die schmal zuliefen, lediglich die ersten Meter des Raumes seien von der Eingangstür aus noch sichtbar. Der Kläger hat hierauf erklärt, er habe gar nicht gewusst, dass die Tür am Ende des Kleinteilelagers dauerhaft verschlossen sei. Seiner Ansicht nach, sei auch diese Tür auch am 07. Juli 2023 benutzbar gewesen. Sie werde zwar nicht eigentlich benutzt, aber irgendwann "sei da mal ein Mitarbeiter/Operator" reingekommen.

    Der Kläger bezeichnet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe durch die Auszubildende Frau M. als frei erfunden. Er hat sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Verhandlung mehrfach darauf hingewiesen, dass er die Auszubildende abgewiesen habe. Er sei glücklich verheiratet und die Auszubildende sei möglicherweise in ihm verliebt gewesen. Als verheirateter Mann habe er aber kein Interesse an der Auszubildenden gehabt, was seiner Ansicht nach zu den Verleumdungen durch Frau M. geführt haben könnte.

    Der Kläger hat daher beantragt,

    1.
    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch firstlose Kündigung der Beklagten vom 00.00.2023 nicht beendet wird;

    2.
    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 00.00.2023 nicht beendet wird;

    3.
    im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) und/oder zu 2) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigem Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lagerlogistik weiter zu beschäftigen.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte behauptet, der Kläger habe die Auszubildende Frau M. in sich steigernder Intensität und in massiver und schwerwiegender Weise an vier aufeinanderfolgenden Tagen sexuell belästigt und/oder genötigt. Die Beklagte behauptet hierzu im Einzelnen folgendes:

    Bereits am ersten Arbeitstag der Auszubildenden im Lagerbereich, nämlich am 04.07.2023 habe der Kläger Frau M.- nachdem alle anderen den Pausenraum verlassen hatten - gefragt, ob sie ihn am Arm massieren könne. Diese habe dem Wunsch nachgegeben, woraufhin der Kläger angefangen habe, die Auszubildende am Arm und am Bein zu massieren. Dies sei Frau M. sehr unangenehm gewesen. Sie habe sich in dieser Situation jedoch nicht getraut, etwas dagegen zu sagen oder zu tun. Der Kläger sei anschließend mit seiner Hand am Bein von Frau M. nach oben bis in ihren Schritt gestrichen. Dort habe er seine Hand weiterbewegt. Zugleich habe er die Hand von Frau M. genommen und sie in seinen Schritt gelegt und sie aufgefordert, ihn dort ebenfalls zu massieren. Obwohl die Auszubildende ihre Hand mehrfach weggezogen habe, habe er ihre Hand jedes Mal wieder mit seiner Hand zurückgeholt und an seinen Schritt gedrückt. Zum Schluss habe der Kläger zu der Auszubildenden gesagt, dass er ihr ansehen würde, dass es ihr auch gefallen habe. Diesen Vorfall habe die Auszubildende ihrer Freundin und Mitauszubildenden Z. noch am gleich Tag nach der Arbeit auf dem Firmenparkplatz mitgeteilt. Außerdem habe sie am 06. Juli 2023 gegen 6:30 Uhr mehrere Nachrichten per WhatsApp in eine Gruppe mit mehreren Arbeitskolleginnen/Auszubildenden geschickt, in denen sie über diesen Vorfall vom 04.07.2023 berichtet habe und ihre Arbeitskolleginnen vor "D." aus der Logistikabteilung gewarnt. Hierzu hat die Beklagte den Chat-Verlauf vorgelegt (Bl. 88 d.A.) in dem es - im Original - wie folgt heißt:

    "Leute

    R. weiß das schon

    Ich will euch warnen

    Wenn ihr in der Logistik seid

    Haltet euch fern von D.

    Jetzt ist er in Keller eingesetzt, aber die wechseln jetzt wohl alle paar Monate

    Er hat mich gestern sexuell belästigt

    Er wollte, dass ich ihn massiere, hat dann mich massiert und mir zwischen die Beine gefasst und da wirklich mit seiner Hand was bei mir gemacht

    Er hat auch meine Hand genommen und auf sein Ding getan

    Als ich alleine mit dem im pausenraum war

    Dann sagt er zu mir, ja das macht dich doch bestimmt geil und so andere sachen

    hat er noch gesagt

    Und am Ende meinte er, dass er zwar verheiratet ist und Kinder hat, aber dass das ja okay ist und man sowas machen darf

    Passt echt auf bei dem

    Der ist 31 Jahre alt der Mann

    Ah und er meinte noch, dass man uns beide nicht alleine lassen kann, weil ja was passieren könnte bei uns

    Und er ist auch auf dem Sommerfest und da gibt es wohl auch Alkohol Und da meinte er auch, dass ich da aufpassen soll, nicht dass wir noch was miteinander haben, weil er betrunken ist

    Ich war am zittern gestern und ganz leise

    Ich kam darauf nicht klar

    Passt ehrlich auf, dass er euch nicht anfasst

    Dieser Mann ist so ekelhaft

    Er ist auch nich seiner Frau damit fremdgegangen um was mit einer 20 jährigen zu haben

    Krank einfach nur

    Aber sagt das bitte keinem

    Ich möchte nicht, dass das jmd weiß

    Er ist mit W. befreundet, deshalb will ich nicht, dass W. das erfährt Er meinte auch, dass das jetzt unser Geheimnis ist..."

    Die Beklagte behauptet weiter, am Folgetag, dem 05.07.2023 sei es zu einem ähnlichen Übergriff durch den Kläger im Pausenraum gekommen. Der Kläger habe sich gegen 12:30 Uhr wieder allein im Pausenraum mit der Frau M. befunden. Erneut habe er ihr in den Schritt gefasst und ihre Hand auf seinem Schritt festgehalten. Die Auszubildende habe ihre Hand aber nun nicht mehr weggezogen, weil sie geahnt habe, dass er das nicht akzeptieren, sondern ihre Hand sowieso wieder zurückführen würde. Des Weiteren sei der Kläger mit seiner Hand unter die Arbeitskleidung der Auszubildenden gegangen und habe seine Hand auf ihren BH gelegt. Die Beklagte behauptet, der Kläger habe nur von der Auszubildenden abgelassen, weil die Mitauszubildende Z. in den Pausenraum zur Hilfe gekommen sei. Hierzu hat die Beklagte die zeugenschaftliche Vernehmung der Auszubildenden Z. zur Akte gereicht, in der es wie folgt heißt:

    "(...) Um 12:28 Uhr hat sie in die Gruppe "bin alleine mit ihm" und "scheiße" geschrieben. Ich habe dann geschrieben, dass sie gehen soll. Weil sie nicht mehr geantwortet hat, bin ich gegen 12:32 Uhr Iosgegangen, um zu ihr in den Pausenraum zu gehen. Vor dem Rolltor stehend, habe ich lautstark gegen dieses geklopft. Nach ein paar Sekunden hat mir ein Mann das Rolltor von außen geöffnet. Er war mit roter Arbeitskleidung bekleidet, etwas älter und hatte graue, kurze Haare. Wiedererkennen würde ich ihn nicht.

    Ich bin dann unverzüglich nach links gegangen, die Treppe hoch, in den Pausenraum. Wenn man in den Pausenraum geht, ist rechts eine Küchenzeile gelegen, wo D. stand. Er hat gerade den Schrank geöffnet, offenbar, weil er sich ertappt gefühlt hat und um davon abzulenken. M. hingegen saß auf einem Stuhl am Tisch neben der Küchenzeile, mit dem Rücken zu U. Sie wirkte erleichtert, als sie mich gesehen hat, hat mich angelächelt. Die Gesamtsituation erschien mir sehr angespannt. Bevor ich mich hingesetzt habe, habe ich gefragt, ob es in Ordnung ist, dass ich meine Pause hier verbringe. Nachdem er dies bejahte, hat er den Pausenraum verlassen. Dabei sagte er, dass sie gleich weiterarbeiten müssen. Als ich neben M. saß, habe ich sie gefragt, was passiert ist. Sie meinte dann "psst, nicht hier." Ich wusste dann schon, dass sie nicht in diesem Bereich mit mir darüber sprechen wollte. Dann hat D. sie zu sich gerufen. Ich habe dann auch den Pausenraum verlassen und draußen am Rolltor Y. (Arbeitskollege von D.) auf seinem Stapler sitzen sehen. In einem Vieraugengespräch habe ich ihm gesagt, dass er ein "Auge auf M. werfen" und sie nicht mehr mit D. allein arbeiten soll. Ich habe ihn darum gebeten, es so einzurichten, dass zukünftig er mit M. zusammenarbeiten soll. Er war einverstanden und hat das auch nicht hinterfragt.

    (...)"

    Vorangegangen war ein Chat-Verlauf in der Auszubildenden-Handy-Gruppe, indem sich ab 12:28 Uhr folgender Wortlaut - im Original -findet:

    "M.

    Bin alleine mit ihm

    Scheiße

    Er hat das so geplant

    R.

    Geh raus

    M.

    P. wollte mich mitnehmen

    Z.

    Steh auf und gehhh

    JV.

    Geh Uf kol

    M.

    Uns er so be geh rauchen

    JV.

    Auf*

    Z.

    C. renn weg

    H.

    Geh auf die Toilette

    M.

    Ich bringe sie

    Ja gleich

    Mach video C.

    JV.

    Mach audio auf

    Z.

    Ruf an und ich nehme das auf

    JV.

    Wenn er redet

    H.

    So unauffällig

    JV.

    Oder irgendwas

    C. MACH DAS

    H.

    Jaa

    Beweis

    Z.

    CCCCCCCCC

    Ey Leute

    Raste sonst aus

    Z.

    Soll ich schnell rüber gehen?

    M.

    Wartet

    Z.

    C. bitte geh einfach

    Hallo?

    H.

    C.?

    Z.

    C. wenn du nicht antwortest lauf ich sofort los.

    H.

    Hast du pause R.

    Geh mal gucken

    JV.

    Junge was macht die

    H.

    R. ruf die mal an

    Z.

    Ich gehe jetzt hin

    JV.

    Mach das

    H.

    Ja

    JV.

    Geht die nicht dran

    H.

    Schreib uns dann R.

    JV.

    Aber beeil dich

    Z.

    Ich ruf nicht an

    Der soll nicht wissen, dass ich komme

    JV.

    Ja

    JV.

    Ok

    Z.

    Leute alles gut

    Bin jetzt da

    JV.

    Im pausenraum?

    M.

    Ja"

    Die Beklagte behauptet zu einem dritten Vorfall sei es am folgenden Tag, am 06.07.2023 gekommen. An diesem Tag sei der Kläger erneut mit Frau M. allein im Pausenraum gewesen. Er habe sie aufgefordert, seinen Schritt anzufassen. Sie habe dies getan, worauf er gefragt habe:" Das willst du doch auch oder?" Dies habe Frau M. leise mit "Mhm" bejaht. Daraufhin habe er gesagt, er wolle es von ihr hören, woraufhin sie "ja" gesagt habe. In der diesbezüglichen Anhörung habe Frau M. erklärt, sie habe nur ja gesagt, weil sie Angst gehabt habe, er könne ihr anderenfalls etwas antun. Sie habe sich aus der Situation versucht zu entziehen, indem sie aufgestanden und zum Spülbecken gegangen sei. Der Kläger sei jedoch hinter ihr hergekommen, habe sie herumgedreht, sie bzw. ihren Oberkörper nach untern zum Spülbecken gedrückt und sie am Hals und am Ohrläppchen geküsst sowie seinen Schritt an ihr gerieben.

    Die Beklagte behauptet weiter, es sei schließlich zu einem weiteren Übergriff am 07.07.2023 gekommen, nämlich zu einer erzwungenen oralen Befriedigung des Klägers. Der Kläger habe sich an diesem Morgen ausdrücklich von sich aus bereiterklärt, Frau M. zum Büro des Herrn F. zu ihrem Beurteilungsgespräch zu bringen. Eine diesbezügliche Aufforderung an den Kläger seitens eines Vorgesetzten habe es nicht gegeben. Da das Büro von Herrn F. - unstreitig - im Luftsicherheitsbereich liege, den Frau M. - ebenfalls unstreitig - ohne die entsprechende Überprüfung des Luftfahrtbundesamtes nicht allein betreten dürfe, sei prinzipiell eine Begleitung benötigt worden. Der Kläger habe behauptet, ohnehin ein Paket abliefern zu müssen, das auf dem Weg erledigt werden könne. Ein Aufsuchen des Kleinteillagers an diesem Morgen, insbesondere zum Wechseln von Akku-Batterien, sei unter keinem Gesichtspunkt notwendig gewesen. Nachdem der Kläger um 10:39 Uhr das Kleinteillager betreten habe - was unstreitig ist - habe er Frau M. zu sich hereingerufen. Er habe ihr mitgeteilt, dass er beabsichtigt habe, mit ihr an diesem Ort allein zu sein. Daraufhin habe er sie an ein Regal gedrückt und am Hals geküsst. Anschließend habe er ihren Kopf immer weiter nach unten gedrückt und sie aufgefordert ihn oral zu befriedigen, was sie auch getan habe. Danach habe er diese dann noch zum Büro des Vorgesetzten zwecks Durchführung des Beurteilungsgesprächs gebracht.

    Die Beklagte behauptet in diesem Zusammenhang, es sei im Hauptlager und somit am eigentlichen Arbeitsort des Klägers um 10:46 Uhr sowie 10:49 Uhr der Scanner benutzt worden und zwar nicht vom Kläger, sondern wohl von jemand anderem, da sich der Kläger zur gleichen Zeit - ohne seinen Scanner -noch im Kleinteilelager befunden habe. Sie behauptet, der angebliche Austausch von Scanner-Batterien sei ein Vorwand gewesen, um das Betreten des Kleinteilelagers an diesem Vormittag im Nachhinein zu rechtfertigen, nachdem der Versuch, es mit bestimmten Arbeiten zu erklären, gescheitert sei. Auf dem Datenscanner könnten im Übrigen auch keine Scanvorgänge gespeichert werden. Eine Speicherung erfolge nur auf den entsprechenden Servern. Daraus folge, dass stets sofort nach der Nutzung des Scanners eine Buchung im SAP-System erfolge. Daraus ergebe sich aber, dass der Scanner gerade nicht mit ins Kleinteilelager mitgenommen worden sein könne. Es treffe auch nicht zu, dass der Kläger für einen angeblichen Austausch der Batterien des Scanners das Kleinteillager hätte aufsuchen müssen. Die Batterien für Scanner seien nicht den einzelnen Bereichen fest zugeordnet, sondern jeder Bereich habe an allen verfügbaren Stellen eine Batterie für den Datenscanner, die entnommen bzw. getauscht werden könnte. Auf direktem Weg zwischen dem Arbeitsort des Klägers und dem Büro von Herrn F. hätten sich mindestens vier Stellen befunden, an denen der Austausch der Batterien hätte erfolgen können, ohne dass der Umweg über das Kleinteillager erforderlich gewesen wäre.

    In dem von der Beklagten zur Akte gereichten zeugenschaftlichen Vernehmungsprotokoll der Frau M. durch die G. heißt es auszugsweise zu dem Vorfall im Kleinteilelager wie folgt:

    "Der letzte Vorfall ereignete sich an meinem letzten Tag in der Abteilung. Dies war Freitag, der 07.07.2023. Hier sollte ich mein Beurteilungsgespräch für die Zeit in der Abteilung bei F., stellvertretender Meister im Wareneingang und zuständig für die Auszubildenden, haben. Um zu dem Büro zu kommen, hätte ich mich umziehen und um das ganze Gebäude gehen müssen, da ich den direkten Weg nicht allein nutzen darf. Hier hat dann D. angeboten, dass er mich begleitet, damit ich den direkten Weg nutzen kann, da er sowieso auf dem Weg ein Paket abliefern muss. Als D. das Paket in einen leeren Raum gebracht hat, wie dieser Raum genannt wird weiß ich leider nicht, hat er mich zu sich rein gerufen. Er teilte mir mit, dass es gewollt war, dass er mit mir an diesem Ort ist. Daraufhin drückte er mich an ein Regal und fing an, meinen Hals zu küssen oder zu lecken. Er drückte meinen Kopf immer weiter nach unten, zu seinem Intimbereich. Er hatte bereits die Hose geöffnet und sein Glied herausgeholt. Er sagte, dass ich ihn oral befriedigen soll, dies war nicht als Frage formuliert. Welchen Wortlaut er genau nutzte, kann ich nicht mehr sagen. Ich war einfach überfordert mit der Situation und wusste nicht, was ich tun soll. Ich hatte Angst, nein zu sagen, weil ich nicht wusste, wie er darauf reagieren würde. Ich hatte Angst, dass er mir körperlich schadet. Daher habe ich es getan. Ich hatte dabei die ganze Zeit über Angst. Es ging so weit, dass ich gehofft habe er würde schnell "kommen", damit es endlich vorbei ist. Aufgehört hat er dann auch erst, als er "gekommen" ist. Danach hatte er mich noch gefragt, ob alles gut bei mir ist. Hier habe ich, wieder aus Angst, Ja" gesagt. Von ihm kam daraufhin nur ein "gut'.Befragt erkläre ich, dass dies etwa 10 - 15 Minuten angedauert hat, genau kann ich es jedoch nicht einschätzen."

    Die Beklagte hat des Weiteren einen Chat-Verlauf-Ausdruck zur Akte gereicht (Bl. 104 ff. d.A.) zwischen der Auszubildenden Frau M. und der Mitauszubildenden und Freundin Z. in dem es drei Tage nach dem letzten Vorfall, nämlich am 10.07.2023 - im Original - wie folgt heißt:

    "Ich muss mit dir endlich darüber reden Ich kann das nicht mehr für mich behalten Ja du hattest natürlich die ganze zeit recht Es gibt einen Grund, warum ich nicht zu Herr J. gehe

    Nach der Sache damals im auto mit diesem K. Als der mich sozusagen vergewaltigt hat Habe ich eine angst entwickelt Ich rede mir selber ein, dass mir etwas gefällt, obwohl es das nicht tut, weil ich angst davor habe wie Männer reagieren und dass die mir dann weh tun oder mir anders schaden wollen Die Sache mit c. damals hat das ganze dann nochmal verschlimmert Deshalb habe ich ja auch albis • fußfetisch gut gefunden

    In Wirklichkeit fand ich das super ekelhaft

    Und auch bei MO. war das so Ich habe so getan, als würde ich es gut finden, was er mit mir macht, weil dadurch diese Angst wieder aufgekommen ist Als er mich angefasst hat, konnte ich mich nicht bewegen, als hätte mein Kopf einen Aussetzer Deshalb hatte ich gezittert gehabt

    Und dann die Tage darauf habe ich dann immer alles mitgemacht An einem Tag hat er mich gefragt, ob es mir gefällt Ich hatte Angst nein zu sagen, deshalb habe ich einfach ja gesagt

    Und ich bin am letzten Tag leider auch mit in diesen Raum gegangen, als er mich zu J. bringen wollte, also zum Bewertungsgespräch Und in dem Raum wusste ich dann direkt, dass jetzt was passieren kann Habe beim hochgehen im ersten Moment nicht gesehen, dass das ne Sackgasse ist Dachte, dass wäre echt der Weg zu a. Aber war dann ja zu spät Und als wir da oben waren, sollte ich meine Sachen ablegen und zu ihm kommen Da fing dann diese Angst wieder richtig an und ich habe gemacht, was er gesagt hat

    Er hat mich gegen das regal gedrückt meinen Hals geküsst und geleckt und mich dabei wieder über meiner Hose gefingert Dann sollte ich runter gehen und er hat seine Hose aufgemacht Dann sollte ich ihm einen blasen und

    das habe ich dann auch gemacht Ich habe mich so ekelhaft dabei gefühlt Danach wieder mein fake Lächeln aufgesetzt und meinte das alles gut bei mir ist

    Dann sind wir ja zu J. gegangen

    Habe ihm heute geschrieben und gefragt, ob da wirklich keine Überwachungskameras sind, die da irgendwo in der Nähe waren und das hätten Filmen können, weil es 100% so aussehen wird, als hätte mir das gefallen Er meinte nein, da sind echt keine Aber habe trzd angst, dass ich jetzt gekündigt werde, weil da vllt welche sind

    Er hat mich gefragt, wie ich das Freitag fand, habe nur "keine Ahnung" geschrieben Er so schlechtes gewissen? Ich so ja Er meinte er habe auch eins und ich habe dann einfach gesagt egal ist nie passiert wir vergessen das

    R. ich werde das niemals vergessen können Ich hasse mich dafür, dass ich Angst habe nein zu sagen, ich wollte das alles nicht Ich habe trzd alles mit mir machen lassen, habe gelächelt, normal mit ihm gesprochen und so getan, als wollte ich das auch

    Was sollen die Leute von mir denken Ich will, dass ich endlich wieder nein sagen kann

    Deshalb kann ich nicht zu Herr J. gehen Es sieht so aus, als hätte ich es auch gewollt

    (...)"

    Die Beklagte hat des Weiteren zur Akte gereicht die zeugenschaftliche Vernehmung des Klägers (Bl. 77 ff. d.A.), auf deren Inhalt vollumfänglich an dieser Stelle verwiesen wird und in deren Verlauf sämtliche Vorwürfe vehement zurückgewiesen werden und in dem der Kläger zusammengefasst lediglich eine leicht freundschaftliche, lockere, zugewandte Arbeitsatmosphäre schildert mit der Besonderheit, dass "Annäherungsversuche" stets von der Auszubildenden ausgegangen sein sollen. Hier heißt es auszugsweise wie folgt:

    "Ich hatte das Gefühl, dass sie mehr als nur Freundschaft wollte, weswegen ich mich von ihr distanziert habe.

    Nachdem ich sie zwei bis dreimal nicht abgeholt oder nach Hause gefahren hatte, obwohl sie mich darum gebeten hat, schien sie sauer auf mich gewesen zu sein, weil sie mich nicht mehr begrüßt hat. Zum Beispiel auf der Betriebsfeier."

    In dem sog. Eindrucksvermerken der Ermittler der G. (Bl. 110 ff. d.A.) heißt es auszugsweise wie folgt:

    "Eindrucksvermerk zum ergänzenden zeugenschaftlichen Interview betreffend Frau Z.

    (...)

    Insgesamt kann seitens der Interviewführer dargelegt werden, dass die Ausführungen der Zeugin Frau M. authentisch und nachvollziehbar erscheinen. Die Chatprotokolle untermauern die Authentizität der Gespräche, bzw. Unterhaltungen zwischen ihr und Frau Z..

    Unmittelbare Widersprüche sind aus Sicht der Interviewführer nicht ersichtlich, insbesondere der subjektive Eindruck seitens der Zeugin Z. hinsichtlich der "beschämend" wirkenden Blicke auf dem Betriebsfest des Herrn D. bekräftigt eine Reaktion auf das Geschehene, die im Rahmen "einfacher Massagen" doch eher untypisch erscheint.

    Zudem hat es insgesamt, obgleich der Komplexität des gesamten Sachverhalts, keine Unstimmigkeiten in den Aussagen beider Zeuginnen (Frau M. / Frau Z.) gegeben, was zu der Annahme von wahrheitsgetreuen Äußerungen beider führt."

    In dem Eindrucksvermerk den Kläger betreffend heißt es hingegen:

    "Zu Beginn des Interviews zeigte sich Herr D. sehr aufgeregt und angespannt, gab vor, sich nicht vorstellen zu können, weshalb er zu diesem Gespräch eingeladen wurde.

    (..)

    Im weiteren Verlauf nannte er von sich aus den Namen "C.", welcher zuvor durch die Interviewführer nicht genannt wurde. Ihm war folglich bewusst, um wen es in diesem Gespräch geht, obwohl sich beide lediglich gut verstanden "und auch mal massiert' haben.

    (...)

    Herr D. teilte den Interviewführern des Öfteren mit, dass er eine Ehefrau und ein Kind habe sowie ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der EX.-S. bestehe. Infolgedessen scheint es nicht unwahrscheinlich, dass Herr D. mithilfe von Schutzbehauptungen versucht, bestimmte geschehene Tatsachen gegenüber den Interviewführern aufgrund zu befürchtender Kündigung / Trennung zu verharmlosen oder gar auszulassen. Schuldgefühle, Reue, bzw. Einsicht, zeigte er im Gesprächsverlauf nicht, stattdessen wies er jegliche Art sexueller Handlungen von sich."

    Im Eindrucksvermerk zum Interview mit Frau M. selbst heißt es auszugsweise wie folgt:

    "Das Interview verlief nicht unterbrochen über insgesamt 2 Stunden und 45 Minuten. Frau M. teilte den Interviewführern abseits vom Geschehenen die Beweggründe schlüssig und nachvollziehbar mit. Zu keiner Zeit hinterließ sie den Eindruck, Informationen wissentlich auszulassen oder die Unwahrheit zu sagen.

    Vielmehr erweckte sie durch ihre geschilderten Erlebnisse in der Vergangenheit einen insgesamt sehr verletzten und nachhaltig psychisch geprägten Eindruck, was die zu Beginn zögerliche und verunsicherte Haltung untermauert.

    Ihre Aussagen wurden stets durch ihre schlimmen Erfahrungen in der Vergangenheit begründet.

    Im Verlauf des Interviews erschien es zunehmend wahrscheinlich, dass der Herr D. als ihr "Mentor" in Form manipulativer Suggestivfragen, wie "... das willst du doch auch, oder?" versuchte, sexuell geprägte Situationen hervorzurufen, indem er die Antwort auf seine Frage bereits vorgibt. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass Frau M. dieser Frage zwar mit einem (bejahendem) "mhm" oder einem zögerlichen "ja" zugestimmt hat, Herr D. im weiteren Verlauf (insg. vier Tage) jedoch mehrfach keine aktive Zustimmung dahingehend erfahren hat. Vielmehr wird hier der Eindruck erweckt, dass Herr D. ein "nichts sagen" oder ein "nicht zustimmen" durch Frau M. als Zustimmung gewertet hat.

    Ferner scheint ihm durch seine "beschämte" Verhaltensweise auf der genannten Betriebsfeierlichkeit ein Unrecht durchaus bewusst zu sein."

    Schließlich heißt es im zeugenschaftlichen Interview der Auszubildenden Frau M. auszugsweise im Hinblick auf die Erfragung des Instagram-Profils des Klägers bzw. hinsichtlich gewünschter Autofahrten wie folgt:

    "Nach seinem Instagram Profil habe ich gefragt, weil ich die Hoffnung hatte, dass wenn ich Bilder von seiner Familie sehe den Mut aufbringe, die Vorfälle an Herrn J. zu melden. Leider habe ich mich trotzdem nicht getraut. Einmal habe ich sogar eine E-Mail an Herrn J. verfasst mit der Bitte um ein Treffen und einer Erklärung zu den von mir bereits geschilderten Vorfällen. Ein Foto dieser E-Mail habe ich am 10.07.2023 um 20:49 Uhr an R. geschickt mit der Bitte, dass sie drüber schaut. Sie hat mir zugesprochen und gesagt, dass ich die E-Mail so abschicken soll. Leider habe ich mich dann nicht getraut, aus Angst man könnte mir vielleicht nicht glauben und würde mich kündigen.

    Einmal habe ich ihn von mir aus angeschrieben, mit Absicht am Wochenende, weil ich gehofft habe, dass seine Frau meine Nachricht sieht. Hier habe ich Ihn gefragt, ob er mich mal zur Arbeit fahren könne, weil ich zu der Zeit kein Auto hatte. Ich hatte hier nie vor, dass er mich tatsächlich fährt."

    Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Ergänzend wird auf den Inhalt der beigezogenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte mit dem Aktenzeichen 206 Js 380/23 verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Die fristlose Kündigung vom 22.09.2023 hat das Arbeitsverhältnis zurecht mit Ablauf desselben Tages aufgelöst.

    I.

    Die Kündigung vom 22.09.2023 ist als Tatkündigung gerechtfertigt gemäß § 626 I BGB. Nach dieser Vorschrift kann das Dienstverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Der Beklagten war nicht zumutbar, den Kläger auch nur einen einzigen Tag weiter zu beschäftigen, denn er hat in mindestens fünf Fällen die Auszubildende Frau M. sexuell belästigt. Dabei ist der Kläger zielgerichtet und taktisch sowie mit sich deutlich steigernder Intensität vorgegangen. Insoweit stellt die Formulierung sexuelle "Belästigung" für den entsetzlichen und menschenverachtenden Übergriff am 07.07.2023 im Kleinteilelager eine mehr als unpassende Verniedlichung dar.

    Nach § 3 IV AGG ist eine sexuelle Belästigung eine Benachteiligung, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere, wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Mit Ausnahme des unerwünschten Zeigens oder sichtbaren Anbringens von pornografischen Darstellungen, hat der Kläger die gesamte Bandbreite des § 3 IV zulasten der Auszubildenden Frau M. innerhalb einer einzigen Arbeitswoche einzig und allein zu seinem sexuellen Vergnügen verwirklicht. Im Nachhinein - nach Bekanntwerden seiner Handlungen - ist er nicht einmal davor zurückgeschreckt, nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" die Auszubildende mit einer Strafanzeige zu überziehen, eine geschmacklose Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben und schließlich gegenüber dem Arbeitsgericht die Unwahrheit zu erklären. Im Einzelnen gilt folgendes:

    1.

    Bereits bei der unstreitigen "Nackenmassage" zwischen dem Kläger und der Auszubildenden handelt es sich um eine sexuelle Belästigung im Sinne der oben genannten Vorschrift. Das Gesetz stellt ausdrücklich auf "unerwünschtes" Verhalten ab, wobei es sich um einen objektiven Betrachtungsstandpunkt handelt. Es kommt auf die objektive Unerwünschtheit an und nicht auf die Frage, ob in der konkreten Situation die belästigte Person gegebenenfalls ihren Unwillen oder ihre Abwehr nicht oder nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht hat, also ob es für den belästigenden Akteur gegebenenfalls nicht erkennbar gewesen ist, dass er eine sexuelle Belästigung unternimmt. Dieser Maßstab mag im Strafrecht - leider - immer noch eine entscheidende Rolle spielen, wie sich nur allzu deutlich dem Einstellungsbeschluss entnehmen lässt. Im Arbeitsrecht hingegen kommt es nach dem klaren Wortlaut und dem Sinn und Zweck des AGG gerade nicht auf den geäußerten entgegenstehenden Willen des Opfers an, sondern auf die objektive Betrachtung. Der Kläger selbst hat dargestellt, dass er bei der Auszubildenden sowie sie bei ihm eine "Nackenmassage" am 04.07.2023 im Pausenraum in Anwesenheit verschiedener anderer Mitarbeitenden bekam bzw. vollzogen hat. Es handelt sich hierbei um eine intime körperliche Berührungsmethode, die außerdem, da am Nacken, auf der nackten Haut vollzogen werden sein muss. Die Auszubildende war zu diesem Zeitpunkt erst in der zweiten Woche in dieser Abteilung tätig, die ganz überwiegend aus männlichen Arbeitnehmern besteht. Der ältere und deutlich länger beschäftigte Kläger kannte die Auszubildende Frau M. erst kurze Zeit. Eine irgendwie geartete körperliche Intimität in einer solchen Situation auf der Arbeitsstelle stellt ein völlig unnormales, übergriffiges, absurdes und unangemessen intimes Verhalten dar. Ein solches Verhalten ist objektiv unerwünscht. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, dass Frau M. auch ihrerseits den Nacken des Klägers berührt und/oder massiert haben soll. Irrelevant ist auch, dass sich angeblich die männlichen Lagermitarbeiter dort regelmäßig massieren sollen, was für sich genommen schon merkwürdig anmutet. Zu diesem Zeitpunkt bestand zwischen dem Kläger und der Auszubildenden ein vollkommen ungleiches Machtverhältnis. Der Kläger ist nicht nur deutlich älter, nämlich mehr als zehn Jahre, sondern auch Stammmitarbeiter bei der Beklagten. Die Auszubildende hingegen ist - wie der Begriff bereits nahelegt - noch in der Ausbildung, die zu diesem Zeitpunkt nicht einmal ein Jahr angedauert hatte. Sie hat weitaus weniger Erfahrung und befindet sich in einer Bewährungssituation. Außerdem ist sie als noch lernende Mitarbeiterin auf Hilfe und Wohlwollen sowie Unterstützung angewiesen. Sie ist daher strukturell dem Kläger als ausgelerntem Stammarbeitnehmer unterlegen. Sie wird Sorgen haben, dass sie durch ein Fehlverhalten, ein "Anecken" jedweder Art ihren Ausbildungsplatz gefährden könnte. Zudem handelt es sich bei dem Kläger um einen Mann, der also körperlich, zumindest physiologisch betrachtet, der Auszubildenden Frau M. überlegen gewesen sein dürfte. Darüber hinaus hat der Kläger in der Abteilung, also in "seinem Lager" einen absoluten Heimvorteil. Er kennt alle Personen, er kennt alle Räumlichkeiten, er weiß die Atmosphäre einzuschätzen, er weiß, wann Personen in Pause gehen oder die Pause beenden, er kennt sich aus, es ist sein Revier. Die Auszubildende hingegen war erst in der zweiten Woche in dieser Abteilung tätig, sie befand sich in einer Situation mit ganz überwiegend männlichen Lagerarbeitern ohne weitere Unterstützung einer weiteren Auszubildenden. Sie war deshalb während ihrer gesamten Tätigkeit im Lagerbereich persönlich, körperlich und strukturell allen anderen, so auch dem Kläger, von Anfang an unterlegen. Genau das hat der Kläger zu seinen Zwecken ausgenutzt. Die Initiative zu der Nackenmassage ging von ihm aus. Hinzu kommt, dass Frau M. - aufgrund übelster Vorerfahrungen - keinen Widerstand gegen Männer leisten kann. Selbstverständlich hat sie in der ersten Situation, als nach einer "Nackenmassage" gefragt wurde, eine solche nicht nur über sich ergehen lassen, sondern eine solche auch beim Kläger vorgenommen. Das ändert nichts an dem Vorliegen einer sexuellen Belästigung.

    2.

    Ohne großen Subsumtionsaufwand lassen sich alle weiteren Akte des Klägers am 04.07., 05.07., 06.07. und erst recht am 07.07.2023 als massive sexuelle Belästigung der Auszubildenden einordnen. Am 04.07.2023 hat der Kläger, nachdem er alleine mit der Auszubildenden im Pausenraum verblieben war, nicht nur ihre Hand mehrfach auf seinen Genitalbereich gelegt und sie aufgefordert, dort irgendwelche Aktionen vorzunehmen, sondern er hat auch die Auszubildende an deren Arm und an deren Bein massiert und Intimsphäre sowie körperliche Schutzzonen ignoriert, in dem er die Auszubildende zwischen deren Beine fasste und darüber hinaus Äußerungen tätigte wie: "Das gefällt Dir doch auch..." oder ähnliches. Auch in dieser Situation hat der Kläger seine Machtstellung ausgenutzt, um unter Missachtung jeglicher seelischer sowie körperlicher Grenzen einer in der Ausbildung befindlichen jungen Frau ausschließlich sexuell motivierte Handlungen zu seinem Vorteil abzupressen und an sich selbst vornehmen zu lassen. Selbst als Frau M. zu Beginn noch versuchte, ihre Hand von seinem "Schritt" mehrfach wegzuziehen, unterband der Kläger diese Abwehr der Auszubildenden, in dem er ihre Hand immer wieder auf sein Genital legte. Ein solches Vorgehen ist eine objektiv unerwünschte Verhaltensweise. Keine Auszubildende möchte in einer Vier-Augen-Situation völlig allein mit einem Lagermitarbeiter, den sie erst wenige Tage "kennt", überhaupt angefasst werden oder sonst eine körperliche Nähe zulassen müssen. Dabei ist auch zu 100% irrelevant, ob man sich prinzipiell gegebenenfalls sympathisch ist oder nicht. Eine solche Verletzung der Intimsphäre - zumal auf der Arbeit, wo damit grundsätzlich überhaupt nicht zu rechnen ist - ist schlicht untragbar. Erst recht gilt das für die unverschämten und zielgerichteten Handgriffe des Klägers, die zeigen, wie unverfroren, übergriffig, egozentrisch und roh er unter Ausnutzung der Unterlegenheit der Auszubildenden und der von ihm selbst kreierten Überrumpelungssituation bereits an diesem Tag vorgegangen ist.

    Eine weitere und sich steigernde sexuelle Belästigung hat der Kläger sodann am 05.07.2023 in demselben Pausenraum um die Mittagszeit gegen 12:00 Uhr ausgeübt, als er zuerst wiederum die Übergriffe wie am Vortag durchführte und die Tatsache, dass die Auszubildende das Wegziehen ihrer Hand diesmal unterließ, offensichtlich als Aufforderung auffasste, auch noch die Hand unter ihre Oberbekleidung und auf ihren BH zu legen. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine sexuelle Belästigung, sondern um eine deutliche Steigerung. Die Situation konnte nur dadurch entschärft werden, dass die Mitauszubildende Z. die Situation durch ihr Hinzutreten abbrechen konnte, worauf später noch näher eingegangen wird.

    Eine weitere unverfrorene Übergriffigkeit und damit sexuelle Belästigung liegt in dem Verhalten des Klägers vom 06.07.2023. An diesem Tag forderte er die Auszubildende wiederum auf, ihm in den Schritt und an sein Genital zu fassen. Auch hier kam es wieder zu verbalen Entgleisungen, nämlich zu Suggestivfragen wie: "Das willst Du doch auch?!". Die Auszubildende Frau M., die auch in diesem Zusammenhang aus Angst teilweise mit "Ja" oder "Mhh" geantwortet hat, hatte noch versucht, aus dieser Situation dadurch zu entkommen, dass sie sich zum Spülbecken des Raumes bewegte. Auch dies hielt der Kläger offensichtlich nicht für ein relevantes Abwehrverhalten und setzte sich - wie jedes Mal - einfach weiter über die körperliche Distanz, die die Auszubildende versucht hatte aufzubauen, hinweg und folgte ihr, drückte deren Oberkörper nach unten in Richtung Spülbecken und ging nunmehr dazu über, sie an Hals und Ohr zu küssen und abzulecken. Gleichzeitig begann er sein Genital an ihrem Gesäß zu reiben. Jeder einzelne Vorfall rechtfertigt eine sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses, da es sich hierbei nicht bloß um sexuelle Belästigungen, sondern um strafrechtlich relevantes Verhalten gehandelt hat.

    Die Krönung des Vorgehens des Klägers bildet allerdings seine sexuelle Nötigung vom 07.07.2023. An diesem Tag, im Übrigen dem letzten Arbeitstag der Auszubildenden in "seinem" Arbeitsbereich, hatte der Kläger sich ganz offensichtlich vorgenommen das, was er bislang noch nicht durchgesetzt hatte, auf die letzten Meter noch von der Auszubildenden zu erpressen. Unter Vorspiegelung seiner puren Hilfsbereitschaft, nämlich die Auszubildende zu ihrem Personalgespräch durch sicherheitsrelevante Bereiche begleiten zu wollen, da er ohnehin noch ein "Paket" irgendwo abzuliefern habe, hat er gezielt und geplant die Auszubildende in eine regelrechte Falle gelockt. Hierbei handelt es sich um das Kleinteilelager, das nach den eindrucksvollen Schilderungen des Betriebsleiters in der mündlichen Verhandlung tatsächlich eine Art "Sackgasse" bildet. Denn dieses Lager ist - anders als der Kläger es geschildert hat - gerade nicht von zwei Seiten begehbar, sondern nur von einer Seite. Zudem handelt es sich um einen mit Regalreihen bestückten, schmal zulaufenden Raum, der durch diese Regale quasi Schluchten aufweist, die mehrere Meter in das Rauminnere hineinragen. Alle Fenster sind mit Milchglasfolie überzogen, sodass der Raum gerade nicht - anders als der Kläger es geschildert hat - einsehbar ist. Der Kläger hat selbst, das ist unstreitig, diesen Raum um 10:39 Uhr betreten und hat sodann die Auszubildende zu sich in den Raum hineingerufen, die zu diesem Zeitpunkt noch davon ausging, es handele sich um einen Durchgang, den sie, um zum Büro des Chefs zu gelangen, durchlaufen müsse. Das Gegenteil war der Fall. Der Kläger hat sie in diesen nicht einsehbaren und jedenfalls tagsüber nicht videoüberwachten Lagerraum gelockt, einzig und allein, um sich dort von der jungen Frau auf die Schnelle oral befriedigen zu lassen. Dabei hat er sie zum wiederholten Male körperlich attackiert, indem er sie an das Regal presste, sich vor sie stellte, wiederum Hals und Nacken mit seinem Mund berührte und dann Frau M. in die Knie zwang. Gleichzeitig öffnete er seine Hose und bedeutete der Auszubildenden, sein Genital in den Mund zu nehmen. Ein weiteres Mal hat er dadurch unter Ausnutzung seiner Machtstellung, der von ihm selbst geschaffenen Überrumplungssituation und unter Ausnutzung der Angst und völligen Schockstarre der Auszubildenden rein zu seinem eigenen sexuellen Vergnügen eine einseitige sexuelle, erniedrigende, frauenverachtende, da nicht einvernehmliche und somit widerwärtige Handlung erzwungen, die sich ohne Zweifel als sexuelle Belästigung nach Maßgabe des § 3 IV AGG und somit als Kündigungsgrund gemäß § 626 I BGB darstellt. Er ist auch nicht davor zurückgeschreckt, seinen Samenerguss auch noch im oder zumindest am Mund der völlig überforderten Auszubildenden zu platzieren, obwohl er wusste, dass sie nur wenige Minuten später zu einem Beurteilungsgespräch bei ihrem Vorgesetzten erscheinen musste. Dieses Vorgehen zeigt einen Mann, der eine junge Auszubildende als pures Objekt seines eigenen Lustgewinns wie einen Gegenstand benutzt. Danach wird sie noch ordnungsgemäß beim Chef abgeliefert, man kehrt zurück an seinen Arbeitsplatz und geht zur Tagesordnung über. Es ist im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses kaum eine verachtenswertere und abscheulichere Verhaltensweise denkbar, mit Ausnahme vielleicht einer Vergewaltigung, wobei auch auf dieses Stichwort, welches einzig und allein der Kläger bei der Polizei eingebracht hat, zu gegebener Zeit noch zurückzukommen sein wird.

    3.

    Alle oben geschilderten eklatanten sexuellen Belästigungen durch den Kläger standen zur vollen Überzeugung der erkennenden Kammer fest. Sämtliche diesbezüglichen anderslautenden Behauptungen des Klägers sind als reine Schutzbehauptungen unbeachtlich, weshalb die Kammer die Vernehmung der Auszubildenden Frau M. als Zeugin nicht benötigte. Dass der Kläger einzig und allein versucht hat, seine Prozessposition zu verbessern, um seinen Arbeitsplatz nicht zu verlieren, zeigt a) sein gesamtes Verhalten im Zusammenhang mit den Ermittlungen der G., b) sein Nachverhalten bezogen auf Informationen, die er später an die Beklagte nachlieferte, c) sein Verhalten im Zusammenhang mit der Strafanzeige, d) sein Prozessverhalten sowie e) sein Verhalten im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

    a.

    Bereits im Eindrucksvermerk zum Beteiligteninterview den Kläger betreffend führt der Ermittler aus, dass der Kläger sehr aufgeregt und angespannt gewesen sei und vorgegeben habe, sich nicht vorstellen zu können, weshalb er überhaupt zu diesem Gespräch eingeladen worden sei. Gleichzeitig nannte er aber von sich aus den Namen "C.", welcher zuvor durch die Interviewführer nicht genannt worden war. Der Ermittler folgert daraus, dass dem Kläger entgegen seiner Angaben doch bewusst gewesen sein müsse, um was es bei diesem Gespräch gehen sollte. Bereits zu diesem Zeitpunkt hat der Ermittler die Annahme dahingehend, dass der Kläger die Unwahrheit gesagt haben könnte. Auch in diesem Zusammenhang führt der Kläger bereits mehrfach aus, dass er eine Ehefrau und ein Kind habe und dass es infolge dessen "nicht unwahrscheinlich erscheint, dass Herr D. mit Hilfe von Schutzbehauptungen versucht, bestimmte geschehene Tatsachen gegenüber den Interviewführern aufgrund zu befürchtender Kündigung/Trennung zu verharmlosen oder gar auszulassen". Zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger bereits versucht, alles zu verharmlosen und herunterzuspielen. So hat er stets darauf Wert gelegt, mit Frau M. ein lockeres, ja fast freundschaftliches Verhältnis unterhalten zu haben. Man habe sich halt gut verstanden.

    b.

    Dass der Kläger weiterhin versucht hat, durch Ablenkungsmanöver und Verschieben der Verantwortlichkeiten auf die Auszubildende seine Position zu stärken, zeigt auch eindrucksvoll seine E-Mail vom 15.09.2023, die er unaufgefordert nach seinem Urlaub an die Beklagte sendete. Zunächst einmal gibt er sich sehr kooperativ und schildert, dass es ihm "leider" nicht möglichgewesen sei, bestimmte WhatsApp-Chats wiederherzustellen. Da sich diverse WhatsApp-Chats allerdings massiv zu Ungunsten des Klägers auswirken - worauf im Folgenden noch einzugehen sein wird - ist es völlig nachvollziehbar, dass der Kläger keinerlei Absicht hatte, Chats zur Verfügung zu stellen. Sie hätten ihn nicht ent-, sondern belastet. Der zweite Punkt seiner E-Mail zeigt klar und deutlich, dass er zu seiner vorherigen Aussage auf Distanz geht. Bei der ersten Vernehmung durch die G. hatte er angegeben, er habe das Kleinteilelager deshalb aufgesucht, weil er dort Ein- und Auslagerungen habe vornehmen müssen. Nachdem seitens der Beklagten klargestellt worden war, dass eine Umpackaktion im Lager N02 an diesem Tag durchgeführt worden war und es somit keinerlei Veranlassung für den Kläger gab, das Kleinteilelager gegen 10:40 Uhr an dem Morgen des 07.07.2023 zu betreten, geht er aktiv auf die Beklagte zu und erklärt, er habe dort allerdings morgens seinen Scanner geholt und später in Begleitung "der Azubine" den Akku dort gewechselt. Auch hierauf wird noch näher eingegangen werden. An dieser Stelle sei nur bemerkt, dass auch der Ausdruck "Azubine", der zweifach in der E-Mail verwendet wird, deutlich macht, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt auf Distanz zu der von ihm ja ach so freundschaftlich geschätzten Frau M. geht. Nunmehr ist sie lediglich "die Azubine", die keinen Namen mehr hat und mit der er offensichtlich nicht mehr allzu freundschaftlich verbunden ist. Die nächste Flucht nach vorne unternimmt der Kläger im dritten Punkt seiner E-Mail, wenn es dort heißt: "Ebenso hat die von mir angegebene Azubine mich Ende Juli/Anfang August mehrfach gefragt, ob ich sie abholen könnte zur Arbeit, da Ihr Auto defekt ist.." Damit suggeriert er, dass Frau M. immer wieder Kontakt und Nähe zu ihm gesucht habe. Ein Verhalten, dass ihm als Familienvater und verheirateten Mann allerdings "zu weit" gegangen sei. Er versucht bereits in dieser E-Mail den Fokus von sich weg auf die Auszubildende Frau M. zu lenken, indem er vorgibt, sie sei eine liebestolle, ihn quasi stalkende junge Frau, die durch ihr Verhalten drauf und dran gewesen sei, seine glückliche Ehe zerstören zu wollen. Hier zeigt sich deutlich die Taktik des Klägers, Fakten zu verdrehen und Opfershaming zu betreiben. Sämtliche später vorgetragenen Uhrzeiten zur Scannerbenutzung am Vormittag des 07.07.23 können zeitlich nicht stimmen und dienen allein dem Versuch, den Übergriff im Lager als bereits zeitlich unmöglich erscheinen zu lassen.

    c.

    Ein weiterer Punkt, der nachhaltig dazu geführt hat, sämtliches Vorbringen des Klägers als Schutzbehauptung und frei erfunden zu werten, ist sein Nachverhalten in Bezug auf die bei der Polizei geschaltete Anzeige. In diesem Zusammenhang ist aufgefallen, dass die Strafanzeige, die der Kläger gegen die Auszubildende Frau M. wegen übler Nachrede erstattet hat, am 19.09.2023 um 14:34 Uhr beim Polizeipräsidium Köln eingegangen ist. Also exakt einen Tag, nachdem der Betriebsrat zur fristlosen Kündigung des Klägers angehört worden war. Es muss nicht, kann aber zwischen der Betriebsratsanhörung und diesem Verhalten eine gewisse Kausalität bestanden haben. In dieser Anzeige versucht der Kläger wiederum das eigentliche Opfer zu einer Täterin umzuwidmen. Erstmals wird hier das Wort "Vergewaltigung" genannt, und zwar vom Kläger selbst. In der gesamten arbeitsgerichtlichen Akte ist von "Vergewaltigung" an keiner Stelle die Rede. Auch in der Ermittlungsakte, die auf ausdrücklichen Antrag des Klägers vollumfänglich beigezogen worden ist, ist auch seitens der Frau M. niemals und an keiner Stelle von einer Vergewaltigung gesprochen worden. Sie berichtet lediglich und zwar auf eindrucksvolle und geradezu erschütternde Weise von der sexuellen Nötigung, insbesondere von der erzwungenen oralen Befriedung am 07.07.2023. Der Kläger allerdings hat hier ganz offensichtlich nach dem Motto gehandelt "Angriff ist die beste Verteidigung". Da bietet sich eine Verleumdungsanzeige mit dem Signalwort "Vergewaltigung" natürlich an. Der gesamte Inhalt seiner Strafanzeige soll zeigen, dass es sich in Wahrheit um eine übergriffige Auszubildende gehandelt hat, die ihn im Kleinteilelager schon wieder habe massieren wollen, was er jedoch "nicht so gut" gefunden habe. Daraufhin habe sich die Auszubildende "komisch" gefühlt. Er hat angegeben, er habe ihr nach Feierabend am 07.07.2023 das "erste Mal" geschrieben, wie sie sich denn "fühle", da sie sich ja auf der Arbeit nicht mehr gesehen hätten. Er habe nicht gewollt, dass etwas "zwischen ihnen" stehe, er habe nur gewollt, dass sie sich "nichts darauf einbilde", da er ja an der Beziehung mit ihr kein Interesse gehabt, aber das Gefühl, dass sie sich "in ihn verschaut" habe. All das sollte suggerieren, es habe sich um eine in ihrer Liebe verschmähte junge Frau gehandelt, die aus diesem Grunde im Betrieb nach dem Arbeitsplatz des Klägers getrachtet habe. Hierbei handelt es sich um eine 1000 Jahre alte Taktik, die von Tätern dazu genutzt wird, um eben von ihren Taten und dem Unrecht abzulenken und die eigentliche Verwerflichkeit bei den Opfern zu verorten. Allerdings hat der Kläger hierbei die kognitiven Fähigkeiten der erkennenden Kammer unterschätzt. Darüber hinaus ist auch in diesem Zusammenhang deutlich, dass der Kläger zu Lügen neigt. Denn es ist aus der arbeitsgerichtlichen Akte klar erkennbar, dass es nicht erst am 07.07.2023 zu einem ersten WhatsApp-Chat zwischen beiden gekommen ist, sondern bereits früher. So ist aus der arbeitsgerichtlichen Akte ersichtlich, dass es spätestens am 06.07. bereits zu einem Chat-Verlauf per WhatsApp gekommen war.

    d.

    Des Weiteren zeigt das Prozessverhalten des Klägers, dass die meisten seiner Behauptungen an der Wahrheit vorbeigehen. Zunächst hat er schriftsätzlich vortragen lassen, er sei zu keinem Zeitpunkt jemals unter vier Augen mit der Auszubildenden alleine in einem Raum gewesen. Im Zusammenhang mit dem Auftauchen der Auszubildenden Z. hat der Kläger darauf hingewiesen, diese habe "gar nichts beobachten" können, denn schließlich habe er - als diese den Raum betreten habe - an der Küchenzeile gestanden, während die Auszubildende weiter weg entfernt am Tisch gesessen habe. In der Folgezeit muss dem Kläger aufgefallen sein, dass dieses Geschehen so gar nicht zu seiner Behauptung und dem dementsprechenden Sachvortrag passt, dass er niemals alleine mit der Auszubildenden im Pausenraum gewesen sei. Daraufhin ist er dazu übergegangen im nächsten Schriftsatz zu bestreiten, dass die Mitauszubildende Z. den Pausenraum überhaupt betreten habe. Ein solches Bestreiten, nachdem der Sachverhalt bereits unstreitig war, und das nur erfolgt, um den davor konstruierten Sachvortrag wiederum schlüssig erscheinen zu lassen, ist schlicht unbeachtlich. Es handelt sich um Verstrickungen und Verschlimmbesserungen, mit denen der Kläger offensichtlich erwartete, seine Prozessposition zu begünstigen. Ein weiterer versuchter taktischer Schachzug in diesem Zusammenhang ist der Vortrag zu den verschiedenen Pausenräumen. Auch hier hat der Kläger Nebelkerzen gezündet, indem er behauptet hat, die Auszubildende habe die Pause gar nicht in "seinem" Pausenraum verbringen müssen, denn es gäbe diverse andere Räume. Auch hiermit wollte er wieder suggerieren, dass die Auszubildende es gewesen sein soll, die die Nähe zu ihm gesucht habe und nicht andersrum. Die Beklagte hat dargelegt, dass es zwar verschiedene Pausenräume gibt, die Auszubildenden allerdings nicht über diesbezügliche Schlüssel verfügen. In der Sache gibt es daher für die Auszubildenden im Bereich der Lagerlogistik nur den von eben dem Kläger und auch der Auszubildenden benutzten gängigen Pausenraum. Es gab gar keine andere Chance, als diesen ebenfalls aufzusuchen.

    e.

    Schließlich war auch das Verhalten des Klägers in der mündlichen Verhandlung beeindruckend und zeigte zum wiederholten Male seine Tendenz, die Auszubildende als unglaubwürdige Person darzustellen. So berichtete er komplett abweichend vom Betriebsleiter über die Lage und Ausstattung des Kleinteilelagers. Seiner Schilderung nach handelt es sich um einen völlig einsehbaren, mit Fenstern bestückten, quasi lichtdurchfluteten offenen Raum, der von zwei Türen aus wie ein Gang, betreten werden kann. Damit suggerierte der Kläger, dass die Auszubildende jederzeit die Möglichkeit gehabt habe, den Raum eigenständig zu verlassen und außerdem eine sexuelle Nötigung schon deshalb nicht habe stattfinden können, weil dies ja von allen Seiten hätte gesehen werden können. Eindrucksvoll hat hingegen der Betriebsleiter die tatsächliche Ausstattung und Lage dieses Raums geschildert. Dabei handelt es sich - und hieran hatte die erkennende Kammer wiederum keinen Zweifel - um einen eher als Sackgasse angelegten Raum. Dieser besteht aus langen Regalreihen, die lediglich im allerersten Teil in der Nähe der Tür noch einsehbar sind und im hinteren Bereich optisch enger zulaufen. Fenster, durch die man hindurchgucken könnte, sind mit Milchglasfolie verklebt. Es handelt sich also um einen Raum, in dem die Auszubildende schlicht und ergreifend in der Falle saß. Sie hat dies selbst im Rahmen ihrer Vernehmung so ähnlich beschrieben. Zudem ist unstreitig, dass der Kläger ganz dezidiert wusste, dass dieser Bereich an dem Vormittag nicht von Kameras überwacht wurde, das heißt, dass der Kläger ganz genau wusste, dass er die Auszubildende in einen uneinsehbaren, sackgasseartigen, schmalen, von Regalen verstellten kleinen Raum gelockt hatte, wo er sicher sein konnte, zumindest einige Minuten völlig ungestört zu bleiben und unbeobachtet machen zu können, wonach ihm der Sinn stand, während im eigentlichen Lager - einige Minuten Fußweg entfernt - die Scanarbeiten stattfanden. Er konnte sich daher sicher sein, nicht ertappt zu werden. Dass er in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, er habe nicht gewusst, dass die zweite Tür inzwischen dauerhaft verschlossen sei, worauf der Betriebsleiter hingewiesen hatte, tut nichts zur Sache. Denn selbst wenn er nicht wusste, dass es sich wirklich um eine abgeschlossene Sackgasse gehandelt hat, so konnte er doch relativ sicher sein, dass diese Tür nur im Ausnahme- und Notfall überhaupt benutzt wurde. Er hat hierzu in der mündlichen Verhandlung selber angegeben, "einmal" sei doch ein Operator dort hindurch gekommen. Schließlich hat er im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch mehrfach erwähnt bzw. durch seinen Prozessbevollmächtigten vortragen lassen, die Auszubildende habe ihn mehrfach nach den angeblichen Übergriffen noch gebeten, ihn im Auto mitzunehmen. Da könne ja wohl von Angst keine Rede sein. Auch hier hat er wieder versucht, auf die Kammer und damit auf die Würdigung des Sachverhaltes dahingehend Einfluss zu nehmen, dass es sich bei der Auszubildenden um eine Lügnerin handelt, die letztlich aus verschmähter Liebe dafür Sorge trug, dass er seinen Arbeitsplatz verliert. Denn seiner Meinung nach sei jemand, der im Auto mitgenommen werden wolle ja schließlich nicht ängstlich. Auch hat er auch nicht davor zurückgeschreckt, zum wiederholten Male seine Ehefrau zu instrumentalisieren, in dem er in leidendem Tonfall davon berichtete, dass er mit seiner "Ehefrau" ja im Urlaub gewesen sei und daraufhin die E-Mail vom 15.09.2023 verfasst habe. Die "Ehefrau" hat der Kläger mehrfach im Rahmen seiner Vernehmungen angeführt und zwar immer für die von ihm behauptete Tatsache, dass er keinerlei übergriffiges Verhalten an den Tag gelegt habe. Offensichtlich wollte er damit zum Ausdruck bringen, dass er "es nicht nötig" habe, sich an anderen Frauen zu vergreifen, da er ja glücklich verheiratet ist. Ein Denkgesetz dahingehend, dass verheiratete Männer sich nicht an anderen Frau vergreifen und sexuelle Übergriffe vornehmen, existiert zum einen nicht, zum anderen lehrt uns die Kriminalstatistik eindrucksvoll das Gegenteil.

    4.

    Ein weiterer Beleg für die Richtigkeit des Vorbringens der Beklagten sind die Aussagen der Frau M. selbst. Sowohl das zeugenschaftliche Interview durch die Ermittler*innen der G. als auch das ausführliche Tonbandgeführte Interview, welches sich in der Ermittlungsakte befinden, weisen keinerlei Widersprüche oder andere Auffälligkeiten auf. Jedes Mal hat die Auszubildende klar, konsistent und widerspruchsfrei, offensichtlich emotional angegriffen von den belastenden Geschehnissen berichtet. Sie hat auch ihre eigenen, vermeintlich kontraproduktiven Verhaltensweisen, wie beispielsweise das Erfragen des Insta-Accounts oder die WhatsApp-Chat-Verläufe nachvollziehbar erklären können. So hat sie in ihrem zeugenschaftlichen ersten Interview angegeben, dass sie die Hoffnung gehabt habe, wenn sie den Kläger auf Instagram mit seiner Familie sehe, sie den Mut aufbringen würde, die Vorfälle, die bereits geschehen waren, an den Vorgesetzten Herrn J. zu melden. Sie hat auch bereits in diesem ersten Interview angegeben, ihrer Freundin Z. einen Screenshot von einer E-Mail / Entwurf vom 10.07.2023 an den Vorgesetzten Herrn J. geschickt zu haben. Dieser Screenshot befindet sich in der Akte und wird auch durch die Aussagen der Freundin Z. bestätigt. In der E-Mail, die am 10.07., also nach dem letzten massiven sexuellen Übergriff verfasst worden ist, wendet die Auszubildende sich an ihren Vorgesetzten mit der Mitteilung, sie sei sexuell belästigt worden. Leider ist diese E-Mail in der Folgezeit zunächst nicht versendet worden. Des Weiteren hat die Auszubildende eindrucksvoll erklärt, weshalb sie nicht in der Lage war, sich gegen die Übergriffe zu wehren. Die ganz offensichtlich bestehende Vorbelastung durch ehemalige Fremde sowie ihr vertraute männliche Personen hat offenkundig zu einer Handlungsunfähigkeit bzw. dazu geführt, dass sie - worüber sie offen spricht - sogar dazu neigt, Wohlwollen und Zustimmung vorzugaukeln. Aus Angst vor weiterer Gewalt und noch stärkeren Übergriffen - so erklärt sie - sei sie immer gefällig gewesen. Diese auch bei der Polizei gemachten Aussagen sind ihr keinesfalls zum Vorteil geraten, denn gerade aufgrund dieses freimütig eingeräumten Verhaltens hat die Staatsanwältin das Strafverfahren eingestellt. Das Ganze zeigt aber gerade, dass Frau M. überhaupt nicht zum Taktieren neigt oder manipulativ vorgeht, sondern Hilfe benötigte. Das gleiche zeigt sich in bemerkenswerter Weise am Chat-Verlauf mit dem Kläger, in dem es um die Frage der Kamera im Kleinteilelager geht. Dieser Chat-Verlauf belegt, dass die Auszubildende fast panische Angst davor hatte, gefilmt worden zu sein. Aus ihrer Sicht ein Beleg dafür, dass sie die orale Befriedigung von außen betrachtet freiwillig vorgenommen hätte, was nicht der Fall gewesen ist. Auch aus dem Chat-Verlauf mit ihrer Freundin Z. ergibt sich die massive Vorbelastung der Klägerin, die offensichtlich bereits seit ihrer Jugend von ihr bekannten sowie fremden Männern sexuell missbraucht worden ist. Ein klares Indiz für die Richtigkeit der Angaben der Beklagten auf der Grundlage der Aussagen der Auszubildenden Frau M. bietet außerdem der Chat-Verlauf am frühen Morgen des 05.07.2023, in dem sie die gesamte Frauengruppe vor "dem D." warnt. In diesem Zusammenhang schildert sie bereits die Vorfälle vom Vortag und bittet alle darum, "aufzupassen". Schließlich ist eine Gewähr für die Richtigkeit des Vorbringens der Frau M. und damit der Beklagten der WhatsApp-Chat-Verlauf vom 05.07. vormittags, der dazu geführt hat, dass ihre Freundin Z. In den Pausenraum lief. Der Chat-Verlauf macht deutlich, dass die Klägerin plötzlich und unerwartet, nämlich - "scheiße" - wiederum mit dem Kläger alleine im Pausenraum war und alle anderen Auszubildenden / Freundinnen sich wegen der Warnung vom frühen Morgen jetzt Sorgen um den Verlauf des weiteren Pausengeschehens machten. Alle beteiligten Auszubildenden fragen mehrfach nach, geben Frau M. Tipps, fordern sie auf, sofort den Raum zu verlassen, auf die Toilette zu gehen, das Handy anzuschalten, anzurufen und vieles mehr. Alle sind alarmiert und versuchen, eine weitere Übergriffigkeit des Klägers zu unterbinden. Das geht soweit, dass - woran die Kammer ebenfalls keinerlei Zweifel hatte - die Auszubildende Z. dafür Sorge trug, dass sie selbst Zugang zum Rolltor und somit Zugang zum Pausenraum erhielt. Das diesbezügliche Bestreiten des Klägers - wie bereits oben ausgeführt - ist nicht nur absurd, sondern ob seiner Sprunghaftigkeit und Widersprüchlichkeit unbeachtlich. Selbstverständlich ist Z. in die von ihr geschilderte Vier-Augen-Situation geplatzt, die der Kläger nur deshalb für sich selbst einigermaßen günstig gestalten konnte, weil durch das Hämmern an dem Rolltor und die Zeit, die verging, bis es ihr von einem Fremdarbeitnehmer geöffnet wurde, er Zeit genug hatte, auf körperlichen Abstand zur Auszubildenden zu gehen. Z. hat in ihrer eigenen zeugenschaftlichen Vernehmung hierzu angegeben, aufgrund der WhatsApp-Mitteilungen eingeschritten zu sein. Sie habe deshalb den Pausenraum aufgesucht und dort vor dem Rolltor stehend lautstark gegen dieses geklopft. Erst nach ein paar Sekunden habe ihr ein Mann das Rolltor von außen geöffnet, der mit roter Arbeitskleidung bekleidet gewesen sei. Sie sei dann unverzüglich die Treppe hochgegangen und in den Pausenraum gestürzt. Da habe - so die Mitauszubildende - der Kläger "gerade den Schrank geöffnet, offenbar, weil er sich ertappt gefühlt" habe. Sie hat angegeben, den Eindruck gehabt zu haben, dass er habe ablenken wollen. Auch sie bestätigt, dass die Frau M. zu diesem Zeitpunkt weiter weg auf einem Stuhl am Tisch gesessen habe mit dem Rücken zum Kläger. Sie hat aber auch angegeben, diese habe erleichtert gewirkt, als sie sie gesehen habe und habe sie angelächelt. Die Gesamtsituation sei ihr "sehr angespannt" erschienen. Insgesamt stützen auch alle Aussagen der Mitauszubildenden Z. in ihrem zeugenschaftlichen Interview die Angaben der Auszubildenden Frau M. Schließlich war Z. es, nämlich als allererste, die von Frau M. ins Vertrauen gezogen wurde, nachdem es zu dem ersten Übergriff gekommen war. Auch sie war es, die letztlich dafür gesorgt hat, dass die ganze unsägliche Eskalation endlich gemeldet wurde, die Machenschaften des Klägers dadurch aufflogen und der Kläger völlig zurecht seinen Arbeitsplatz räumen musste. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist auch die WhatsApp-Nachricht vom 10.07.2023, bzw. der dementsprechende Chat-Verlauf, der ebenfalls Inhalt der arbeitsgerichtlichen Akte geworden ist und in dem die Auszubildende Frau M. mit erschütternder Ehrlichkeit ihrer Freundin gegenüber erklärt, weshalb sie nicht nein sagen kann und dass sie "sich dafür hasst", dass sie Angst hat "nein" zu sagen. Es wird das Bild gezeichnet einer traumatisierten jungen Frau, die offensichtlich außerstande ist, sich Männern entgegenzustellen. Die - im Gegenteil - möglicherweise noch dazu neigt, das erniedrigende Verhalten von Männern normal zu finden und als unumstößlich zu werten. Das Ganze geschieht offensichtlich auf Basis großer Angst und eines irgendwie gearteten Schockzustandes. In diesem Zusammenhang lässt sich auch die Thematik erklären, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung noch einmal für sich nutzbar machen wollte, nämlich die "gewünschten" Autofahrten. Die Auszubildende hat eingeräumt, diese Anfrage, ob er sie im Auto zur Arbeit fahren könne, an ihn geschrieben zu haben. Die Auszubildende hat dies aber gerade nachvollziehbar damit erklärt, dass sie hoffte, die entsprechende WhatsApp - die sie extra und bewusst an einem Wochenende geschickt hatte - werde hoffentlich von der Ehefrau bemerkt. Sie hoffte auf diese Art und Weise den Kläger endgültig loswerden zu können. Auch dies war für die Kammer eine nachvollziehbare Erklärung und gerade nicht ein Hinweis auf eine liebestolle Auszubildende, die wegen Zurückweisungen durch einen von ihr angebeteten Lagermitarbeiter zum Durchdrehen neigt.

    5.

    Schließlich zeigt die allgemeine Lebenserfahrung, der gesunde Menschenverstand und auch die Kriminalstatistik, dass es weitaus wahrscheinlicher ist, dass die Schilderungen der misshandelten Auszubildenden - und somit der Beklagten - zutreffen, als die völlig durchschaubaren Ablenkungsmanöver, Schutzbehauptungen und wahrheitswidrigen Darstellungen des Klägers in Sachen "verschmähte Liebe". Um es noch einmal zusammenzufassen:

    Es handelt sich von Anfang an um ein krasses Machtgefälle. Die Auszubildende ist deutlich jünger, sie ist frisch im Betrieb, sie ist seit wenigen Tagen in einer neuen Abteilung, sie ist unsicher, sie kennt weder die Räumlichkeiten noch die Gegebenheiten, noch die Abläufe, noch die Kollegen. Der Kläger hingegen ist mehr als zehn Jahre älter, bereits einige Jahre für die Beklagte tätig, er kennt alle Strukturen, Räumlichkeiten, Wege und Abläufe. Er kennt die Pausenzeiten und die Gewohnheiten seiner Kollegen. Er kennt das Gelände und die nicht- videoüberwachten Bereiche. Er kann sich sicher fühlen! Die Auszubildende aber ist wegen körperlicher Übergriffe bereits vorbelastet, sie ist dem Kläger strukturell und körperlich unterlegen, und sie muss Angst haben, durch eine Anzeige der Taten des Klägers schlicht und ergreifend ihren Ausbildungsplatz zu gefährden, weil ihr nicht geglaubt wird. Genau diese Unterlegenheit und Schwäche hat der Kläger eiskalt ausgenutzt. Frau M. hat nicht gelogen, der Kläger tut es.

    Worin bitte soll der Vorteil für diese junge Frau liegen, Lügengeschichten über den Kläger zu verbreiten. Weil er ihre Liebe nicht erwiderte? Dann müsste die Auszubildende sich schockverliebt haben, was nach dem Selbstverständnis des Klägers natürlich durchaus als eine plausible Möglichkeit erscheint. Warum sollte eine junge Frau, die gerade den Jackpot in Sachen Ausbildungsverhältnis geknackt hat, sich noch im ersten Lehrjahr befindet und offensichtlich eine Freundesgruppe mit Mitauszubildenden pflegt, die ihr berufliches Leben noch vor sich hat, warum sollte eine solche junge Frau mit 21 Jahren einem Lagermitarbeiter, den sie erst wenige Tage kennt, das Leben zur Hölle machen wollen? Weil es so toll ist, über Stunden vom Werksschutz vernommen zu werden? Diese Variante ist dermaßen unwahrscheinlich und dient nur dem Zweck, von den Untaten des Klägers abzulenken. Sehr wahrscheinlich und der absolut gängigen Lebenserfahrung geschuldet ist hingegen das Vorbringen dieser jungen Auszubildenden. Mehr als jede dritte Frau erleidet ab einem Alter von 16 Jahren - unabhängig vom Täter-Opfer-Kontext - körperliche oder sexuelle Gewalt oder beides. (Dr. M. Schröttle, Prof. Dr. U. Müller, Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland, 2004). DAS sind die Fakten und Wahrscheinlichkeiten. Der Kläger hat schlicht unter Ausnutzung seiner Macht, seiner Stellung im Betrieb, der Ängste und Schockstarre der Auszubildenden seine sexuellen Gelüste ausgelebt, in dem er eine junge Frau zum Objekt degradiert und gemacht hat, was ihm in den Sinn kam. Dabei ist er vorsätzlich über jegliche menschlichen und körperlichen Grenzen hinweggebrettert. Er hat taktisch und vorsätzlich für Abgeschiedenheit und Heimlichkeit gesorgt und hatte sich schließlich nicht einmal dahingehend im Griff, das Verlassen der Abteilung durch die Auszubildende hinzunehmen, ohne sich selbst gewaltsam durch sie noch sprichwörtlich auf den letzten Metern und nur wenige Minuten vor ihrem Beurteilungsgespräch noch einen sexuellen Höhepunkt zu verschaffen. Dieses Vorgehen ist verachtenswert und strafrechtlich in höchstem Maße relevant.

    Die Kammer war also vom schlüssigen und durch diverse Schriftstücke untermauerten Beklagtenvorbringen zu 100 % überzeugt. Sämtliche Nebelkerzen, Ablenkungsmanöver und Schutzbehauptungen des Klägers waren als Sachvortrag unverwertbar. Dadurch konnte der potenziellen Zeugin, Frau M. eine weitere belastende Vernehmungssituation erspart bleiben. Die Kammer ist von allen oben geschilderten Taten des Klägers auch ohne Beweisaufnahme überzeugt.

    7.

    Schließlich hat der Kläger sich auch mit dem vom ihm gewünschten Beiziehen der Strafakte - anders als von ihm geplant - keinerlei Gefallen getan. Zwar wurde das Verfahren gegen ihn mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 II StPO eingestellt. Zum einen ist die Einstellung durch eine Staatsanwältin bei der Kammer auf Unverständnis gestoßen, zum anderen sei der Kläger aber auch darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um verschiedene rechtliche Ansätze handelt. So ist im Strafverfahren der Grundsatz in dubio pro reo maßgeblich und im Zusammenhang mit Sexualdelikten - immer noch - notwendig, dass sich die Gegenwehr bzw. der entgegenstehende Wille des Opfers dem Täter gegenüber erkennbar zeigen muss. Das gilt nicht für eine sexuelle Belästigung nach Maßgabe des § 3 IV AGG. Es kommt - wie bereits oben dargelegt - gerade nicht auf die Einsicht eines irgendwie gearteten Täters an oder auf die Frage, ob und wie sich das Opfer gewehrt hat. Der Einstellungsbeschluss legt in unzweideutiger Weise aber auch offen, dass die ermittelnde Staatsanwältin vom Vorliegen der oralen Befriedigung des Klägers durch Frau M. überzeugt war. Sie hat lediglich darauf hingewiesen, dass eine Gegenwehr oder ein Missfallen durch das Opfer nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht worden sei. Frau M. habe "kooperiert", deshalb sei ein Freispruch letztlich wahrscheinlicher als eine Verurteilung. Dass es gar nicht zu diesen Vorfällen, erst recht nicht zu der Nötigung im Kleinteilelager gekommen sein soll - wie es der Kläger immerzu glaubhaft machen will - , davon geht die Staatsanwaltschaft selbst nicht aus. Das kann auch in Anbetracht der minutiösen und erschütternden Einlassungen der Frau M. gar nicht anders gesehen werden. Was strafrechtlich - möglicherweise - im Rahmen einer Anklageerhebung problematisch sein mag, ist arbeitsrechtlich eine glasklare sexuelle Belästigung. Denn nochmals, maßgeblich ist allein die objektive Unerwünschtheit des Verhaltens. Dass alles das, was der Kläger sich angemaßt hat, der Auszubildenden anzutun, objektiv unerwünscht ist, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Auf der anderen Seite hat die Strafakte inhaltlich sehr interessante und den Kläger belastende Inhalte preisgegeben. So gibt es dort insbesondere ein Chatprotokoll, was sich mit dem Instagram-Profil und der Nachfrage danach durch die Auszubildende befasst. In diesem Chatverlauf wird deutlich, dass der Kläger ausdrücklich darauf hinweist, die Auszubildende möge ihn nur anschreiben, wenn er dies bereits zuvor getan habe, denn sie "wisse ja warum". Klar erkennbar ist hieran, dass der Kläger, der ja so glücklich und monogam verheiratet ist, offensichtlich wegen der angeblichen Eifersucht seiner Ehefrau es tunlichst vermeiden wollte, irgendwelche Chats, Kommunikation und ähnliches schriftlicher Art zur Kenntnis seiner Ehefrau gelangen zu lassen. Mehrfach taucht das Wort "heimlich" und "unser Geheimnis" und "unter uns" etc. auf. Auch durch diese Verhaltensweisen hat er die junge Auszubildende in ein Abhängigkeitsverhältnis übler Art gebracht. Die Hoffnung des Klägers, die Einstellung nach § 170 II StPO würde dazu führen, dass auch die erkennende Kammer von der "Unschuld" des Klägers ausgehen würde, hat sich somit nicht erfüllt. Die erkennende Kammer geht vom Vorliegen einer wirksamen Tatkündigung aus.

    II.

    Darüber hinaus ist die Kündigung aus allen oben dargelegten Gründen auch als sogenannte Verdachtskündigung wirksam. Unter einer Verdachtskündigung werden solche Tatbestände zusammengefasst, bei denen die Kündigung nicht auf eine vom Gekündigten begangene schuldhafte Pflichtverletzung selbst, sondern allein darauf gestützt wird, der Gekündigte stehe im Verdacht, die Vertragsverletzung - meist eine Straftat oder Vertrauensbruch - begangen zu haben. Bei einer solchen Verdachtskündigung ist es allein der Verdacht, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört oder zu einer unerträglichen Belastung des Arbeitsverhältnisses führt. Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind zunächst Tatsachen, auf die der Arbeitgeber einen dringenden Tatverdacht stützen kann sowie die Anhörung des Verdächtigten. Die Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beklagte konnte anhand der vorliegenden Tatsachen überhaupt nicht anders, als einen dringenden Tatverdacht gegen den Kläger zu hegen. Der Beklagten lagen die zeugenschaftlichen Vernehmungsprotokolle aller Beteiligten vor, sie hat miterlebt, wie der Kläger durch sein Nachverhalten, insbesondere durch das Absenden seiner E-Mail versucht hat, eine bessere Position zu ergattern. Sie hat darüber hinaus anhand der Auswertung der Scannerzeiten Klarheit darüber erlangt, dass der Kläger auch in diesem Zusammenhang Schutzbehauptungen aufgestellt hat. So sind Scannerzeiten noch nach 10:39 Uhr im Hauptlager auf dem Server gespeichert gewesen. Zu einer Zeit also, zu der der Kläger sich (noch) nicht im Hauptlager befunden haben konnte, da er erst um 10:39 Uhr das Kleinteilelager betreten hatte. Letzteres ist zwischen den Parteien unstreitig und anhand der Türkennung ohnehin nicht vom Kläger zu bestreiten gewesen. Nachdem der Kläger zunächst behauptet hatte, er habe im Kleinteilelager Arbeiten vornehmen müssen, hat er auf der Grundlage seiner E-Mail vom 15.09. sowie später im Prozess vorgetragen, er habe dort eine Batterie gewechselt. Nach Vortrag der Beklagten, gibt es dafür verschiedene Orte, das Aufsuchen des Kleinteilelagers ist nicht notwendig, was der Kläger jedoch weiterhin behauptet hat. Es zeigte sich daran für die Beklagte eindeutig, dass der Kläger um den Aufenthalt im Kleinteilelager herum, bei dem unstreitig auch nach der Schilderung des Klägers selbst die Auszubildende anwesend war, Widersprüche rankte und behauptete Tatsachen auch außergerichtlich jeweils nachgebessert hat. Außerdem lagen der Beklagten sämtliche bereits in bezuggenommene Chat-Protokolle sowie der E-Mail-Entwurf der Auszubildenden an den Vorgesetzten Herrn J. vor. Nach alledem, was bereits ausführlich unter der oben genannten Tatkündigung dargelegt worden ist, drängte sich der Beklagten - auch ganz ohne die Erkenntnisse aus der Strafakte - der dringende Tatverdacht gerade zu auf. Sie hat in diesem Zusammenhang den verdächtigten Kläger zwei Mal angehört bzw. anhören lassen, der durch seine Ablenkungsmanöver und Widersprüchlichkeit nicht in der Lage war, den Verdacht auszuräumen. Die Beklagte war daher berechtigt, die Kündigung vom 22.09.2023 außerdem parallel hilfsweise auch auf den Verdacht der sexuellen Belästigungen / Nötigungen zu stützen. Auch diese stellen im Rahmen des Verdachtsfalles ohne Frage einen Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 BGB dar.

    III.

    Auch die Interessenabwägung konnte nicht zugunsten des Klägers ausgehen. Der Kläger ist lediglich einige Jahre, zunächst als Leiharbeitnehmer und seit 2021 als Stammarbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt. Dass er verheiratet ist und ein Kind unterhält, hat für die von ihm begangenen massiven sexuellen Nötigungen keinerlei entlastende Relevanz. Auch wenn der Kläger sechs Kinder zu unterhalten hätte, 15 Jahre beschäftigt und deutlich älter wäre, so würde das Interesse der Beklagten einen solchen Mitarbeiter unverzüglich zu entlassen, bei weitem die Sozialdaten und seine Interessen am Erhalt des Arbeitsplatzes überwiegen. Der Kläger ist schlicht eine Gefahr für Kolleginnen und den Betriebsfrieden.

    IV.

    Die 2-Wochen-Frist des § 626 II BGB hat die Beklagte unzweifelhaft eingehalten. Im Rahmen solch schwerer Vorwürfe ist der Beklagten ein gewisser Ermittlungszeitraum zuzugestehen gewesen. Erste Informationen über die Vertragspflichtverletzungen des Klägers erhielt die Beklagte am 28.08.2023. Die Kündigung wurde am 22.09.2023 zugestellt. Dabei handelt es sich selbstverständlich um ein Überschreiten der 2-Wochen-Frist. Allerdings hat die Beklagte sehr zeitnah und stringent alle streitigen Sachverhalte versucht, zügig und offensiv aufzuklären. So hat sie am 30.08.2023, also zwei Tage nach Bekanntwerden der Vorwürfe ein erstes Gespräch mit der Auszubildenden geführt/führen lassen, einen Tag später das erste Anhörungsgespräch mit dem Kläger. Fünf Tage später das zweite Gespräch auf der Grundlage der Einlassungen des Klägers wiederum mit der Auszubildenden, zwei Tage später dann das Gespräch mit der weiteren Zeugin, Z. Es musste sodann die Arbeit im Kleinteilelager und die entsprechende Software ausgewertet werden und schließlich wurden die Eindrucksvermerke der Ermittler*innen eingeholt und verwertet. Da der Kläger am 15.09.232 auch noch ergänzende Angaben per E-Mail gemacht hatte, wurde er zu einem zweiten Gespräch am 18.09.23 noch einmal eingeladen und angehört. Schließlich wurde der Betriebsrat bereits einen Tag danach angehört und nach Ablauf der 3-Tage-Frist die Kündigung zugestellt. Hierbei handelt es sich um einen zügigen, effektiven und sinnvollen Ermittlungsvorgang, durch den der Ablauf der 2-Woche-Frist wirksam gehemmt war.

    V.

    Die Betriebsratsanhörung gem. §102 BetrVG ist ordnungsgemäß erfolgt. Dem Betriebsrat lagen alle notwendigen, auch die vermeintlich entlastenden Informationen vor, um sich ein abschließendes Bild zu machen. Warum das Gremium der Verdachtskündigung widersprochen hat, was im Übrigen bei fristlosen Kündigungen keine Option ist, bleibt unerfindlich. Eine klarere und dringendere Verdachtslage kann es bei einer Betriebsratsanhörung nicht geben.

    Die Klage war deshalb insgesamt abzuweisen.

    VI.

    Die Kosten waren gem. §§46 II ArbGG, 91 ZPO dem Kläger aufzuerlegen.

    VII.

    Der Streitwert war gem. § 63 I1 ArbGG im Urteil festzusetzen.

    RechtsgebieteBGB, AGGVorschriften§ 626 BGB, § 3 Abs. 4 AGG