26.10.2020 · IWW-Abrufnummer 218488
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Beschluss vom 13.08.2020 – 5 TaBV 25/19
In dem Beschlussverfahren unter Beteiligung
1. Betriebsrat der Firma A., A-Straße, A-Stadt
- Antragsteller, Beteiligter zu 1 und Beschwerdeführer -
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte B., B-Straße, B-Stadt
2. Firma A. GmbH, A-Straße, A-Stadt
- Beteiligte zu 2 und Beschwerdegegnerin -
Verfahrensbevollmächtigter: Arbeitgeberverband D., D-Straße, D-Stadt
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Anhörung vom 13. August 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Vonderau als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter Schwarz und Best als Beisitzer beschlossen:
Tenor:
I. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 15. August 2019, Az. 5 BV 18/18, wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin dem Betriebsrat dreh- und rollbare Bürostühle mit Armlehnen für die Sitzungen zur Verfügung zu stellen hat.
Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) betreibt ein Unternehmen der Getränkeindustrie, sie beschäftigt in ihrem Betrieb in A-Stadt über 200 Arbeitnehmer, für den der antragstellende, aus neun Mitgliedern bestehende Betriebsrat (Beteiligter zu 1) gebildet ist. Das Betriebsratsbüro ist mit neun Bürostühlen ausgestattet, drei Stühle sind dreh- und rollbar, sechs Stühle haben Stuhlbeine (Lichtbilder Bl. 50-52 d.A.). Der Betriebsrat ist der Ansicht, ihm stünden weitere sechs dreh- und rollbare Bürostühle mit Armlehnen zu. Es sei erforderlich, dass jedes Mitglied über einen solchen Stuhl verfüge, um sich in Sitzungen ohne gesundheitliche Schäden platzieren und Präsentationen (mittels Beamer) folgen zu können, wozu eine Drehbewegung zur Optimierung des Sichtfeldes nötig sei. Es sei den Mitgliedern nicht zuzumuten, die teilweise achtstündigen Sitzungen auf einfachen Stühlen zu verbringen, die weder über Armlehnen noch über Dreh- und Rolltechnik verfügten. Die Arbeitsstättenverordnung schreibe für Büroarbeitsplätze dreh- und rollbare Bürostühle mit Armlehnen zwingend vor.
Der Betriebsrat hat erstinstanzlich beantragt,
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
Erstinstanzlich erklärte sich die Arbeitgeberin bereit, die sechs Bürostühle mit Stuhlbeinen gegen sechs Freischwinger auszutauschen, mit denen sie ihre Besprechungs- und Konferenzräume ausgestattet hat (Lichtbilder Bl. 34-36 d.A.). Der Betriebsrat lehnte dieses Angebot mit Beschluss vom 27.06.2019 als unzureichend ab.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 15.08.2019 den Antrag des Betriebsrats abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, die Arbeitgeberin habe dem Betriebsrat nach § 40 Abs. 2 BetrVG für Sitzungen ua. eine ausreichende Bestuhlung mit angemessenem Komfort zur Verfügung zu stellen. Die Arbeitsstättenrichtlinie "Sitzgelegenheiten" (Abschnitt 1 ASR 25/1) verpflichte die Arbeitgeberin nicht, für den Betriebsrat die beantragten Stühle anzuschaffen. Für die Erledigung der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats seien sechs dreh- und rollbare Bürostühle mit Armlehnen nicht erforderlich. Der Betriebsrat habe sich bei seiner Entscheidung allein von übersteigerten Komforterwägungen leiten lassen und die berechtigten Interessen der Arbeitgeberin, insbesondere die Kostentragungspflicht, ignoriert. Es gebe keinen Erfahrungssatz, dem zufolge das Sitzen auf dreh- und rollbaren Bürostühlen zu einer objektiv messbaren Verbesserung der Tätigkeitssituation während Betriebsratssitzungen (und/oder Konferenzen) führe. Es könne zwar sein, dass bei Präsentationen die Anpassung und Ausrichtung der Sitzposition etwas erleichtert werde. Dem stehe aber gegenüber, dass die verlangten Sitzmöbel zu einem anlasslosen Rollen und Drehen verführten, was die Konzentration der Teilnehmer der Betriebsratssitzung erheblich stören könnte. Die Befürchtung des Betriebsrats bei der Ausrichtung der Sitzmöbel könnten gesundheitlicher Schäden eintreten, sei völlig überzogen. Zwar seien die noch bei Einleitung des Verfahrens vorhandenen einfachen Sitzmöbel (Lichtbild Bl. 52 d.A.) unzureichend gewesen. Allerdings seien die im Laufe des Verfahrens angebotenen Freischwinger iSv. § 40 Abs. 2 BetrVG ausreichend. Die Kammer habe bei einer Sitzprobe festgestellt, dass es sich auf dem Freischwinger ausgesprochen komfortabel sitzen lasse und dass wohl auch bei längerem Sitzen der Komfort nicht leide. Der Freischwinger sei relativ leicht und damit gut beweglich, insbesondere auch gut drehbar.
Der angefochtene Beschluss vom 15.08.2019 ist dem Betriebsrat am 24.09.2019 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 22.10.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom (Montag) 25.11.2019, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet.
Der Betriebsrat macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe seinen Mitgliedern einen nicht beherrschbaren Bewegungsdrang unterstellt. Insbesondere habe es seine eigene Entscheidung an die des Betriebsrats gesetzt. Das Arbeitsgericht habe ausschließlich auf die gerichtliche "Sitzprobe" abgestellt und die Erforderlichkeit der Stühle nach seinem eigenen Wohlbefinden beim Sitzen auf den von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Freischwingern beurteilt. Allein die Tatsache, dass das Verfolgen von Präsentationen erleichtert werde, zeige die Dienlichkeit des Sachmittels für die Betriebsratstätigkeit auf. Die von ihm vorgeschlagenen Sitzmöbel seien sogar günstiger als die von der Arbeitgeberin angebotenen Freischwinger. Damit sei auch der Forderung Rechnung getragen, dass er die Kosteninteressen der Arbeitgeberin zu berücksichtigen habe.
Der Betriebsrat beantragt zweitinstanzlich,
Die Arbeitgeberin beantragt,
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten in beiden Instanzen nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
II.
Die nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte sowie form- und fristgerecht (§§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 2 ArbGG) eingelegte und begründete Beschwerde des Betriebsrats hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Antrag zu Recht abgewiesen. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, dem Betriebsrat weitere sechs dreh- und rollbare Bürostühle mit Armlehnen für Betriebsratssitzungen zur Verfügung zu stellen.
Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang ua. sachliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Zu den sachlichen Mitteln, die der Arbeitgeber für die Sitzungen des Betriebsrats zur Verfügung stellen muss, gehören Stühle in ausreichender Anzahl. Darüber herrscht unter den Beteiligten kein Streit. Den Anspruch auf die erforderliche Bestuhlung des Sitzungsraums hat die Arbeitgeberin erfüllt, indem sie dem Betriebsrat drei dreh- und rollbare Bürostühle sowie sechs Freischwinger zur Verfügung gestellt hat. Mit diesen Freischwingern sind unstreitig die Besprechungsräume der Arbeitgeberin bestuhlt; sie entsprechen dem betriebsüblichen Standard und Ausstattungsniveau (vgl. zu diesem Aspekt Fitting 30. Aufl. BetrVG § 40 Rn. 114; ErfK/Koch 20. Aufl. BetrVG § 40 Rn. 16).
Die Prüfung, ob ein Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist, obliegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch die Beschwerdekammer folgt, dem Betriebsrat. Die Entscheidung hierüber darf er nicht allein an seinen subjektiven Bedürfnissen ausrichten. Von ihm wird vielmehr verlangt, dass er die betrieblichen Verhältnisse und die sich ihm stellenden Aufgaben berücksichtigt. Dabei hat der Betriebsrat die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts und berechtigte Interessen des Arbeitgebers, auch soweit sie auf eine Begrenzung der Kostentragungspflicht gerichtet sind, gegeneinander abzuwägen. Die Entscheidung des Betriebsrats über die Erforderlichkeit des verlangten Sachmittels unterliegt der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Diese ist auf die Prüfung beschränkt, ob das verlangte Sachmittel aufgrund der konkreten betrieblichen Situation der Erledigung der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats dient und der Betriebsrat bei seiner Entscheidung nicht nur die Interessen der Belegschaft berücksichtigt, sondern auch berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rechnung getragen hat. Dient das jeweilige Sachmittel der Erledigung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben und hält sich die Interessenabwägung des Betriebsrats im Rahmen seines Beurteilungsspielraums, kann das Gericht die Entscheidung des Betriebsrats nicht durch seine eigene ersetzen (vgl. BAG 20.04.2016 - 7 ABR 50/14 - Rn. 15 ff mwN).
In Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht geht auch die Beschwerdekammer davon aus, dass es im Streitfall nicht erforderlich ist, den Raum, der für die mehrstündigen Sitzungen des neunköpfigen Betriebsrats genutzt wird, mit weiteren sechs dreh- und rollbaren Bürostühlen mit Armlehnen auszustatten. Die Würdigung des Arbeitsgerichts, dass Abschnitt 1 der Arbeitsstätten-Richtlinie "Sitzgelegenheiten" (ASR 25/1) nicht vorschreibt, dass Stühle in Sitzungs- bzw. Besprechungsräumen drehbar, auf Rollen gelagert und mit Armlehnen ausgestattet sein müssen, greift die Beschwerde nicht an. Der Betriebsrat hat seinen Beurteilungsspielraum überschritten, weil er aus Gründen des Gesundheitsschutzes die Ausstattung des Sitzungsraums mit Bürodrehstühlen mit Rollen und Armlehnen für erforderlich gehalten hat. In Abgrenzung zum täglich genutzten Bürostuhl werden Stühle in Besprechungsräumen nur für eine gewisse Zeit verwendet, sie sind nicht auf die räumlich begrenzte und monotone Arbeit am Bildschirm ausgerichtet. Es ist den Sitzungsteilnehmern auch aus Sicht der Beschwerdekammer zuzumuten, den Körper oder den Stuhl zu bewegen, um bspw. bei Präsentationen (mittels Beamer) die Sitzposition zu ändern, um ein optimales Sichtfeld auf die Leinwand zu haben. Bei mehrstündigem Dauersitzen ist kein einleuchtender Grund dafür erkennbar, weshalb der aktive Wechsel der Sitzposition oder das Verrücken der Stühle zu gesundheitlichen oder sonstigen Belastungen der Betriebsratsmitglieder führen sollten. Demgemäß durfte der Betriebsrat die beantragte Bestuhlung mit dreh- und rollbaren Bürostühlen mit Armlehnen nicht für erforderlich halten. Die Beschwerdekammer folgt dem Arbeitsgericht auch darin, dass sich der Betriebsrat bei seiner Entscheidung allein von übersteigerten Komforterwägungen hat leiten lassen. Soweit der Betriebsrat behauptet, dass die von ihm beantragten Stühle kostengünstiger seien, als die Freischwinger, die ihm die Arbeitgeberin angeboten habe, verkennt er, dass die Freischwinger bereits im Betrieb benutzt werden und nicht neu angeschafft werden müssen.
III.
Die Voraussetzungen einer Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.
Schwarz
Best
Verkündet am: 13.08.2020