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  • 09.10.2017 · IWW-Abrufnummer 196960

    Arbeitsgericht Bonn: Urteil vom 09.08.2017 – 4 Ca 181/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Arbeitsgericht Bonn

    4 Ca 181/16

    Tenor:
    1. Es wird festgestellt, dass das gegenüber den Klägern ausgesprochene Verbot, einen weiteren Schäferhund mit in die Diensträume des Landesbetriebs X. zu bringen, rechtswidrig ist.
    2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
    3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf EUR 5.000,- festgesetzt.
    1

    Tatbestand

    2

    Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit des seitens des beklagten Landes ausgesprochenen Verbots an die Kläger, einen weiteren Schäferhund mit in die Diensträume bringen zu dürfen.

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    Die Kläger arbeiten für den Landesbetrieb X. des beklagten Landes. Der Kläger zu 1. arbeitet in der Zentralen Vergabestelle, die organisatorisch der Zentrale des Landesbetriebes zugeordnet ist. Dienstlicher Sitz ist das Regionalforstamt S. mit Dienstgebäude in C.. Die Klägerin zu 2. arbeitet im Bereich Liegenschaften des Regionalforstamts S., ebenfalls im C. Dienstgebäude. Bei den insgesamt 16 Regionalforstämtern handelt es sich um unselbstständige Außenstellen des Landesbetriebs.

    4

    Die Kläger besaßen bei Klageerhebung bereits seit über acht Jahren einen Schäferhund, den sie – ebenfalls wie die vorherige Hündin über zwölf Jahre – täglich zur Arbeit in die Diensträume mitbrachten und weiterhin mitbringen. Darüber hinaus bringt der Leiter des Regionalforstamtes S., Herr T., seine Bracke sowie seinen Gebirgsschweisshund mit in die Diensträume. Der Mitarbeiter T. brachte seine Kopov-Bracke, welche 2016 verstarb, mit in die Diensträume. Schließlich bringt der Mitarbeiter X. sehr selten seinen Dackel mit. Mit Ausnahme des Schäferhundes der Kläger gehören die benannten Hunde zu den Jagdhunderassen.

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    In anderen Forstämtern der Beklagten wird das Mitbringen von Hunden, die nicht zu den Jagdhunderassen gehören, geduldet. Der Mitarbeiter Q. nimmt zwei Berner Sennenhunde mit zu seinem Arbeitsplatz im Waldinformationszentrum I. in X.; eine Mitarbeiterin des Regionalforstamts K. bringt ihren Chow Chow mit zur Arbeit.

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    Wenige Wochen vor Klageerhebung schafften sich die Kläger einen zweiten Schäferhund an, den sie mit in die Diensträume brachten. Mit Schreiben vom 20.10.2015 (Bl. 6 d.A.) teilte Herr T. den Klägern mit, dass die Haltung eines weiteren Schäferhundes in den Diensträumen nicht gestattet werden könne. Hunde seien in den Diensträumen nur gestattet, wenn es sich um jagdlich eingesetzte Hunde der üblichen Jagdhunderassen handele. Der im Zusammenhang mit der Zusammenlegung der Forstämter 2008 in den Diensträumen gehaltene Schäferhund sei seinerseits nur geduldet worden. Dabei habe es sich um einen reformbedingten Einzelfall gehandelt, der sich auf einen weiteren oder auch folgenden Schäferhund nicht übertragen lasse. Hiergegen wandten sich die Kläger mit Schreiben vom 09.11.2015 (Bl. 7f. d.A.). Mit Schreiben vom 16.12.2015 (Bl. 9 d.A.) untersagte Herr T. nochmals das Mitbringen des zweiten Schäferhundes ab dem 19.12.2015 und wies darauf hin, dass die Missachtung dieser Weisung die Verletzung von Dienstpflichten bedeute und daher disziplinarische bzw. arbeitsrechtliche Folgen haben könne.

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    In der Folgezeit verstarb der zweite Schäferhund der Kläger.

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    Die Kläger wollen sich nunmehr erneut einen zweiten Schäferhund zulegen und halten das Verbot, diesen mit die Diensträume zu bringen, für rechtswidrig. Sie berufen sich dabei unter anderem auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Mit ihrer Klageschrift vom 26.01.2017 haben sie zunächst die Feststellung begeht, dass das gegenüber ihnen ausgesprochene Verbot, ihren weiteren Schäferhund mit in die Diensträume des Landesbetriebs X. zu bringen, rechtswidrig ist. Im Kammertermin haben sie – unter Berücksichtigung des Versterbens des zweiten Schäferhunds – den Antrag mit Zustimmung der Beklagten geändert und

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    beantragen nunmehr

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    festzustellen, dass das gegenüber ihnen ausgesprochene Verbot, einen weiteren Schäferhund mit in die Diensträume des Landesbetriebs X. zu bringen, rechtswidrig ist.

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    Das beklagte Land beantragt,

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    die Klage abzuweisen.

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    Es hält das ausgesprochene Verbot für rechtens. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei nicht gegeben. Herr T. habe die Mitnahme von Hunden zulässigerweise auf Jagdhunde beschränken dürfen, da die Jagd für viele Beschäftigte dienstliche Pflicht sei, so dass ein dienstliches Interesse an engem Kontakt zwischen Hund und Halter bestehe. Eine landesweite Betrachtung sei nicht angezeigt, die Forstämter würden die Hundehaltung in eigener Verantwortlichkeit regeln. Die Dienstgebäude würden – unstreitig – überwiegend von verschiedenen Vermietern angemietet werden; insofern gebe es schon keine mietvertragliche Vergleichbarkeit der Gegebenheiten. Die Handhabung gegenüber anderen Arbeitnehmern in anderen Dienstgebäuden sei daher nicht zurechenbar.

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    Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

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    Entscheidungsgründe

    16

    Die Klage ist zulässig und begründet.

    17

    I.

    18

    Die Klage ist mit ihrem zuletzt gestellten Antrag zulässig. Die Zulässigkeit der Klageänderung folgt bereits aus § 263 Fall 1 ZPO, da das beklagte Land dieser zugestimmt hat. Auch ist das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse an der baldigen Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verbots gegeben. Denn die Kläger beabsichtigen weiterhin, einen zweiten Schäferhund mit in das Dienstgebäude zu bringen und das beklagte Land hat mit Schreiben vom 14.12.2015 arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Fall des Verstoßes gegen das Verbot, einen weiteren Schäferhund mitzubringen, angekündigt.

    19

    II.

    20

    Die Klage ist begründet. Das Verbot, einen weiteren Schäferhund mit in die Diensträume des Landesbetriebs X. zu bringen, ist rechtswidrig. Es verstößt gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die ausgesprochene Weisung ist unwirksam.

    21

    1.

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    Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln. Er begrenzt u.a. auch das Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 S. 1 GewO, wonach der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind, was nach § 106 S. 2 GewO auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb gilt. Dem Arbeitgeber ist nicht nur eine willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe untersagt; bildet er Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muss auch die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen. Die Gruppenbildung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Unterscheidung einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist. Eine Gruppenbildung ist sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung der Personenkreise keine billigenswerten Gründe gibt (BAG, Urt. v. 12.12.2007 – 10 AZR 24/07, juris, Rn. 21). Im Bereich der Privatwirtschaft gilt: Einzubeziehen in den Vergleich sind alle Arbeitnehmer des Unternehmens, nicht allein des Betriebs. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Betrieben ist nur zulässig, wenn es hierfür sachliche Gründe gibt (BAG, Urt. v. 22.12.2009 – 3 AZR 136/08, NZA-RR 2010, 541). Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist entsprechend Art. 3 GG kompetenzbezogen und bezieht sich somit auf den Bereich, auf den sich die Regelungskompetenz erstreckt; als Normadressat ist der Arbeitgeber für das Unternehmen in seiner Gesamtheit verantwortlich (BAG, Urt. v. 17.11.1998 – 1 AZR 147/98, juris; Kamanabrou, in: Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, AR, 2016, § 611 Rn. 293 ff.; Thüsing, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Kommentar zum Arbeitsrecht, 7. Aufl., 2016, § 611 BGB Rn. 199).

    23

    2.

    24

    Nach diesen Maximen waren in räumlicher Hinsicht sämtliche Dienststellen Landesbetriebs des beklagten Landes mitsamt den dortigen Mitarbeitern, und nicht bloß die einzelne Dienststelle in C. in den Blick zu nehmen. Denn die Regelungskompetenz des beklagten Landes bezieht sich auf sämtliche Dienststellen. Das Land ist der Arbeitgeber, nicht die einzelne Dienststelle.

    25

    3.

    26

    Unstreitig wird die von Herrn T. verlangte Differenzierung zwischen Jagd- und sonstigen Hunden landesweit nicht nachvollzogen. Das beklagte Land hätte folglich, worauf es mit Beschluss vom 15.02.2017 (Bl. 72 f. d.A.) hingewiesen wurde, substantiiert sachliche Gründe dafür vortragen müssen, weshalb das Mitbringen von Hunden, die nicht zu den Jagdhunderassen zählen, einzelnen Mitarbeitern ihrer Dienststellen erlaubt wird, den Klägern hingegen nicht. Dem ist das beklagte Land nicht nachgekommen. Der pauschale Hinweis auf die fehlende „mietvertragliche Vergleichbarkeit der Gegebenheiten“ verfängt insofern nicht. Dies hätte entweder dann als sachliches Kriterium herangezogen werden können, wenn der Vermieter des C. Dienstsitzes das Mitbringen von Hunden, die keine Jagdhunde sind, vertraglich ausgeschlossen hätte. Eine derart ungewöhnliche Regelung hat die Beklagte aber nicht dargelegt. Schon der Umstand, dass das Mitbringen des alten Schäferhundes über Jahre hinweg gestattet wurde, spricht gegen eine solche mietvertragliche Regelung. Oder aber es müsste im Hinblick auf die fraglichen anderen Dienststellen mietvertragliche Regelungen geben, die es dem beklagten Land auferlegen, dass entsprechende andere Hunde in die Räumlichkeiten mitzubringen wären. Auch eine solche – noch deutlich kuriosere – mietvertragliche Besonderheit hat das beklagte Land nicht vorgetragen. Auf weitere mögliche Sachgründe hat sich das beklagte Land nicht berufen.

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    III.

    28

    Die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. §§ 495, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO dem beklagten Land aufzuerlegen.

    29

    IV.

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    Der Wert des Streitgegenstands war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Die Kammer hat ihn gemäß § 3 ZPO und entsprechend § 23 Abs. 3 S. 2 2. Halbs. RVG mit EUR 5.000,- in Ansatz gebracht.