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  • 18.01.2017 · IWW-Abrufnummer 191354

    Arbeitsgericht Dortmund: Urteil vom 20.12.2016 – 4 Ga 56/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Arbeitsgericht Dortmund

    4 Ga 56/16

    Tenor:

    1. Der Antrag wird abgewiesen.

    2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsklägerin.

    3. Der Streitwert wird auf 2.399,44 € festgesetzt.

    1

    T a t b e s t a n d :

    2

    Die Parteien streiten im vorliegenden Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung über die Verpflichtung der Verfügungsbeklagten, die Verfügungsklägerin zu den Vorstellungsgesprächen für die Verlängerung befristet geschlossener Verträge zuzulassen und bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Stelle nicht anderweitig zu besetzen.

    3

    Die 26-jährige Verfügungsklägerin ist aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 19.08.2016, wegen dessen Einzelheiten auch auf Bl. 8 und 9 bzw. 22 bis 30 der Akten Bezug genommen wird, seit dem 22.08.2016 befristet bis zum 21.02.2017 als Bürosachbearbeiterin im Asylverfahrens-Sekretariat für ein Bruttogehalt von 2.399,44 € brutto bei der Verfügungsbeklagten tätig.

    4

    Die Verfügungsbeklagte führt zurzeit ein Auswahlverfahren mit dem Ziel durch, einzelne befristete Arbeitsverträge zu verlängern. Aufgrund einer Bewerbung der Verfügungsklägerin fertigte die Verfügungsbeklagte eine Leistungs- und Befähigungseinschätzung der Verfügungsklägerin unter dem 01.12.2016 an. Wegen der Einzelheiten dieser Einschätzung wird auf die zur Akte gereichte Kopie, Bl. 4 und 5 d. A., Bezug genommen. Die Leistungs- und Befähigungseinschätzung endete mit der Abschlussnote 2,6.

    5

    Mit E-Mail vom 12.12.2016, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 6 und 7 d.A. Bezug genommen wird, wandte sich die Verfügungsklägerin an die Mitarbeiterin X der Verfügungsbeklagten und teilte ihr mit, die im Rahmen der Bewertung festgestellte Gesamtnote sei ihr nicht verständlich. Sie verlangte eine schriftliche Begründung der Leistungsbeurteilung. Hierzu bat sie um kurzfristige Stellungnahme.

    6

    Ebenfalls mit E-Mail vom 12.12.2016 erwiderte die Mitarbeiterin X, die Verfügungsklägerin möge sich für Rückfragen und Erklärungen an das Referat 115 wenden. Mit weiterer E-Mail vom 12.12.2016 forderte die Verfügungsklägerin die Mitarbeiterin X unter Hinweis darauf, dass sie die Bewertung abgegeben habe, auf, ihr die Kriterien der Leistungsbewertung mitzuteilen.

    7

    Zu den ab dem 14.12.2016 durchgeführten Bewerbungsgesprächen hinsichtlich der Verlängerung der Stellen wurde die Verfügungsklägerin nicht eingeladen.

    8

    Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, dass ihre Benotung mit der Gesamtnote 2,6 nicht zutreffend sei. Wenn sie diese Bewertung mit der ihrer Kolleginnen vergleiche, könne sie weder in Eigenständigkeit, der Zusammenarbeit, der Konfliktfähigkeit, der Qualität ihrer Arbeit und ihrer Leistungsbereitschaft ein unterschiedliches Leistungsniveau erkennen. Sie habe auch die gleichen Tätigkeiten wie ihre Kolleginnen und Kollegen ausgeübt.

    9

    Die Verfügungsklägerin beantragt,

    10

    die Verfügungsbeklagte zu verpflichten, sie zu den Vorstellungsgesprächen für die Verlängerung der befristet geschlossenen Verträge zuzulassen und eine der angebotenen Stellen nicht zu Lasten der Verfügungsklägerin anderweitig zu besetzen.

    11

    Die Verfügungsbeklagte beantragt,

    12

    den Antrag abzuweisen.

    13

    Im Kammertermin vom 20.12.2016 hat die Verfügungsbeklagte u.a. ausgeführt, die Leistungsbewertung sei nicht ermessensfehlerhaft. Insbesondere seien nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einer Gesamtbewertung von 2,4 oder besser zu den Vorstellungsgesprächen für die zu vergebenen Stellen im Rahmen der vergleichbaren Kolleginnen und Kollegen eingeladen worden.

    14

    Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen vollinhaltlich Bezug genommen.

    15

    Darüber hinaus wird auf die Sitzungsniederschrift des Kammertermins vom 20.12.2016 verwiesen.

    16

    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

    17

    I.

    18

    1.Der Antrag der Verfügungsklägerin, mit dem sie in der mündlichen Verhandlung die Zulassung zu den Vorstellungsgesprächen und die Nichtbesetzung einer der zu besetzenden Stellen zu ihren Lasten begehrt, ist zulässig. Die einstweilige Verfügung in Form der sogenannten Sicherungsverfügung ist auch die richtige Verfahrensart, da die Verfügungsklägerin nur so die vorläufige Nichtbesetzung der Stelle und die Zulassung zum Bewerbungsverfahren erreichen kann (vgl. hierzu: LAG Thüringen, Urteil vom 13.01.1997, 8 Sa 232/96).

    19

    Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt nach § 62 Abs. 2 ArbGG i.V. mit den §§ 935, 940 ZPO das Bestehen eines Verfügungsanspruchs und eines Verfügungsgrundes voraus, die nach §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen sind.

    20

    2.Der geltend gemachte Verfügungsanspruch steht der Verfügungsklägerin hingegen nicht zu. Sie hat kein Recht auf vorläufige Sicherung ihres Bewerbungsverfahrens nach Artikel 33 Abs. 2 GG.

    21

    Nach Artikel 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu einem öffentlichen Amt (vgl. BAG, Urteil vom 06.02.1980, 5 AZR 848/77). Jede Bewerbung muss nach den genannten Kriterien beurteilt werden. Öffentliche Ämter in diesem Sinne sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch Stellen, die von Angestellten oder Arbeitern, also Arbeitnehmern, besetzt werden können (BAG, Urteil vom 24.03.2009, 9 AZR 277/08). Dieser Anspruch auf Zugang zu einem öffentlichen Amt setzt eine freie Stelle voraus. Deshalb lässt sich das grundrechtsgleiche Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Artikel 33 Abs. 2 GG nur vor einer Besetzung der Stelle mit dem ausgewählten Konkurrenten verwirklichen. Aus Artikel 33 Abs. 2 GG folgt ein Anspruch auf erneute Auswahl, wenn sich die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers als rechtsfehlerhaft erweist und die ausgeschriebene Stelle noch nicht besetzt ist. Dabei hat der Arbeitgeber bei seiner erneuten Auswahlentscheidung die vom Gericht festgestellten Auswahlfehler zu unterlassen und ist insoweit an die Rechtsauffassung des Gerichts gebunden (BAG, Urteil vom 05.11.2002, 9 AZR 451/01).

    22

    Ein Verfügungsanspruch besteht nicht nur dann, wenn feststeht, dass das Auswahlverfahren fehlerhaft ist. Eine vorläufige Sicherung des Bewerberverfahrensanspruchs setzt hingegen zumindest eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die getroffene Auswahlentscheidung ermessenfehlerfrei zu wiederholen ist und die Aussichten des Bewerbers, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, voraus (LAG Berlin, Urteil vom 28.06.2012, 25 SaGa 863/12). Bei der Anwendung des Artikel 33 Abs. 2 GG steht dem öffentlichen Arbeitgeber ein von der Verfassung gewährleisteter Beurteilungsspielraum zu, der nur beschränkt gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, zu prüfen, ob der öffentliche Arbeitgeber den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (BAG, Urteil vom 07.09.2004, 9 AZR 537/03; LAG Hamm, Urteil vom 27.04.2016, 5 Sa 1449/15).

    23

    3.Gemessen an diesen Voraussetzungen und Grundsätzen ist die für die Durchführung des Auswahlverfahrens durchgeführte Vorauswahl der Verfügungsbeklagten nicht fehlerhaft.

    24

    Ein öffentlicher Arbeitgeber kann in seinen Beurteilungen ein Ankreuzverfahren für die Einzelbewertungen ohne zusätzliche individuelle textliche Begründungen vorsehen, sofern die Bewertungsmerkmale hinreichend differenziert und die Notenstufen textlich definiert sind. Er muss auf Verlangen die im Ankreuzverfahren vorgenommenen Einzelbewertungen plausibilisieren.

    25

    Dabei muss ein Bewerber Werturteile in dienstlichen Beurteilungen, sofern sie fehlerhaft sind und ihn deshalb in seinen Rechten verletzen, nicht widerspruchslos und ohne wirksame Abhilfemöglichkeit hinnehmen. Die dienstliche Beurteilung selbst muss in einer die gerichtliche Nachprüfung ermöglichenden Weise klar abgefasst werden. Hält ein Bewerber die Beurteilung oder einzelne in ihr enthaltene Werturteile für sachlich nicht gerechtfertigt, kann er die Beseitigung oder Abänderung der Beurteilung bzw. die Erstellung einer neuen Beurteilung beantragen. Der Arbeitgeber muss allgemein und pauschal formulierte Werturteile erläutern, konkretisieren und dadurch plausibel machen. Entscheidend dabei ist, dass das Werturteil keine formhafte Behauptung bleibt, sondern dass es für den Bewerber bzw. die Bewerberin einsichtig und für außenstehende Dritte nachvollziehbar wird, dass der Bewerber die tragenden Gründe und Argumente erfährt und für ihn der Weg, der zu dem Werturteil geführt hat, sichtbar wird (so BVerwG, Urteil vom 17.09.2015, 2 C 27/14).

    26

    Ausgehend von diesem Maßstab ist das Ankreuzverfahren in der Leistungs- und Befähigungseinschätzung der Verfügungsklägerin rechtlich nicht zu beanstanden. Die dort aufgeführten 7 Einzelmerkmale, die jeweils textlich definiert sind und nach einer ebenfalls textlich vorgegebenen 5-teiligen Bewertungsskala anzukreuzen sind, ermöglichen die erforderliche nachvollziehbare Darstellung der fachlichen Leistung der Bewerberin und Verfügungsklägerin. Bei Nachfragen und Rügen der Bewerberin bezüglich einzelner Bewertungen haben Plausibilisierungen nach Maßgabe der o.g. Grundsätze zu erfolgen. Dabei hängen die Anforderungen an die Plausibilisierung hingegen davon ab, wie substantiiert die Einzelbewertungen von der Bewerberin in Frage gestellt werden (so ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 17.09.2015, 2 C 27/14).

    27

    Hier hat die Verfügungsklägerin weder in der vorgerichtlichen E-Mail-Korrespondenz mit der Verfügungsbeklagten noch in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der unter dem 14.12.2016 beim Arbeitsgericht Dortmund einging, die Einzelbewertungen nachvollziehbar in Frage gestellt. Sie hat sich vielmehr darauf beschränkt zu behaupten, dass sie, wenn sie ihre Bewertung mit den Bewertungen ihrer Kolleginnen vergleiche, kein unterschiedliches Leistungsniveau bezüglich der Einzelmerkmale der Leistungs- und Befähigungseinschätzung erkennen könne. Dies ist hingegen kein nachvollziehbarer und der Erwiderung der Verfügungsbeklagten fähiger Sachvortrag. Es fehlt bereits an der Erklärung der Verfügungsklägerin, dass ihre Kolleginnen besser beurteilt wurden als sie. Sofern dies der Fall sein sollte, setzt die Verfügungsklägerin nur ihre Beurteilung der fachlichen Leistung anstelle der Beurteilung durch die Verfügungsbeklagte. Soweit die Verfügungsklägerin mit ihrer E-Mail vom12.12.2016 um Offenlegung der Kriterien geben hat, die zu der Bewertung geführt haben, gilt nichts Anderes. Denn auch in dieser E-Mail hat die Verfügungsklägerin die Einzelbewertung lediglich infrage gestellt, ohne dies zu substantiieren. Sie nennt nicht einmal die Namen der Kolleginnen, mit denen sie sich vergleicht und deren Leistungsbeurteilung.

    28

    4.Die Verfügungsbeklagte muss der Verfügungsklägerin auch keine Neubeurteilung erteilen, weil es an der Begründung für das Gesamturteil fehlt. Im Unterschied zu Einzelbewertungen bedarf das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung in der Regel einer gesonderten Begründung, um erkennbar zu machen, wie es aus den einzelnen Begründungen hergeleitet wird. Wie die einzelnen Auswahlkriterien zu gewichten sind, ergibt sich aus Artikel 33 Abs. 2 GG nicht unmittelbar. Im Rahmen des zustehenden Ermessens ist es daher Sache des öffentlichen Arbeitgebers, hier der Verfügungsbeklagten, festzulegen, welches Gewicht den einzelnen Merkmalen beigemessen werden soll. Das abschließende Gesamturteil ist durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen besten auswahlbezogenen Gesichtspunkte zu bilden. Diese Gewichtung bedarf in der Regel schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. Dabei müssen Gesamturteil und Einzelbewertungen der dienstlichen Beurteilung in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lässt. Dies erfordert nicht unbedingt eine Folgerichtigkeit nach rechnerischen Gesetzmäßigkeiten, etwa in der Art, dass die Gesamtbewertung das arithmetische Mittel aus den Einzelnoten sein muss. Vielmehr ist die rein rechnerische Ermittlung des Gesamturteils ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage sogar unzulässig. Bei der Bildung des Gesamturteils wird die unterschiedliche Bedeutung der Einzelbewertung durch eine entsprechende Gewichtung berücksichtigt. Im Übrigen sind die Anforderungen an die Begründung für das Gesamturteil umso geringer, je einheitlicher das Leistungsbild bei den Einzelbewertungen ist. Gänzlich entbehrlich ist eine Begründung für das Gesamturteil dann, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kommt, weil sich die vergebene Note, vergleichbar mit der Ermessensreduzierung auf Null, geradezu aufdrängt (BVerwG, Urteil vom 17.09.2015, 2 C 27/14).

    29

    Nach diesen Grundsätzen bedurfte es im vorliegenden Fall keiner gesonderten Beurteilung des Gesamturteils. Dies folgt daraus, dass aus den Einzelbewertungen das sich ergebene Leistungsbild der Verfügungsklägerin, nämlich 4 Bewertungen mit der Note 3 und 3 Bewertungen mit der Note 2, einheitlich ist. Daher drängte sich im konkreten Fall die vergebene Note, nämlich die Beurteilung mit der Gesamtnote 2,6 geradezu auf. Einer über die Gesamtbewertung hinaus gehenden Stellungnahme, die in der Bewertung vom 01.12.2016 enthalten ist (Frau T erledigt ihre Aufgaben zu meiner Zufriedenheit und ist den Aufgaben gewachsen) bedurfte es daher nicht.

    30

    Mangels eines Verfügungsanspruchs unterlag damit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der Abweisung.

    31

    II.

    32

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO. Die Kosten waren der Verfügungsklägerin als unterlegener Partei aufzuerlegen.

    33

    Das Gericht hat den Streitwert nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ZPO auf der Grundlage eines Bruttogehalts der Klägerin festgesetzt, da die Klägerin eine einstweilige Regelung der Zulassung zu den Vorstellungsgesprächen und eine vorläufige Verhinderung der Stellenbesetzung zu ihren Lasten begehrt hat. Die Streitwertfestsetzung erfolgte nach § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil.