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  • 11.05.2020 · IWW-Abrufnummer 215569

    Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 30.07.2019 – 8 Sa 1339/18

    1. Nach § 13 Abs. 1 KSchG kann die Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden. Danach muss eine Klage gegen eine außerordentliche Kündigung innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhoben werden.

    2. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt.

    3. Wird in einer Vereinbarung der Kreis der Kündigungsberechtigten erweitert - wie dies im Entscheidungsfall in einem Klinikum der Fall war -, müssen sich beide Kündigungsberechtigte wechselseitig ihr Wissen zurechnen lassen, welches zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigende Sachverhalte betrifft. Es liegt dann an ihnen, eine Organisationsstruktur zu schaffen, welche die Weitergabe und den Austausch entsprechender Informationen rechtzeitig gewährleistet. Versäumt ein Kündigungsberechtigter die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB , ist dies dem anderen Kündigungsberechtigten anzulasten, auch wenn aus seiner Sicht die Frist noch einzuhalten wäre.


    Tenor:

    Die Berufungen des Klägers und der Beklagten zu 1. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2018 ‒ 25 Ca 202/18 ‒ werden zurückgewiesen.

    Die Gerichtskosten und die außerordentlichen Kosten des Klägers für die Berufung tragen der Kläger und die Beklagte zu 1.) je zur Hälfte.

    Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.) für die Berufung trägt diese selbst.

    Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2.) für die Berufung trägt der Kläger.

    Die Revision wird zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, deren Umdeutung in eine ordentliche Kündigung sowie Weiterbeschäftigung.



    Der am xx. xx 1976 geborene, verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war zuletzt auf der Grundlage des mit der Beklagten zu 1. geschlossenen Arbeitsvertrags vom 18. August 2011 (BI. 9 f. d. A.) sowie des Änderungsvertrags vom 26. März 2015 (Bl. 11 d. A.) seit dem 1. September 2006 zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von € 15.548,02 bei der Beklagten zu 2. als Arzt, Wissenschaftler und Doktorvater tätig.



    Mit Antrag vom 20. Februar 2017 (Bl. 262 d. A.) beantragte die Beklagte zu 1. die Gewährung einer Bundeszuwendung auf Ausgabenbasis, welche mit Zuwendungsbescheid vom 18. Mai 2017 (Bl. 263 ff. d. A.) vom „Projektträger A“ in Höhe von € 119.248,80 bewilligt wurde. Unter „Projektleitung“ wird der Name des Klägers genannt. Das damit zu finanzierende Studienprojekt erhielt die Bezeichnung „B“. Laut Projektbeschreibung ist die Konzeption und Durchführung einer klinischen Studie mit Patienten vorgesehen. Am 29. Februar 2017 stellte der Kläger einen Antrag auf Eröffnung eines Drittmittelauftrages (Bl. 274 f. d. A.), der ihm bewilligt wurde. In der Folge wurde ein Drittmittelkonto in SAP angelegt.



    Mit dem Großteil der Drittmittel aus diesem Projekt wurden drei Rechnungen der Firma C vom 19. Juli 2017 (Bl. 79 d. A.), vom 11. August 2017 (Bl. 85 d. A.) und vom 25. September 2017 (Bl. 82 d. A.) in Höhe von insgesamt € 99.055,00 beglichen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger in diesem Zusammenhang veruntreuend tätig geworden ist. Unter derselben Adresse wie die Firma von Herrn C ist jedenfalls eine Firma ansässig, als deren Berater der Kläger fungiert.



    Mit Beschluss des Klinikvorstands der Beklagten zu 2. vom 22. August 2017 (Bl. 12 d. A.) wurde der Kläger zum ständigen Stellvertreter für die Klinik der Nuklearmedizin benannt. Mit Schreiben der Beklagten zu 2. vom 14. September 2017 (Bl. 13 d. A.) wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Bestellung zum 1. September 2017 wirksam werde und er ab diesem Zeitpunkt in die Entgeltgruppe Ä6 eingestuft werde.



    Am 25. September 2017 füllte der Kläger ein Genehmigungsschreiben für eine von ihm zu erbringende Nebentätigkeit aus und versah diese mit dem Stempel von Prof. Dr. D und einem Kürzel. Ob der Kläger zu einem solchen Vorgehen berechtigt war, ist zwischen den Parteien umstritten.



    Anfang Oktober 2017 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Assistenzarzt Herrn E statt, dessen Doktorvater er zu diesem Zeitpunkt war. Der Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Parteien umstritten. Herr E erstellte jedenfalls am 26. Januar 2018 ein Protokoll über den Ablauf, wegen dessen Einzelheiten auf BI. 83 d. A. verwiesen wird.



    Mit E-Mail vom 11. Oktober 2017 (Bl. 295 d. A.) wandte sich Frau F aus der Drittmittelabteilung der Beklagten zu 1. auszugsweise wie folgt an den Kläger:



    „…



    zum Projekt B/Kontonummer XXXXXXXX ergeben sich einige Rückfragen, um deren Beantwortung ich Sie hiermit bitten möchte:



    1. ...



    2. Trotz fehlender (oder nicht bekannter) Genehmigung des Umwidmungsantrags haben Sie bereits Ausgaben getätigt, die der Position 0835 zuzuordnen sind (Rechnung vom 25.09.2017, Rechnungsbetrag 55.500,00 €).



    Die bisherige Belastung des Kontos XXXXXXXX ist ausschließlich auf 3 Rechnungen der Firma G zurückzuführen:



    3. …



    4. Bei der Vergabe von Unteraufträgen einer gewissen Größenordnung bzw. bei Kooperationen, wie Sie sie offenbar mit der Firma G pflegen, ist es soviel ich weiß gängig und empfehlenswert, vertragliche Vereinbarung für die Zusammenarbeit betreffen. Falls Sie schriftliche Vereinbarung mit der Firma G getroffen oder sich anderweitig über die Rahmenbedingungen für eine Zusammenarbeit verständigt haben, lassen Sie mich dies bitte wissen.



    5. Die drei oben aufgeführten Rechnungen sind leider sehr pauschal gestellt und lassen keine weiteren Rückschlüsse zur Zusammensetzung der Rechnungsbeträge zu. Sie verstehen sicherlich, dass wir aufgrund der Nachweispflicht gegenüber dem Geldgeber noch nähere Informationen über die Gegenstände bzw. Leistungen benötigen, für die die Rechnungen gestellt wurden. Können Sie uns weitere Unterlagen zukommen lassen, die näheren Hintergründe zu den Rechnungen/Bestellungen zu entnehmen sind, z.B. Angebot der Firma/Bestellschein/Lieferschein o.Ä.?



    …“



    In einem Personalgespräch mit dem ärztlichen Direktor und Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu 2. Herrn Prof. Dr. H am 5. Dezember 2017 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er nicht mehr leitender Oberarzt der Klinik für Nuklearmedizin sei und deshalb von der Gehaltsstufe Ä6 auf Ä5 zurückgestuft werde.



    Mit Schreiben vom 25. Januar 2018 (BI. 87 d. A.) wurde der Kläger aufgefordert, zu den von der Beklagten erhobenen Vorwürfen in Zusammenhang mit der Nebentätigkeitsgenehmigung Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme erfolgte mit Schreiben vom 31. Januar 2018.



    Mit Schreiben vom 6. Februar 2018 (Bl. 299 f. d. A.) wandte sich Frau Dr. I von der Leitung Research Service Center, eine Mitarbeiterin der Beklagten zu 1., an den Kanzler der Beklagten zu 1. und unterrichtete diesen über „Auffälligkeiten im Projektverlauf in administrativer und finanzieller Hinsicht“. Unter „III.“ enthielt das Schreiben einen Verweis auf die erfolgte Korrespondenz, u.a. im Zeitraum 2. November 2017 bis 1. Februar 2018 zwischen dem Kläger und dem Research Service Center. In dem Schreiben heißt es u.a. weiter betreffend den Zeitraum 21. November bis 5. Februar 2018, dass es dazwischen telefonischen Kontakt und Klärung mit dem Dezernat Beschaffung der Beklagten zu 2. gegeben habe, ob ein Rahmenvertrag mit der Firma G bestünde.



    Am 13. Februar 2018 wurde der Prozessbevollmächtigte des Klägers zum Vorwurf der Veruntreuung von Drittmitteln durch den Kläger in einem Gespräch mit der damaligen Mitarbeiterin der Rechtsabteilung der Beklagten zu 2. Frau Dr. J gehört.



    Mit Schreiben vom 15. Februar 2018 wurde der Kläger mit dem Vorwurf der Bedrohung eines Assistenzarztes konfrontiert. Die schriftliche Stellungnahme des Klägers zu diesem Vorwurf und zur Veruntreuung von Drittmitteln erfolgte mit Schreiben vom 16. Februar 2018.



    Die Beklagte zu 2. kündigte mit Schreiben vom 9. März 2018 (BI. 26 d. A.), versehentlich datiert auf den 9. März 2017, das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos. Ob dem Kläger das Kündigungsschreiben bereits am 9. März 2018 zugegangen ist, ist zwischen den Parteien umstritten.



    Mit Schreiben vom 14. März 2018 (Bl. 27 d. A.), dessen Zugangszeitpunkt ebenfalls streitig ist, wies der Kläger gegenüber der Beklagten zu 2. die Kündigungserklärung wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurück.



    Mit am 16. März 2018 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz, der Beklagten zu 1. am 26. März 2018 und der Beklagten zu 2. zugegangen am 29. März 2018, hat sich der Kläger gegen die Rechtswirksamkeit der Kündigung vom 9. März 2018 gewandt. Er hat behauptet, er habe keine Forschungsgelder zweckwidrig verwendet. Zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Rechnungen sei er weder Leiter des Projekts noch anweisungsberechtigt gewesen. Er habe die Rechnungen lediglich an die Kreditorenabteilung weiter geleitet, welche für die Prüfung der Richtigkeit der Rechnungen zuständig gewesen sei. Die Materialien aus den Rechnungen seien geliefert worden. Gegenüber Herrn E habe er keine Drohung ausgesprochen. In Bezug auf die Nebentätigkeitsgenehmigung habe er nichts falsch gemacht. Die streitgegenständliche Nebentätigkeit sei wie sämtliche dieser Art mit Wissen und Wollen von Prof. Dr. D erfolgt. Die Beklagten zu 1. und zu 2. hätten bereits Ende November 2017 Kenntnis von den Vorwürfen gegen ihn gehabt, da er den ärztlichen Direktor der Beklagten zu 2., Prof. Dr. H, persönlich unter Vorlage entsprechender Unterlagen darüber informiert habe.



    Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB nicht vorliege. Die Kündigung sei nach § 174 BGB unwirksam, weil die Beklagte zu 2. keine Vollmachtsurkunde vorgelegt habe.



    Der Kläger hat beantragt,

    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten zu 2. vom 9. März 2017 weder außerordentlich aufgelöst worden ist noch ordentlich aufgelöst wird; hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag, die Beklagten zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als stellvertretenden Direktor der Klinik für Nuklearmedizin und leitenden Oberarzt zu beschäftigen.



    Die Beklagten zu 1. und zu 2. haben beantragt,

    die Klage abzuweisen. Die Beklagten zu 1. und zu 2. haben behauptet, der Kläger habe die zu Forschungszwecken zur Verfügung gestellten Drittmittel „B“ zweckwidrig verwendet und i. S. d. § 266 StGB veruntreut. Er sei von Beginn des Projektes an verantwortlicher Projektleiter und über das Drittmittelkonto anweisungsberechtigt gewesen. Zu den streitgegenständlichen Rechnungen der Firma C gebe es weder Verträge noch Auftragserteilungen oder Lieferscheine. Die in den Rechnungen aufgeführten Leistungen seien niemals erbracht worden. Der Kläger habe die Kostenstelle in veruntreuender Weise angewiesen, diese Rechnungen zu begleichen. Um die Veruntreuung zu verschleiern, habe er zeitgleich im Juli 2017 versucht, eine Umwidmung der Drittmittel von Personalkosten in Verwaltungs- und Sachkosten zu bewirken. Dies ergebe sich aus seinem Schreiben vom 19. Juli 2017 (Bl. 278 d. A.). In Bezug auf die Drittmittel habe sie erst am 28. Februar 2018 abschließende Kenntnis von sämtlichen kündigungsrelevanten Tatsachen erlangt. Nach Eingang seiner Stellungnahme habe die vom Kläger bestrittene Verantwortlichkeit für die Drittmittel intern mit Prof. Dr. D und Frau Dr. I geklärt werden müssen. Erst nach der Rückmeldung von Frau Dr. I sei der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt gewesen. Die Klärung habe aufgrund schwieriger interner Erreichbarkeit wegen Abwesenheit von Prof. Dr. D entsprechend Zeit in Anspruch genommen. Die Stellungnahme des Klägers sei am 17. Februar 2018 an diesen weitergegeben worden und es seien noch einige Personen befragt worden. Das habe einige Tage gedauert. Bezüglich des Gesprächs mit Herrn E habe sie am 28. Februar 2018 abschließende Kenntnis von sämtlichen kündigungsrelevanten Tatsachen erlangt. Die Stellungnahme des Klägers habe zu einer weitergehenden Überprüfung zur Aufklärung des Sachverhalts geführt und Herr E sei nochmals kontaktiert worden. Dieser habe wegen Urlaubsabwesenheit erst am 26. Februar 2018 Stellung nehmen können. Eine weitere telefonische Rücksprache sei am 27. Februar 2018 erfolgt. In Bezug auf die Nebentätigkeitsgenehmigung habe sie erst am 28. Februar 2018 abschließende Kenntnis von sämtlichen kündigungsrelevanten Tatsachen erlangt. Der Kläger habe Anschuldigungen erhoben, welche eine weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich gemacht hätten. Das Schreiben der Personalratsanhörung vom 5. März 2018 (BI. 36 d. A.) sei dem Personalrat am gleichen Tag übergeben worden. Letztendlich sei die Kündigung am 9. März 2018 in den Briefkasten des Klägers geworfen worden.



    Die Beklagten zu 1. und zu 2. haben die Auffassung vertreten, dass die Zurückweisung der Kündigung gemäß § 174 BGB zu Unrecht erfolgt sei. Die Beklagte zu 1. habe gemäß § 22 Abs. 4 UniklinikG i.V.m. § 15 UniklinikG die Personalangelegenheiten ihrer Beschäftigten der Beklagten zu 2. übertragen. Aus der auf Bl. 42 f. d. A. befindlichen Vereinbarung ergebe sich, dass die Beklagte zu 2. zum Arbeitgeber des Klägers bestimmt werde. Es sei auffällig, dass der „Firmensitz“ der Rechnung stellenden C G in XXX in der Türkei sei, dem ‒ dies ist zwischen den Parteien umstritten ‒ Heimatort der Familie des Klägers.



    Mit am 11. September 2018 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht der gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Kündigungsschutzklage und dem Weiterbeschäftigungsantrag stattgegeben und die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage abgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die der Beklagten zu 1. zuzurechnende außerordentliche Kündigung wegen Ablaufs der Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB unwirksam sei. Dies gelte selbst dann, wenn der diesbezügliche Vortrag der Beklagten zu 1. als wahr unterstellt werde. Nehme man bezüglich der Drittmittel an, dass die Anhörung des Klägers vom 13./16. Februar 2018 innerhalb der vom Bundesarbeitsgericht geforderten Frist erfolgt sei, sei die Kündigungserklärung dem Kläger erst drei Wochen später, nämlich am 9. März 2018 zugestellt worden. Die Beklagte habe nicht dargelegt, welche verständigen Gründe sie nach Anhörung des Klägers zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts gehabt habe und wann diese Ermittlungen abgeschlossen gewesen seien. Es ergebe sich aus dem Vortrag nicht, was genau sie von wem habe wissen wollen. Soweit sie vortrage, erst nach der Rückmeldung von Frau Dr. I sei der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt gewesen, ergebe sich daraus nicht, wann diese Rückmeldung erfolgt sei. Auch der Vortrag, die Klärung habe aufgrund schwieriger interner Erreichbarkeit wegen Abwesenheit des Herrn Prof. Dr. D entsprechend Zeit in Anspruch genommen und das Befragen noch einiger Personen habe noch einige Tage gedauert, lasse nicht erkennen, wann diese „Klärung“ erfolgt sei. Dies berücksichtigend könne das Gericht nicht nachvollziehen, inwiefern die Beklagte erst am 28. Februar 2018 abschließende Kenntnis der kündigungsrelevanten Tatsachen erlangt haben solle. Ebenso verhalte es sich für den Vorwurf in Zusammenhang mit dem Gespräch mit Herrn E. Die Frage, ob die Kündigungserklärung als ordentliche Kündigungserklärung wirksam sein könnte, müsse nicht beantwortet werden. Für eine Umdeutung der fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung bliebe kein Raum. Der Beklagtenvertreter habe im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11. September 2018 ausdrücklich mitgeteilt, dass ausschließlich eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen habe werden sollen. Aus diesem Grunde habe sie lediglich die in § 78 Abs. 2 HPVG vorgesehene Anhörungsfrist abgewartet. Die Beklagte zu 1. sei zur Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu verurteilen. Gegen die Beklagte zu 2. sei die Klage abzuweisen, da zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestehe. Der Einsatz des Klägers und die Abwicklung der Personalangelegenheiten durch die Beklagte zu 2. sei auf §§ 15, 22 Abs. 3 und 4 UniKlinikG zurückzuführen. Vertragspartner sei jedoch nach wie vor die Beklagte zu 1.



    Gegen das Urteil vom 11. September 2018, das dem Kläger am 5. Oktober 2018 und der Beklagten zu 1. am 24. September 2018 zugestellt worden ist, haben der Kläger mit am 12. Oktober 2018 und die Beklagte zu 1. mit am 5. Oktober 2018 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Der Kläger hat seine Berufung mit am 30. November 2018 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz und die Beklagte zu 1. hat ihre Berufung mit am 7. November 2018 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.



    Der Kläger behauptet, er habe die jeweiligen Rechnungen lediglich zur Prüfung und Zahlung an die zuständige Kostenstelle weitergeleitet. Weder in den Rechnungen noch in den E-Mails fände sich eine Erklärung über die sachliche und/oder rechnerische Richtigkeit der Rechnungen. Die Prüfung der sachlichen und/oder rechnerischen Richtigkeit der Rechnungen habe ihm nicht oblegen. Dass er überhaupt nicht die Befugnis zur Prüfung der sachlichen und/oder rechnerischen Richtigkeit der Rechnung gehabt habe, ergebe sich aus der bei der Beklagten zu 2. geltenden Beschaffungsverordnung vom 31. Oktober 2013 (Bl. 540 ff. d. A.). Er habe die Rechnungen nur an die zuständige Kostenstelle „XXXXXXXX“ weitergeleitet und die sachliche und/oder rechnerische Richtigkeit nicht geprüft, weil er dafür überhaupt nicht zuständig sei. Ihm sei bekannt, dass die den Rechnungen zugrunde liegenden Gegenleistungen erbracht worden seien, anderenfalls seien die Rechnung nicht bezahlt worden. Der Doktorand K habe ihn am 4. Januar 2018 in seinem Büro aufgesucht und die bestellten und gelieferten Materialien für die „B-studie“ gesehen. Auch der Doktorand L habe die gelieferten Materialien in seinem Büro gesehen. Ebenso habe sie der Mitarbeiter Dr. M gesehen. Aus dem E-Mail-Verkehr zwischen ihm, dem Kläger, und Herrn Dr. N ergebe sich, dass das Material für die „B-studie“ tatsächlich geliefert worden sei. Sämtliche Anschuldigungen gegen ihn seien dem ärztlichen Direktor der Beklagten zu 2., Herrn Prof. Dr. H, bereits Ende November 2017 bekannt gewesen. Er, der Kläger, habe ihn persönlich über die gegen ihn gerichteten Vorwürfe unterrichtet. Auf die Bitte von Herrn Prof. Dr. H habe er ihm Unterlagen zur Entkräftung der Vorwürfe zur Verfügung gestellt. Aufgrund der Vorwürfe gegen ihn habe dieser ihm am 11. Dezember 2017 per E-Mail ein Terminsangebot zum Unterschreiben eines Aufhebungsvertrages geschickt.



    In dem Kammertermin vom 30. Juli 2019 behauptet der Kläger, er habe das Zurückweisungsschreiben vom 14. März 2018 am selben Tag durch Herrn Rechtsanwalt O in den Briefkasten der Beklagten zu 2. eingeworfen. Bei Herrn C, handelte es sich um einen Wissenschaftler, der Medical Consulting anbiete. Er sei ihm bekannt aus der Zusammenarbeit bei diversen Studien. Herr C verrichte Korrekturarbeiten bei Studien. Wie er ihn kennengelernt habe, wisse er nicht mehr so genau. Es könne sein, dass er ihn ergoogelt habe. Im Hinblick auf das Zustandekommen der Bestellungen, sei es so gewesen, dass er Herrn C kontaktiert und ihm geschildert habe, welche Voraussetzungen für die Studie geschaffen werden müssten. Dies habe Fragen von Manpower, Dienstleistung und Material betroffen. Die bestellten Materialien seien während seiner Abwesenheit geliefert worden. Er sei von Herrn Dr. N während seiner Abwesenheit darauf angesprochen und gefragt worden, was damit passieren solle. Frau F aus der Drittmittelabteilung habe ihm gesagt, wie mit den Rechnungen zu verfahren sei und habe ihm eine E-Mail-Adresse genannt, an welche die Rechnungen weiterzuleiten seien. Am 4. Januar 2018 hätten sich die bestellten Materialien in seinem Büro befunden. Er hätte mit Herrn Dr. N und dem Klinikleiter Prof. Dr. D eine Aufstellung der Materialien vorgenommen. Es sei auch darum gegangen, was vor Ort bleibe und was an das DKFZ, mit dem die Studie durchgeführt worden sei, nach Heidelberg weitergeleitet werde. Herr Dr. N habe ihn auch noch gefragt, ob er eine Inventarliste anlegen sollte, was er bejaht habe. Als er am 4. Januar 2018 in seinem Büro gewesen sei, sei aufgefallen, dass Gegenstände und Unterlagen aus diesem entfernt worden seien. Er habe daraufhin sein Büro abfotografiert, um dies zu dokumentieren. Hierbei hätte er auch die Materialien für die „B-studie“ abfotografiert. Er wisse nicht, warum Rechnungen vor der Lieferung beglichen werden sollten. Dies müsse der Wareneinkauf gemacht haben. In der Ortschaft, in der Herr C seine Firma habe, sei seines Wissens nach keine Verwandtschaft von ihm ansässig. Im Hinblick auf das Schreiben an Frau P vom 19. Juli 2017 sei es so gewesen, dass, da ein Unternehmen beauftragt worden sei, die Umwidmung erforderlich gewesen sei. In dem Gespräch Ende November 2017 mit dem ärztlichen Direktor der Beklagten zu 2., Herrn Prof. Dr. H, sei es um alle gegen ihn gerichteten Vorwürfe gegangen, u.a. habe er ihn über den Vorwurf der Drittmittelveruntreuung unterrichtet. Er habe ihm sämtliche E-Mails, die er mit Frau F und mit Frau Dr. I gewechselt habe, überlassen. Zusätzlich seien beigefügt gewesen die Unterlagen zur Nebentätigkeitsgenehmigung und Unterlagen betreffend Herrn E. Er habe das Gespräch mit Herrn Prof. Dr. H morgens ohne Termin wahrgenommen. Dieser habe ihn gebeten, ihm alles zur Verfügung zu stellen. Er, der Kläger, habe ihm dann einige Tage später über eine studentische Hilfskraft die gewünschten Unterlagen zukommen lassen.



    Der Kläger ist der Auffassung, das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis bestehe zwischen ihm und der Beklagten zu 1. Aufgrund der arbeitsvertraglichen Regelung zur Vertretung der Beklagten zu 1. durch die Beklagte zu 2. beim Abschluss von Arbeitsverträgen und der unbestimmten und widersprüchlichen Regelung in § 5 Abs. 1 der Vereinbarung vom 24. September 2003, wonach die Beklagte 2. rechtliche oder faktische Arbeitgeberin des in dem Klinikum der Beklagten zu 2. tätigen Personals sei, bestünde für ihn jedoch eine Ungewissheit darüber, ob die Beklagte zu 1. oder die Beklagte zu 2. Arbeitgeberin sei und damit eine Ungewissheit, wer die richtige Beklagte sei. Wenn die Beklagte zu 2. seine Arbeitgeberin wäre, die Kündigungsschutzklage aber nur gegen die Beklagte zu 1. erhoben worden wäre, wäre sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 9. März 2018 wirksam aufgelöst worden. Er habe deshalb vorsorglich auch gegen die Beklagte zu 2. Kündigungsschutzklage erhoben und verfolge die Bestandsschutzanträge gegen diese auch im vorliegenden Berufungsverfahren weiter, für den Fall, dass das Landesarbeitsgericht entgegen dem Urteil des Arbeitsgerichts die Rechtsauffassung vertrete, dass das Arbeitsverhältnis nicht zwischen ihm und der Beklagten zu 1. bestünde, sondern zwischen ihm und der Beklagten zu 2.



    Im Hinblick auf die Beklagte zu 1. ist der Kläger der Auffassung, dass die Beklagten nicht dargelegt hätten, aus welchen Gründen nach seiner Anhörung am 13./16. Februar 2018 noch weitere Ermittlung des Sachverhalts erforderlich gewesen wären und wann diese Ermittlungen abgeschlossen worden seien. Die Beklagten hätten für die Einhaltung der gebotenen Eile dafür sorgen müssen, dass die angeblich schwierige interne Erreichbarkeit gelöst werde bzw. andere und schnellere Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung durchgeführt würden. Es handelte sich um ein Organisationsversagen der Beklagten, wenn sie nicht dafür Sorge, dass in Eil- und Fristangelegenheiten die zur Aufklärung zu fragenden Personen erreichbar seien, noch nicht einmal telefonisch oder per E-Mail, SMS und sonstiger Telekommunikation. Nach Ziff. 3.6 der Beschaffungsordnung (Bl. 547 d. A.) sei für die Zahlungsabwicklung aller Lieferungen und Leistungen unabhängig von der Mittelherkunft die Abteilung 1.4 (Finanzwesen und Cashmanagement) zuständig. Damit stünde fest, dass er nicht für die Freigabe der Rechnungen zuständig gewesen sei, sondern die Kostenstelle, an welche er die Rechnungen weitergeleitet habe. Voraussetzung der Zahlung durch die Kostenstelle sei u.a., dass eine Wareneingangsbuchung im Warenwirtschaftssystem erfolgt sei, also die in den Rechnungen aufgeführten Waren tatsächlich geliefert worden seien. Es sei somit bereits ausgeschlossen, dass Rechnungen über Waren durch die Kostenstelle ausgeglichen würden, wenn die Waren nicht tatsächlich geliefert worden seien. Er sei erkennbar nicht der richtige Adressat für die Vorwürfe der Beklagten. Das als Anlage B 26 vorgelegte Schreiben vom 6. Februar 2018 (Bl. 299 d. A.) sei von Frau Dr. I an den Kanzler der Beklagten zu 1. übersandt worden. Der Kanzler sei verantwortlich für die Abteilung Finanzen und Controlling sowie für den Justiziariat. Sie habe daher bereits am 6. Februar 2018 Kenntnis von dem kündigungsrelevanten Sachverhalt gehabt. Seine Anhörung hätte schon vor dem 13. Februar 2018 erfolgen müssen. Der Endpunkt der Ermittlung sei seine Anhörung zu den Vorwürfen am 16. Februar 2018 gewesen.



    Der Kläger ist weiter der Auffassung, die Kündigung sei auch unwirksam, weil er die fehlende Vollmacht gegenüber der Beklagten zu 2. unverzüglich nach Zugang der Kündigung gerügt habe. Die für das Arbeitsverhältnis relevanten Arbeitsverträge seien gemäß Vertragsrubrum zwischen der Beklagten zu 1. und ihm abgeschlossen worden. In den Arbeitsverträgen sei in der Präambel ausgeführt worden, dass aufgrund § 22 Abs. 4 UniklinikG die Beklagte zu 1. der Beklagten zu 2. die Zuständigkeit für den Abschluss von Arbeitsverträgen der Beschäftigten, soweit sie dem Fachbereich Medizin angehörten, übertragen habe. Insoweit schließe die Beklagte zu 2. die Arbeitsverträge im Auftrag der Beklagten zu 1. ab. In den Arbeitsverträgen der Parteien sei nur geregelt, dass die Beklagte zu 2. die Arbeitsverträge im Namen der Beklagten zu 2. abschließe. Daraus ergebe sich jedoch nicht, dass die Beklagte zu 2. als seine Arbeitgeberin gelte oder zur Beendigung von Arbeitsverträgen berechtigt sei. Die Beklagte zu 2. sei gemäß den ausdrücklichen Regelungen in den Arbeitsverträgen lediglich zum Abschluss von Arbeitsverträgen für die Beklagte zu 1. berechtigt. Nach § 22 Abs. 4 UniklinikG könne die Beklagte zu 1. die Personalangelegenheiten ihrer Beschäftigten, soweit sie dem Fachbereich Medizin angehörten und zu Aufgaben nach § 5 Abs. 2 UniklinikG verpflichtet seien, zwar durch Vereinbarung nach § 15 UniklinikG der Beklagten zu 2. übertragen. Nach § 5 Abs. 1 der Vereinbarung vom 24. September 2003 gemäß § 15 UniklinikG hätten die Beklagte zu 1. und die Beklagte zu 2. vereinbart, dass die Beklagte zu 2. rechtlicher oder faktischer Arbeitgeber des im Klinikum der Beklagten zu 2. tätigen Personals sei, ungeachtet der rechtlich angeordneten bzw. unverändert gebliebenen Dienstherreneigenschaft des Landes für das Personal des Klinikums der Beklagten zu 2. am 1. Januar 2001 bzw. des ärztlich tätig werden Personals des Fachbereichs. Selbst wenn das Anhörungsschreiben vom 5. März 2018 dem Personalrat der Beklagten zu 2. zugegangen sein sollte, wäre nicht der richtige Personalrat angehört worden.



    Der Kläger beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2018 - 25 Ca 202/18 - teilweise abzuändern und 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 2. durch die Kündigung der Beklagten zu 2. vom 9. März 2018 ‒ datierend auf den 9. März 2017 ‒ weder außerordentlich noch ordentlich beendet wurde; 2. hilfsweise, für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1., die Beklagte zu 2. zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als stellvertretenden Direktor der Klinik für Nuklearmedizin und Leitenden Oberarzt zu beschäftigen.



    Die Beklagte zu 1. beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2018 - 25 Ca 202/18 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.



    Die Beklagte zu 2. beantragt,

    die Berufung des Klägers zurückzuweisen.



    Der Kläger beantragt,

    die Berufung der Beklagten zu 1. zurückzuweisen. Die Beklagte zu 1. behauptet, das Kündigungsschreiben vom 9. März 2018 sei am selben Tag durch den Boten Q in den Briefkasten des Klägers eingeworfen worden, wie sich aus der Anlage BK 1 (Bl. 378 ff. d. A.) ergebe. Die Stellungnahme des Klägers zur beabsichtigten Kündigung wegen Drittmittelveruntreuung, welche durch E-Mail des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16. Februar 2018 (Freitag) um 18:14 Uhr bei der Syndikusanwältin Dr. J eingegangen sei, sei dem Vorgesetzten des Klägers, Prof. Dr. D, am 17. Februar 2018 (Samstag) zur Stellungnahme zugeleitet worden. Grund hierfür sei u.a. gewesen, dass der Kläger die Behauptung erhoben habe, dass für die korrekte Abrechnung von erhaltener Ware/Gegenleistung und Rechnungsbegleichung andere bei der Beklagten zu 2. verantwortlich seien. Da diese Angaben des Klägers insoweit völlig unkonkret gewesen seien, jedoch nicht hätten übergangen werden können, sei es erforderlich gewesen, den Sachverhalt weiter aufzuklären und den Vorgesetzten des Klägers um Stellungnahme zu bitten. Nachdem Herr Prof. Dr. D mit einer E-Mail vom 22. Februar 2018 (Bl. 383 d. A.) zu dem weiteren Kündigungsgrund „selbst genehmigte Nebentätigkeit“ Stellung genommen habe, jedoch noch nicht auf die Anfrage vom 17. Februar 2018 geantwortet habe, habe ihn die Syndikusanwältin Frau R nach Eingang der E-Mail angerufen und die Stellungnahme des Klägers zu der ihm zur Last gelegten Drittmittelveruntreuung besprochen. Herr Prof. Dr. D habe sich hierbei zunächst entschuldigt, dass es ihm aufgrund der Komplexität des Vorfalls noch nicht möglich gewesen sei, die von Frau Dr. J erbetene Stellungnahme anzufertigen. Er habe weiter u.a. erklärt, dass der Kläger berechtigt gewesen sei, die Drittmittel freizugeben und hierfür verantwortlich gewesen sei. In den kommenden Tagen sei der zusammengetragene Sachverhalt, der aus einer Vielzahl von Informationen und Unterlagen bestanden hätte, u.a. seitens der Drittmittelabteilung der Beklagten zu 1. und den Erkenntnissen Prof. Dr. D, einer rechtlichen Prüfung dahingehend unterzogen worden, ob die dem Kläger zur Last gelegten Handlungen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigten. Hiermit sei Frau R befasst gewesen. Die Prüfung des äußerst komplexen Kündigungssachverhalts und der Bewertung der zur Verfügung stehenden Beweismittel habe einige Tage Zeit in Anspruch genommen und sei von ihr am 28. Februar 2018 abgeschlossen worden. Frau R habe am 23. Februar 2018 nicht gearbeitet und sei am 26. Februar 2018 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Sie habe ihren Dienst am 27. Februar 2018 wieder aufgenommen. Das Telefonat mit Herrn Prof. Dr. D könne frühestens an diesem Tag erfolgt sein. Sie habe daraufhin das Anhörungsverfahren gegenüber dem Personalrat vorbereitet, welches am 5. März 2018 eingeleitet worden sei. Nachdem sich der Personalrat nicht innerhalb der nächsten drei Tage geäußert habe, sei die Kündigung am 9. März 2018 ausgesprochen worden. Aus der Anlage BK 5 (Bl. 184 d. A.) ergebe sich die Stellungnahme des Personalrats vom 14. März 2018, die sich auf die beabsichtigte ordentliche Kündigung des Klägers beziehe. Eine Äußerung des Personalrats in Bezug auf die außerordentliche Kündigung sei nicht erfolgt.



    Im Hinblick auf die Kündigung wegen Drohung von Herrn E behauptet die Beklagte zu 1., dass die E-Mail des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16. Februar 2018, die bei ihr um 20:07 Uhr eingegangen sei, von Frau R an Prof. Dr. D mit der Bitte um schriftliche Stellungnahme am darauffolgenden Montag, den 19. Februar 2018, weitergeleitet worden sei. Nachdem Herr Prof. Dr. D am 20. Februar 2018 mitgeteilt habe, sich hierzu nicht äußern zu können, habe Frau R Informationen bei dem Betroffenen selbst, Herrn E, angefordert. Dessen Stellungnahme sei bei ihr per E-Mail am 26. Februar 2018 eingegangen, wie sich u.a. aus der Anlage BK 8 (Bl. 390 ff. d. A.) ergebe.



    Im Hinblick auf die Kündigung wegen ungenehmigter Nebentätigkeit behauptet die Beklagte zu 1., dass nach Eingang der Antwort des Prozessbevollmächtigten des Klägers am 31. Januar 2018 weiteren Nachforschungen durch Herrn Prof. Dr. D bei der Firma S veranlasst worden seien. Aufgrund einer E-Mail der zuständigen Sachbearbeiterin der Firma S vom 20. Februar 2018 habe Herr Prof. Dr. D Kenntnis von an den Kläger geflossenen Zahlungen erlangt. Über diesen Sachverhalt sei Frau R von ihm während eines Telefonats informiert worden, welches frühestens am 27. Februar 2018 stattgefunden haben könne.



    Die Beklagte zu 1. ist der Auffassung, dass die ordentliche Kündigung zwar aus nicht mehr nachvollziehbaren Umständen nicht ausgesprochen worden sei, dieses Versäumnis gleichwohl nichts daran änderte, dass die allein ausgesprochene außerordentliche Kündigung durch das Arbeitsgericht in eine ordentliche Kündigung umzudeuten gewesen wäre. Kündigungsberechtigter sei vorliegend der Vorstand der Beklagten zu 2. Folglich komme es nicht darauf an, ob das Telefongespräch, welche die diesseits benannte Zeugin R mit Herrn Prof. Dr. D geführt habe, den Endpunkt der Ermittlung dargestellt habe. Frau R sei lediglich eine Mitarbeiterin im Personaldezernat und nicht befugt, über den Ausspruch einer Kündigung eigenständig zu entscheiden. Sie habe nach abschließender Prüfung des Vorgangs dem Vorstand der Beklagten zu 2. eine Handlungsempfehlung erteilt und den Entwurf des Anhörungsschreibens für den Personalrat erstellt. Die Zweiwochenfrist sei erst mit Ablauf des 5. März 2018 in Gang gesetzt worden, als das zuständige Vorstandsmitglied Herr T über die Aussprache der Kündigung entschieden und das Anhörungsschreiben für den Personalrat autorisiert habe.



    Die Beklagte zu 2. ist der Auffassung, das Berufungsvorbringen des Klägers sei unschlüssig.



    Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt des Urteilsverfahrens Bezug genommen.



    Die Berufungen des Klägers und der Beklagten zu 1. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2018 - 25 Ca 202/18 - sind gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft und auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1, 3 und 5 ZPO. Beide Berufungen bleiben in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagte zu 1., mit der allein das Arbeitsverhältnis des Klägers besteht, die Zwei-Wochen-Frist in § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten hat. Auch bei Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung fehlte für die so gewonnene ordentliche Kündigung zum Zeitpunkt ihres Zugangs die Zustimmung des Personalrats. Der Kläger ist infolge der Unwirksamkeit der Kündigungen von der Beklagten zu 1. weiter zu beschäftigen. Im Einzelnen:






    I.



    Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Kläger stand in keinem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2., auch wenn diese nach § 5 Abs. 1 der von ihr behaupteten Vereinbarung nach § 15 UniklinikG (Bl. 42 ff. d. A.) in rechtlicher oder faktischer Hinsicht Arbeitgeberin des im Klinikum tätigen Personals ungeachtet einer Dienstherreneigenschaft des Landes sein soll. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 1. bestanden hat. Alle vom Kläger seit dem 30. Juli 2009 abgeschlossenen Arbeitsverträge sind solche mit der Beklagten zu 1. Lediglich die Zuständigkeit zum Abschluss von Arbeitsverträgen wird in den jeweiligen Präambeln auf die Beklagte zu 2. gemäß § 22 Abs. 4 UniklinikG übertragen. Die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Kündigungsschutzklage geht damit in Ermangelung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger ins Leere.



    II.



    Die Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ebenfalls ohne Erfolg. Die Kündigung vom 9. März 2018 beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht, weil sie nicht die Zwei-Wochen-Frist in § 626 Abs. 2 BGB wahrt. Dies hat das Arbeitsgericht zu Recht angenommen.



    1. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 KSchG kann auch die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 KSchG sowie der §§ 5 - 7 KSchG geltend gemacht werden. Die am 16. März 2018 eingegangene und am 29. März 2018 zugestellte Klageerweiterung wahrt die Drei-Wochen-Frist in § 4 Satz 1 KSchG, unabhängig davon, ob das Kündigungsschreiben dem Kläger ‒ wie die Beklagte zu 1. behauptet ‒ bereits am 9. März 2018 oder ‒ wie der Kläger behauptet ‒ erst am 12. März 2018 zugegangen ist.



    2. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Kündigung vom 9. März 2018 der Beklagten zu 1. zuzurechnen ist, obwohl sie auf einem Briefbogen der Beklagten zu 2. von gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu 2. abgegeben worden ist. Bei der Kündigung handelt es sich um eine Willenserklärung. Der Kläger ist nicht berechtigt, als Empfänger einer solchen Erklärung dieser einfach den für ihn günstigsten Sinn beizulegen, sondern muss unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit prüfen, was der Erklärende gemeint hat (vgl. BGH 21. Mai 2008 - IV ZR 238/06 - NJW 2008, 2702 ff.). Bereits aus den Präambeln der seit dem 30. Juli 2009 geschlossenen Arbeitsverträge des Klägers mit der Beklagten zu 1. geht hervor, dass die Beklagte zu 2. für Beschäftigte im Fachbereich Medizin die Arbeitsverträge im Auftrag der Universität abschließt. Spiegelbildlich hierzu ist auch das Kündigungsschreiben zu sehen, aus dem folgt, dass es sich bei der Beklagten zu 2. um das mit der Beklagten zu 1. verbundene Universitätsklinikum handelt und dieses den von ihm im Auftrag der Beklagten zu 1. mit dem Kläger geschlossenen Arbeitsvertrag beenden möchte.



    3. Die Beklagte zu 1. stützt die Kündigung vom 9. März 2018 auf insgesamt drei Sachverhalte, nämlich behauptete Drittmittelveruntreuung, Bedrohung von Herrn E und die Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit. Bei einer mehrfachen Begründung der Kündigung bedarf es zunächst einer gründlichen Prüfung der einzelnen Kündigungsgründe und der Würdigung, ob nicht bereits ein Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Wenn bei dieser Einzelprüfung kein wichtiger Grund anzuerkennen ist, muss geprüft werden, ob die einzelnen Kündigungsgründe in ihrer Gesamtheit das Arbeitsverhältnis so belasten, dass dem Kündigenden die Fortsetzung nicht zuzumuten ist (BAG 10. Dezember 1992 - 2 AZR 271/91 - NZA 1993, 593 ff. [BAG 10.12.1992 - 2 AZR 271/92]). Dies gilt jedenfalls unbedenklich dann, wenn es um rechtlich nicht unterschiedlich behandelte Gründe ‒ z.B. wie hier mehrere verhaltensbedingte Gründe ‒ geht, weil dann die Gesamtabwägung nicht zu einer unzulässigen Auflösung und Vermischung der Kündigungsgründe führt (vgl. KR-Fischermeier 12. Aufl. § 626 BGB Rn. 261).



    a) Bei einer Einzelprüfung der Kündigungsgründe ist ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB an sich nur im Hinblick auf die behauptete Drittmittelveruntreuung anzuerkennen. Die beiden anderen Kündigungsgründe sind auch bei deren Gesamtbetrachtung nicht geeignet, im konkreten Einzelfall einen Grund für die Beendigung des seit dem 1. September 2006 bestehenden Arbeitsverhältnisses zu bilden. Selbst wenn sich der Kläger die Nebentätigkeit zur Durchführung eines Live-Eingriffs am 26. September 2017 entgegen der betrieblichen Praxis zu Unrecht selbst genehmigt hätte und bei der Firma S ebenfalls zu Unrecht den Eindruck erweckt haben sollte, dass die Beklagte zu 1. mit dieser einverstanden gewesen wäre, so wäre bei einem einmaligen Vorfall vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung die Erteilung einer Abmahnung erforderlich gewesen. Denn eine Kündigung scheidet aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers - wie etwa eine Abmahnung - geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - NZA 2015, 358 ff. m.w.N.). Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen ist (BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - NZA 2016, 540 ff.; BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - NZA 2015, 294 ff.). So verhält es sich hier nicht. Es wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger bei Erteilung einer Abmahnung, in Zukunft nicht weiter auf etwaig von der nicht zuständigen Person mündlich erteile Nebentätigkeitsgenehmigungen vertraut hätte und das erforderliche Verfahren eingehalten hätte.



    Das Gleiche gilt im Hinblick auf den Kündigungsgrund „Bedrohung“ eines Assistenzarztes. Die Beklagte zu 1. beruft sich auf die behauptete Äußerung des Klägers Anfang Oktober 2017 im Aufenthaltsraum der Klinik für Nuklearmedizin gegenüber dem Assistenzarzt Herrn E. Letzterer soll dem Kläger gesagt haben, dass er die Verteilung der Poolgelder nach dem Wunsch des Klägers vornehmen werde. Im Zusammenhang mit der auf den zu diesem Zeitpunkt ebenfalls als Arzt beschäftigten Bruder des Klägers von Herrn E bezogenen Äußerung, dass alle Assistenzärzte die Verteilung als ungerecht empfänden, soll der Kläger in scharfem Ton entgegnet haben, dass sich Herr E seine Doktorarbeit an den Hut stecken könne, wenn er nochmal so einen Kommentar höre. Selbst wenn diese Äußerung tatsächlich gefallen sein sollte, ist sie im konkreten Einzelfall nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Klägers ohne Erteilung einer Abmahnung zu begründen. Es steht zwar außer Frage, dass in der Äußerung ‒ diese als wahr unterstellt ‒ eine in jeder Hinsicht unangemessene Verknüpfung der zukünftigen Bewertung der Doktorarbeit mit einer bestimmten Wahrnehmung der Poolgeldverwaltung zum Ausdruck gekommen wäre. Allerdings kann die behauptete Äußerung nicht außerhalb des Gesprächskontextes gewürdigt werden. Danach ging es zunächst um den Bruder des Klägers und dessen Leistungen. Es kann keineswegs ausgeschlossen werden, dass die Äußerung der Verärgerung über die aus seiner Sicht objektiv nicht veranlasste mangelnde Wertschätzung des Bruders geschuldet gewesen ist in einem Umfeld, das nach dem Vorbringen beider Parteien ‒ Mitarbeiter des Bereichs und der Kläger haben im Zuge von Streitigkeiten u.a. an einem Mediationsverfahren teilgenommen ‒ zusehends von persönlichen Auseinandersetzungen geprägt war. Es wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger bei Erteilung einer Abmahnung, mit der ihm vermittelt worden wäre, dass er sich derartiger Äußerungen gegenüber einem nachgeordneten Mitarbeiter zu enthalten hat, in Zukunft einen professionelleren Umgang mit kritischen Äußerungen seinen Bruder betreffend, gewählt hätte.



    4. Es verbleibt daher nur die behauptete Veruntreuung von Drittmitteln, die an sich als Sachverhalt abstrakt geeignet wäre, einen Grund für eine außerordentliche Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Die außerordentliche Kündigung vom 9. März 2018 wegen der behaupteten Veruntreuung von Drittmitteln wahrt allerdings nicht die Ausschlussfrist in § 626 Abs. 2 BGB. Die Beklagte zu 1. hat die gesetzliche Frist zur Erklärung der Kündigung nicht eingehalten.



    a) Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Grob fahrlässige Unkenntnis ist insoweit ohne Bedeutung. Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Solange er die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an. Um den Lauf der Frist nicht länger als notwendig hinauszuschieben, muss eine Anhörung allerdings innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Die Frist darf im Allgemeinen, und ohne dass besondere Umstände vorlägen, nicht mehr als eine Woche betragen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - NZA 2011, 798 ff. m.w.N).



    § 626 Abs. 2 BGB ist ein gesetzlich konkretisierter Verwirkungstatbestand. Ziel der Regelung ist es, für den betroffenen Arbeitnehmer rasch Klarheit darüber zu schaffen, ob sein Arbeitgeber einen Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt. Nur der Arbeitgeber ist nach den genannten gesetzlichen Regelungen zur Kündigung berechtigt. Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Die Kenntnis anderer Personen ist für die Zwei-Wochen-Frist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn den Mitarbeitern Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - AP BGB § 626 Nr. 217 m.w.N.).



    Nur ausnahmsweise muss nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Arbeitgeber sich die Kenntnis auch anderer Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Diese Personen müssen allerdings eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder der Verwaltung haben und tatsächlich sowie rechtlich in der Lage sein, einen Sachverhalt - der Anhaltspunkte für eine außerordentliche Kündigung bietet - so umfassend klären zu können, dass mit ihrer Meldung der Kündigungsberechtigte ohne weitere Erhebungen und Ermittlungen seine (Kündigungs-)Entscheidung treffen kann. Dementsprechend muss der Mitarbeiter in einer ähnlich selbständigen Stellung sein, wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Stellvertreter des Arbeitgebers. Hinzu kommen muss nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts weiter, dass die verspätet erlangte Kenntnis des Kündigungsberechtigten in diesen Fällen auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht, obwohl eine andere betriebliche Organisation sachgemäß und zumutbar gewesen wäre. Beide Voraussetzungen - ähnlich selbständige Stellung und schuldhafter Organisationsmangel - müssen kumulativ vorliegen. Mit diesen Anforderungen hat das Bundesarbeitsgericht zur Lösung solcher Fälle beitragen wollen, in denen der Arbeitgeber seinen Betrieb bzw. seine Verwaltungseinheit so organisiert hat, dass hieraus eine Verzögerung des Fristbeginns entstehen kann (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - AP BGB § 626 Nr. 217 m.w.N.; vgl. auch BAG 7. September 1983 - 7 AZR 196/82 - NZA 1984, 228).



    b) Unter Anwendung vorstehender Grundsätze sind kündigungsberechtigt nicht nur die Organe und bevollmächtigten Mitarbeiter der Beklagten zu 1., sondern auch die der Beklagten zu 2. Damit wahrt aber die Kündigung vom 9. März 2018 die Zwei-Wochen-Frist in § 626 Abs. 2 BGB unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.



    aa) Die Beklagte zu 1. hat sich unter Verweis auf § 22 Abs. 4 UniklinikG i.V.m. § 15 UniklinikG auf eine Vereinbarung zwischen dem Präsidium der Beklagten zu 1., dem Dekanat des Fachbereichs Medizin und der Beklagten zu 2. bezogen. § 5 Abs. 1 dieser Vereinbarung aus dem Jahr 2003 sieht vor, dass die Beklagte zu 2. in faktischer oder rechtlicher Hinsicht Arbeitgeberin des im Klinikum tätigen Personals ungeachtet einer Dienstherreneigenschaft des Landes sein soll. Die Beklagte zu 1. hat weiter auf § 98 Abs. 1 HPVG verwiesen, in dem geregelt ist, dass die in einem Universitätsklinikum tätigen Bediensteten der Universität und diejenigen Bediensteten der Universität, deren Personalangelegenheiten dem Universitätsklinikum übertragen sind, im Sinne dieses Gesetzes als Beschäftigte des Universitätsklinikums gelten.



    Durch die Vereinbarung aus dem Jahr 2003 wird der Kreis der Kündigungsberechtigten erweitert. Das Arbeitsverhältnis des Klägers besteht ‒ wie bereits ausgeführt ‒ mit der Beklagten zu 1. Damit bleibt diese kündigungsberechtigt. Sie hat sich der Kündigungsmöglichkeit ihrer Mitarbeiter nicht begeben. Die Regelung in § 98 Abs. 1 HPVG ändert hieran nichts, weil diese eine gesetzliche Regelung nur für personalvertretungsrechtliche Angelegenheiten treffen kann. Die Rechte und Pflichten auf arbeitsvertraglicher Ebene bleiben hiervon unberührt. Neben der Beklagten zu 1. hat nach der Vereinbarung aber auch die Beklagte zu 2. die Kündigungsbefugnis gegenüber Mitarbeitern der Beklagten zu 1., die in ihrem Klinikum tätig sind. Denn sie tritt nach den Vereinbarungen mit der Beklagten zu 1. diesen gegenüber gleichermaßen als faktischer Arbeitgeber auf. Damit müssen sich beide Beklagte aber auch wechselseitig ihr Wissen zurechnen lassen, das zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigende Sachverhalte betrifft. Es liegt dann an ihnen, eine Organisationsstruktur zu schaffen, welche die Weitergabe und den Austausch entsprechender Informationen rechtzeitig gewährleistet. Keinesfalls kann sich die Beklagte zu 1. im Hinblick auf die Vereinbarung aus dem Jahr 2003 damit entlasten, dass bei ihr vorhandenes Wissen erst verspätet an die Beklagte zu 2. übermittelt worden ist. Umgekehrt muss sie sich wegen der dieser übertragenen Kompetenzen auch das bei der Beklagten zu 2. vorhandene Wissen zurechnen lassen.



    bb) Danach wahrt die Kündigung vom 9. März 2018 nicht die Zwei-Wochen-Frist in § 626 Abs. 2 BGB.



    Die Beklagte zu 1. hat hierzu vorgetragen, dass sie in Bezug auf die Drittmittel erst am 28. Februar 2018 abschließende Kenntnis von sämtlichen kündigungsrelevanten Tatsachen erlangt habe. Nach Eingang seiner Stellungnahme am 16. Februar 2018 habe die vom Kläger bestrittene Verantwortlichkeit für die Drittmittel intern mit Prof. Dr. D und Frau Dr. I geklärt werden müssen. Erst nach der Rückmeldung von Frau Dr. I sei der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt gewesen. Die Klärung habe aufgrund schwieriger interner Erreichbarkeit wegen Abwesenheit von Prof. Dr. D entsprechend Zeit in Anspruch genommen. Die Stellungnahme des Klägers sei am 17. Februar 2018 weitergegeben worden und es seien noch einige Personen befragt worden. Das habe einige Tage gedauert. Der Grund für die Weiterleitung der Stellungnahme des Klägers vom 16. Februar 2018 an Herrn Prof. Dr. D am 17. Februar 2018 (Samstag) sei u.a. gewesen, dass der Kläger die Behauptung erhoben habe, dass für die korrekte Abrechnung von erhaltener Ware/Gegenleistung und Rechnungsbegleichung andere bei der Beklagten zu 2. verantwortlich seien. Da diese Angaben des Klägers insoweit völlig unkonkret gewesen seien, jedoch nicht hätten übergangen werden können, sei es erforderlich gewesen, den Sachverhalt weiter aufzuklären und den Vorgesetzten des Klägers um Stellungnahme zu bitten. Das Telefonat mit Herrn Prof. Dr. D könne frühestens am 27. Februar 2018 erfolgt sein.



    Unstreitig ist, dass sich Frau Dr. I, eine Mitarbeiterin der Beklagten zu 1., bereits mit Schreiben vom 6. Februar 2018 an den Kanzler der Beklagten zu 1. gewandt hat und diesen über „Auffälligkeiten im Projektverlauf in administrativer und finanzieller Hinsicht“ unterrichtet hat. Unter „III.“ enthielt das Schreiben einen Verweis auf die erfolgte Korrespondenz, u.a. im Zeitraum 2. November 2017 bis 1. Februar 2018 zwischen dem Kläger und dem Research Service Center. In dem Schreiben heißt es u.a. weiter betreffend den Zeitraum 21. November bis 5. Februar 2018, dass es dazwischen telefonischen Kontakt und Klärung mit dem Dezernat Beschaffung der Beklagten zu 2. gegeben habe, ob ein Rahmenvertrag mit der Firma G bestünde.



    Der Kläger selbst hat vorgetragen, dass sämtliche Anschuldigungen gegen ihn dem ärztlichen Direktor der Beklagten zu 2., Herrn Prof. Dr. H, bereits Ende November 2017 bekannt gewesen seien. In dem Gespräch sei es um alle gegen ihn gerichteten Vorwürfe gegangen, u.a. habe er ihn über den Vorwurf der Drittmittelveruntreuung unterrichtet. Er habe ihm sämtliche E-Mails, die er mit Frau F und mit Frau Dr. I gewechselt habe, über eine studentische Hilfskraft überlassen. Auf die Bitte von Herrn Prof. Dr. H habe er ihm Unterlagen zur Entkräftung der Vorwürfe zur Verfügung gestellt. Aufgrund der Vorwürfe gegen ihn habe dieser ihm am 11. Dezember 2017 per E-Mail ein Terminsangebot zum Unterschreiben eines Aufhebungsvertrages geschickt.



    Die Beklagte zu 1. hat hierzu mit Schriftsatz vom 20. August 2018, Seite 14 (Bl. 256 d. A.) lediglich vorgetragen, dass ihr die kündigungsrelevanten Tatsachen nicht bereits Ende November 2017 bekannt gewesen seien. Der Auflösungsvertrag habe nichts mit den Kündigungsvorwürfen zu tun und sei vorangegangenen Vorkommnissen wie u.a. Streitigkeiten mit diversen Mitarbeitern geschuldet gewesen. Dieser Vortrag ist nicht dazu geeignet, die in ihr Wissen gestellten Tatsachen hinreichend gemäß § 138 Abs. 2 ZPO zu bestreiten. Die Beklagte zu 1. hat sich an keiner Stelle zu dem Vortrag des Klägers erklärt, dass er Prof. Dr. H sogar Unterlagen zu dem Vorwurf der Drittmittelveruntreuung, u.a. den Schriftwechsel mit Frau Dr. I und Frau F überlassen habe. Sie hat sich auch nicht dazu erklärt, dass der Kläger behauptet, ein persönliches Gespräch mit Herrn Prof. Dr. H über alle Vorwürfe, darunter auch die Drittmittelveruntreuung, geführt zu haben. Aufgrund des nicht hinreichenden Bestreitens gilt der Vortrag des Klägers mithin als zugestanden. Damit ist die Beklagte zu 1., die sich das Wissen des kündigungsberechtigten Prof. Dr. H zurechnen lassen muss, aber mehr als drei Monate bis zum Ausspruch der Kündigung untätig geblieben. Auch die Anhörung zu einer Verdachtskündigung wurde nicht rechtzeitig eingeleitet.



    Ungeachtet dessen und selbständig tragend hiervon ist die Zwei-Wochen-Frist in § 626 Abs. 2 BGB aber auch nicht eingehalten worden, wenn es auf das Schreiben von Frau Dr. I an den Kanzler der Beklagten zu 1. vom 6. Februar 2018 ankommen würde. Die Beklagte zu 1. hat hierzu mit Schriftsatz vom 20. August 2018, Seite 15 f. (Bl. 257 f. d. A.) vorgetragen, dass sich Frau Dr. I bereits am 21. November 2017 an den Kläger gewandt habe und um Aufklärung und Dokumentation der Drittmittelverwendung gebeten habe. Nach einigen nicht zielführenden Telefonaten mit dem Kläger habe dieser lediglich mitgeteilt, dass die G ein Alleinstellungsmerkmal habe sowie viel Erfahrung im Bereich percutane Nadelinsertion und viele seiner Studien begleitet und erfolgreich durchgeführt habe. Mit E-Mail von Frau Dr. I sei der Kläger am 6. Dezember 2017 erneut auf die geltenden Regularien hingewiesen und zur Vorlage der entsprechenden Dokumentation aufgefordert worden. Mangels Rückantwort des Klägers sei ihm mit Schreiben von Frau Dr. I vom 26. Januar 2018 eine Frist bis zum 10. Februar 2018 gesetzt worden. Mit Schreiben vom 6. Februar 2018 sei die Anzeige gegenüber dem Kanzler erfolgt. Warum die Beklagte zu 2., nachdem bereits durch die Mitarbeiter der Beklagten zu 1. eine Aufklärung erfolgt ist, nochmals in Gespräche mit dem Kläger eintreten musste, um den Sachverhalt weiter aufzuklären, erschließt sich hieraus nicht. Aufgrund der Recherche von Frau Dr. I war bereits klar, wie sich der Kläger einlässt, dass er auf Aufforderung keine Dokumentation vorlegen würde und dass es bereits mit dem Dezernat Beschaffung der Beklagten zu 2. den Versuch einer Klärung gegeben hat, ob ein Rahmenvertrag mit der Firma G besteht. Aus welchen Gründen nunmehr noch im Nachgang eine weitere Aufklärung durch die Mitarbeiter der Beklagten zu 2. stattfinden musste, ergibt sich hieraus nicht.



    Unabhängig davon und ebenfalls selbständig tragend wäre die Zwei-Wochen-Frist in § 626 Abs. 2 BGB aber auch dann nicht gewahrt, wenn die Beklagte zu 2. ‒ so der Vortrag aus dem Kammertermin vom 30. Juli 2019 ‒ nach Unterrichtung durch den Anruf von Frau F in ihrer Rechtsabteilung bei Frau Dr. J am 5. Februar 2018 noch Anlass zu einer Aufklärung des Sachverhalts gehabt hätte. Denn sie hätte dann die Aufklärung nicht mit der gebotenen Eile betrieben und die Frist zur Anhörung des Klägers länger als notwendig hinausgeschoben. Wie im Kammertermin vom 30. Juli 2019 durch übereinstimmende Erklärungen der Parteien klargestellt werden konnte, fand am 13. Februar 2018 nur eine Anhörung des Prozessbevollmächtigten des Klägers statt. Dieses Gespräch habe mehrere Personen betroffen, darunter den Kläger. Das Gespräch selbst war danach nicht das Ergebnis einer Einladung des Klägers zu einer Anhörung, sondern fand nur gelegentlich mit seinem Prozessbevollmächtigten statt, der unvorbereitet keine Angaben machen konnte. Damit kann sich die Beklagte zu 1. aber nicht darauf berufen, dass sie die Aufklärung des Sachverhalts mit der erforderlichen Konsequenz betrieben hat. Insbesondere wurde die Frist von einer Woche nicht gewahrt.



    Ebenfalls unabhängig hiervon und selbständig tragend wäre die Zwei-Wochen-Frist in § 626 Abs. 2 BGB auch dann nicht eingehalten, wenn es auf die schriftliche Stellungnahme des Klägers zu den Vorwürfen vom 16. Februar 2018 (Freitag) ankäme. Die Beklagte zu 1. hat in diesem Zusammenhang selbst angeführt, dass die Ausführungen des Klägers zu der Handhabung der Drittmittel offensichtlich „unkorrekt“ gewesen seien. Warum es daher nochmals, insbesondere nachdem es schon Aufklärung durch die Beklagte zu 1. gegeben hatte, seitens der Beklagten zu 2. einer Nachfrage beim Vorgesetzten des Klägers, Herrn Prof. Dr. D zu Fragen bedurfte, die sich die Mitarbeiter der Rechtsabteilung der Beklagten zu 2. selbst beantworten konnten, erschließt sich ebenfalls nicht. Auch bei Berücksichtigung des 16. Februar 2018 als Endpunkt der Ermittlung und des Umstands, dass die Stellungnahme erst in den Abendstunden des 16. Februar 2018 bei der Beklagten zu 2. einging, wird die Frist in § 626 Abs. 2 BGB durch den (behaupteten) Zugang der Kündigung am 9. März 2018 mithin nicht gewahrt.



    III.



    Die Kündigung vom 9. März 2018 kann zwar in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Ihrer Wirksamkeit steht aber die fehlende vorangehende Zustimmung des Personalrats entgegen. Dies gilt selbst dann, wenn das gesamte streitige Vorbringen der Beklagten zu 1. zum Zugangszeitpunkt der Kündigung und zur Beteiligung und Beschlussfassung des Personalrats als wahr unterstellt wird.



    a) Nach dem Vortrag der Beklagten zu 1. ging dem Kläger das Kündigungsschreiben vom 9. März 2018 noch am selben Tag zu. Das Schreiben zur Beteiligung des Personalrats im Hinblick auf außerordentliche und ordentliche Kündigung vom 5. März 2018 ging diesem nach dem Vortrag der Beklagten zu 1. ebenfalls am selben Tag zu. Eine Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung hat der Personalrat innerhalb der Frist von drei Arbeitstagen unstreitig nicht erklärt.



    Nach dem Vortrag der Beklagten zu 1. hat er im Hinblick auf die beabsichtigte ordentliche Kündigung mit E-Mail vom 14. März 2018 (Bl. 384 d. A.) mitgeteilt, dass er sich in seiner Sitzung vom selben Tag formal nicht mit dieser befasst habe, so dass nach Ablauf der Äußerungsfrist die Zustimmungsfiktion eintrete. Die Beklagte zu 1. hat im Hinblick auf die Beteiligung des Personalrats der Beklagten zu 2. auf § 98 Abs. 1 Satz 1 HPVG verwiesen, wonach die in einem Universitätsklinikum in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts tätigen Bediensteten der Universität im Sinne dieses Gesetzes als Beschäftigte des Universitätsklinikums gelten.



    b) Auch bei Berücksichtigung dieses (streitigen) Vortrags ist zwar eine Umdeutung der außerordentlichen Kündigung vom 9. März 2018 in eine ordentliche Kündigung nach § 140 BGB an sich möglich. Allerdings hat der Personalrat der Beklagten zu 2. der außerordentlichen Kündigung nicht zugestimmt. Zudem ist die außerordentliche Kündigung vom 9. März 2018 dem Kläger vor Abschluss des Beteiligungsverfahrens zur ordentlichen Kündigung zugegangen.



    aa) Nach § 78 Abs. 2 Satz 1 HPVG ist der Personalrat u.a. vor fristlosen Entlassungen und außerordentlichen Kündigungen anzuhören. Der Dienststellenleiter hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen, § 78 Abs. 2 Satz 2 HPVG. Hat der Personalrat Bedenken, so hat er sie unter Angabe der Gründe dem Dienststellenleiter unverzüglich spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen schriftlich mitzuteilen, § 78 Abs. 2 Satz 3 HPVG. Wird die Personalvertretung nicht entsprechend der in den Landespersonalvertretungsgesetzen getroffenen Regelungen beteiligt, ist die Kündigung unwirksam. Der dies bestimmende § 108 Abs. 2 BPersVG ist unmittelbar in den Ländern anwendbar. Unwirksam ist die Kündigung dabei nicht nur, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Personalrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt, etwa nicht ordnungsgemäß informiert hat (BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - NZA 2009, 604 ff. m.w.N; vgl. auch BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 47/16 - NZA 2017, 1605 ff.). Insoweit gelten die zur Betriebsratsanhörung gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG entwickelten Grundsätze in gleicher Weise im Rahmen des personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - ZTR 2003, 410 ff.).



    Nach §§ 77 Abs. 1 Nr. 2 i), 69 Abs. 1 Satz 1 HPVG ist bei ordentlicher Kündigung außerhalb der Probezeit die Zustimmung des Personalrats erforderlich. Nach § 69 Abs. 2 Satz 4 HPVG gilt die Maßnahme als gebilligt, wenn nicht der Personalrat innerhalb der Frist in Satz 2 bzw. Satz 3 die Zustimmung schriftlich begründet verweigert.



    bb) Vorliegend ist der Personalrat der Beklagten zu 2. nach dem Vortrag der Beklagten zu 1. zwar mit Schreiben vom 5. März 2018 sowohl von einer beabsichtigten außerordentlichen als auch von einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers unterrichtet worden, so dass einer Umdeutung nach § 140 BGB nicht schon eine mangelnde Beteiligung des Personalrats entgegenstünde. Bei einer Umdeutung ersetzt die Beteiligung allein zu einer außerordentlichen nämlich nicht die Anhörung zu einer ordentlichen Kündigung. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das zu einer außerordentlichen Kündigung angehörte Gremium dieser ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt hat und nicht ersichtlich ist, dass es für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung einer ordentlichen Kündigung entgegengetreten wäre (vgl. BAG 26. März 2015 - 2 AZR 783/13 - NZA 2015, 866 ff.; BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - AP BGB § 626 Nr. 217). Im Falle einer Umdeutung würde eine erneute Anhörung einen reinen Formalismus darstellen, weil eine andere Reaktion des Personalrats im Beteiligungsverfahren nach § 77 Abs. 1 Nr. 2 i) HPVG aufgrund seiner bereits erteilten Zustimmung ausgeschlossen wäre.



    Hier liegen die Dinge jedoch anders. Denn der Personalrat hat seine Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung nicht nur nicht erteilt, er hat auch ‒ nach dem Vortrag der Beklagten zu 1. ‒ am 14. März 2018 eine Stellungnahme innerhalb der in dem Beteiligungsschreiben nicht verkürzten Frist in § 69 Abs. 2 Satz 2 HPVG zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung abgegeben. Er hat mitgeteilt, dass er sich in seiner Sitzung vom 14. März 2018 nicht formal mit der geplanten ordentlichen Kündigung befasst habe und dass die Zustimmungsfiktion nach Ablauf der Äußerungsfrist eintrete. Zu dem Zeitpunkt dieser Stellungnahme war die (außerordentliche) Kündigung vom 9. März 2018 aber auch nach dem Vortrag des Klägers schon zugegangen. Damit lag gerade keine dieser Kündigung vorhergehende Zustimmung des Personalrats vor. Eine Kündigung vor Abschluss des Beteiligungsverfahrens ist aber unwirksam (vgl. zu § 102 BetrVG KR/Rinck 12. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 161 m.w.N.).



    IV.



    Die Berufung der Beklagten zu 1. ist auch zulässig, soweit sie sich gegen den Weiterbeschäftigungsantrag richtet, obwohl die Berufungsbegründung keinerlei Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung enthält. Bezieht sich das Rechtsmittel auf mehrere Ansprüche im prozessualen Sinn, ist zu jedem Anspruch eine ausreichende Begründung zu geben. Fehlen Ausführungen zu einem Anspruch, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Anderes gilt, wenn die Begründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der des anderen abhängt (BAG 16. März 2004 - 9 AZR 323/03 - NZA 2004, 1047 ff.). So verhält es sich auch hier. Die Begründetheit des vom Kläger geltend gemachten Weiterbeschäftigungsanspruchs steht in Abhängigkeit zu dem Erfolg der Kündigungsschutzklage. Da sich die Beklagte zu 1. hinreichend i.S.v. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO mit dem Urteil des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt hat, soweit es den Kündigungsschutzantrag betrifft, ist die Berufung auch zulässig, soweit sie den Weiterbeschäftigungsantrag umfasst. In der Sache bleibt die Berufung jedoch ohne Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsrechtsstreits als stellvertretender Direktor der Klinik für Nuklearmedizin und leitender Oberarzt.



    1. Der Antrag ist nicht unbestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger wurde zum 1. September 2017 zum ständigen Vertreter des Direktors der Klinik für Nuklearmedizin und Leitenden Oberarzt bestellt. Ausweislich des der Klageschrift vom 9. Januar 2018 als Anlage K7 beigefügten Schreibens der Beklagten zu 2. vom 14. September 2017 (Bl. 13 d. A.) vertritt der Kläger als ständiger Vertreter den Direktor der Klinik für Nuklearmedizin bei dessen Abwesenheit und nimmt darüber hinaus Leitungsaufgaben wahr, die ihm vom Direktor der Klinik für Nuklearmedizin generell oder im Einzelfall übertragen werden. In den der Klageschrift als Anlage beigefügten Arbeitsverträgen des Klägers (Bl. 6 ‒ Bl. 11 d. A.) wird seit dem Änderungsvertrag vom 29. Mai 2007 auch stets der Tarifvertrag für die Ärztinnen und Ärzte an den hessischen Universitätskliniken (TV-Ärzte Hessen) in Bezug genommen. Nach § 10 Abs. 1 TV-Ärzte Hessen wird in Entgeltgruppe Ä 6, der Entgeltgruppe des Klägers, ein Facharzt eingruppiert, der durch ausdrückliche Anordnung des Arbeitgebers zum ständigen Vertreter des Leitenden Arztes (Chefarzt) bestellt ist. Als „Leitenden Oberarzt“ bezeichnet man zudem den Oberarzt einer Klinik, der als ständiger Vertreter des Chefarztes bestellt ist und diesen in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt. Nach der Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Hessen vom 15. August 2005 in der Fassung vom 13. September 2017 umfasst das Gebiet „Nuklearmedizin“ die Anwendung radioaktiver Substanzen und kernphysikalischer Verfahren zur Funktions- und Lokalisationsdiagnostik von Organen, Geweben und Systemen sowie offener Radionuklide in der Behandlung. In ihrem Schriftsatz vom 29. Mai 2018, Seite 2 (Bl. 65 d. A.) führt u.a. die Beklagte zu 1. im Übrigen unstreitig aus, dass der Kläger neben seiner ärztlichen Tätigkeit bei der Krankenversorgung auch mit wissenschaftlicher Forschungstätigkeit und der Betreuung von Doktoranden bei deren Dissertation befasst war. Damit ergibt sich ein hinreichend bestimmtes Berufsbild i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.



    2. Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts besteht ein Weiterbeschäftigungsanspruch, wenn ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Instanzurteil ergeht und keine besonderen Umstände vorliegen, die ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers begründen, den Arbeitnehmer nicht weiter zu beschäftigen (BAG 27. Februar 1984 - GS 1/84 - AP BGB § 611 Nr. 14 Beschäftigungspflicht). Die Beklagte zu 1. hat keine hinreichenden Gründe dafür geltend gemacht, dass ihr Interesse an einer Nichtbeschäftigung des Klägers dessen Beschäftigungsinteresse überwiegt. Insbesondere hat sie außerhalb des ‒ hier nicht maßgeblichen ‒Zwangsvollstreckungsverfahrens keine Gründe vorgetragen, die einer Beschäftigung des Klägers bei ihr entgegenstünden. Es ist in diesem Zusammenhang auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu 2. als öffentliche Arbeitgeberin einer Verurteilung der Beklagten zu 1. durch die Gerichte für Arbeitssachen keinerlei Rechnung tragen und sich einer etwaig erforderlichen Mitwirkungshandlung entziehen wird.



    V.



    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 2 ZPO. Da Kläger und Beklagte zu 1. ein erfolgloses Rechtsmittel eingelegt haben, sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens im Verhältnis der beiden Rechtsmittelstreitwerte quotenmäßig aufzuteilen (vgl. Zöller/Herget 32. Aufl. § 97 ZPO Rn. 5).



    Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

    Rechtsmittelinstanz: BAG - 2 AZR 570/19

    Vorschriften§ 626 Abs. 1 BGB, § 174 BGB, § 626 Abs. 2 BGB, § 78 Abs. 2 HPVG, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 c) ArbGG, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 KSchG, § 4 Satz 1 KSchG, §§ 5 - 7 KSchG, § 323 Abs. 2 BGB, § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB, § 98 Abs. 1 HPVG, § 138 Abs. 2 ZPO, § 98 Abs. 1 Satz 1 HPVG, § 140 BGB, § 78 Abs. 2 Satz 1 HPVG, § 78 Abs. 2 Satz 2 HPVG, § 78 Abs. 2 Satz 3 HPVG, § 108 Abs. 2 BPersVG, § 102 Abs. 1 BetrVG, §§ 77 Abs. 1 Nr. 2 i), 69 Abs. 1 Satz 1 HPVG, § 69 Abs. 2 Satz 4 HPVG, § 77 Abs. 1 Nr. 2 i) HPVG, § 69 Abs. 2 Satz 2 HPVG, § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 10 Abs. 1 TV-Ärzte Hessen, §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 2 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG