26.09.2022 · IWW-Abrufnummer 231435
Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 21.07.2022 – 18 Sa 21/22
1. Es bleibt offen, ob ein Erzbistum als öffentlicher Arbeitgeber i.S.d. § 154 Abs. 2 SGB IX anzusehen ist.
2. Der öffentliche Arbeitgeber erfüllt die Pflicht aus § 165 S. 3 SGB IX grundsätzlich auch dadurch, dass er den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einlädt, das in Form eines Video-Interviews durchgeführt wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn alle Vorstellungsgespräche in dieser Form durchgeführt werden, es im Laufe des Video-Interviews nicht zu technischen Problemen kommt, der schwerbehinderte Bewerber mit der Durchführung des Vorstellungsgesprächs in Form des Video-Interviews einverstanden ist und keine besonderen behinderungsbedingten Einschränkungen bestehen, die die Durchführung des Interviews erschweren könnten.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 06.12.2021 - 2 Ca 765/21 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG.
Der Kläger bewarb sich auf eine Stelle als Seelsorger in einer Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige, die das beklagte B ausgeschrieben hatte. In der Ausschreibung heißt es unter anderem: "Es handelt sich um eine Teilzeitstelle mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,5 Stunden. Eine Kombination mit der Stelle in der Justizvollzugsanstalt in A ist in Vollzeit vorstellbar."
Im Anschreiben seiner Bewerbung wies der Kläger darauf hin, dass er schwerbehindert sei. Das beklagte B lud den Kläger mit der E-Mail vom 16.06.2021 zu einem Vorstellungsgespräch in Form eines Video-Interviews ein. Nachdem der Kläger mitteilte, er könne diesen Termin nicht wahrnehmen, erkundigte sich das beklagte B, ob ein anderes Zeitfenster am 30.06.2021 in Betracht komme. Der Kläger erklärte, am 30.06.2021 stehe er nach 16.00 Uhr zur Verfügung. Daraufhin lud das beklagte B den Kläger am 20.06.2021 zu einem Vorstellungsgespräch per Video-Interview am 30.06.2021 um 16.00 Uhr ein. Der Kläger bestätigte den Termin am gleichen Tag; das Vorstellungsgespräch fand wie vorgesehen am 30.06.2021 statt. Der Kläger erhielt eine Absage.
Er legte er per E-Mail vom 08.07.2021 eine Beschwerde nach dem AGG bei der zuständigen Stelle des B ein. Mit der E-Mail vom 03.08.2021 wurde der Kläger um Begründung seiner Beschwerde gebeten. Noch am gleichen Tag begründete der Kläger seine Beschwerde per E-Mail wie folgt: "Es liegt eine Schwerbehinderung vor. Schwerbehinderte sind bei gleicher Qualifikation vorrangig einzustellen." In der E-Mail vom 10.08.2021 teilte das beklagte B mit, seine Beschwerde habe keinen Erfolg; es gebe keinen Einstellungsanspruch für Schwerbehinderte, das beklagte B habe sich für den am besten geeigneten Bewerber entschieden. Mit seiner Klage, die am 26.08.2021 bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist, hat der Kläger die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 8.000,00 Euro gefordert.
In der Klageschrift hat der Kläger die Auffassung vertreten, das beklagte B habe nachzuweisen, dass es die Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes eingehalten habe und alle in das Bewerbungsverfahren einbezogenen Personen eine Schulung nach den Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes durchliefen. Das beklagte B habe auch nachzuweisen, dass ein ordnungsgemäßes Beschwerdeverfahren durchgeführt worden sei. Da das beklagte B diese Nachweise schuldig geblieben sei, resultiere "nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte" eine Beweislastumkehr zu Lasten des beklagten B, das zu beweisen habe, dass keine Benachteiligung aufgrund von Behinderung und Religion stattgefunden habe.
Nachdem für den Kläger im Gütetermin vom 13.10.2021 trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen war, hat das Arbeitsgericht mit dem Versäumnisurteil vom gleichen Tag die Klage abzuweisen. Das Versäumnisurteil ist dem Kläger am 15.10.2021 zugestellt worden. Der Kläger hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19.10.2021 Einspruch gegen das Versäumnisurteil einlegen lassen; dieser Schriftsatz ist am gleichen Tag bei dem Arbeitsgericht eingegangen. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 01.12.2021 ließ die Beklagte mitteilen, eine vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreits komme nicht in Betracht. Für die Einstellungsentscheidung sei unter anderem erheblich gewesen, dass der andere, besser qualifizierte Bewerber sich für "beide Stellen beworben hat und somit eine Gesamtlösung gefunden werden konnte". Aufgrund der Berufserfahrung als Gefängnisseelsorger sei der andere Bewerber für die Stelle bestmöglich geeignet gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
Das beklagte B hat beantragt,
Das Arbeitsgericht hat mit dem Urteil vom 06.12.2021 das Versäumnisurteil vom 13.10.2021 aufrechterhalten und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unschlüssig. Der Kläger habe keinen Sachverhalt vorgetragen, aufgrund dessen ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot festgestellt werden könne. Er habe auch keine Indizien vorgetragen, die eine Benachteiligung wegen seiner Religion oder Behinderung vermuten ließen. Eine Beweislastumkehr zu Lasten des beklagten B komme nicht in Betracht. Allein die Nichteinstellung des Klägers löse keine weiteren Begründungspflichten für das beklagte B im Hinblick auf die getroffene Auswahlentscheidung aus.
Das erstinstanzliche Urteil vom 06.12.2021 ist dem Kläger am 13.12.2021 zugestellt worden. Er hat mit einem Schriftsatz, der am 06.01.2022 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und die Berufung mit einem am 28.01.2022 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger vertritt die Auffassung, die Beklagte sei als öffentlicher Arbeitgeber verpflichtet gewesen, ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Das durchgeführte Video-Interview sei nicht als Vorstellungsgespräch im Sinne des § 165 S. 3 SGB IX anzusehen. Ausweislich der Ausführungen des Beklagten-Vertreters habe zu diesem Zeitpunkt eine Bewerbung auf die kombinierte Vollzeitstelle für die JVA C vorgelegen. Insoweit habe weder ein Vorstellungsgespräch stattgefunden noch sei eine Information an den Kläger erfolgt. Allein der Umstand, dass der andere Bewerber sich auf beide Stellen beworben habe, begründe keine bessere Eignung. Bei gleicher Qualifikation habe dem Kläger der Vorzug gegeben werden müssen. Das beklagte B habe darzulegen, weshalb es die Qualifikation des dem Kläger vorgezogenen Bewerbers für besser erachtete.
Der Kläger beantragt,
Der Beklagte beantragt,
Der Beklagte hält die Berufung in Ermangelung einer Auseinandersetzung mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils für unzulässig und trägt - zusammengefasst - Folgendes vor: Der Kläger habe keine Indizien für eine Benachteiligung dargelegt. Vorstellungsgespräche seien mit allen Bewerbern als Video-Interviews durchgeführt worden. Dem Kläger sei dies angesichts der langen Anreise von seinem Wohnort und seines Status als anerkannt schwerbehindertem Menschen mit besonderem Gesundheitsschutzinteresse vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie zugutegekommen. Der Kläger habe die Art und Weise der Durchführung des Vorstellungsgesprächs auch nicht beanstandet. Die am Bewerbungsverfahren beteiligten Mitarbeiter seien nach dem AGG geschult worden. Der eingestellte Bewerber sei besser qualifiziert gewesen als der Kläger. Nach Auffassung des beklagten B habe der Kläger, der bereits seit dem Jahr 2018 eine "AGG-online-Schulung" im Internet anbiete, keine ernsthafte Bewerbung eingereicht. So habe er als Reaktion auf seine negativ beschiedene Beschwerde per E-Mail am 10.08.2021 mitgeteilt: "Genau und als Missbrauchskirche dürfen Sie sowieso alles, weil Sie sogar über Gottes Gesetz stehen." Er habe das beklagte B erstinstanzlich als "Kindesmissbrauchsorganisation" bezeichnet.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung des Klägers ist zulässig.
Der Kläger hat die Berufung form- und fristgerecht gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet. Entgegen der Auffassung des Beklagten genügt die Berufungsbegründung den Anforderungen, die nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO zu stellen sind. Der Kläger greift das erstinstanzliche Urteil mit dem Argument an, das durchgeführte Video-Interview sei nicht als Vorstellungsgespräch im Sinne des § 165 S. 3 SGB IX anzusehen. Wäre dies richtig, so könnte Anlass zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils bestehen, da das beklagte Erzbistum dann gegen eine Norm verstoßen hätte, die den Schutz von Schwerbehinderten bezweckt, und damit - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - ein Indiz für eine Benachteiligung vorläge.
II. Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen das beklagte B weder ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG noch ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu (andere Anspruchsrundlagen kommen nicht in Betracht). Beide Vorschriften setzen voraus, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt. Daran fehlt es im Streitfall.
§ 7 Abs. 1 AGG untersagt die Benachteiligung von Beschäftigten wegen eines in § 1 genannten Grundes. Das beklagte B verstieß nicht gegen dieses Verbot. Dabei kann zu Gunsten des Klägers angenommen werden, dass er eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 AGG erfuhr, weil er infolge der Ablehnung seiner Bewerbung weniger günstig behandelt wurde als der eingestellte Bewerber.
Es lässt sich aber nicht feststellen, dass diese Benachteiligung "wegen" eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgte. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und dem in § 1 AGG genannten Grund muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Erforderlich ist, dass die Benachteiligung an einen Grund im Sinne von § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt (BAG, Urteil vom 18.09.2018 - 9 AZR 20/18). Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen der Kausalität ist nach allgemeinen Grundsätzen die klagende Partei, die die Voraussetzungen für die Anwendung einer sie begünstigenden Norm darzutun hat. Für die Darlegung und den Nachweis der Kausalität kommt (nur) die gesetzliche Beweiserleichterung des § 22 AGG zur Anwendung. Danach reicht es aus, dass die klagende Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen. Der Hauptanwendungsbereich von § 22 AGG liegt in der Beantwortung der Frage, ob die Benachteiligung durch einen in § 1 AGG genannten Grund motiviert war (BT-Drucksache 16/2022, S. 13; Schlachter, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl. 2022, § 22 AGG Rdnr. 2). Weitergehende Beweiserleichterungen zugunsten der klagenden Partei sind gesetzlich nicht vorgesehen. Insbesondere findet keine Umkehr der Darlegungs- oder Beweislast statt, sobald überhaupt eine Benachteiligung (etwa, wie im Streitfall, durch die Ablehnung der Bewerbung) vorliegt. Die Vorschrift des § 22 AGG wäre dann überflüssig.
1. Es liegen keine Indizien für eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung vor.
a) Der Beklagte verstieß nicht gegen eine Norm, die den Schutz schwerbehinderter Menschen bezweckt.
Verstöße gegen spezielle zugunsten schwerbehinderter Menschen bestehender Schutzvorschriften rechtfertigen grundsätzlich die Vermutung, der Arbeitgeber habe den Beschäftigten wegen der Schwerbehinderung benachteiligt (BAG, Urteil vom 20.01.2016 - 8 AZR 194/14; LAG Hamm, Urteil vom 13.06.2017 - 14 Sa 1427/16). Dies gilt insbesondere für einen Verstoß gegen die aus § 165 S. 3 SGB IX folgende Pflicht, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (BAG, Urteil vom 23.01.2020 - 8 AZR 484/18, Urteil vom 20.01.2016 - 8 AZR 194/14). Das beklagte B verstieß indes gegen § 165 S. 3 SGB IX nicht.
aa) Es ist bereits zweifelhaft, ob die Vorschrift auf das beklagte B überhaupt Anwendung findet.
§ 165 SGB IX legt besondere Pflichten nur für öffentliche Arbeitgeber fest. Ob es sich bei einem B um einen öffentlichen Arbeitgeber im Sinne des § 154 Abs. 2 SGB IX handelt, ist fraglich (hiergegen mit beachtlichen Argumenten Glöckner, ZAT 2013, 49 f.). Zwar ist das B als Körperschaft des öffentlichen Rechts anzusehen. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergeben sich indes Anhaltspunkte dafür, dass der öffentliche Dienst nur im Hinblick auf die Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten anders behandelt werden soll als private Unternehmen (Glöckner, a.a.O.). Die Kirchen üben aber, auch wenn sie als öffentlich-rechtliche Körperschaften verfasst sind, keine Staatsgewalt aus.
bb) Nimmt man an, die Pflicht aus § 165 S. 3 SGB IX träfe das beklagte B, so hat es diese Pflicht erfüllt.
Das beklagte B lud den Kläger, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, zu einem Gespräch ein. Das Gespräch wurde auch am 30.06.2021 tatsächlich durchgeführt. Dass es sich dabei um ein Video-Interview handelte, ist unschädlich. Im Rahmen des Vorstellungsgesprächs darf der Arbeitgeber auch moderne Kommunikationsmittel einsetzen und das Gespräch beispielsweise per Videochat führen (Litty, ZTR 2021, 260). Maßgeblich ist, dass das Gespräch einen umfassenden Eindruck über die fachliche und persönliche Eignung des Bewerbers zu vermitteln imstande ist (BAG, Urteil vom 27.08.2020 - 8 AZR 45/19; Schlegel/Voelzke-Fabricius, 3. Aufl. Stand 07.06.2022, § 165 SGB IX Rdnr. 24_1). Insofern begegnet die Durchführung eines Vorstellungsgesprächs per Video-Interview keinen Bedenken, da das Video-Interview ebenso wie das persönliche Gespräch die visuelle und akustische Wahrnehmung des Gesprächspartners erlaubt. Ob dies beim Auftreten technischer Probleme im Laufe des Interviews anders zu beurteilen ist, kann dahinstehen. Es ist nicht ersichtlich, dass sich derartige Probleme bei dem Interview ergaben, das mit dem Kläger geführt wurde.
Auch bei schwerbehinderten Bewerbern kommt die Durchführung eines Bewerbungsgesprächs im Wege des Video-Interviews in Betracht, sofern der schwerbehinderte Mensch keine behinderungsbedingten Einschränkungen aufweist, die gerade die Teilnahme an einem Video-Interview erschweren. Derartige Einschränkungen sind hier nicht ersichtlich.
Ob etwas anderes gilt, wenn der Arbeitgeber mit einigen Bewerbern persönliche Gespräche, mit anderen hingegen nur Video-Interviews durchführt, muss nicht entschieden werden. Das beklagte B hat unwidersprochen vorgetragen, dass mit allen Bewerbern ausschließlich Gespräche per Video-Interview geführt wurden.
cc) Jedenfalls vor dem Hintergrund der besonderen Umstände im Streitfall muss die Durchführung des Vorstellungsgesprächs im Wege eines Video-Interviews als ordnungsgemäße Erfüllung der Pflicht aus § 165 S. 3 SGB IX gelten.
Denn die Einladung des Klägers zum Video-Interview erfolgte vor dem Hintergrund eines (jedenfalls in großen Teilen der Gesellschaft so wahrgenommenen) Pandemiegeschehens, mithin zu seinem Schutz vor einer Ansteckung, die im Falle eines persönlichen Gesprächs erfolgen könnte. Der Kläger erhob auch keine Einwände gegen die Durchführung eines Video-Interviews anstelle eines persönlichen Gesprächs. Es ist überdies nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber ein Video-Interview anstelle eines persönlichen Bewerbungsgesprächs durchführt, um dem Bewerber einen längeren Anreiseweg zu ersparen. So verhielt es sich im Streitfall (der Kläger wohnt in Bayern).
dd) Soweit der Kläger einwendet, im Hinblick auf die Stelle in der Justizvollzugsanstalt in A fehle es an einem Vorstellungsgespräch und einer Information des Klägers, stellt dies keinen Verstoß gegen § 165 S. 3 SGB IX und kein Indiz für eine Benachteiligung dar.
Der Kläger bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle als Seelsorger. Im Hinblick auf diese Bewerbung wurde ein Vorstellungsgespräch mit ihm geführt. Auf eine Stelle in der Justizvollzugsanstalt bewarb sich der Kläger nicht; deshalb war das beklagte B insoweit auch nicht zur Durchführung eines Vorstellungsgesprächs verpflichtet. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das beklagte Erzbistum den Kläger nicht eigens auf die Kombinationsmöglichkeit mit der Stelle in der Justizvollzugsanstalt hinwies. Ein solcher Hinweis ergibt sich bereits aus der Stellenausschreibung.
b) Das beklagte B muss sich nicht vorhalten lassen, der Verlauf des Video-Interviews indiziere eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung.
Es ist nicht ersichtlich, dass es im Laufe des Gesprächs zu unzulässigen Fragen und Äußerungen im Hinblick auf die Schwerbehinderung des Klägers kam. Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass während des Gesprächs ein unangemessener, seine psychische und physische Belastbarkeit übersteigender Druck auf den Kläger ausgeübt wurde. Im Gegenteil: Der Kläger hat in der Klageschrift selbst vorgetragen, der Verlauf des Gesprächs habe auf eine Einstellung schließen lassen. Hinzu kommt, dass das beklagte B dem Kläger hinsichtlich der Durchführung des Interviews entgegenkam, indem es den Zeitpunkt des Gesprächs wunschgemäß verschob.
c) Unbehelflich ist es, dass der Kläger die bessere Qualifikation des eingestellten Bewerbers in Abrede stellt.
Das bloße Bestreiten stellt keinen tauglichen Vortrag im Hinblick auf ein Indiz nach § 22 AGG dar. Im Übrigen wäre selbst dann, wenn das beklagte B nicht den "objektiv besten" Bewerber ausgewählt hätte, damit noch nicht indiziert, dass die Schwerbehinderung des Klägers für die Ablehnung seiner Bewerbung (mit-)ursächlich war.
d) Ein Indiz im Sinne des § 22 AGG lässt sich nicht daraus herleiten, dass die Arbeitnehmer, die im Auftrag des beklagten B das Bewerbungsverfahren begleiteten, im Hinblick auf die Anforderungen des AGG nicht hinreichend geschult gewesen seien.
Dabei kann offen bleiben, ob unterlassene Schulungen überhaupt eine Diskriminierung indizieren können. Das AGG schreibt eine Schulung der Mitarbeiter nicht verpflichtend vor, sondern sieht die Schulung nur als Maßnahme mit Erfüllungswirkung gemäß § 12 Abs. 2 AGG an. Im Streitfall sind die am Bewerbungsverfahren beteiligten Mitarbeiter des beklagten B jedenfalls ausreichend geschult worden. Das beklagte B hat dies in der Berufungsbeantwortung und im Einzelnen vorgetragen und die Ablichtung entsprechender Zertifikate vorgelegt. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.
e) Soweit der Kläger vorbringt, das beklagte B habe kein ordnungsgemäßes Beschwerdeverfahren durchgeführt, kann dahinstehen, ob ein Verstoß gegen § 13 AGG überhaupt als Indiz für das Vorliegen einer Diskriminierung in Betracht kommt.
Dagegen bestehen schon im Grundsatz Bedenken, weil das Beschwerdeverfahren ja erst nach dem Eintritt der Benachteiligung durchgeführt wird und Vorkommnisse im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht notwendigerweise Rückschlüsse auf die Ursache der Benachteiligung erlauben. Im Streitfall lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass das Beschwerdeverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Die Beschwerde des Klägers wurde geprüft; ihm wurde auch das Ergebnis der Beschwerde mitgeteilt. Darüber hinausgehende Anforderungen an das Beschwerdeverfahren lassen sich § 13 AGG nicht entnehmen.
f) Die Behinderung des Klägers als solche kommt als Indiz nicht in Betracht.
Allein das Vorliegen eines Diskriminierungsmerkmals im Sinne des § 1 AGG in der Person des Benachteiligten genügt für die Annahme eines Kausalzusammenhangs nicht (BAG, Urteil vom 28.04.2011 - 8 AZR 515/10, Urteil vom 22.10.2009 - 8 AZR 642/08). Anderenfalls könnte bei jeder Benachteiligung gegenüber einem Beschäftigten, der ein Merkmal im Sinne des § 1 AGG aufweist (was beim Merkmal des Geschlechts immer der Fall ist), ohne weiteres eine kausale Benachteiligung angenommen werden.
2. Es fehlt auch an Indizien für eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Religion.
Es gibt keine Anhaltspunkten dafür, dass die Religionszugehörigkeit des Klägers bei der Entscheidung, seine Bewerbung abzulehnen, zu seinem Nachteil berücksichtigt wurde oder überhaupt eine Rolle gespielt hat. Soweit der Kläger in der nachfolgenden Kommunikation das beklagte B als "Missbrauchskirche" und "Kindesmissbrauchsorganisation" bezeichnete, sind diese Äußerungen nicht als Ausübung seiner Religionsfreiheit anzusehen. Sie können jedenfalls für die Ablehnung seiner Bewerbung keine Rolle gespielt haben, da sie zeitlich erst später erfolgten.
3. Umstände, die für eine Benachteiligung des Klägers wegen anderer in § 1 AGG genannter Merkmale sprechen könnten, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen.
IV. Es besteht keine Veranlassung, die Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere wirft der Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.