01.03.2021 · IWW-Abrufnummer 220822
Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 26.11.2020 – 15 Sa 497/20
Der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer (§§ 168 ff. SGB IX) sieht ein dem Massenentlassungsschutz des § 17 KSchG gleichwertiges behördliches Verfahren vor. Für schwerbehinderte Arbeitnehmer und ihnen Gleichgestellte ist der maßgebliche Entlassungszeitpunkt iSd. § 17 KSchG nicht der Zeitpunkt des Zugangs des Antrags des Arbeitgebers auf Kündigungszustimmung beim Integrationsamt, sondern der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgericht Herne vom 18. Februar 2020 - 2 Ca 1670/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die rechtliche Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Zwischen den Parteien besteht seit Oktober 2011 ein Arbeitsverhältnis, nach dessen Arbeitsvertrag eine Betriebszugehörigkeit des Klägers zum S-Konzern seit dem 1. September 2002 anerkannt ist. Das Bruttomonatsentgelt des Klägers belief sich zuletzt auf etwa 4.200,00 Euro. Der Kläger ist am 24. März 1986 geboren und einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
Die Beklagte erbringt als Tochtergesellschaft der S AG für den S-Konzern diverse Dienstleistungen und beschäftigte im Kündigungszeitpunkt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer.
Der Kläger war zuletzt im Bereich "Equipmentvermarktung/bergtechnische Dienstleistungen" tätig, jedoch in diesem Bereich zumindest seit 2018 nicht mehr unmittelbar mit Verkauf und Kundenkontakt befasst, sondern der Organisationseinheit "Zentrale Koordinierung" dieses Geschäftsfelds zugeordnet, welche sich mit Controlling und Koordinierung befasste. Neben dem Kläger war dieser Einheit noch der Mitarbeiter E.. zugeordnet.
Vor dem Hintergrund des Endes des Steinkohlenbergbaus in Deutschland 2018 beschloss die Beklagte am 5. Februar 2019, ihre Geschäftsaktivitäten zum 31. Dezember 2019 teilweise und zum 31. Dezember 2020 dann vollständig einzustellen.
Die Beklagte hat einen Interessenausgleich vorgelegt, der unter dem 12. März 2019 und 18. März 2019 Unterschriften des Betriebsrats und ihrer Geschäftsführung aufweist und auszugsweise wie folgt lautet:
Zudem hat die Beklagte eine Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer mit Unterschriften des Betriebsrats und der Geschäftsführung vom 12. und 18. März 2019 vorgelegt. Auf dieser befinden sich acht Arbeitnehmer (darunter der Kläger und der Arbeitnehmer E..), denen zum 31. Dezember 2019, sowie weitere acht Arbeitnehmer, denen zum 31. Dezember 2020 zu kündigen sein sollte.
Neben diesen 16 Arbeitnehmern hatte die Beklagte keine Arbeitnehmer, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit ihr standen, keine leitenden Angestellten waren und nicht der Reservistengrubenwehr angehörten. Des Weiteren hatte die Beklagte zwei Arbeitnehmer in befristeten Arbeitsverhältnissen sowie drei Leiharbeitnehmer, die zu diesem Zeitpunkt länger als 3 Monate im Betrieb der Beklagten waren. Ob die Beklagte auch etwa 80 Angehörige der Reservistengrubenwehr als Arbeitnehmer auf geringfügiger Basis beschäftigte, ist zwischen den Parteien streitig.
Den unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern (mit Ausnahme der Reservistengrubenwehr) bot die Beklagte Aufhebungsverträge an, die ein Ausscheiden zum 31. Dezember 2019 oder zum 31. Dezember 2020 vorsahen und als Abfindungsbetrag ein Bruttomonatsentgelt je Beschäftigungsjahr sowie Festbeträge für soziale Gesichtspunkte wie Unterhaltsverpflichtungen, Schwerbehinderung/Gleichstellung. Die Arbeitnehmer konnten im Zeitraum vom 15. März 2019 bis zum 15. Mai 2019 die angebotenen Aufhebungsverträge annehmen. Dem Kläger war eine Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2019 angeboten worden. Die Beklagte schloss in dem Zeitraum vom 28. April 2019 bis zum 27. Mai 2019 mindestens vier Aufhebungsverträge. Der zwischen den Betriebsparteien abgeschlossene Sozialplan sieht einen Abfindungsfaktor von 0,5 Bruttomonatsgehältern je Beschäftigungsjahr vor.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2019 hörte die Beklagte die Vertrauensperson der Schwerbehinderten zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an unter Erläuterung der Gründe; mit Schreiben vom 14. Mai 2019 teilte diese Einwendungen mit. Mit Schreiben vom 22.05.2019 erklärte die Beklagte gegenüber der Vertrauensperson, die Kündigung werde gleichwohl erfolgen.
Mit Schreiben vom 13. Mai 2019 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung an und erläuterte ihm die Gründe. Am 17. Mai 2019 teilte der Betriebsrat mit, dass er keine Einwendungen gegen die beabsichtigte Kündigung habe.
Mit Schreiben vom 23. Mai 2019 beantragte die Beklagte beim LWL-Inklusionsamt Arbeit die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung. Der Antrag ging dem Amt am 27. Mai 2019 zu. Mit Schreiben vom 25. Juli 2019 teilte die Inklusionsbehörde mit, dass wegen Fristablaufs die Zustimmung als erteilt gelte.
Eine Massenentlassungsanzeige oder eine Konsultation des Betriebsrats gemäß § 17 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 26. Juli 2019, dem Kläger am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2020.
Der Kläger hat in seiner am 16. August 2019 eigereichten Kündigungsschutzklage vorgebracht, bei der "Zentralen Koordinierung" handele es sich um eine fiktive Organisationseinheit, der er zusammen mit dem Arbeitnehmer E.. im Oktober 2018 nach seiner Krankheit zugeordnet worden sei zur Vorbereitung der Kündigung. Die Befristung der beiden befristeten Arbeitsverhältnisse sei unwirksam. Er könne auch die Arbeit der drei Leiharbeitnehmer leisten. Ferner sei er mit allen anderen Arbeitnehmern vergleichbar, insbesondere mit den Vermarktern und jeder anderen kaufmännischen Tätigkeit. Auch sei er mit dem Arbeitnehmer X.. vergleichbar; dieser ist - unstreitig - Leiter Rechnungswesen/kaufmännische Abwicklung. Der Kläger hat die Beklagte aufgefordert, die sozialen Daten der anderen Arbeitnehmer offen zu legen; dem ist die Beklagte - unstreitig - nicht nachgekommen. Er hat zudem das Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste, die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung und der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung sowie die weiteren Behauptungen der Beklagten bestritten. Er hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei schon deswegen rechtsunwirksam, da keine Massenentlassungsanzeige und keine Konsultation des Betriebsrates gemäß § 17 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG erfolgt sind. Diese seien erforderlich gewesen, da den Entlassungen auch der Abschluss der Aufhebungsverträge gleichstünde und da innerhalb von 30 Tagen mehr als fünf Arbeitnehmer entlassen worden seien; denn in seinem Fall sei die Entlassung iSd. § 17 KSchG der Antrag auf Zustimmung zur Kündigung beim LWL-Inklusionsamt, der dort - unstreitig - am 27. Mai 2019 eingegangen ist.
Der Kläger hat beantragt
Die Beklagte hat beantragt,
Sie hat behauptet, der Bereich "Zentrale Koordinierung" sei zum 1. August 2018 organisiert worden auf Wunsch des Klägers und des Mitarbeiters E.., die unmittelbar an die Geschäftsleitung und nicht mehr an ihren bisherigen Vorgesetzten hätten berichten wollen. Die Aufgaben des Klägers entfielen zum 31. Dezember 2019. Der Kläger habe schon vor dem 1. August 2018 keinen Kundenkontakt mehr gehabt, sondern rein administrative Aufgaben wahrgenommen; seine Hauptaufgaben seien die Lagerflächenbelegung, Berichte zur Bestandsentwicklung und Auswertungen gewesen. Der Bereich "Equipmentvermarktung/bergtechnische Dienstleistungen" werde zum 31. Dezember 2019 stark eingeschränkt, da ab 2020 nur noch in geringem Umfang Equipment der S zu vermarkten sei. Der Interessenausgleich mit Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer sei ordnungsgemäß zustande gekommen. Von den beiden befristeten Arbeitsverhältnissen sei eines am 31. Dezember 2019 ausgelaufen, das andere werde am 31. Dezember 2020 auslaufen. Die drei entliehenen Arbeitnehmer seien zum 31. Dezember 2019 abbestellt worden. Eine soziale Auswahl sei nicht erforderlich gewesen, da der Kläger mit keinem anderen Mitarbeiter vergleichbar gewesen sei. Die Kündigung, so hat die Beklagte gemeint, sei auch nicht rechtsunwirksam aufgrund der fehlenden Massenentlassungsanzeige oder der fehlenden Konsultation des Betriebsrats gemäß § 17 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG, da auch beim Kläger als einem schwerbehinderten Menschen Gleichgestellten Entlassung im Sinne des § 17 KSchG der Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer sei.
Das Arbeitsgericht Herne hat durch Urteil vom 18. Februar 2020 die Klage abgewiesen und seine Entscheidung wesentlich wie folgt begründet:
Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Juli 2019 zum 31. Januar 2020 rechtswirksam aufgelöst worden. Die Kündigung sei nicht sozial ungerechtfertigt. Sie sei durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb entgegenstehen, bedingt. Dies sei gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu vermuten. Die Kündigung sei erfolgt aufgrund einer Betriebsänderung, nämlich der zunächst zum 31. Dezember 2019 erfolgenden Einschränkung und der zum 31. Dezember 2020 beabsichtigten Stilllegung des Betriebs. Der zwischen der Beklagten und ihrem Betriebsrat abgeschlossene Interessenausgleich sei wirksam. Es liege auch eine wirksame Namensliste im Sinne des § 1 Abs. 5 KSchG vor. Diese enthalte je acht Namen von unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern, die zum 31. Dezember 2019 und zum 31. Dezember 2020 zu kündigen sein sollen. Der Kläger befinde sich auf der Namensliste der zum 31. Dezember 2019 zu kündigenden Arbeitnehmer. Dass die Kündigung des Klägers mutmaßlich aufgrund des durchzuführenden Verfahrens bei dem LWL-Inklusionsamt erst zum 31. Januar 2020 ausgesprochen worden sei, sei weder eine wesentliche Änderung der Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs noch begründe dies Zweifel daran, dass die Kündigung aufgrund der Betriebsänderung erfolgt sei. Aufgrund der Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG trage der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen dringender betrieblicher Erfordernisse für die ausgesprochene Kündigung. Dies habe er nicht substantiiert darlegen können. Die Kündigung sei auch nicht aufgrund der sozialen Auswahl rechtsunwirksam. Aufgrund des Interessenausgleichs mit Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer könne die soziale Auswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die soziale Auswahl weise zumindest keine groben Fehler auf. Die Kündigung sei auch nicht nichtig gemäß § 134 BGB iVm. §§ 151 Abs. 1 und Abs. 3, 168 SGB IX wegen der Gleichstellung des Klägers mit einem schwerbehinderten Menschen. Zwar habe die Kündigung grundsätzlich der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts bedurft. Die Zustimmung gelte jedoch gemäß § 171 Abs. 5 Satz 2 SGB IX als erteilt. Die einmonatige Kündigungserklärungsfrist des § 171 Abs. 3 und Abs. 5 Satz 3 SGB IX sei eingehalten, da die Kündigung dem Kläger am 26. Juli 2019 zugegangen sei. Die Kündigung sei nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Die Erklärung der Beklagten, dass sie eine Kündigung zum 31. Dezember 2019 beabsichtige, während die Kündigung tatsächlich zum 31. Januar 2020 erklärt worden sei, sei unschädlich; mutmaßlich sei die Verzögerung um einen Monat auf die Bearbeitung durch das LWL-Inklusionsamt zurückzuführen. Die Kündigung sei auch nicht wegen einer mangelhaften Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung unwirksam. Substantiierte Einwendungen trage der Kläger nicht vor.
Die ausgesprochene Kündigung sei schließlich nicht wegen einer fehlenden Massenentlassungsanzeige oder Konsultation des Betriebsrats nach § 17 KSchG unwirksam; beide seien nicht verpflichtend gewesen. Zwar entspreche es mittlerweile ständiger Rechtsprechung, dass im Fall der Kündigung grundsätzlich auf den Zugang der Kündigungserklärung abzustellen sei. Auch im Fall von schwerbehinderten Arbeitnehmern oder ihnen - wie hier der Kläger - Gleichgestellten sei maßgeblicher Zeitpunkt für die Entlassung der Zugang der Kündigung und nicht etwa der Zeitpunkt des Zugangs des Antrags des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt. Diese Rechtsfrage sei allerdings umstritten und noch nicht durch die Rechtsprechung abschließend geklärt. In der Literatur werde teilweise angenommen, dass auch für Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte der maßgebliche Entlassungszeitpunkt iSd. § 17 KSchG der Zeitpunkt des Zugangs des Antrags auf Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt sei. Teilweise werde dies verneint und auch in diesem Fall auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abgestellt. Es stelle sich die auch vom Bundesverfassungsgericht als relevant hervorgehobene Frage, ob der Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer und ihnen Gleichgestellte nach dem SGB IX ein dem Massenentlassungsschutz des § 17 KSchG gleichwertiges behördliches Verfahren ist. Dies sei zu bejahen. Ist eine Weiterbeschäftigung im selben oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens desselben Arbeitgebers möglich, stehe es im freien, pflichtgemäßen Ermessen des Integrationsamts, ob es gleichwohl die Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen erteile. Kommt eine Weiterbeschäftigung in Betracht und ist dies im behördlichen Verfahren zu prüfen, fehle es an der vom Bundesverfassungsgericht für eine mangelnde Gleichwertigkeit des Sonderkündigungsschutzes vorausgesetzten Regelhaftigkeit der Zustimmung. In diesen Fällen geschehe im behördlichen Verfahren das, was auch im Konsultationsverfahren erfolge. Es werde die Möglichkeit geprüft, die Kündigung durch andere Maßnahmen, insbesondere eine Weiterbeschäftigung zu anderen Bedingungen oder in einem anderen Betrieb, zu vermeiden. Der Arbeitnehmer mit Sonderkündigungsschutz benötige dann den zusätzlichen Massenentlassungsschutz nicht. Es sei daher der Entlassungsbegriff nicht verfassungskonform auszulegen. Im Ergebnis habe die Beklagte die Massenentlassungsanzeige und das Konsultationsverfahren nach § 17 KSchG nicht durchführen müssen. Innerhalb eines Zeitraums von 30 Kalendertagen um den 26. Juli 2019 habe die Beklagte auch unter Berücksichtigung des Abschlusses von Aufhebungsverträgen nicht mehr als fünf Arbeitnehmer entlassen. Daran vermöge das Bestreiten des Klägers mit Nichtwissen nichts zu ändern.
Gegen das ihm am 5. März 2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 3. April 2020 Berufung eingelegt und diese mit einem am 5. Mai 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt vor, die Unwirksamkeit der Kündigung folge bereits aus der fehlenden Massenentlassungsanzeige, da, anders als das Arbeitsgericht meine, nicht auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abzustellen sei, sondern auf den Zeitpunkt des Zugangs des Antrags auf Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt. Das Bundesverfassungsgericht habe in dem Kammerbeschluss vom 6. August 2016 (gemeint: 8. Juni 2016) -1 BvR 3634/13- darauf hingewiesen, dass im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eine Kündigung, die allein deshalb außerhalb des 30 Tage-Zeitraums zugeht, weil zunächst ein anderes, nicht gleichwertiges behördliches Verfahren durchzuführen war, so zu behandeln sei wie Kündigungen, für die die Regeln des Massenentlassungsschutzes gelten. Das Bundesarbeitsgericht sei dem Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 26. Januar 2017 (6 AZR 442/16) gefolgt. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts habe das Zustimmungserfordernis des § 18 BEEG betroffen. Ob die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze auch für schwerbehinderte Arbeitnehmer und ihnen Gleichgestellte gälten, sei bislang noch nicht entschieden. In der Literatur sei diese Frage umstritten. Die herrschende Meinung nehme wohl an, das auch für Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte der maßgebliche Entlassungszeitpunkt iSd. § 17 KSchG der Zeitpunkt des Zugangs des Antrags auf Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt sei. Zum Teil werde dies verneint und auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abgestellt. Das Arbeitsgericht schließe sich der letztgenannten Auffassung an und übernehme im Wesentlichen die Argumentation von Spelge (NZA-Beilage 3/2017, S. 108,111). Es übersehe, dass selbst Spelge eine differenzierende Auffassung vertrete. Der Kläger meint, dass bei einer Entscheidung des Integrationsamts gemäß § 172 Abs. 1 SGB IX der Prüfungsmaßstab derselbe sei wie bei § 18 BEEG. Es müsse eine Betriebsstilllegung respektive eine wesentliche Einschränkung des Betriebs vorliegen, und gemäß § 172 Abs. 1 Satz 3 SGB IX dürfe keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestehen. Wenn dies der Fall sei, werde die Zustimmung "regelhaft" erteilt. Ergänzend führe Spelge aus, dass das Integrationsamt seine Entscheidung grundsätzlich nach freiem, pflichtgemäßen und deshalb nicht nach prognostizierbarem Ermessen treffe. Dieses Ermessen sei bei Betriebsstilllegungen und -änderungen durch § 172 SGB IX ausgeschlossen bzw. stark eingeschränkt. Zwar würden die Ermessensbeschränkungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX gemäß § 172 Abs. 1 Satz 3 SGB IX wieder "aufgeweicht", wenn eine Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber möglich und zumutbar sei. Dem Integrationsamt stehe dann wieder ein Ermessen zu. Es sei jedoch zum einen zu beachten, dass eine Wiedereinräumung des Ermessens als Ausnahmevorschrift geregelt sei und tatsächlich eine Weiterbeschäftigung möglich und zumutbar sein müsse. Wenn dies nicht der Fall sei, bleibe es bei einer Regelentscheidung. Erst recht müsse dies für den Fall gelten, wenn - wie hier - mangels Entscheidung des Integrationsamts und damit mangels Ausübung des Ermessens die Zustimmungsfiktion des § 171 Abs. 5 Satz 2 SGB IX greife. In diesem Fall habe das Integrationsamt gerade keine Ermessensentscheidung getroffen. Es greife vielmehr die Fiktionswirkung ein. Bei einer "Entscheidung", die aber nicht einmal eine Regelentscheidung sei - also Ausnahmen in besonderen Konstellationen zuließe -, sondern gar fingiert werde, sei die Regelwirkung gesetzlich vorgegeben. Es könne selbst nach der differenzierenden Auffassung Spelges in dieser Konstellation mangels Ermessens also nicht von einer Gleichwertigkeit der Verfahren ausgegangen werden. Das Verfahren vor dem Integrationsamt sei aber aus dem Grunde nicht gleichwertig, da die Prüfung des Integrationsamts gemäß § 172 Abs. 1 Satz 3 SGB IX nicht vergleichbar sei mit dem in § 17 KSchG geregelten Massenentlassungsschutz. Auf die weiteren Ausführungen des Klägers hierzu wird verwiesen (Bl. 267 ff. d. A.).
Auch sei die Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt. Zwar könne der bloße Personalabbau bereits eine Betriebseinschränkung sein. Als Richtschnur dafür, wann erhebliche Teile der Belegschaft betroffen sind, habe die Rechtsprechung bislang die Zahlen- und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG über die Anzeigepflicht bei Massenentlassungen herangezogen. Berücksichtige man allerdings die Behauptung der Beklagten, sie habe noch mindestens 80 Grubenwehrreservisten neben den tatsächlich regelmäßig Beschäftigten (mindestens 20 Arbeitnehmer), werde man von über 100 Arbeitnehmern auszugehen haben. Orientiere man sich nun an den Quoten des § 17 KSchG, sei nicht von einer wesentlichen Betriebsänderung durch bloßen Personalablauf mangels Erreichens der Quote, zumindest nicht zum 31. Dezember 2019, auszugehen. Nur weil die Beklagte eine Kopie eines "Interessenausgleichs", der zwei Unterschriften trage, die dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin zuzuordnen sein sollen, vorlege, heiße das noch lange nicht, dass tatsächlich ein Interessenausgleich mit Namensliste mit den Daten, die auf der Kopie angeführt sind, geschlossen worden sei. Gleiches gelte für den Namensliste. Er bestreite weiterhin mit Nichtwissen. Im Rahmen der Prüfung der groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl werde übersehen, dass er sehr wohl zu einem bestimmten, mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer vorgetragen habe, der weniger schutzwürdig sei, nämlich X... Auch sei ihm - dem Kläger - nicht wegen der Betriebsstilllegung gekündigt worden, sondern wegen einer Reduzierung des Personals mit Wirkung zum 31. Dezember 2019, wobei selbst dieser Termin nicht eingehalten worden sei. Die Beteiligung der Mitarbeitervertretungen sei fehlerhaft, wenn diesen nicht das konkrete Beendigungsdatum mitgeteilt werde.
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte beantragt,
Sie behauptet, der Kläger sei nicht im eigentlichen Vermarktungs- und Vertriebsgeschäft tätig gewesen, sondern habe rein administrative Unterstützungsaufgaben im Innendienst ausgeführt. Da das eigentliche Vermarkungs- und Vertriebsgeschäft nicht Teil seiner Tätigkeiten gewesen sei, habe er auch keinen direkten Kundenkontakt gehabt. Wider besseres Wissen bestreite der Kläger die Führungsverantwortung des X... Dieser sei ihm hierarchisch übergeordnet. Mit Wirkung zum 1. August 2018 habe sie - auch auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers - den Bereich "Zentrale Koordinierung" eingerichtet, um die Mitarbeiter, die den aktiven Vertrieb "nur" im Innendienst unterstützten, diesen Kollegen gleichzustellen. Das habe den Kläger und seinen Kollegen E.. betroffen, die ab dann direkt an den Bereichsleiter T.. berichtet hätten. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Vorstands der S Aktiengesellschaft am 5. Februar 2019 habe ihr - der Beklagten - Geschäftsportfolio noch die Geschäftsfelder Vermarktungssteuerung/Vertrieb, Equipmentvermarktung/bergtechnische Dienstleistung, sonstige Dienstleistung/Arbeitnehmerüberlassung und die sogenannte Reservistengrubenwehr (mit 86 Grubenwehrreservisten) umfasst. Das vom Vorstand der S Aktiengesellschaft beschlossene Konzept sehe vor, dass die Geschäftsaktivitäten der Beklagten zum 31. Dezember 2019 teilweise und zum 31. Dezember 2020 vollständig eingestellt würden. Dies sei geschehen. Bezüglich der erforderlichen betriebsbedingten Kündigungen hätten die Betriebspartner einen Interessenausgleich mit Namensliste im Sinne von § 1 Abs. 5 KSchG sowie einen Sozialplan verhandelt. Die Namensliste sehe die Kündigung von acht Arbeitnehmern zum 31. Dezember 2019 sowie von acht weiteren Arbeitnehmern zum 31. Dezember 2020 vor. Die Vereinbarungen seien vom Betriebsrat am 12. März 2019 und von der Geschäftsführung am 18. März 2019 unterschrieben worden. Der Kläger stehe auf der Namensliste mit Kündigung zum 31. Dezember 2019. Mangels Annahme der von der Beklagten angebotenen Ausscheidensmöglichkeiten sei im Fall des Klägers eine betriebsbedingte Kündigung notwendig geworden.
Mit der Berufungsbegründung würden keine Argumente vorgebracht, die das Urteil in Frage stellen könnten. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs habe sie neben den Grubenwehrreservisten und den drei Bereichsleitern die 16 auf den Namenslisten erfassten unbefristeten Arbeitnehmer, zwei befristet Beschäftigte und drei Leiharbeitnehmer, also mehr als 20 Arbeitnehmer, beschäftigt. Sie habe ihren Betrieb in zwei Stufen stillgelegt. Die Organisation sei aufgelöst, der Betriebszweck aufgegeben. Gegenstand der Betriebsänderung sei die Stilllegung des Betriebs und nicht "nur" eine Einschränkung. Deshalb komme es auf die Staffeln des § 17 KSchG nicht an. Ein einheitlicher Leitungsapparat werde nach dem 31. Dezember 2020 nicht mehr bestehen. Die Entlassungen der Mitarbeiter seien wie dargestellt vollzogen. Der Interessenausgleich mit der Namensliste sei wirksam zustande gekommen. Entgegen der Auffassung des Klägers reiche es im Zivilprozess nicht, einfach grundsätzlich jeglichen Vortrag des Gegners pauschal in Abrede zu stellen. Lege eine Partei das wirksame Zustandekommen eines Interessenausgleichs samt Namensliste im Einzelnen und unter Beifügung von Unterlagen dar, sei ein pauschales Bestreiten mit Nichtwissen unbeachtlich. Die pauschale Behauptung des Klägers, er könne die Arbeit der Leiharbeitnehmer übernehmen, greife schon deswegen nicht, weil diese zum 31. Dezember 2019 abbestellt worden seien. Im Übrigen differenziere der Kläger bei seinem Vortrag nicht zwischen der Prüfung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten und der Frage, welche Arbeitnehmer mit ihm vergleichbar seien, weshalb sein Vortrag widersprüchlich und damit schon aus diesem Grund unerheblich sei. Eine Sozialauswahl sei nicht durchzuführen gewesen, jedenfalls seien grobe Fehler nicht erkennbar. Der Kläger behaupte auch zweitinstanzlich letztlich nur pauschal, mit allen Arbeitnehmern des Betriebs vergleichbar zu sein. Das sei unsubstantiiert und daher nicht erheblich. Soweit der Kläger im Zusammenhang mit der Beteiligung der Mitarbeitervertretungen noch moniere, dass der Beendigungstermin unrichtig mitgeteilt worden sei, setze er sich mit der diesen Punkt ausführlich aufgreifenden, zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts argumentativ gar nicht auseinander. Sie - die Beklagte - habe im Rahmen der Anhörungen unstreitig mitgeteilt, dass die Kündigungsfrist sechs Monate zum Monatsende beträgt. Es wäre aber selbst die Angabe einer unzutreffenden Kündigungsfrist unschädlich, wenn die Entscheidungsgrundlage des Betriebsrats sich dadurch nicht komplett verfälscht. Einer Massenentlassungsanzeige sowie einer Konsultation des Betriebsrats gemäß § 17 KSchG habe es nicht bedurft. Die Entlassungen der Beklagten hätten nicht die gesetzlichen Schwellenwerte erreicht. Berücksichtige man die Grubenwehrreservisten, seien die Schwellenwerte des § 17 KSchG schon nicht erreicht. Selbst wenn aber der Schwellenwert von mehr als fünf entlassenen Arbeitnehmern maßgeblich wäre, werde dieser Schwellenwert nicht erreicht. Für die Kündigungen im 30-Tage-Zeitraum sei nämlich auf den Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer abzustellen. Dem Kläger sei die Kündigung unstreitig am 26. Juli 2019 zugegangen. Entgegen seiner Auffassung sei für das Erreichen des Schwellenwerts nicht der Zeitpunkt des Antragseingangs beim LWL-Integrationsamt maßgeblich. Das BVerfG habe zwar im Kammerbeschluss vom 8. Juni 2016 entschieden, dass im Wege der verfassungskonformen Auslegung eine Kündigung, die allein deshalb außerhalb des 30 Tage-Zeitraums zugeht, weil zunächst ein anderes behördliches Verfahren durchzuführen war, so zu behandeln sein kann, wie Kündigungen, für die die Regeln des Massenentlassungsschutzes gelten; dies aber nur dann, wenn das andere behördliche Verfahren im Vergleich mit dem Massenentlassungsschutz nicht als gleichwertig zu betrachten ist. Die konkrete Entscheidung des BVerfG habe seinerzeit die Zulässigerklärung nach § 18 BEEG a.F. und nicht die Erteilung der Zustimmung durch das Integrationsamt betroffen. Das BAG sei in seiner Entscheidung vom 26. Januar 2017 dem BVerfG gefolgt, da es sich nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden gesehen habe, habe jedoch im Rahmen der Entscheidung auf zahlreiche Folgeprobleme hingewiesen, u.a. auf die ungeklärte Frage, welche anderen behördlichen Zustimmungserfordernisse ebenso wie § 18 BEEG keinen dem Massenentlassungsschutz vergleichbaren Schutz böten. Wie diese Entscheidung zeige, könne der Beschluss des BVerfG nicht einfach auf alle anderen behördlichen Verfahren übertragen werden, die im Vorfeld einer Kündigung durchgeführt werden müssen. Das gelte insbesondere für den besonderen Kündigungsschutz, der schwerbehinderten Menschen und ihnen Gleichgestellten nach dem SGB IX zukommt. Dieses behördliche Verfahren sei dem Massenentlassungsschutz gleichwertig. Daher sei eine verfassungskonforme Auslegung (und damit "Verlegung" des Zeitpunkts) des Entlassungsbegriffs gerade nicht geboten. Eine Gleichwertigkeit von Massenentlassungsschutz und Sonderkündigungsschutz sei nach dem BVerfG nur dann zu verneinen, wenn die Kündigung trotz des Sonderkündigungsschutzes regelhaft ermöglicht wird. Nur dann begründe § 17 KSchG höhere formale Anforderungen als der Sonderkündigungsschutz. Bestehe eine realistische Aussicht, dass der Kündigung nicht zugestimmt werde, werde aus Sicht des BVerfG die bestehende Benachteiligung durch den Ausschluss vom Massenentlassungsschutz durch die Begünstigung im Sonderkündigungsschutz ausgeglichen. Die gesetzliche Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes schwerbehinderter Menschen sehe eine solche Regelhaftigkeit der Zustimmung zur Kündigung gerade nicht vor. Gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 SGB IX treffe das Integrationsamt seine Entscheidung, ob es dem Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung der Kündigung stattgibt, die Fiktion eintreten lässt oder die Zustimmung verweigert, grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen. Allerdings bestehe gemäß § 172 Abs. 1 Satz 3 KSchG diese Einschränkung des Ermessens nicht, wenn eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz desselben Betriebs oder auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers mit Einverständnis des schwerbehinderten Arbeitnehmers möglich und für den Arbeitgeber zumutbar sei. Dies müsse das Integrationsamt also in jedem Fall prüfen. Die Entscheidung über die Zustimmungserteilung stehe dann wieder im pflichtgemäßen Ermessen des Amts. Das Integrationsamt müsse also bei einer Betriebsstilllegung immer prüfen, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf einen anderen freien Arbeitsplatz einsetzen kann, und ob dieser Arbeitsplatz dem Arbeitnehmer zumutbar ist. Insofern erfolge im behördlichen Verfahren genau das, was auch im Konsultationsverfahren nach § 17 KSchG geschehe: Es werde die Möglichkeit geprüft, die Kündigung durch andere Maßnahmen, insbesondere eine Weiterbeschäftigung zu anderen Bedingungen oder in einem anderen Betrieb, zu vermeiden. Folglich sei ein zusätzlicher Massenentlassungsschutz für den Arbeitnehmer mit Sonderkündigungsschutz nach dem SGB IX nicht erforderlich. Eine verfassungskonforme Auslegung des Entlassungsbegriffs sei nach den Grundsätzen des BVerfG nicht geboten. Die Behauptung des Klägers, dass innerhalb der vierwöchigen Fiktionsfrist eine Prüfung des Sachverhalts nicht möglich sei und sich das Integrationsamt daher bei Betriebsstilllegungen häufig auf die pauschale Angabe des Arbeitgebers beschränke, sei rechtlich irrelevant. Es komme ausschließlich darauf an, ob das Verfahren vor dem Integrationsamt gesetzlich dem Massenentlassungsverfahren gleichwertig ausgestaltet ist. Das Integrationsamt sei vorliegend seinen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen und habe auf Basis umfangreichen schriftsätzlichen Vorbringens - auch des Klägers - entschieden. Der Kündigungsschutz nach dem SGB IX stelle somit ein dem Kündigungsschutz des § 17 KSchG gleichwertiges Verfahren sicher. Einer verfassungskonformen Auslegung bedürfe es nicht, so dass auch im Falle des Klägers maßgeblicher Entlassungszeitpunkt der Zugang der Kündigungserklärung am 26. Juli 2019 gewesen sei. Innerhalb eines 30 Tage-Zeitraums um den 26. Juli 2019 habe sie aber nicht mehr als fünf Arbeitnehmer entlassen. Das pauschale Bestreiten des Klägers reiche insoweit nicht aus. Selbst bei Zugrundelegung eines Schwellenwerts von sechs Arbeitnehmern seien im Ergebnis weder ein Konsultationsverfahren noch eine Anzeige nach § 17 KSchG erforderlich gewesen.
Wegen des weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird verwiesen auf deren wechselseitige Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der öffentlichen Sitzungen erster und zweiter Instanz, die insgesamt Gegenstand der letzten mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung des Klägers ist nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft und zulässig. Sie ist form- und fristgerecht gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
II. In der Sache ist die Berufung unbegründet.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das zwischen den Parteien bestandene Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Juli 2019 mit dem 31. Januar 2020 aufgelöst.
Die Kammer folgt zunächst den umfassenden Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung, soweit diese sich befassen mit der Sozialwidrigkeit der streitigen Kündigung (§ 1 Abs. 1, 2 KSchG), insbesondere der Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG (s. unter II. 1. a)), dem Interessenausgleich (s. unter II. 1. b)) und der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG (s. unter II. 1. c)), sodann mit der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts nach §§ 168 ff. SGB IX (s. unter II. 2.), der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG (s. unter II. 3.) und der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 SGB IX (s. unter II. 4.), und sieht insoweit von der Darstellung eigener, lediglich wiederholender Entscheidungsgründe ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Die Berufung des Klägers gibt allein zu den nachstehenden Anmerkungen Anlass.
1. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1 KSchG. Sie ist vielmehr durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Beklagten entgegenstehen, bedingt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).
Dies ist gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu vermuten. Sind bei einer Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist.
a) Aufgrund der Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen dringender betrieblicher Erfordernisse für die ausgesprochene Kündigung (etwa BAG 29. September 2005 - 8 AZR 647/04, NZA 2006, 720). Ein Fehlen dringender betrieblicher Erfordernisse vermochte der Kläger nicht darzutun.
aa) Zwar hat der Kläger gemeint, es sei nicht von einer wesentlichen Betriebsänderung durch bloßen Personalabbau auszugehen unter Berücksichtigung der Behauptung der Beklagten, sie beschäftige noch mindestens 80 Grubenwehrreservisten neben den tatsächlich regelmäßig beschäftigten mindestens 20 Arbeitnehmern, so dass man von über 100 Arbeitnehmern auszugehen habe. Zum 31. Dezember 2019 sei daher die Quote des § 17 KSchG nicht erreicht. Dieses Vorbringen verkennt indes, dass die Beklagte ihren Betrieb in zwei Stufen stillgelegt hat bzw. stilllegt unter Aufgabe von Betriebsorganisation und Betriebszweck mit der Folge, dass nach dem 31. Dezember 2020 ein einheitlicher Leitungsapparat nicht mehr bestehen wird. Da folglich Gegenstand der Betriebsänderung nicht eine Einschränkung, sondern die Stilllegung des Betriebs ist, kommt es auf die Staffeln des § 17 KSchG nicht an.
bb) Soweit der Kläger meint, nicht die Betriebsstilllegung sei kausal für seine Kündigung, sondern eine Reduzierung des Personals mit Wirkung zum 31. Dezember 2019, wobei selbst dieser Termin nicht eingehalten worden sei, bleibt sein Vorbringen allenfalls spekulativ und setzt sich nicht damit auseinander, dass im Streitfall die Betriebsänderung in zwei Stufen erfolgt: zunächst in einer Einschränkung zum 31. Dezember 2019 und sodann in der zum 31. Dezember 2020 beabsichtigten endgültigen Stilllegung des Betriebs.
b) Der zwischen der Beklagten und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat abgeschlossene Interessenausgleich ist wirksam. Insbesondere ist ein erhebliches Bestreiten des ordnungsgemäßen Zustandekommens des Interessenausgleichs durch den Kläger nicht erkennbar. Sein Vorbringen und Bestreiten mit Nichtwissen, nur weil die Beklagte eine Kopie eines "Interessenausgleichs", der zwei Unterschriften trage, die dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin zuzuordnen sein sollen, vorlege, heiße das noch lange nicht, dass tatsächlich ein Interessenausgleich mit Namensliste mit den Daten, die auf der Kopie angeführt sind, geschlossen worden sei, Gleiches gelte für den Namensliste, bleibt ohne Substanz. Die Beklagte hat das wirksame Zustandekommen eines Interessenausgleichs samt Namensliste im Einzelnen und unter Beifügung von Unterlagen dargelegt und ausgeführt, dass bezogen auf die erforderlichen betriebsbedingten Kündigungen die Betriebspartner einen Interessenausgleich mit Namensliste iSv. § 1 Abs. 5 KSchG sowie einen Sozialplan verhandelt hätten, dass die Namensliste die Kündigung von acht Arbeitnehmern zum 31. Dezember 2019 sowie von acht weiteren Arbeitnehmern zum 31. Dezember 2020 vorsehe, dass die Vereinbarungen vom Betriebsrat am 12. März 2019 und von der Geschäftsführung am 18. März 2019 unterschrieben worden seien und dass der Kläger mangels Annahme der von der Beklagten angebotenen Ausscheidensmöglichkeiten auf der Namensliste mit Kündigung zum 31. Dezember 2019 stehe. Die Annahme des Arbeitsgerichts, dass der Interessenausgleich ebenso wie die Namensliste von dem Betriebsrat am 12. März 2019 und von der Geschäftsführung am 18. März 2019 unterschrieben worden ist, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Bei dem so vorgetragenen Sachverhalt ist ein einfaches Bestreiten des Klägers mit Nichtwissen nicht erheblich. Der Kläger hätte konkrete Umstände dartun müssen, die geeignet wären, Zweifel an dem durch Unterzeichnung der Betriebsparteien zustande gekommenen Interessenausgleich und der Namensliste und deren Inhalten aufkommen zu lassen. Dies hat er nicht vermocht. Sein lediglich pauschales Bestreiten ist unbeachtlich.
c) Die Kündigung ist auch nicht wegen einer grob fehlerhaften sozialen Auswahl rechtsunwirksam.
Wegen des vorliegenden Interessenausgleichs mit Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer ist die soziale Auswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar. Die Beklagte hat eine soziale Auswahl nicht vorgenommen, da sie den Kläger für mit keinem anderen Arbeitnehmer im Betrieb vergleichbar gehalten hat. Der Kläger hat hingegen vorgetragen, er sei mit allen anderen Arbeitnehmern vergleichbar zu sein. Das Arbeitsgericht habe jedenfalls übersehen, dass er sehr wohl zu einem bestimmten, mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer vorgetragen habe, der weniger schutzwürdig sei, nämlich X...
aa) Die Behauptung des Klägers, er sei mit allen anderen Arbeitnehmern vergleichbar, ist zunächst rechtlich ohne Bedeutung. Erforderlich ist vielmehr, dass die vorgenommene bzw. unterlassene Sozialauswahl evident und massiv abweicht von den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG und der Interessenausgleich jede soziale Ausgewogenheit vermissen lässt (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 386/11, NZA 2013, 333; BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07, NZA 2009, 1023). Die Auswahl muss mit Blick auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis grob fehlerhaft sein. Der beweisbelastete Arbeitnehmer (§ 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG) muss darlegen und beweisen, dass die Nichteinbeziehung anderer Arbeitnehmer offensichtlich sachlich ungerechtfertigt ist. Einzubeziehen in die Sozialauswahl sind nur auf derselben Ebene der betrieblichen Hierarchie beschäftigte Arbeitnehmer, die miteinander verglichen werden können im Sinne einer Austauschbarkeit aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse sowie nach dem Arbeitsvertragsinhalt (etwa BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 271/12, NZA 2013, 837).
bb) Gemessen an den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl, denen sich die Berufungskammer anschließt und die das Arbeitsgericht zutreffend angewendet hat, weist die soziale Auswahl zumindest keine groben Fehler auf.
Mit dem Arbeitnehmer X.. ist der Kläger nicht vergleichbar. Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass es bereits an der horizontalen Vergleichbarkeit fehlt, da der Arbeitnehmer X.., der unstreitig als Abteilungsleiter Rechnungswesen/kaufmännische Abwicklung tätig ist, einer anderen Hierarchieebene angehört. Ob und inwieweit dieser zusätzlich Führungsverantwortung hat, kann offenbleiben. Das weitere Vorbringen des Klägers zu einer eventuellen groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl ist und bleibt unsubstantiiert. Das gilt sowohl für seine pauschale Behauptung, er könne die Arbeit der zum 31. Dezember 2019 abbestellten Leiharbeitnehmer übernehmen, wie auch für seinen ebenso pauschalen Vortrag, er sei mit allen Arbeitnehmern des Betriebs vergleichbar. Unsubstantiiert ist auch sein Vorbringen, als Vermarkter tätig werden zu können, weil er sehr viele Kundenkontakte gehabt habe. Auch die weiteren Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung sind nicht geeignet, die zu verneinende grobe Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl in Frage zu stellen.
2. Die Kündigung ist nicht nichtig gemäß § 134 BGB iVm. §§ 151 Abs. 1 und 3, 168 SGB IX. Die Kündigung bedurfte grundsätzlich der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Die Zustimmung gilt jedoch gemäß § 171 Abs. 5 Satz 2 SGB IX als erteilt, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat. Die einmonatige Kündigungserklärungsfrist des § 171 Abs. 3 und 5 Satz 3 SGB IX ist eingehalten; die Kündigung ging dem Kläger am 26. Juli 2019 zu.
Dem setzt die Berufung nichts entgegen.
3. Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG wegen fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam.
Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung die Auffassung vertritt, die Beteiligung der Mitarbeitervertretung sei fehlerhaft, wenn dieser nicht das konkrete (gemeint im Sinne von: korrekte) Beendigungsdatum mitgeteilt werde, ist dem nicht zu folgen. Der Kläger setzt sich zu diesem Punkt argumentativ schon nicht mit der ausführlichen, zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts auseinander.
Rechtlich gilt (mit BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13, NZA 2015, 476 Rn. 21, 22), dass es schon keiner (zutreffenden) Angabe der Kündigungsfrist oder der Parameter zu ihrer Berechnung bedurfte, um dem Betriebsrat Kenntnis darüber zu verschaffen, wann das Arbeitsverhältnis durch die angestrebte Kündigung beendet werden sollte. Im Streitfall hat die Beklagte dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung unstreitig mitgeteilt, dass die Kündigungsfrist sechs Monate zum Monatsende beträgt. Es ist insoweit unschädlich, dass die zum 31. Dezember 2019 beabsichtige Kündigung tatsächlich erst zum 31. Januar 2020 erklärt wurde. Denn die Entscheidungsgrundlage des Betriebsrats konnte dadurch nicht, und schon gar nicht komplett, verfälscht werden. Die Arbeitnehmervertretung war insbesondere nicht gehindert, die Kündigungsabsicht der Beklagten im Übrigen sachgerecht prüfen zu können. Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG reicht nicht so weit wie seine Darlegungslast im Prozess. Die Anhörung des Betriebsrats soll diesem nicht die selbständige Überprüfung der Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen. Der Betriebsrat soll in die Lage versetzt werden, sachgerecht auf den Arbeitgeber einzuwirken durch eine Überprüfung von Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe und eine entsprechende Meinungsbildung. Im Streitfall war ihm dies nach Maßgabe der Angaben im Anhörungsschreiben vom 13. Mai 2019 möglich. Das Anhörungsschreiben konnte bei ihm nicht etwa eine vollkommen unzutreffende Vorstellung von der Länge der ordentlichen Kündigungsfrist des Klägers bewirken. Da die Beklagte in der Betriebsratsanhörung mitteilt, dass eine Gleichstellung des Klägers mit einem schwerbehinderten Menschen beantragt ist, konnte der Betriebsrat auch davon ausgehen, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum nächstzulässigen Zeitpunkt kündigen wird, so eine Kündigung zum beabsichtigten Ausscheidensdatum 31. Dezember 2019 nicht möglich ist. Der Unterschied zwischen der angegebenen und der tatsächlich eingehaltenen Frist ist zudem mit einem Monat nicht so beträchtlich, dass der Betriebsrat von gänzlich falschen Annahmen ausgehen konnte oder musste.
4. Die Kündigung ist auch nicht gemäß § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX iVm. § 151 Abs. 1 und 3 SGB IX rechtsunwirksam.
Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX erklärt, ist unwirksam; der Kläger fällt als einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt unter den Schutzbereich der Norm. Mit Schreiben vom 9. Mai 2019 hörte die Beklagte die Vertrauensperson der Schwerbehinderten zur beabsichtigten Kündigung schriftlich an. Der Kläger hat zwar die Angaben der Beklagten zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung erstinstanzlich mit Nichtwissen bestritten, hierbei indes substantiierte Einwendungen nicht erhoben. Ebensowenig sind durchgreifende Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Beteiligung ersichtlich.
Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung die Auffassung vertritt, die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung sei fehlerhaft, wenn dieser nicht das konkrete (gemeint im Sinne von: korrekte) Beendigungsdatum mitgeteilt werde, ist dem nicht zu folgen. Es fehlt hierzu bereits an jeder argumentativen Auseinandersetzung mit der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts. Im Übrigen kann verwiesen werden auf die oben stehenden Entscheidungsgründe zu § 102 BetrVG (s. unter II. 3.); es gilt nichts anderes.
5. Die Kündigung vom 26. Juli 2019 ist nicht wegen Nichtbeachtung des besonderen Kündigungsschutzes bei Massenentlassungen unwirksam. Es bedurfte für die Kündigung weder einer Massenentlassungsanzeige noch der Konsultation des Betriebsrats.
a) Nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als fünf Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt; nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 KSchG gilt diese gesetzliche Anzeigepflicht ebenso in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern, bevor der Arbeitgeber 10 vom Hundert der in dem Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt.
Beabsichtigt der Arbeitgeber nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über 1. die Gründe der geplanten Entlassungen, 2. die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, 3. die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, 4. den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, 5. die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer und 6. die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien. Arbeitgeber und Betriebsrat haben dann nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG insbesondere über die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern (Konsultationsverfahren).
Der in § 17 KSchG geregelte besondere Kündigungsschutz bei Massenentlassungen unterfällt mithin in zwei getrennt durchzuführende Verfahren mit jeweils eigenen Wirksamkeitsvoraussetzungen, nämlich die in § 17 Abs. 2 KSchG normierte Pflicht zur Konsultation des Betriebsrats einerseits und die sich anschließende in § 17 Abs. 1 und Abs. 3 KSchG geregelte Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit andererseits. Beide Verfahren dienen in unterschiedlicher Weise der Erreichung des mit dem Massenentlassungsschutz verfolgten Ziels. Jedes dieser beiden Verfahren stellt ein eigenständiges Wirksamkeitserfordernis für die im Zusammenhang mit einer Massenentlassung erfolgte Kündigung dar (BAG 13. Juni 2019 - 6 AZR 459/18, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 55; BAG 22. September 2016 - 2 AZR 276/16, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 52).
b) Die Kündigung ist nicht gemäß § 134 BGB iVm. § 17 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG unwirksam. Mangels Überschreitens der Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG war im Streitfall ein Konsultationsverfahren ebensowenig durchzuführen wie die Beklagte verpflichtet war, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten.
Die Entlassungen der Beklagten haben nicht die gesetzlichen Schwellenwerte erreicht. Unter Hinzurechnung der etwa 80 Grubenwehrreservisten sind die Schwellenwerte des § 17 KSchG ohne weiteres nicht erreicht. Doch auch bei Zugrundelegung des Schwellenwerts des § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG von mehr als fünf entlassenen Arbeitnehmern, wird dieser Schwellenwert nicht erreicht. Für die Berechnung der Kündigungen im 30 Tage-Zeitraum ist auf den Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer abzustellen. Die Kündigung ist dem Kläger am 26. Juli 2019 zugegangen. Auch im Fall von schwerbehinderten Arbeitnehmern oder ihnen nach § 151 Abs. 1 und 3 SGB IX Gleichgestellten ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Entlassung nicht der Zeitpunkt des Zugangs des Antrags des Arbeitgebers auf Kündigungszustimmung beim Integrationsamt.
aa) Allerdings ist diese Rechtsfrage noch ungeklärt.
(1) Fällt eine Kündigung nicht in den 30 Tage-Zeitraum des § 17 Abs. 1 KSchG und somit nicht in den zeitlichen Zusammenhang einer Massenentlassung, entfallen die Pflichten aus § 17 KSchG selbst dann, wenn die Kündigung auf demselben Grund, etwa einer Betriebsstilllegungsentscheidung, beruht wie vorangegangene Kündigungen, bei denen einer der Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG überschritten wurde. Etwas anderes gilt, wenn hierdurch Arbeitnehmer im Zusammenhang mit ihrer Elternzeit vom Anwendungsbereich des Massenentlassungsschutzes ausgenommen werden. Es verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 iVm. Art. 6 Abs. 1 GG und zugleich gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG wegen einer faktischen Benachteiligung wegen des Geschlechts, wenn bei Zugang der Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers in Elternzeit der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 KSchG Satz 1 KSchG nur deshalb nicht erreicht wird, weil die erforderliche behördliche Zustimmung zu der Kündigung noch nicht erteilt war und deshalb die Schutzmechanismen vor Massenentlassungen nicht eingreifen (BVerfG 8. Juni 2016 - 1 BvR 3634/13, NZA 2016, 939). Im Wege der verfassungskonformen Auslegung kann eine Kündigung, die allein deshalb außerhalb des 30 Tage-Zeitraums zugeht, weil zunächst ein behördliches Verfahren durchzuführen war, daher so zu behandeln sein wie eine Kündigung, für die die Regeln des Massenentlassungsschutzes gelten. Doch ist mit dem BVerfG die verfassungskonforme Auslegung des Entlassungsbegriffs nur dann zu verlangen, wenn das behördliche Verfahren keinen dem Massenentlassungsschutz gleichwertigen Schutz bietet. Dies dürfte für § 18 BEEG zu bejahen sein, weil bei einer - dort vorgelegenen - Betriebsstilllegung die Kündigung regelmäßig für zulässig erklärt wird. Das Bundesarbeitsgericht ist in seiner Entscheidung vom 26. Januar 2017 (6 AZR 442/16, NZA 2017, 577) dem BVerfG gefolgt, hat aber zugleich auf zahlreiche Folgeprobleme hingewiesen, etwa auf die ungeklärte Frage, welche anderen behördlichen Zustimmungserfordernisse ebenso wie § 18 BEEG keinen dem Massenentlassungsschutz vergleichbaren Schutz böten.
(2) Ein Teil der Literatur meint, dass auch für schwerbehinderte Arbeitnehmer und ihnen Gleichgestellte der maßgebliche Entlassungszeitpunkt iSd. § 17 KSchG der Zeitpunkt des Zugangs des Antrags auf Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt sei (KR/Weigand, 12. Aufl., § 17 KSchG Rn. 80; Schaub ArbR-HdB/Linck, 18. Aufl., § 142 Rn. 13; Karcher/Bachmann, BB 2020, 2484, 2488).
(3) Andere Autoren stellen für diesen Fall ab auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (ErfK/Kiel, 21. Aufl., § 17 KSchG Rn. 17a; LKB/Bayreuther, KSchG, 16. Aufl., § 17 Rn. 34; MHbB ArbR/Spelge, 4. Aufl., § 121 Rn. 71ff., 74; Spelge in: NZA-Beilage 3/2017, 108, 111; von Bernuth DB 2017, 1027f.).
(4) Die relevante Frage, ob der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer und ihnen Gleichgestellte nach dem SGB IX ein dem Massenentlassungsschutz des § 17 KSchG gleichwertiges behördliches Verfahren vorsieht, ist zu bejahen. Die Auffassungen von insbesondere Spelge und Kiel sind vorzugswürdig.
Das BVerfG verlangt die verfassungskonforme Auslegung des Entlassungsbegriffs nur, wenn das behördliche Verfahren keinen dem Massenentlassungsschutz gleichwertigen Schutz bietet (BVerfG 8. Juni 2016 - 1 BvR 3634/13, NZA 2016, 939 Rn. 25) und hat dies für § 18 BEEG bejaht. Es lag dem Verfahren ein Fall einer Betriebsstilllegung zugrunde, bei welcher eine Kündigung regelmäßig für zulässig erklärt wird. Daraus folgt, dass die Gleichwertigkeit von Massenentlassungsschutz und Sonderkündigungsschutz nur dann zu verneinen ist, wenn die Kündigung trotz des Sonderkündigungsschutzes regelhaft ermöglicht wird (MHbB ArbR/Spelge, 4. Aufl., § 121 Rn.71). Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 4 BEEG ("in besonderen Fällen") wird die Kündigung regelhaft nur für zulässig erklärt, wenn der Betrieb ohne Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen stillgelegt wird oder wenn durch die Kündigung offenkundig die Existenz des Arbeitgebers gefährdet ist (vgl. Nr. 2.1.1 und 2.1.5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift, BAnz 2007, 247).
Insoweit ist auch bei der nach § 168 SBG IX erforderlichen Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen und eines diesem Gleichgestellten zu differenzieren. Im Normalfall trifft das Integrationsamt seine Entscheidung darüber, ob es dem Antrag des Arbeitgebers nachkommt oder die Zustimmung versagt, nach freiem, pflichtgemäßem Ermessen (BVerwG 22. Mai 2013 - 5 B 24/13, BeckRS 2013, 51619; BVerwG 28. September 2017 - 5 C 13.16, BeckRS 2017, 139143). Hingegen ist der Ermessensspielraum des Integrationsamts in den Fällen des § 172 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 SGB IX nur gering. Insbesondere bei Betriebsstilllegungen und -änderungen ist das behördliche Ermessen stark eingeschränkt; die Zustimmung "soll" erteilt werden. Im Regelfall bedeutet das Soll ein Muss, und nur bei Vorliegen besonderer Umstände, die den Fall atypisch erscheinen lassen, hat das Integrationsamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (Neumann/Pahlen u.a., Sozialgesetzbuch IX, 14. Aufl., § 172 Rn. 3 unter Hinweis auf die Rspr. insbesondere des BVerwG). Doch werden die gesetzlichen Ermessensbeschränkungen durch § 172 Abs. 1 Satz 3 SGB IX wieder aufgehoben mit der Folge, dass dem Integrationsamt freies, pflichtgemäßes Ermessen erneut zukommt, wenn eine Weiterbeschäftigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf einem anderen Arbeitsplatz im selben oder einem anderen Betrieb des Unternehmens desselben Arbeitgebers möglich und zumutbar ist.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist bei einer Entscheidung des Integrationsamts gemäß § 172 Abs. 1 SBG IX der Prüfungsmaßstab nicht derselbe wie bei § 18 BEEG. Das "Aufsatteln des Massenentlassungsschutzes auf den Sonderkündigungsschutz" (Spelge in: NZA-Beilage 3/2017, 108, 111) ist bereits systemwidrig. Dass die behördlichen Verfahren Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz keinen dem Massenentlassungsschutz gleichwertigen Schutz bieten, wird für das Verfahren nach § 18 BEEG bei einer Betriebsstilllegung angenommen (BAG 26. Januar 2017 - 6 AZR 442/16, NZA 2017, 577). Nach § 17 Abs. 2 MuSchG ist die Kündigung für nicht zulässig zu erklären, wenn im Unternehmen eine Weiterbeschäftigung möglich ist. Gemäß § 172 Abs. 1 Satz 3 SGB X steht es hingegen im freien, pflichtgemäßen Ermessen des Integrationsamts, ob es gleichwohl die nach § 168 SGB IX erforderliche Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers erteilen will. Kommt eine Weiterbeschäftigung in Betracht, und ist dies im behördlichen Verfahren zu prüfen, fehlt es eben an der vom BVerfG für eine mangelnde Gleichwertigkeit des Sonderkündigungsschutzes vorausgesetzten Regelhaftigkeit der Zustimmung (Spelge in: NZA-Beilage 3/2017, 108, 111). Es wird dann im behördlichen Verfahren, wie es auch im Konsultationsverfahren geschieht, die Möglichkeit geprüft, ob eine Weiterbeschäftigung zu anderen Bedingungen oder in einem anderen Betrieb erfolgen kann; eines zusätzlichen Massenentlassungsschutzes bedarf es nicht (im Ergebnis ebenso ErfK/Kiel, 21. Aufl., § 17 KSchG Rn. 17a) . Das Integrationsamt trifft seine Entscheidung, ob es dem Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung der Kündigung stattgibt, die gesetzliche Fiktion des § 171 Abs. 5 Satz 2 SGB IX eintreten lässt oder die Zustimmung verweigert, grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Integrationsamt hat nach den §§ 20, 21 SGB X den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Dabei hat es im Rahmen der vom Arbeitgeber gestellten Anträge und der von ihm mitgeteilten Kündigungsgründe all das zu ermitteln, was für eine Entscheidung über den Zustimmungsantrag oder eine gütliche Einigung erforderlich ist. Es bestimmt selbst Art und Umfang der Ermittlungen und ist weder an das Vorbringen noch an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden (§ 20 Abs. 1 SGB X). Im Rahmen dieses Untersuchungsgrundsatzes hat es sich der Beweismittel zu bedienen, die es nach pflichtmäßigem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Bei einer Betriebsstilllegung hat das Integrationsamt regelmäßig zu prüfen, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf einen anderen freien Arbeitsplatz einsetzen kann und ob dieser Arbeitsplatz dem Arbeitnehmer zumutbar ist. Im behördlichen Verfahren wird dabei, wie im Konsultationsverfahren nach § 17 KSchG, die Möglichkeit geprüft, die Kündigung durch andere Maßnahmen, insbesondere eine Weiterbeschäftigung zu anderen Bedingungen oder in einem anderen Betrieb, zu vermeiden. Im Streitfall ist das Integrationsamt seinen gesetzlichen Pflichten nachgekommen und hat auf Basis umfangreichen schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien entschieden.
bb) Im Ergebnis stellt der Kündigungsschutz nach dem SGB IX ein dem Kündigungsschutz des § 17 KSchG gleichwertiges Verfahren sicher. Einer verfassungskonformen Auslegung bedarf es daher im zu entscheidenden Fall nicht; maßgeblicher Entlassungszeitpunkt ist der Zugang der Kündigungserklärung am 26. Juli 2019.
c) Die Beklagte war nach alldem nicht gehalten, die Massenentlassungsanzeige und das Konsultationsverfahren nach § 17 KSchG durchzuführen. Die Kündigung ging dem Kläger am 26. Juli 2019 zu. Innerhalb eines Zeitraums von 30 Kalendertagen um das Datum 26. Juli 2019 hat die Beklagte auch unter Berücksichtigung des Abschlusses von Aufhebungsverträgen nicht mehr als fünf Arbeitnehmer entlassen (§ 17 Abs. 1 KSchG).
Dies hat Kläger unzureichend und prozessual unzulässig nur mit Nichtwissen bestritten, ohne seiner Darlegungslast zu entsprechen, zu den erforderlichen Zahlen der Beschäftigten sowie der entlassenen Arbeitnehmer vorzutragen und diese im Streitfall zu beweisen (BAG 26. Januar 2017 - 6 AZR 442/16, NZA 2017, 577 mwN). Auch zweitinstanzlich sind keine weiteren Darlegungen erfolgt.
Zudem sprechen die unstreitigen Umstände gegen mehr als fünf Entlassungen in einem Zeitraum von 30 Tagen um den 26. Juli 2019. Kündigungen hat die Beklagte mit der Ausnahme im streitgegenständlichen Fall nicht erklärt. Fristablauf zur Annahme der angebotenen Aufhebungsverträge für die unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer der Beklagten war der 15. Mai 2019. Der Ablauf der befristeten Arbeitsverhältnisse ist zum einen rechtlich nicht zu berücksichtigen, zum anderen scheiden die beiden befristet Beschäftigen erst zum 31. Dezember 2019 und 31. Dezember 2020 aus.
III. Der mit dem Rechtsmittel unterlegene Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Die Revision war zuzulassen wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage ist von grundsätzlicher Bedeutung, wenn ihre Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder sie wegen ihrer tatsächlichen, etwa wirtschaftlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit eng berührt (vgl. BAG 25. September 2012 - 1 AZN 1622/12; BAG 28. Juni 2011 - 3 AZN 146/11; BAG 23. Januar 2007 - 9 AZN 792/06). Die aufgeworfene Rechtsfrage muss sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren. Dies kann der Fall sein, wenn die Rechtsfrage über einen einzelnen Arbeitgeber hinaus Bedeutung hat und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts betroffen ist.
Über den konkreten Fall des hiesigen Verfahrens hinaus stellt sich die entscheidungserhebliche und noch ungeklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob dann, wenn eine Kündigung nach § 168 SBG IX der vorherigen behördlichen Zustimmung bedarf und aus diesem Grunde der Zugang der Kündigungserklärung erst nach Ablauf des gesetzlichen 30 Tage-Zeitraums erfolgt, der Arbeitnehmer die gleiche Behandlung beanspruchen kann, wie sie für Arbeitnehmer gemäß § 17 KSchG gilt.