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  • 11.01.2021 · IWW-Abrufnummer 219818

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 05.12.2013 – 13 K 636/09

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Köln


    Tenor:

    Der Haftungsbescheid vom 17. April 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2009 wird dahingehend abgeändert, dass der Haftungsbetrag auf 20.290,04 € herabgesetzt wird.

    Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 70% und der Beklagte zu 30%.

    Die Revision wird zugelassen.

    Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kosten-erstattungsanspruchs des Klägers vorläufig vollstreckbar.

    1

    Tatbestand

    2

    Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides in Gestalt der diesen hinsichtlich Grund und Höhe verändernden Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2009.

    3

    Der Kläger war seit ihrer Gründung im Jahr 1993 alleiniger von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - befreiter Geschäftsführer der A ...handel GmbH - im Folgenden GmbH - in B, an der neben ihm seine Ehefrau beteiligt war. Nachdem die Gesellschafter die Liquidation der GmbH beschlossen hatten (Gesellschafterversammlung vom 29. Dezember 1997), wurde der Kläger zum alleinvertretungsberechtigten Liquidator bestellt. Das Amt endete mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (1) am 6. Januar 2009.

    4

    Mit Kaufvertrag vom 10. Januar 1998 veräußerte der Kläger als Liquidator der GmbH Inventar und Waren des zuvor von der GmbH betriebenen Unternehmens zum Preis von 373.434,73 DM. Der Kaufpreis zuzüglich 7% Zinsen war in 120 monatlichen Raten (von Januar 1998 bis Dezember 2007) zu entrichten und ist auch entsprechend entrichtet worden. Die GmbH war unter dem Namen A ...handel GmbH i.L. im Geschäftsverkehr aufgetreten. Die Firma des Käufers lautete A ...handel G. Ausweislich des § 1 des Kaufvertrages war der Käufer zur Eröffnung und zum Betrieb des ...-Shops D/... verpflichtet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Kaufvertrag verwiesen.

    5

    Bereits im Jahr 1997 überließ die durch den Kläger vertretene GmbH im Rahmen einer verdeckten Gewinnausschüttung - vGA - der Ehefrau des Klägers eine Geschäftschance, indem sie ihr die Möglichkeit einräumte, von ihr, der GmbH, errichtete Gebäude, in denen unter anderem das an Herrn G übertragene Unternehmen ausgeübt worden war, bis zum Jahr 2009 zu verpachten. Der erzielbare Mietzins betrug 2/3 von 9.900 DM für die Herrn G überlassenen Räumlichkeiten und 2.000 DM für die an den Kläger selbst verpachteten Räume. Der Wert der Geschäftschance wurde nach Durchführung einer Außenprüfung im Jahr 2003 und diversen gerichtlichen Verfahren in den Jahren 2004 bis 2007 einvernehmlich mit 300.000 DM angesetzt. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Protokolle der Erörterungstermine in Sachen 13 V 6269/03 und 13 K 6099/04 verwiesen.

    6

    Die vGA war zunächst in den Steuererklärungen und Steuerbescheiden der GmbH nicht enthalten. Nach Durchführung der Außenprüfung erfolgte zunächst eine Erfassung im Rahmen der Steuerbescheide für dem Jahr 1997 nachfolgende Veranlagungszeiträume. Erst im Rahmen des die Streitjahre 1997 ff. umfassenden Klageverfahrens unter dem Aktenzeichen 13 K 6099/04 vor dem erkennenden Senat kam es zu einer einvernehmlichen Zuordnung des Vorgangs zum Jahr 1997 (vgl. Protokoll des Erörterungstermins vom 6. November 2007) und in dessen Folge zum Erlass des geänderten Körperschaftsteuerbescheides 1997 vom 10. Dezember 2007, mit dem die Körperschaftsteuer auf 95.657,60 € nach zuvor 54.095,70 € festgesetzt wurde. Der Nachzahlungsbetrag belief sich auf 45.478,19 €.

    7

    Ausweislich der unbestrittenen Darstellung des Beklagten und den vorliegenden Kontoauszügen trat die Fälligkeit der Bescheide auf Grund der Außenprüfung für die hier betroffenen Streitjahre 1997 und 2000 am 27. Oktober 2003 ein. Auf Grund eines Antrages auf Aussetzung der Vollziehung erfolgte im November 2003 eine Teilaussetzung durch den Beklagten. Gegen die Ablehnung einer weiter gehenden AdV wandte sich die GmbH im Rahmen eines Verfahrens nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO - an den erkennenden Senat.

    8

    Aus der vorliegenden Verfügung über die Aussetzung der Vollziehung vom 9. Februar 2004 im Anschluss an das gerichtliche Verfahren unter dem Aktenzeichen 13 V 6269/03 ergibt sich, dass zu diesem Zeitpunkt 19.016,48 € Körperschaftsteuer 1997, 5.035 € Zinsen und 1.496,24 € Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 1997 von der Vollziehung ausgesetzt worden sind.

    9

    Die ebenfalls aus der Außenprüfung resultierende und im Oktober 2003 fällig gewordene Körperschaftsteuer 2000 wurde im Zusammenhang mit dem gleichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im Februar 2004 in Höhe von über 81.000 € zuzüglich Zinsen und Solidaritätszuschlag unter der aufschiebenden Bedingung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000 € von der Vollziehung ausgesetzt. Die mit Bescheid vom 23. September 2003 und Fälligkeitsdatum 27. Oktober 2003 versehene Körperschaftsteuerfestsetzung 2000 von 129.767,92 € wurde zunächst im Rahmen der Einspruchsentscheidung vom 16. November 2004 herabgesetzt und auf der Basis der einvernehmlichen Erledigung des oben bezeichneten Klageverfahrens im Jahr 2007 dann erneut von dann 74.615,89 € auf verbleibende 8.549,82 € herabgesetzt. Im Hinblick auf die Beendigung der AdV setzte der Beklagte 2.125 € Zinsen zur Körperschaftsteuer 2000 und 112 € Zinsen zum Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2000 nach § 237 der Abgabenordnung - AO - fest. Die Fälligkeit der Zinsen trat am 11. März 2008 ein.

    10

    Nach Erlass der Änderungsbescheide und Beendigung der Aussetzung der Vollziehung verrechnete der Beklagte entsprechend einem Antrag der GmbH die Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000 € mit der verbliebenen Körperschaftsteuer 1997.

    11

    Unter dem 7. Februar 2008 beantragte die GmbH die Stundung der zu diesem Zeitpunkt ausweislich einer Abrechnung auf den 28. Januar 2008 beim Beklagten offenen Forderungen von ca. 32.000 €. Sie wies darauf hin, der Kläger als ihr Liquidator beabsichtige unter Berücksichtigung ihrer eigenen Vermögenslosigkeit, die Steuerverbindlichkeiten mit Monatsraten à 900 € zu tilgen. Der Beklagte lehnte die Stundung ab, wogegen die GmbH Einspruch erhob. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens erklärte der Kläger erneut - telefonisch - seine Bereitschaft zur Zahlung der rückständigen Steuern der GmbH.

    12

    Unter dem 14. März 2008 richtete der Beklagte eine Haftungsvorprüfungsanfrage an den Kläger, mit der er die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Klägers prüfen wollte. Hinsichtlich der Frage gleichmäßiger Befriedigung des Finanzamtes und anderer Gläubiger ging der Beklagte davon aus, der Haftungszeitraum habe am 6. November 2007 (Tag der übereinstimmenden Erledigung des Klageverfahrens im Rahmen des Erörterungstermins vor dem Finanzgericht) zu laufen begonnen und ende mit dem Ergehen eines Haftungsbescheides oder der Beendigung der Pflichtwidrigkeit. Als haftungsauslösendes Verhalten des Klägers bezeichnete der Beklagte den Verstoß gegen die Pflicht zur Mittelvorsorge, nachdem die endgültigen Steuerschulden infolge der Erledigung des Klageverfahrens sicher festgestanden hätten. Ausweislich der beigefügten Rückstandsaufstellung bestanden zu diesem Zeitpunkt Forderungen aus Körperschaftsteuer, Zinsen und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 1997 und 2000 i.H.v. insgesamt 32.414,67 € sowie Säumniszuschläge in Höhe von 1.962 € (insgesamt 34.376,67 €).

    13

    Unmittelbar nach erfolglosem Ablauf der gesetzten Frist erließ der Beklagte den Haftungsbescheid vom 17. April 2008, mit dem der Kläger für insgesamt 34.698,67 € (Säumniszuschläge nunmehr 2.284 €) in Anspruch genommen wurde. Hinsichtlich der Steuerschulden für das Streitjahr 1997 wurde der Erwerber der Waren und des Inventars, Herr G, nach § 25 des Handelsgesetzbuches ‒ HGB ‒ ebenfalls in Anspruch genommen.

    14

    Gegen den ihn betreffenden Haftungsbescheid wendete sich der Kläger mit fristgerechtem Einspruch sowie einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Unter Verwendung des übersandten Berechnungsbogens ermittelte er, dass er mehr als die bei gleichmäßiger Tilgung aller Verbindlichkeiten auf die Forderung des Beklagten entfallenden Zahlungen durch die Verrechnung der Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000 € erbracht habe. Die Aussetzung der Vollziehung wurde in voller Höhe gewährt.

    15

    Im Rahmen der Bearbeitung des Einspruchsverfahrens stellte der Beklagte fest, dass die von der GmbH zunächst an die Stadt B erbrachten Sicherheitsleistungen zur Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuer in Höhe von 21.000 € sowie ein weiterer Betrag von 5.561,80 € aus nicht aufklärbaren Gründen auf ein Privatkonto des Klägers erstattet worden waren. Entsprechende Vermögenswerte i.S.v. Rückforderungsansprüchen der GmbH gegenüber dem Kläger waren in der Bilanz der GmbH nicht ausgewiesen. Der Kläger wurde insoweit um weitere Sachaufklärung gebeten.

    16

    Daraufhin legte der Kläger mit Schreiben vom 11. Juli 2008 dar, dass - entgegen der bisherigen bilanziellen Darstellung - zum 31. Dezember 2007 eine Forderung der GmbH an ihn in Höhe von 28.509,44 € bestanden habe. Davon sei eine Akontozahlung an seinen damaligen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 5.000 € erfolgt, so dass sich im Juli 2008 eine Forderung von 23.509,44 € ergebe. Bei der Berechnung der Haftungsquote seien aber die sonstigen Verbindlichkeiten in Höhe von 43.881 €, die sich aus Verbindlichkeiten insbesondere gegenüber dem früheren Prozessbevollmächtigten sowie aus einem Darlehen in Höhe von 26.129,19 € von Herrn M ergeben, zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Darlehens führte der Kläger aus, dass mit Herrn M eine mündliche Vereinbarung bestehe, wonach eine Restzahlung des Darlehens erfolgen solle, sobald feststehe, in welchem Umfang er mit Steuerforderungen aus der GmbH belastet werde. Ausgehend von Gesamtverbindlichkeiten in Höhe von 123.416,19 € berechnete er eine durchschnittliche Tilgungsquote von 32,41 %. Bei Zugrundelegung dieser Haftungsquote hätten bei pflichtgemäßem Verhalten auf die Gesamtforderungen des Beklagten in Höhe von 77.647 € lediglich 25.165,39 € gezahlt werden müssen. Durch die Verrechnung mit der Sicherheitsleistung sei eine Übererfüllung eingetreten.

    17

    Im weiteren Verlauf des Verfahrens stellte der Beklagte nunmehr darauf ab, dass durch Vereinnahmung der auf Forderungen der GmbH in Liquidation geleisteten Zahlungen auf einem Privatkonto des Klägers aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeiten für ihn, den Beklagten, vereitelt worden seien. Hätte die GmbH die Gelder selbst vereinnahmt, hätte er in Höhe von 28.509,44 € erfolgreich vollstrecken können (Schriftsatz vom 16. Juli 2008).

    18

    Dem trat der Kläger entgegen. Er trug vor, der tatsächlichen Abwicklung liege eine Absprache zwischen ihm und der GmbH zu Grunde. Insoweit sei ein Verrechnungskonto geführt worden. Ein Vertrag über ein wechselseitiges Kontokorrent-Darlehen sowie eine Globalzession hinsichtlich der Forderungen aus der Veräußerung des Unternehmens an Herrn G wurden ebenso wie eine geänderte Bilanz der GmbH zum 31. Dezember 2007 vorgelegt. Eine veränderte Haftungsquotenberechnung führte nunmehr zur Annahme einer Quote von 57%. Im Übrigen sei keine Vereitelung von Vollstreckungsmaßnahmen eingetreten, da die Mittel des Verrechnungskontos der GmbH weiterhin zur Verfügung stünden (Klägerschriftsatz vom 7. August 2008).

    19

    Der Beklagte pfändete daraufhin alle der GmbH gegenwärtig und zukünftig aus dem Verrechnungskonto zustehenden Forderungen und Rechte. Gegen die Pfändung legte die GmbH Einspruch ein. Sie wandte ein, der Kläger als Liquidator habe den Grundsatz der anteiligen Tilgung zu beachten. Daher könne die Pfändung nur im Umfang von 318 € als begründet angesehen werden. Die Alternative zur Beachtung dieses Grundsatzes sei die Stellung eines Insolvenzantrages. Der Kläger gab eine Drittschuldnererklärung ab, in der er unter Bezugnahme auf das Schreiben der GmbH vom 22. September 2008 die Forderung lediglich i.H.v. 318 € anerkannte (Anlage K 10). In der Folgezeit erbrachte er trotz der Pfändung keine über 318 € hinausgehenden Zahlungen an den Beklagten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben vom 16. und 22. September 2008 Bezug genommen.

    20

    In der Folgezeit forderte der Beklagte die GmbH zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 AO auf. Unter dem 28. Oktober 2008 gab der Kläger für die GmbH die eidesstattliche Versicherung ab. Ausweislich des Protokolls bestanden zu diesem Zeitpunkt Forderungen aus dem Verrechnungskonto in Höhe von 23.509,44 €. Das Verrechnungskonto sei durch den Beklagten gepfändet. Wegen der Einzelheiten wird auf die eidesstattliche Versicherung verwiesen.

    21

    Im weiteren Verlauf des Verfahrens erörterten die Beteiligten die unterschiedliche Bewertung der Lebenssachverhalte. Dabei führte der Kläger insbesondere aus, es liege keine Vollstreckungsvereitelung vor. Die gepfändeten Mittel des Verrechnungskontos seien durch die Verpflichtung des Liquidators, sämtliche Gläubiger der GmbH anteilig zu befriedigen, mit eben diesem Recht der Gläubiger gebunden und stünden nicht zur Zahlung der Steuerverbindlichkeiten zur Verfügung. Eine Pfändung dieser Mittel, egal zu welchem Zeitpunkt, sei daher rechtswidrig und könne nicht für eine haftungsbegründende Pflichtverletzung des Klägers als Liquidator herhalten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 28. August 2008 und des Klägers von 22. September 2008 verwiesen.

    22

    Es erfolgte unstreitig eine beim Beklagten am 25. September 2008 eingegangenen Zahlung über 318 €, bei der allerdings nicht klar ist, ob sie von der GmbH oder dem Kläger als Haftungsschuldner erbracht worden ist.

    23

    Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2009 setzte der Beklagte unter Rücknahme des ursprünglichen Haftungsbescheides im Umfang von 6.189,23 € die Haftungssumme auf 28.509,44 € herab. Dabei wurde auf die der Haftung zu Grunde liegenden Forderungen (konkret Körperschaftsteuer 1997, fällig am 27. Oktober 2003) eine Minderung in Höhe von 722,68 € durch Umbuchung des Umsatzsteuerguthabens aus dem zweiten Quartal 2008 vorgenommen. Auf die herabgesetzte Haftungssumme rechnete er im Rahmen des Leistungsgebotes die Zahlung von 318 €, als durch den Haftungsschuldner erbracht, forderungsmindernd an.

    24

    Hinsichtlich des Haftungsbetrages in Höhe von 28.509,44 €, der von den rückständigen Verbindlichkeiten in der GmbH in Höhe von 33.975,99 € abweicht, führt der Beklagte aus, dass der Haftungsanspruch sich nicht quotal auf die im Einzelnen aufgeführten Steuerschulden beziehe. Vielmehr hafte der Kläger für die vorgenannten Steuerschulden mit 28.509,44 € solange die Hauptforderung mindestens diesen Betrag erreiche. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, auf die gesamten aufgeführten Verbindlichkeiten den vorgenannten Teilbetrag zu leisten.

    25

    Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger sei als Geschäftsführer und späterer Liquidator der gesetzliche Vertreter der GmbH im Sinne des § 34 AO gewesen. Als solcher habe er die Pflicht gehabt, auch schon vor Fälligkeit zukünftig fällig werdender Steuerschulden aus den vorhandenen Mitteln Vorsorge für die spätere Steuerzahlung zu treffen und bei Fälligkeit für die Abführung der Steuern zu sorgen. Diese Pflichten habe er nicht erfüllt, da er in der Liquidation vertragliche Absprachen getroffen habe, die zum Aufbau von Forderungen der GmbH gegen ihn statt zur Tilgung der Steuern geführt hätten. Im Übrigen habe er Vollstreckungsmaßnahmen vereitelt. Statt die Abwicklung der GmbH über ein eigenes Konto der GmbH vorzunehmen, habe er die Abwicklung über ein Privatkonto betrieben. Dadurch sei die Vollstreckung in das Vermögen der GmbH verhindert worden. Außerdem habe er gegenüber dem Beklagten mehrfach unzutreffende Angaben über die tatsächlichen Vermögensverhältnisse der GmbH gemacht und dadurch die aussichtsreichen Pfändungsmöglichkeiten vereitelt. Stattdessen habe er Zahlungen an den früheren Bevollmächtigten geleistet. Insbesondere die Abgabe einer fehlerhaften Bilanz, in der wesentliche Vermögenswerte nicht ausgewiesen worden seien, lasse nur den Schluss einer zumindest grob fahrlässigen Pflichtverletzung zu. Weitere Ausführungen des Beklagten betreffen die Begründung des hilfsweise von diesem angenommenen Haftungszeitraums vom 6. November 2007 bis zum 17. April 2008, die Ablehnung hypothetische Lebenssachverhalte, wie eine hinzugedachte Anfechtungsmöglichkeit eines tatsächlich in dem maßgeblichen Zeitraum nicht bestellten Insolvenzverwalters, zu berücksichtigen sowie die Darstellung des Entschließungs- und des Auswahlermessens. Hinsichtlich der Berechnung einer möglichen Haftungsquote hielt der Beklagte daran fest, dass das Darlehen XY mangels Fälligkeit in eine Quotenberechnung nicht einzubeziehen sei. Hinsichtlich des Auswahlermessens führte er aus, der Kläger sei allein als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen. Neben ihm sei kein weiterer Geschäftsführer oder anderweitiger Vertreter für die Belange der GmbH verantwortlich gewesen. Die im Haftungsbescheid angegebene Inanspruchnahme des Erwerbers des Inventars und der Waren der GmbH, Herrn G, nach § 25 HGB habe nicht aufrechterhalten werden können. Der entsprechende Haftungsanspruch sei bereits verjährt gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die ausführliche dreiundzwanzigseitige Einspruchsentscheidung verwiesen.

    26

    Dagegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage, mit der er das Ziel der ersatzlosen Aufhebung des Haftungsbescheides in Gestalt der Einspruchsentscheidung verfolgt.

    27

    In Übereinstimmung mit dem außergerichtlichen Vorbringen und dem im Wesentlichen unstreitigen äußeren Lebenssachverhalt erläutert er, die gewählte Form der Liquidation beruhe darauf, dass die Raten aus der Veräußerung des Inventars und der Waren über einen erheblichen Zeitraum zu zahlen gewesen seien. Ihm sei klar gewesen, dass Verbindlichkeiten der GmbH in erheblichem Umfang früher fällig würden. Daher habe er sich entschlossen, diese Verbindlichkeiten aus privaten Mitteln zinslos vorzufinanzieren und seine daraus resultierenden Forderungen aus den Kaufpreisraten zurückzuführen. Eine Abwicklung über ein Bankkonto wäre in Anbetracht der Liquidationssituation schwierig gewesen und hätte Zinsaufwendungen zur Folge gehabt. Das daher eingerichtete Verrechnungskonto habe sich im Wesentlichen wie folgt entwickelt (Zahlen auf volle Tsd. DM oder 500 € gerundet):

    28

    Forderungen

    GmbH an Liquidator

    Liquidator an GmbH

    1998

     

    50.000 DM

    1999

     

    95.000 DM

    2000

     

    2.000 DM

    2001

     

    8.000 DM

    2002

    22.000 €

     

    2003

    49.000 €

     

    2004

     

    52.000 €

    2005

     

    95.000 €

    2006

    500 €

     

    2007

    28.500 €

     

    2008

    23.500 €

     



    29

    Hinsichtlich der außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren nach der Außenprüfung sei zu beachten, dass bei vollständigem Erfolg der Klagen die Sicherheitsleistungen die Nachforderungen überstiegen hätten. Die für die GmbH ungünstige Zuordnung zum Jahr 1997 sei vor Abschluss des Klageverfahrens nicht erwartet worden.

    30

    Hinsichtlich einer eventuellen Quotenberechnung verweist der Kläger auf das unstreitige Aktivvermögen der GmbH zum 31. Dezember 2007 (69.232,12 €). Das Passivvermögen beziffert er mit den unstreitigen Verbindlichkeiten gegenüber dem Beklagten, 33.556,96 € Gewerbesteuerschulden etc., 20.140 € Verbindlichkeiten gegenüber dem Steuerberater sowie 26.129 € aus dem Darlehen XY (insgesamt 153.801, €). Auf die Verbindlichkeiten gegenüber dem Beklagten sei die Sicherheitsleistung mit 40.000 € angerechnet und ein Teilbetrag der Zinsen in Höhe von 9.000 € erlassen worden.

    31

    Nach Durchführung der verschiedenen Vollstreckungsmaßnahmen des Beklagten im September und Oktober 2008 habe er, der Kläger, am 17. November 2008 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Das Verfahren sei mit Beschluss vom 6. Januar 2009 eröffnet worden.

    32

    Ausgehend von einem Haftungszeitraum vom 6. November 2007 (Erörterungstermin vor dem Finanzgericht) bis zum 6. Januar 2009 (Insolvenzeröffnung) ergebe sich keine Haftungsquote. Die gesamten Schulden der GmbH hätten 153.801,95 € betragen, die verfügbaren Mittel 69.232,12 €. Es ergebe sich bei gleichmäßiger Verwendung der verfügbaren Mittel auf alle Verbindlichkeiten eine Quote von 45,01%. Dies entspreche einem Anteil der Steuerverbindlichkeiten von 33.296,59 €, die allein durch Umbuchung der Sicherheitsleistung übererfüllt worden sei. Es fehle daher an einer Pflichtverletzung.

    33

    Die Abwicklung der Liquidation über eines seiner Privatkonten sei durch die gegebene wirtschaftliche Situation veranlasst und stelle keine Pflichtverletzung dar. Auch liege keine Vollstreckungsvereitelung durch die Darstellung falscher Vermögensverhältnisse vor. Zwar sei zutreffend das Verrechnungskonto zunächst zu gering und die Forderungen aus Sicherheitsleistungen gegenüber der Stadt B zu hoch abgebildet worden. Es wäre dem Beklagten aber möglich gewesen, beide Forderungen zu pfänden. Insbesondere wäre auch die Sicherheitsleistung bei der Stadt pfändbar gewesen, da diese ebenfalls für Verbindlichkeiten des Zeitraums 1998 bis 2000 erbracht worden sei, die infolge der einvernehmlichen Erledigung des Verfahrens vor dem Finanzgericht weitestgehend entfallen seien. Es fehle an einem haftungsbegründenden Kausalzusammenhang. Im Übrigen seien die falschen Angaben weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gemacht worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift mit allen Anlagen Bezug genommen.

    34

    Mit Schriftsätzen vom 13. und 28. November 2013 begehrt der Kläger nunmehr vorrangig, das vorliegende Klageverfahren mit Blick auf die Vorgreiflichkeit des Revisionsverfahrens vor dem Bundesfinanzhof ‒ BFH ‒ unter dem Az. I R 81/12 auszusetzen. Zur Begründung trägt er folgenden unstreitigen Lebenssachverhalt vor:

    35

    Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH hat der Beklagte die offenen Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet. Dem ist der Insolvenzverwalter durch Bestreiten der angemeldeten Forderungen entgegengetreten. Der Beklagte hat daraufhin zwei Insolvenzfeststellungsbescheide nach § 251 Abs. 3 AO i.V.m. § 179 Abs. 1 der Insolvenzordnung ‒ InsO ‒ erlassen. Der dagegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 9. August 2011 als unbegründet zurückgewiesen. Nach Lage der Akten ist die Einspruchsentscheidung hinsichtlich des Streitjahres 1997 bestandskräftig geworden. Hinsichtlich der in den Liquidationszeitraum fallenden Besteuerungsabschnitte für die Jahre 1998 ff. schloss sich ein Klageverfahren vor dem 10. Senat des Finanzgerichts Köln an, in dem die Klage des Insolvenzverwalters als unbegründet abgewiesen wurde (vgl. Urteil vom 27. September 2012 10 K 2838/11, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2013, 78). Dagegen richtet sich das Revisionsverfahren unter dem oben angegebenen Aktenzeichen. Mit ihm verfolgt der Insolvenzverwalter das Ziel der Aufhebung der einzelnen Festsetzungen für den Liquidationszeitraum und Ersetzung dieser Einzelveranlagungen durch eine einheitliche, den gesamten Liquidationszeitraum erfassende und unter Anwendung des bei Ende des Liquidationszeitraums geltenden Steuersatzes vorzunehmende, Liquidationsveranlagung im Sinne des § 11 KStG.

    36

    Nachdem der Senat darauf hingewiesen hatte, dass eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens nach § 74 der Finanzgerichtsordnung - FGO - nicht beabsichtigt sei, da das Revisionsverfahren das vorliegende Haftungsverfahren nicht unmittelbar betreffe, sondern vielmehr die Haftung an die nach § 166 AO verbindlichen Steuerfestsetzungen anknüpfe, hat der Kläger dazu ergänzend vorgetragen. Seines Erachtens liegt eine abschließende bindende Wirkung der bestandskräftigen Steuerfestsetzungen lediglich hinsichtlich der Festsetzung für das Streitjahr 1997 vor. Hinsichtlich der Veranlagungen für den Zeitraum 1998 bis 2000 und die daran anknüpfenden Nebenleistungen müsse aber bei einem Obsiegen des Insolvenzverwalters eine abschließende, den gesamten Abwicklungszeitraum umfassende Veranlagung erfolgen. Dadurch würde sich die Grundlage für eine Haftungsinanspruchnahme mindern. Insoweit habe das Revisionsverfahren Folgewirkungen für die der Haftungsinanspruchnahme zu Grunde liegenden Forderungen. Eine Anpassung des Haftungsbescheides könne lediglich nach den §§ 130, 131 AO erfolgen. Daher müsse der Beklagte dann eine Ermessensentscheidung treffen, die als solche finanzgerichtlich nur begrenzt überprüfbar wäre. Insoweit bestünden Unwägbarkeiten für ihn, die seines Erachtens das Revisionsverfahren vorgreiflich für das Haftungsverfahren erscheinen ließen.

    37

    Erstmals mit Schriftsatz vom 28. November 2013 wendet sich der Kläger außerdem schwerpunktmäßig mit folgenden Argumenten gegen die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides:

    38

    Der Beklagte habe erstens das Entschließungsermessen und zweitens das Auswahlermessen fehlerhaft ausgeübt. Außerdem sei die zu erwartende Insolvenzquote auf jeden Fall zu berücksichtigen.

    39

    Das Entschließungsermessen sei fehlerhaft ausgeübt worden, da der Beklagte die Steuerschulden nicht vorrangig bei der GmbH beigetrieben habe, statt den Kläger als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen. Der Beklagte habe darlegen müssen, aus welchen sachlichen Erwägungen er vorrangig den Kläger als Haftungsschuldner in Anspruch nehme, statt sich an die GmbH zu halten. Es sei insbesondere nicht erkennbar, warum der Beklagte trotz der wirksamen Pfändung der Ansprüche aus dem Verrechnungskonto und Berücksichtigung der vom Kläger in seinem Schreiben vom 22. September 2008 vorgebrachten, offensichtlich rechtlich gänzlich neben der Sache liegenden Einwendungen, die Pfändung nicht zwangsweise durchgesetzt habe.

    40

    Dabei könne dem Kläger nicht angelastet werden, dass die Pfändung erst am 18. August 2008 zugestellt worden sei und damit möglicherweise einer Insolvenzanfechtung unterlegen hätte, da der Insolvenzeröffnungsantrag am 17. November 2008 gestellt worden sei.

    41

    Ihm könne auch nicht entgegengehalten werden, dass es in beiden Fällen um die gleiche Summe gehe, da der eine Fall das Vermögen der GmbH und der andere Fall sein Vermögen betreffe.

    42

    Weiterhin sei die Entscheidung zum Auswahlermessen fehlerhaft, da der Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen sei, der Anspruch aus § 25 HGB gegen den Unternehmenskäufer sei verjährt gewesen. Entgegen der Auffassung des Beklagten unterliege § 25 HGB keiner eigenständigen zivilrechtlichen Verjährung. § 25 HGB regele nichts anderes als einen gesetzlichen Schuldbeitritt des Erwerbers in die Verpflichtungen des Veräußerers. Der Anspruch unterfalle daher grundsätzlich der Verjährungsregelung in § 191 Abs. 4 AO; da aber für den Schuldbeitritt keine eigenständigen zivilrechtlichen Verjährungsregeln bestünden, unterfalle auch der Anspruch nach § 25 HGB der Verjährungsregelung in § 191 Abs. 3 AO. Dies führe dazu, dass der Haftungsanspruch gegenüber dem Unternehmenskäufer zur gleichen Zeit verjähre wie gegenüber dem Kläger. Im Ergebnis habe der Beklagte daher infolge der Verkennung der Verjährungsregelungen für § 25 HGB sein Auswahlermessen fehlerhaft ausgeübt. Dies müsse der Beklagte sich entgegenhalten lassen, auch wenn im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides die Steuerschuld gegenüber dem Schuldner G nach der vom Kläger als zutreffend unterstellten Auslegung des § 191 Abs. 4 AO bereits verjährt gewesen sei.

    43

    Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2013 stützt der Kläger sein Begehren ergänzend auf § 26 HGB. Nach dieser so genannten Enthaftungsregelung hafte der frühere Geschäftsinhaber ‒ hier die GmbH ‒ für Forderungen, für die auch der Erwerber des Handelsgeschäftes aufgrund der Fortführung der Firma haftbar sei, nur, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren fällig und daraus Ansprüche gegen ihn in einer § 197 Abs. 1 Nr. 3 - 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - bezeichneten Art festgestellt seien oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt werde; bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten genüge der Erlass eines Verwaltungsakts. Daraus folge, dass bereits der Änderungsbescheid für 1997 vom 23. September 2003 nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums bekannt gegeben worden sei. Außerdem sei versäumt worden, den Firmenfortführer als neuen Steuerschuldner in Anspruch zu nehmen. Gleiches gelte für die nachfolgenden Verwaltungsentscheidungen, Änderungsbescheide und Einspruchsentscheidungen.

    44

    Der Kläger werde daher für Steuerforderungen in Anspruch genommen, die unter Verstoß gegen § 26 HGB gegen die GmbH festgesetzt worden seien, während die Steuerfestsetzung gegenüber dem neuen Steuerschuldner, Herrn G, unterlassen worden sei. Es sei zweifelhaft, ob die Inanspruchnahme für eine derartige Steuerschuld rechtlich überhaupt tragfähig sei. Zumindest hätte der Beklagte bei Ausübung seines Entschließungsermessens diese rechtliche Situation berücksichtigen müssen. Dies sei erkennbar nicht geschehen. Es fehlten auf diese Problematik bezogene Erwägungen in der Einspruchsentscheidung. Dies führe jedenfalls zu einer Rechtswidrigkeit der Inanspruchnahme für das Streitjahr 1997.

    45

    Gleiches gelte dem Grunde nach für die Haftungsinanspruchnahme für die Forderungen aus dem Jahr 2000. Unter Berücksichtigung der geringen verbliebenen Beträge (ca. 12.000 €) hätte sich bereits die Zahlungslage auf Seiten der GmbH grundlegend anders dargestellt. Ein Anlass für eine Haftungsinanspruchnahme hätte sich möglicherweise nicht ergeben. Zumindest hätte eine vollkommen andere Sachverhaltslage bestanden, die möglicherweise zu einer anderweitigen Ausübung des Entschließungsermessens geführt hätte. Daher erweise sich auch seine Inanspruchnahme für den Veranlagungszeitraum 2000 als insgesamt ermessensfehlerhaft.

    46

    Letztlich müsse auf jeden Fall berücksichtigt werden, dass - nach Auskunft des Insolvenzverwalters - das Insolvenzverfahren voraussichtlich eine Insolvenzquote von 4 % ergeben werde. In diesem Umfang würden die Hauptforderungen des Beklagten getilgt.

    47

    Falls der Senat der Klage nicht stattgebe, sei zumindest die Revision zuzulassen, da die Frage der Verjährung im Zusammenhang mit § 25 HGB eine Vielzahl von Verfahren betreffe und - soweit ersichtlich - bisher höchstrichterlich nicht geklärt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 28. November 2013 mit allen Anlagen Bezug genommen.

    48

    Der Kläger beantragt,

    49

    das Klageverfahren auszusetzen, bis der BFH über die Revision zu Az. I R 81/12 entschieden habe,

    50

    den Haftungsbescheid vom 17. April 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2009 ersatzlos aufzuheben,

    51

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    52

    Der Beklagte beantragt,

    53

    die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass die Haftung hinsichtlich der verjährten Teilbeträge entfällt.

    54

    Er verweist zunächst auf die Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, er halte daran fest, dass der Grundsatz der anteiligen Tilgung im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung komme. Außerdem sei der Haftungsanspruch auch nicht deshalb ganz oder teilweise zu mindern, weil die GmbH außerdem Gewerbesteuerrückstände habe.

    55

    Eine Differenzierung zwischen Körperschaft- und Gewerbesteuer sei nicht geboten. Vielmehr habe der Kläger auf die gesamten Steuerverbindlichkeiten eine quotale oder wie im Streitfall betragsmäßig fixierte Leistung erbringen müssen. Auf die Gewerbesteuer seien keine Zahlungen erfolgt und eine Inanspruchnahme auch nicht mehr zu erwarten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 17. März 2009 verwiesen.

    56

    Nach Auskunft beider Beteiligten dauert das Insolvenzverfahren an.

    57

    Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat das Gericht mit den Beteiligten das Pro-blem der Festsetzungsverjährung im Sinne des § 191 Abs. 3 AO erörtert.

    58

    Entscheidungsgründe

    59

    Die Klage ist teilweise begründet. Soweit der Beklagte den Kläger für Steuerschulden der GmbH in Haftung genommen hat, für die im Zeitpunkt des erstmaligen Haftungsbescheides bereits Festsetzungsverjährung gem. § 191 Abs. 3 AO eingetreten war, ist der Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die weitergehende Klage ist unbegründet.

    60

    1. Der Senat kann im vorliegenden Verfahren entscheiden, ohne das Verfahren nach § 74 FGO bis zu der Entscheidung des BFH in dem Verfahren zu Az. I R 81/12 auszusetzen.

    61

    Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zu der Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei.

    62

    Der Senat kommt in Ausübung des ihm zustehenden Ermessens (vgl. dazu Koch in Gräber, FGO, 7. Aufl., 2010, § 74 Rdnr. 7 m. w. N.) zu der Überzeugung, dass in Anbetracht der Dauer des vorliegenden Verfahrens und der weitgehenden Unabhängigkeit der hier zu entscheidenden Streitfragen von dem Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens nicht vorzunehmen ist. Eine Aussetzung würde nicht nur prozessökonomischen Gesichtspunkten widersprechen, sondern im Hinblick auf die unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung aufgeworfenen weiteren haftungsrechtlichen Fragen nicht im wohlverstandenen Interesse der Prozessparteien liegen.

    63

    Das vorliegende Verfahren hängt weitgehend nicht von dem Ausgang des Bezugsverfahrens ab. Das Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof betrifft ausschließlich die Frage der Feststellung von Forderungen des Beklagten zur Insolvenztabelle in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH. Darauf kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an. Hier ist selbst die materielle Richtigkeit der Steuerfestsetzungen gegenüber der GmbH nicht zu thematisieren, da der Kläger die bestandskräftigen Veranlagungen nach § 166 AO als richtig gegen sich gelten lassen muss. Eine Aufhebung der (bestandskräftigen) Veranlagungen gegenüber der GmbH kann in dem Verfahren vor dem BFH infolge der differierenden Streitgegenstände nicht erfolgen. Die (mittelbare) Feststellung einer Nichtigkeit der entsprechenden Festsetzungen hält der erkennende Senat für so unwahrscheinlich, dass sie jedenfalls eine Aussetzung des Verfahrens nicht rechtfertigen kann. Es kann insoweit offen bleiben, ob das mögliche zukünftige Erlöschen der Steuerschuld nach Abschluss des Einspruchsverfahrens überhaupt Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides haben kann (verneinend z.B. BFH-Beschluss vom 20. November 2007 VII B 52/07, juris; weitere Nachweise bei Boeker in Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 191 AO Rdnr. 107). Die theoretische Möglichkeit einer Änderung der Veranlagungen für den Zeitraum 1998 bis 2000 wegen eines rückwirkenden Ereignisses vermag die Notwendigkeit einer Verfahrensaussetzung jedenfalls im vorliegenden Verfahren nicht zu begründen.

    64

    Gegen eine Aussetzung des vorliegenden Verfahren spricht weiterhin, dass das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Veranlagungen für die dem Streitjahr 1997 nachfolgenden Veranlagungszeiträume betrifft, da nur insoweit die dort streitigen Fragen der Liquidationsbesteuerung nach § 11 KStG Bedeutung haben können. Da im vorliegenden Verfahren aus anderen Gründen eine Haftungsinanspruchnahme nahezu ausschließlich für Körperschaftsteuer 1997 und damit im Zusammenhang stehende Nebenleistungen bestätigt werden kann, ist das Verfahren vor dem BFH auch aus diesem Grunde (insoweit) nicht vorgreiflich.

    65

    Soweit den verbleibenden Haftungsbeträgen Zinsen zur Körperschaftsteuer 2000 zu Grunde liegen, handelt sich um Aussetzungszinsen nach § 237 AO, die selbst im Fall einer späteren Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 237 Abs. 5 AO nicht zu korrigieren wären. Der marginale Teilbetrag von 112 € Zinsen zum Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2000 vermag in Anbetracht des insgesamt streitigen Betrages keine Auswirkungen auf die Ermessensausübung des Beklagten zu entfalten und legt daher ebenfalls die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO nicht nahe.

    66

    2. Die Klage ist begründet, soweit der Beklagte den Kläger für mehr als 20.290,04 € als Haftungsschuldner in Anspruch genommen hat. Hinsichtlich der weitergehenden Beträge ist vor Erlass des Haftungsbescheides am 17. April 2008 bereits Festsetzungsverjährung nach § 191 Abs. 3 AO eingetreten.

    67

    Die Festsetzungsfrist für die Haftungsbeträge beträgt grundsätzlich vier Jahre (§ 191 Abs. 3 Satz 2 AO). Die Festsetzungsfrist beginnt nach § 191 Abs. 3 Satz 3 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Insoweit ist auf die Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen einer Haftungsnorm sowie die Entstehung der Steuerschuld abzustellen.

    68

    Nach § 191 Abs. 3 Satz 4 AO endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid wenn die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden ist, nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist. Ist die Steuer bereits festgesetzt, gilt § 171 Abs. 10 AO sinngemäß. Der Ablauf der Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid tritt damit frühestens zwei Jahre nach Bekanntgabe des - in offener Festsetzungsfrist erlassenen - Steuerbescheides ein.

    69

    Diese Rechtslage führt im Streitfall dazu, dass hinsichtlich der mit den Steuerbescheiden vom 23. September 2003 festgesetzten und am 27. Oktober 2003 fällig gewordenen Teilbeträge mit Ablauf des 31. Dezember 2007 Festsetzungsverjährung für die Haftung eingetreten ist.

    70

    Der hier maßgebliche Haftungstatbestand im Sinne des § 69 AO, die Nichtzahlung der fälligen Steuerverbindlichkeiten, ist im Jahr 2003 (erstmals) verwirklicht worden, da die Steuern und steuerlichen Nebenleistungen trotz Fälligkeit am 27. Oktober 2003 weder entrichtet worden noch entsprechende Mittel für die Steuerzahlung bereitgehalten worden sind. Sowohl die Nichtzahlung als auch die fehlende Bereithaltung entsprechender Mittel sind im vorliegenden Verfahren unstreitig. Der Bereithaltung entsprechender Mittel für die mit ca. 57.000 € festgesetzte Körperschaftsteuer 1997 und die mit ca. 130.000 € festgesetzte Körperschaftsteuer 2000 steht bereits die im Tatbestand geschilderte Vermögenslage der GmbH entgegen.

    71

    Mit der so verstandenen Verwirklichung des Haftungstatbestandes am 27. Oktober 2003 begann zugleich der Lauf der Festsetzungsverjährung für den Haftungsanspruch. Die später rückwirkend ausgesprochene Aussetzung der Vollziehung lässt den einmal verwirklichten Haftungstatbestand nicht wieder entfallen. Denn die Aussetzung der Vollziehung bedeutet nur, dass der materielle Regelungsgehalt eines wirksamen Verwaltungsaktes bis auf weiteres nicht mehr verwirklicht werden darf. Sie hat aber keine Auswirkungen auf bereits verwirklichte Haftungstatbestände (vergleiche BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 19/02, BFHE 205, 335, BStBl II 2004, 967 m.w.N.).

    72

    Die anhängigen Rechtsbehelfsverfahren bezüglich der der Haftung zu Grunde liegenden Steuerfestsetzungen und damit verbundener steuerlicher Nebenleistungen haben keine Auswirkung auf die Festsetzungsverjährung hinsichtlich der bereits in den Bescheiden vom 23. September 2003 festgesetzten Beträge gehabt. Insbesondere hat der nach § 191 Abs. 3 Satz 4 AO sinngemäß anzuwendende § 171 Abs. 10 AO nicht zur Folge, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist für einen Haftungsbescheid gehemmt wäre, soweit und solange in offener Festsetzungsfrist der Steuerbescheid hinsichtlich der Steuer oder steuerlichen Nebenleistungen, für die gehaftet wird, noch zulässig ergehen kann. Steuer- und Haftungsbescheid stehen nicht in dem Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid zueinander (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2004 VII R 7/04, BFHE 209, 392, BStBl II 2006, 343 m.w.N.). Daher ist § 191 Abs. 3 Satz 4 AO nur dahingehend zu verstehen, dass ein Haftungsbescheid noch innerhalb zweier Jahre nach Bekanntgabe des entsprechenden Steuerbescheides erlassen werden kann. Eine spätere Anfechtung des Steuerbescheides führt nicht zu einer weiteren Hemmung.

    73

    Da hinsichtlich der Teilverjährung zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits Einvernehmen besteht, wie sich aus dem eingeschränkten Klageabweisungsantrag des Beklagten ergibt, verzichtet der Senat insoweit auf weitere Ausführungen.

    74

    3. Soweit der Beklagte den Kläger für die erstmals aufgrund des Bescheides über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellungen gemäß § 47 Abs. 2 KStG 1997 vom 10. Dezember 2007 (1.561,90 € Körperschaftsteuer und 3.117,14 € Solidaritätszuschlag) sowie der Zinsbescheide vom 7. Februar 2008 (587 € Aussetzungszinsen und 12.564 € Vollverzinsungszinsen zur Körperschaftsteuer 1997, 37 € Zinsen zum Solidaritätszuschlag 1997 sowie 2.125 € Aussetzungszinsen zur Körperschaftsteuer und 112 € Zinsen zum Solidaritätszuschlag 2000) festgesetzten Steuern und Zinsen zzgl. 186 € Säumniszuschläge, also in Höhe von insgesamt 20.290,04 € in Haftung genommen hat, ist die Klage unbegründet.

    75

    Hinsichtlich der erstmals mit den vorbezeichneten Bescheiden festgesetzten Steuern und Zinsen ist keine Festsetzungsverjährung für die Haftung eingetreten. Insoweit greift die Sonderregelung in § 191 Abs. 3 Satz 4 AO, wonach die Festsetzungsfrist für Haftungsbescheide hinsichtlich der Steuern, die noch nicht festgesetzt sind, jedenfalls nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Festsetzung der Steuer abläuft (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 4. September 2002 I B 140/0 1, BFHE 199, 95, BStBl II 2003, 223 m.w.N.). Diese Regelung gilt sinngemäß auch für die sonstigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, hier also die Zinsen (vgl. § 1 Abs. 3 AO; Boeker a. a. O. § 191 AO Rdnr. 156). Der Zweijahreszeitraum des § 191 Abs. 3 Satz 4 AO war weder bei Erlass des ursprünglichen Haftungsbescheides (17. April 2008) noch im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung (30. Januar 2009) abgelaufen.

    76

    Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner). Nach § 69 Satz 1 AO haften u. a. die in § 34 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Die Haftung umfasst nach § 69 Satz 2 AO auch die in Folge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AO haben die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 AO haben sie insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

    77

    Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zweigliedrig. Das FA hat zunächst zu prüfen, ob in der Person oder den Personen, die es heranziehen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift erfüllt sind. Dabei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung (dazu 4.). Daran schließt sich die nach §191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des FA an, ob und wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will (dazu 5.). Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch) überprüfbar (BFH-Urteile vom 13. Juni 1997 VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4; vom 29. September 1987  VII R 54/84, BFHE 151, 111, BStBl II 1988, 176; vom 11. März 2004 VII R 52/02, BFHE 205, 14, BStBl II 2004, 579).

    78

    4. Hiernach hat der Beklagte den Kläger zu Recht durch Haftungsbescheid für die im Einzelnen oben genannten, im Haftungsbescheid aufgeführten Steuerschulden der GmbH (einschließlich der Säumniszuschläge) in Haftung genommen.

    79

    Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Inhaftungnahme gemäß §§ 69, 34 AO sind erfüllt. Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des hier herangezogenen Haftungstatbestandes nach § 69 AO gehören neben der Feststellung der Existenz der Steuerverbindlichkeiten (a.), für die der Kläger in Anspruch genommen werden soll, die Feststellung, dass der Kläger eine der in den §§ 34, 35 AO genannten Personen war oder ist (b.), dass er eine Pflichtverletzung im Sinne des § 69 AO vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen hat (c.) und diese Pflichtverletzung ursächlich für einen Haftungsschaden geworden ist (d.).

    80

    a. Die materielle Rechtmäßigkeit der Bescheide über Steuern und Zinsen, die der Inanspruchnahme des Klägers zugrunde liegen, ist im vorliegenden Verfahren inhaltlich nicht mehr zu prüfen. Der Kläger muss nach § 166 AO die unanfechtbaren Steuerfestsetzungen gegen sich gelten lassen.

    81

    Ein Haftungsschuldner, gegen den nach § 191 Abs. 1 AO ein Haftungsbescheid erlassen worden ist, kann aufgrund der Akzessorietät der Steuerschuld für die Haftungsschuld im Haftungsverfahren grundsätzlich nicht nur gegen die Haftungsschuld Einwendungen vorbringen, sondern auch Einwendungen gegen die Steuerschuld erheben, für die er als Haftender in Anspruch genommen wird. Er kann insbesondere rügen, die Steuerschuld bestehe dem Grunde oder der Höhe nach nicht oder nicht mehr (vgl. Beschluss des BVerfG vom 29. November 1996 2 BvR 1157/93, BStBl II 1997, 415 mit Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung des BFH sowie die ältere Literatur; vgl. auch Nachweise bei Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 191 AO Rdnr. 132).

    82

    Dieser Grundsatz wird durchbrochen durch die Regelung des § 166 AO. Gemäß § 166 AO hat eine gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar festgesetzte Steuer neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch derjenige gegen sich gelten zu lassen, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. § 166 AO ist eine Vereinfachungsnorm (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 13. Oktober 2011 13 K 2582/0 7, EFG 2012, 778 m.w.N. zur Rechtsprechung des BFH). Das Haftungsverfahren soll dem von § 166 AO erfassten Haftungsschuldner keine erneute Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Steuerfestsetzungen verschaffen, weil er bereits zur Anfechtung der Steuerfestsetzung befugt war oder diese bereits ‒ erfolglos ‒ angefochten hat (vgl. hierzu bereits BFH-Urteil vom 28. Juli 1966, V 64/64, BStBl III 1966, 610 zur Vorgängervorschrift § 119 Abs. 2 AO a.F.). Sofern § 166 AO eingreift, soll daher das Haftungsverfahren von den Fragen der materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzungen befreit werden. Insoweit dient § 166 AO der Vereinfachung der Verfahrensabläufe. Hierdurch erleidet der Haftungsschuldner keinen Rechtsverlust, da er sich der Möglichkeit der Einlegung eines formellen Rechtsbehelfs selbst begeben hat oder bereits eine unanfechtbare Entscheidung über die Rechtsbehelfe gefallen ist.

    83

    Hiernach kann der Kläger im vorliegenden Haftungsverfahren mit seinen Einwendungen gegen die Höhe der Steuerschulden der GmbH, insbesondere die Festsetzungen für das Streitjahr 1997 hätten wegen der Enthaftungsregelung in § 26 HGB nicht mehr erfolgen dürfen, nicht gehört werden, da die Voraussetzungen des § 166 AO erfüllt sind. Die der Haftung zu Grunde liegenden Beträge sind mit Ausnahme der Säumniszuschläge durch unanfechtbare Bescheide festgesetzt worden. Die Festsetzungen erfolgten durchgängig während des Zeitraums, in dem der Kläger entweder Geschäftsführer oder Liquidator der GmbH war. Als solcher hätte er die gegen die GmbH gerichteten Steuerfestsetzungen anfechten können.

    84

    b. Der Kläger war gesetzlicher Vertreter im Sinne des § 34 AO. Während der Zeit als Geschäftsführer der GmbH ergibt sich seine Vertretungsbefugnis aus § 35 Abs. 1 des Gesetzes über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung ‒ GmbHG ‒, während der Dauer der Liquidation aus § 70 GmbHG. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

    85

    c. Die hier betroffenen Steuerbeträge sind unstreitig von der GmbH nicht abgeführt worden, obwohl aufgrund der Steuerfestsetzungen aus dem Dezember 2007 und den Zinsbescheiden aus dem Februar 2008 die entsprechende Verpflichtung bestand. Da der gesetzliche Vertreter verpflichtet ist, die Steuerschulden der GmbH aus den verfügbaren Mitteln zu tilgen, indiziert dies zunächst eine Pflichtwidrigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 2008 VII R 19/08, BStBl II 2009, 342 m.w.N.). Dabei gilt nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 2005 I R 2/04, GmbH-Rundschau 2006, 48 m.w.N.), dass der Fiskus gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden darf. Selbst wenn eine GmbH in Zahlungsschwierigkeiten gerät, gehört es zu den Pflichten der zur Vertretung berufenen Geschäftsführer, die Steuerschulden der GmbH in gleicher Weise zu tilgen wie die übrigen Schulden der Gesellschaft.

    86

    Ungeachtet der Problematik einer Begrenzung der Pflichtenstellung des Klägers durch den bei der Haftung nach § 69 AO wegen Nichtzahlung von Steuern im Regelfall zur Anwendung zu bringenden Grundsatz der anteiligen Tilgung (vgl. dazu grundlegend BFH-Urteil vom 5. März 1991 VII R 93/88, BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678 m.w.N. zur älteren Rechtsprechung des BFH sowie des Reichsfinanzhofes) hat der Beklagte zu Recht eine Pflichtwidrigkeit des Klägers darin gesehen, dass dieser trotz der sicher vorhergesehenen Steueransprüche für deren Tilgung keine Vorsorge getroffen habe.

    87

    Nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 25. April 2013 VII B 245/12, BFH/NV 2013, 1063 m.w.N.) kann der Geschäftsführer einer GmbH auch schon vor Entstehung der Steuerforderungen gehalten sein, für erkennbar entstehende Steueransprüche Vorsorge zu treffen, damit deren Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit möglich ist.

    88

    Gegen diese Verpflichtung hat der Kläger im Streitfall bereits deshalb verstoßen, weil er trotz der damit zwingend einhergehenden Körperschaftsteuerschulden (vgl. § 27 KStG 1997) einen von zwei wesentlichen Vermögenswerten der GmbH im Rahmen einer verdeckten Gewinnausschüttung seiner Frau überlassen und damit zugleich vorsätzlich das Vermögen der GmbH derart geschmälert hat, dass es zur Tilgung der Verbindlichkeiten nicht mehr ausreichend war. Der Senat kann hier offen lassen, ob dieses Verhalten unter Berücksichtigung des eigenen Vorbringens des Klägers, die verbliebenen Mittel der GmbH seien nicht hinreichend gewesen auch nur die laufend anfallenden Verbindlichkeiten fristgerecht aus ihrem Vermögen zu tilgen, nur gegen die Kapitalerhaltungspflicht des § 30 GmbHG verstieß oder sogar Untreue im Sinne des § 266 des Strafgesetzbuches darstellte (vgl. dazu BGH-Beschluss vom 11. August 1989 3 StR 75/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1990, 387). Allein die - der Ehefrau überlassenen - Vermietungseinnahmen auch nur zweier Jahre wären hinreichend gewesen, neben den Steuerverbindlichkeiten alle anderen Verbindlichkeiten der GmbH zu tilgen.

    89

    Der Beklagte hat - davon unabhängig - zutreffend darauf abgestellt, dass der Kläger bereits vor dem Erörterungstermin bzgl. der der Haftung zu Grunde liegenden Körperschaftsteuerfestsetzungen, nach dem endgültig feststand, welche Steuern für welche Veranlagungszeiträume die GmbH zahlen musste, im Rahmen der Liquidation eine Gestaltung gewählt hat, die den Zugriff der Gläubiger auf die verbliebenen Vermögenswerte der GmbH zu vereiteln geeignet war.

    90

    Die Abwicklung der Liquidation über ein Konto des Klägers und die Globalzession der GmbH zu Gunsten des Klägers waren geeignet, die Zwangsvollstreckung gegen die GmbH nahezu unmöglich zu machen, da für die Gläubiger erkennbare vollstreckbare Vermögenswerte der GmbH nicht mehr bestanden. Zu Recht hat der Beklagte insoweit auch auf die Bilanzierung der GmbH zum 31. Dezember 2007, die Forderungen gegenüber dem Kläger nur in Höhe von 1.947,64 € auswies, und die Vereinnahmung der von der Stadt B erstatteten Beträge auf dem Privatkonto des Klägers verwiesen. Auch die Ausführungen in dem Stundungsantrag vom 7. Februar 2008, wonach die GmbH i.L. über keinerlei verwertbares Vermögen mehr verfügte, waren geeignet, den erfolgreichen Vollstreckungszugriff zu vereiteln.

    91

    Es kann offen bleiben, ob der Kläger außerdem auch fehlerhaft keinen Rückforderungsanspruch der GmbH gegen seine Ehefrau aktiviert hat, obwohl diese als Gesellschafterin für die entgegen § 30 GmbHG erfolgte Vermögensüberlassung zur Rückgewähr verpflichtet war (vgl. z. B. zur Rückgewährverpflichtung von Zahlungen, die unter Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot an Gesellschafter oder nahe Angehörige geleistet wurden: BGH-Urteil vom 28. September 1981 II ZR 223/80, Neue juristische Wochenschrift - NJW - 1982, 387 m.w.N.) oder ob ein entsprechender Anspruch bereits verjährt war.

    92

    Soweit der Kläger demgegenüber die Auffassung vertritt, die Überlassung aller Mittel der GmbH an ihn sei nicht pflichtwidrig gewesen, da die GmbH zur Zahlung der fälligen Verbindlichkeiten außer Stande gewesen sei, vermag dies nicht zu überzeugen. Der Kläger selbst hatte durch die pflichtwidrige Überlassung der Vermietungsmöglichkeit an seine Ehefrau die Erzielung zur Abdeckung aller fällig werdenden Verbindlichkeiten hinreichender Einkünfte unmöglich gemacht. Sein Vorbringen, er habe sich in Anbetracht der erst langfristigen Vereinnahmung der Kaufpreisraten entschieden, die Verbindlichkeiten der GmbH aus privaten Mitteln zinslos vorzufinanzieren, hätte nur dann zur Anerkennung der gewählten Gestaltung als pflichtgemäße Liquidationsmaßnahme führen können, wenn er nicht zuvor wesentliches Vermögen der GmbH pflichtwidrig seiner Ehefrau zugewendet hätte.

    93

    Ausgehend von einem pflichtwidrigen Verhalten des Klägers ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, jedenfalls in Höhe der der GmbH auch nach dem Vorbringen des Klägers (im Zeitpunkt des Erörterungstermins in dem Verfahren wegen der Steuerverbindlichkeiten der GmbH) gegen ihn zustehenden Ansprüche von 28.509,44 € sei durch die oben beschriebene Gestaltung die Vollstreckung durch den Beklagten vereitelt worden.

    94

    Dem steht nicht entgegen, dass die entsprechenden Vermögenswerte in der Bilanz zum 31. Dezember 2007 im Wesentlichen als Forderungen gegenüber der Stadt B ausgewiesen worden sind. Der Beklagte wusste auf Grund der abgeschlossenen Steuerfestsetzungsverfahren um die - wie bei der Körperschaftsteuer - eingetretene Minderung der Gewerbesteuer für den Liquidationszeitraum 1998 bis 2000 unter gleichzeitiger Erhöhung der Gewerbesteuer für den Veranlagungszeitraum 1997. Eine Pfändung der im Rahmen der Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuer 2000 erbrachten Sicherheitsleistung wäre daher unsinnig gewesen, da die entsprechenden Pfändung infolge der vorrangigen Aufrechnungsmöglichkeit der Gemeinde nach § 392 BGB mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erfolglos geblieben wäre. Die später trotzdem vorgenommene Pfändung macht nur deutlich, wie sehr sich der Beklagte um die zwangsweise Realisation der offenen Forderungen bei der GmbH bemüht hat, indem er sogar fast aussichtslos erscheinende Vollstreckungsmöglichkeiten genutzt hat.

    95

    Die Pflichtwidrigkeit des geschilderten Verhaltens indiziert im Streitfall zumindest die grobe Fahrlässigkeit (vgl. zur Indizwirkung der Pflichtwidrigkeit: BFH-Beschlüsse vom 14. September 1999 VII B 33/99, BFH/NV 2000, 303; vom 25. Juli 2003 VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540; BFH-Urteil vom 13. März 2003 VII R 46/02, BStBl II 2003, 556). Grob fahrlässig in diesem Sinne handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt, anders formuliert, wer außer Acht lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BFH-Beschlüsse vom 7. März 1995 VII B 172/94, BFH/NV 1995, 941 m.w.N.; vom 4. April 1998 I B 116/96, BFH/NV 1998, 1460, 1462). Der Kläger hat hiernach wenigstens grob fahrlässig die Vollstreckung des Beklagten vereitelt. Es sind keine Gründe für ein fehlendes Verschulden des Klägers erkennbar, vielmehr sprechen nach Überzeugung des Senats die Indizien eher für die Annahme von Vorsatz als für die Annahme nur grober Fahrlässigkeit.

    96

    d. In Anbetracht der besonderen Situation des Streitfalles steht daher zur Überzeugung des Senats fest, dass in Höhe der Steuerforderungen, für deren Realisation im Haftungswege noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist (vgl. oben), ein haftungsbegründender ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verschleierung der Forderungen der GmbH gegenüber dem Kläger und dem eingetretenen Steuerschaden besteht.

    97

    Der Schadensersatzcharakter der Haftung nach § 69 Satz 1 AO (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 19. September 2007 VII R 39/05, BFH/NV 2008, 18 m.w.N. aus der ständigen Rechtsprechung des BFH) hat zur Folge, dass sich die Haftung dem Umfang nach auf den Betrag beschränkt, der infolge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht entrichtet worden ist. Die Höhe der Haftung ergibt sich daher unabhängig vom Grad des Verschuldens grundsätzlich allein aus der adäquat kausalen Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den bei dem Fiskus eingetretenen Vermögensschaden. Hierzu ist auch festzustellen, ob und in welchem Umfang dem Steuerschuldner die Mittel zur Verfügung standen, die ihm gegenüber festgesetzten Steuern zu entrichten (BFH-Urteil vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100).

    98

    Dabei ist im Regelfall zu berücksichtigen, dass die rückständigen Körperschaftsteuern vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen sind wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern, sofern die Mittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten nicht ausreichen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776, 778, m.w.N.). Ist dies nicht geschehen, so liegt nur im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (= Haftungssumme).

    99

    Ein haftungsbegründender ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verletzung der Handlungspflicht des Geschäftsführers und dem eingetretenen Steuerausfall (Haftungsschaden) kann aber auch dadurch begründet sein, dass eine aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeit des Finanzamtes vereitelt worden ist (vgl. grundlegend BFH-Urteile vom 5. März 1991 VII R 93/88, BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678; vom 26. August 1992 VII R 50/91, BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8). In diesem Fall wird der Grundsatz der anteiligen Befriedigung eingeschränkt (BFH a. a. O.).

    100

    Eine derartige Situation ist im Streitfall gegeben. Der Kläger hat durch die Verschleierung des einer erfolgreichen Vollstreckung zugänglichen Vermögens der GmbH diese Vollstreckung verhindert. Wie der weitere Verlauf des Vollstreckungsverfahrens nach der Aufdeckung der gegen den Kläger gerichteten Forderung im Juli 2008 zeigt, hätte der Beklagte bei frühzeitiger Kenntnis der hohen Forderung der GmbH gegen den Kläger diese Forderung gepfändet. Diese wäre zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch die Zahlung an den früheren Prozessbevollmächtigten und Steuerberater der GmbH und des Klägers geschmälert gewesen.

    101

    In Anbetracht der Kausalität der Vollstreckungsvereitelung für den späteren Steuerausfall bei der GmbH bedarf es im Streitfall keiner Ermittlungen zur durchschnittlichen Tilgungsquote. Der Senat muss sich daher auch nicht mit den vielfältigen, stets zu anderen Ergebnissen führenden Berechnungen der Beteiligten auseinander setzen.

    102

    Die Ursächlichkeit der Pflichtwidrigkeit des Klägers für den später eingetretenen Steuerausfall entfällt auch nicht durch ein etwaiges Mitverschulden des Beklagten, weil dieser auf Grund der gegen die Pfändung vorgebrachten Einwendungen des Klägers, die jener selbst nunmehr als „offensichtlich rechtlich gänzlich neben der Sache liegend“ qualifiziert, die Pfändung nicht zwangsweise durchgesetzt habe. Ein etwaiges Mitverschulden des Finanzamtes kann nur im Rahmen der Ermessensausübung Berücksichtigung finden, jedoch die Pflichtverletzung und Ursächlichkeit des Haftungsschuldners für den eingetretenen Haftungsschaden grundsätzlich nicht entfallen lassen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 21. September 2009 VII B 85/09, BFH/NV 2010, 11 m.w.N.). Selbst wenn man dies anders sähe und eine Berücksichtigung auf der Ebene des Tatbestandes für möglich hielte (vgl. die Nachweise zu dieser Auffassung in dem BFH-Urteil vom 30. August 2005 VII R 61/04, BFH/NV 2006, 232), könnte eine Berücksichtigung eines finanzbehördlichen Fehlverhaltens nur dann in Betracht kommen, wenn das Fehlverhalten der Behörde ein solches Ausmaß angenommen hätte, dass demgegenüber das Verschulden des Haftungsschuldners nicht mehr entscheidend ins Gewicht fiele (BFH a. a. O.). Eine solche Situation ist im Streitfall nicht gegeben. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die nachfolgenden Ausführungen zum Entschließungsermessen unter 5.a. verwiesen.

    103

    Die Haftungssumme ist auch nicht deshalb zu mindern, weil der Insolvenzverwalter angekündigt hat, es werde voraussichtlich eine Insolvenzquote von ca. 4% an die Insolvenzgläubiger ausgezahlt werden. Zahlungen auf die Hauptschuld nach Erlass der Einspruchsentscheidung haben keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides. Dies gilt die erst recht für Zahlungen, die nur angekündigt, aber noch nicht erfolgt sind.

    104

    e. Der Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist auch hinreichend bestimmt. Nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 27. August 2009 V B 75/8, BFH/NV 2009, 1964 m.w.N. ) ist ein Haftungsbescheid dann inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn für den Betroffenen erkennbar ist, was von ihm, auch der Höhe nach, verlangt wird. Dabei genügt es, wenn aus dem gesamten Inhalt des Bescheides einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung hinreichende Klarheit über das Verlangte gewonnen werden kann. Es reicht aus, wenn aus dem Bescheid die konkreten Sachverhalte, die zur Haftung geführt haben, ohne weiteres zweifelsfrei ersichtlich sind.

    105

    Diesen Anforderungen genügt der Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung. Er lässt sowohl die maßgeblichen Lebenssachverhalte als auch die exakte Forderung des Beklagten erkennen. Infolge der teilweisen Festsetzungsverjährung verbleiben davon nur noch die Haftungsbeträge, die oben unter 3. im Einzelnen dargestellt sind und jeweils in voller Höhe der Steuer- bzw. Zinsfestsetzung (zuzüglich Säumniszuschlägen) zur Haftung des Klägers führen.

    106

    Der Beklagte hat auch im Rahmen des § 367 AO rechtmäßig die Begründung für die Inanspruchnahme des Klägers im Einspruchsverfahren teilweise geändert. Nach § 367 Abs. 2 AO hat die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Dabei ergibt sich bei Haftungsbescheiden der Gegenstand des Haftungsverfahrens aus den Personen, Steuergegenständen oder Zeiträumen, die von dem angefochtenen Bescheid erfasst waren (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juli 2013 X B 91/13, BFH/NV 2013, 1540). In diesem Rahmen hält sich die geänderte Begründung des Beklagten.

    107

    5. Der Beklagte hat das ihm gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO eingeräumte Entschließungs- und Auswahlermessen fehlerfrei ausgeübt. Das Gericht hat insoweit nach § 102 Satz 1 FGO nur zu prüfen, ob die in § 5 AO festgelegten Grenzen des Ermessens über- oder unterschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

    108

    a. Das Entschließungsermessen ist nicht fehlerhaft ausgeübt worden.

    109

    Wegen der dem Steuergläubiger im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgabe, die geschuldeten Abgaben nach Möglichkeit zu erheben, kann der Erlass eines Haftungsbescheides bei Uneinbringlichkeit der Erstschuld nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen ermessensfehlerhaft sein. Deshalb ist das Entschließungsermessen ‒ wie auch im Streitfall ‒ mit dem Hinweis auf die Unmöglichkeit einer Einziehung der rückständigen Steuer durch Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber dem Steuerschuldner jedenfalls bei Nichtvorliegen außergewöhnlicher Umstände regelmäßig ausreichend begründet (BFH-Urteile vom 13. Juni 1997 VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4; vom 29. September 1987 VII R 54/84, BFHE 151, 111, BStBl II 1988, 176).

    110

    Soweit der Kläger vorträgt, der Beklagte habe nicht alle Möglichkeiten zur Durchsetzung der Forderungspfändung genutzt, kann dies die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides im Hinblick auf das Entschließungsermessen nicht in Frage stellen.

    111

    Dieser Vorwurf des (Mit)Verschuldens des Finanzamtes ist - wie oben bereits angesprochen - im Rahmen des Ermessens zu prüfen (BFH-Urteile vom 4. Mai 1983 II R 108/81, BFHE 138, 487, BStBl II 1983, 592; vom 4. Dezember 2007 VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521; BFH/NV 2010, 11). Ein (Mit)Verschulden des Finanzamtes ist dabei aber nur zu beachten, wenn die Beitreibung infolge vorsätzlicher oder besonders grober Pflichtverletzung fehlgeschlagen ist (BFH-Beschluss vom 2. Juni 2001 VII B 345/00, BFH/NV 2002, 4). Dabei trägt grundsätzlich der Haftungsschuldner das Risiko, dass die Steuerforderungen beim Steuerschuldner nicht realisiert werden können (BFH-Urteil vom 4. Juli 1979 II R 74/77, BFHE 129, 201, BStBl II 1980, 126).

    112

    Im Streitfall ist bereits zweifelhaft, ob überhaupt eine mangelhafte Durchsetzung des Anspruchs aus der Forderungspfändung gegeben ist. Dagegen spricht der zeitliche Ablauf. Die Pfändungsverfügung des Beklagten ist nach übereinstimmendem Vorbringen am 18. August 2008 zugestellt, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens laut Eröffnungsbeschluss am 17. November 2008 gestellt und die Eröffnung des Verfahrens im Januar 2009 beschlossen worden. Die Pfändung erfolgte damit weniger als drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die weitere Verfolgung der Forderungspfändung im Sinne einer abgesonderten Befriedigung gemäß § 50 der Insolvenzordnung - InsO - hätte daher im Hinblick auf die nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegebene Anfechtbarkeit wenig Aussicht auf Erfolg gehabt.

    113

    Selbst wenn man von einem Mitverschulden des Beklagten ausginge, weil dieser die Durchsetzung der Pfändung bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens versäumt habe, stünde dies der Inanspruchnahme des Klägers nicht entgegen. Die fehlende Durchsetzung der Pfändungsverfügung beruht im Streitfall auf der Zahlungsverweigerung des Schuldners der gepfändeten Forderung, also des Klägers. Es kann aber im Ergebnis nicht zum Vorteil des Haftungsschuldners ausschlagen, dass dieser auf eine rechtmäßige Forderungspfändung des Beklagten mit - nach aktuellem eigenem Vorbringen - offensichtlich rechtlich gänzlich neben der Sache liegenden Einwendungen reagiert und deshalb die Zahlung rechtswidrig verweigert. Ein eventuelles Fehlverhalten des Beklagten träte in diesem Fall jedenfalls hinter das wesentlich schwerwiegendere Fehlverhalten des Klägers zurück.

    114

    Auch die im Jahr 2013 angekündigte Zahlung einer Insolvenzquote steht der rechtmäßigen Ausübung des Entschließungsermessens nicht entgegen. Zahlungen auf die Hauptschuld nach Erlass der Einspruchsentscheidung haben keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides. Sie sind folgerichtig für die hier zu überprüfende Ermessensentscheidung im Zeitpunkt der letzten außergerichtlichen Verwaltungsentscheidung (30. Januar 2009) ohne Belang.

    115

    b. Im Streitfall liegt auch eine ordnungsgemäße Ausübung des Auswahlermessens durch den Beklagten vor. Der Beklagte hat zu Recht nur den Kläger in Anspruch genommen. Dieser war im Haftungszeitraum alleiniger Geschäftsführer bzw. Liquidator der GmbH; die Verantwortlichkeit anderer Personen ist vom Kläger auch nicht behauptet worden.

    116

    Soweit der Kläger einen Fehler des Auswahlermessens des Beklagten damit begründen will, dass die GmbH im Zeitpunkt des Erlasses der, dem hier streitbefangenen Haftungsbescheid zu Grunde liegenden, Steuerbescheide bereits keine Steuer mehr geschuldet habe, weil infolge der Firmenfortführung durch Herrn G der GmbH die Enthaftungsregelung in § 26 HGB zugutekomme, weshalb nach Ablauf der dort bestimmten Fünfjahresfrist Steuern gegenüber dem ursprünglichen Steuerschuldner (GmbH) nicht mehr geltend gemacht werden könnten, steht dieser Argumentation bereits § 166 AO entgegen. Wie bereits oben ausgeführt, wird das Haftungsverfahren, sofern § 166 AO eingreift, von den Fragen der materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzungen befreit. Hierdurch erleidet der Haftungsschuldner keinen Rechtsverlust, da er sich der Möglichkeit der Einlegung eines formellen Rechtsbehelfs selbst begeben hat. Lässt der potentielle Haftungsschuldner einen Steuerbescheid gegenüber der von ihm vertretenen Gesellschaft formell bestandskräftig werden, so hat er die sich hieraus ergebende Gefahr, dass es zu einer Änderung der Steuerfestsetzungen nicht mehr kommt, selbst zu tragen. Eine besondere Schutzwürdigkeit des Haftungsschuldners besteht insoweit nicht (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 13. Oktober 2011 13 K 4121/07, EFG 2012, 195 m.w.N. zur Rechtsprechung des BFH).

    117

    Mängel bei der Ausübung des Auswahlermessens ergeben sich auch nicht daraus, dass der Beklagte andere potenzielle Haftungsschuldner fehlerhaft nicht berücksichtigt hätte.

    118

    Wie sich sowohl aus dem Haftungsbescheid als auch aus der Einspruchsentscheidung ersehen lässt, war der Beklagte sich der Notwendigkeit bewusst, eine Ermessensentscheidung hinsichtlich aller in Betracht kommenden potenziellen Haftungsschuldner zu treffen.

    119

    Entgegen der Auffassung des Klägers liegen weder ein Ermessensnichtgebrauch noch ein Ermessensfehler bei der letztendlich relevanten Ausübung des Auswahlermessens im Rahmen der Einspruchsentscheidung vor. Insbesondere ist auch kein Fall eines durch die Untätigkeit des Beklagten verschuldeten Verjährungseintritts bezüglich sonstiger potenzieller Haftungsansprüche gegen Dritte zwischen Haftungsbescheid und Einspruchsentscheidung gegeben (vgl. zur Problematik z.B. Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 14. August 2012 6 K 2330/06, GmbH-Rundschau 2013, 278 m.w.N.).

    120

    Der Beklagte ist zunächst davon ausgegangen, der Erwerber der nach der verdeckten Gewinnausschüttung verbliebenen wesentlichen Vermögensgegenstände der GmbH, Herr G, sei auf Grund der Firmenfortführung im Sinne des § 25 HGB ebenfalls als Haftungsschuldner für die den Veranlagungszeitraum 1997 betreffenden Verbindlichkeiten heranzuziehen (vgl. letzter Absatz des Haftungsbescheides). Im Rahmen der Einspruchsentscheidung hat der Beklagte dann darauf abgestellt, ein Anspruch gegen Herrn G scheide wegen Verjährung des Haftungsanspruches nach § 25 HGB bereits bei Erlass des Haftungsbescheides aus. Der Kläger sei als alleiniger Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen.

    121

    Der Senat vermag darin im Ergebnis keinen Ermessensfehlgebrauch zu erkennen. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, bereits im Zeitpunkt des Erlasses des erstmaligen Haftungsbescheides im April 2008 sei die Inanspruchnahme von Herrn G ausgeschlossen gewesen.

    122

    Dies gilt zunächst hinsichtlich der von allen Beteiligten nicht problematisierten Haftung nach § 419 BGB a.F. Nach dieser Vorschrift konnten in den Fällen, in denen jemand durch Vertrag das Vermögen eines anderen übernahm, dessen Gläubiger, unbeschadet der Fortdauer der Haftung des bisherigen Schuldners, von dem Abschluss des Vertrags an ihre zu dieser Zeit bestehenden Ansprüche auch gegen den Übernehmer geltend machen.

    123

    Die Voraussetzungen des § 419 BGB in der bis zum Ende des Jahres 1998 geltenden Fassung lagen nach Lage der Akten - vorbehaltlich der Annahme eines Rückforderungsanspruches gegen die Ehefrau des Klägers - im Streitfall vor, da Herr G durch den Kaufvertrag vom 10. Januar 1998 das nach der verdeckten Gewinnausschüttung verbliebene Vermögen der GmbH übernommen hat.

    124

    Der Senat hält eine weitere Sachaufklärung für entbehrlich, da ein Anspruch nach § 419 BGB jedenfalls verjährt wäre. Ergibt sich nämlich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann nach Maßgabe von § 191 Abs. 4 AO ein Bescheid ergehen, solange der Haftungsanspruch nach dem für ihn maßgebenden Recht noch nicht verjährt ist. Das für den Anspruch aus § 419 BGB maßgebliche Verjährungsrecht ist das des BGB. Als der Haftungsanspruch entstand (1998), betrug die regelmäßige Verjährungsfrist des BGB, die mangels eines spezielleren Verjährungstatbestandes eingriff und nach § 198 BGB a.F. mit der Anspruchsentstehung in Lauf gesetzt wurde, noch 30 Jahre (§ 195 BGB a.F.). Nach dem Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechtes am 1. Januar 2002 beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGH nunmehr 3 Jahre. Da diese Verjährungsfrist kürzer ist als die bis zum 1. Januar 2002 geltende Regelverjährung, ist sie gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum BGB - EGBGB - von dem 1. Januar 2002 an zu berechnen, soweit der Verjährungsbeginn nicht nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, insbesondere wegen Unkenntnis des Beklagten von den den Anspruch begründenden Umständen, verschoben worden ist (vgl. zur Fristberechnung BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 XI ZR 44/06 - NJW 2007, 1584; Urteil vom 25. Oktober 2007 - VII ZR 205/06 - juris).

    125

    Da dem Beklagten die maßgeblichen Lebenssachverhalte zum Vermögensübergang bereits seit 1998 und hinsichtlich der Steuerverbindlichkeiten spätestens bei Erlass der Änderungsbescheide nach der Außenprüfung im Jahr 2003 bekannt waren, lief die kurze dreijährige Verjährungsfrist entweder entsprechend Art. 299 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB ab dem 1. Januar 2002 oder spätestens ab Erlass der Änderungsbescheide nach der Außenprüfung im September 2003 an. Sie war deshalb bei Erlass beider Haftungsbescheide am 17. April 2008 abgelaufen.

    126

    Der Beklagte ist auch zu Recht davon ausgegangen, eine Inanspruchnahme des Herrn G nach § 25 HGB scheide aus. Entgegen der Auffassung des Klägers und des Beklagten beruht dies allerdings nicht auf dem Eintritt der Verjährung und/oder der Verkennung der mit § 25 HGB verbundenen Enthaftungsregelung in § 26 HGB. Vielmehr ist § 25 HGB auf die im vorliegenden Streitfall der Haftung zu Grunde liegenden Steuerforderungen wegen Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer und zugehörigen Zinsen bereits nicht anwendbar.

    127

    Nach § 25 HGB haftet derjenige, der ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betrieb begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma eingewilligt haben.

    128

    Nach herrschender Auffassung in der handelsrechtlichen Kommentarliteratur handelt es sich bei der in § 25 HGB geregelten Haftung um einen gesetzlichen Schuldbeitritt (vgl. z. B. Roth in Koller/Roth/Morck, HGB, 6. Aufl., 2007, § 25 Rdnr. 7; Ammon/Ries in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, 3. Aufl., 2008, § 25 Rdnr. 22; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl., 2012, § 25 Rdnr. 10, jew. m.w.N.). Von dem Schuldbeitritt erfasst werden die im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten (vgl. Hopt a.a.O. Rdnr. 11; Roth a.a.O. Rdnr. 7; Vossler in Oetker, HGB, 3. Aufl., 2013, § 25 Rdnr. 30; Ruß in Heidelberger Kommentar zum HGB, 6. Aufl., 2002, § 25 Rdnr. 12; Lieb in Münchner Kommentar zum HGB, 2. Aufl., 2005, Rdnr. 90; Ammon/Ries a.a.O. Rdnr. 25).

    129

    Damit entspricht die Formulierung in § 25 HGB inhaltlich derjenigen in § 75 AO, der für die Haftung des Betriebsübernehmers eine Beschränkung auf die Steuern vorsieht, bei denen sich die Steuerpflicht auf dem Betrieb des Unternehmens gründet (Steuerabzugsbeträge hier ohne Bedeutung). Hinsichtlich der Haftung nach § 75 AO entspricht es ganz herrschender Meinung (vgl. Boeker in Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 75 AO Rdnr. 71 und § 74 Rdnr. 35; Rüsken in Klein, AO, 11. Aufl., § 75 Rdnr. 34 und § 74 Rdnr. 18; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 75 AO Rdnr. 40; jeweils unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 22. März 1961 II 228/59 U, BFHE 73, 1, BStBl III 1961, 270), dass es nicht hinreichend ist, wenn der steuerpflichtige Vorgang an den Betrieb des Unternehmens anknüpft oder in einer inneren Beziehung zu diesem steht, sondern vielmehr eine Haftung nach § 75 AO nur in Betracht kommt, wenn die Steuerpflicht durch bestimmte, in den einzelnen Steuergesetzen selbst bestimmte Tatbestände an den Betrieb eines Unternehmens geknüpft ist. Danach werden die so genannten Personensteuern, also Einkommen- oder Körperschaftsteuer, auch wenn sie ausschließlich auf den Einkünften aus Gewerbebetrieb beruhen, niemals durch § 75 AO erfasst.

    130

    Nach Überzeugung des erkennenden Senats gehören die Personensteuern, hier also die Körperschaftsteuer, der Solidaritätszuschlag und die daran anknüpfenden Zinsfestsetzungen, dementsprechend auch nicht zu den im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten im Sinne des § 25 HGB. Soweit der Senat der jüngeren Rechtsprechung des BFH zu § 25 HGB die den jeweiligen Streitfällen zu Grunde liegenden Steuern entnehmen kann (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 19. Januar 2006 VII B 13/05, BFH/NV 2006, 1110 und BFH-Urteil vom 23. Juli 1998 VII R 143/97, BFHE 186, 318, BStBl II 1998, 765, jeweils zu Umsatzsteuer; Steuerarten nicht erkennbar in BFH-Beschluss vom 11. Juni 2012 VII B 198/11, BFH/NV 2012, 1572), hat dort der BFH ebenfalls § 25 HGB nicht auf Personensteuern angewendet. Auch in der bei juris dokumentierten Rechtsprechung der Finanzgerichte zu § 25 HGB hat der Senat keine Entscheidung festgestellt, in der § 25 HGB auf Personensteuern angewendet worden ist.

    131

    Auch die handelsrechtliche Literatur spricht für eine entsprechende Auslegung des § 25 HGB. Soweit eine konkrete Auseinandersetzung bzgl. der von § 25 HGB erfassten Steuerschulden jenseits der allgemeinen Ausführung, dass Privatverbindlichkeiten nicht unter § 25 HGB fallen, erfolgt, verweisen die Autoren jeweils auf die parallele Vorschrift in § 75 AO (Hopt a.a.O. Rdnr. 11; Vossler a. a. O. Rdnr. 30, 43; Ammon/Ries a.a.O. Rdnr. 27).

    132

    Der Senat sieht sich mit der Begrenzung der Anwendung des § 25 HGB auf die auch von § 75 AO erfassten (Betriebs-)Steuern weiterhin in Übereinstimmung mit der jüngeren Rechtsprechung der Sozialgerichte (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. August 2008 L 4 R 366/0 7, Neue Zeitschrift für Sozialrecht 2009, 574; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 28. Januar 2011 L 5 R 848/10 B ER, Deutsches Steuerrecht 2011, 2010), die jeweils unter Verweis auf § 75 AO eine Anwendung des § 25 HGB auf Sozialversicherungsabgaben abgelehnt haben, weil insoweit § 75 AO entsprechende Regelungen für Sozialabgaben nicht existieren.

    133

    Andere Gründe, die für einen Ermessensfehlgebrauch bei der Ausübung des Auswahlermessens sprechen könnten, sind für den Senat nicht ersichtlich.

    134

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.

    135

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

    136

    Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

    RechtsgebietAOVorschriftenAO § 34; AO § 69; AO § 191 Abs. 1