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  • 05.03.2020 · IWW-Abrufnummer 214573

    Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Kammerbeschluss vom 04.11.2019 – 2 Sa 56/19

    1. Einzelfallbezogene Ausführungen zu der Frage, ob der mängelbehaftete Zustand diverser Betriebsanlagen dem technischen Leiter des Produktionsbetriebes zum Vorwurf gemacht werden kann.

    2. Es ist denkbar, dass sich erst aus einer gemeinsamen Betrachtung mehrerer Pflichtverletzungen, die jeweils für sich genommen eine Kündigung nicht rechtfertigen können, Hinweise auf das wahre Ausmaß des Fehlverhaltens ergeben. Liegt ein solcher Fall vor, ist es theoretisch denkbar, dass eine Kündigung, die sich auf eine Vielzahl kleinerer zur Kündigung nicht ausreichender Pflichtverletzungen stützt, in der Summe dennoch sozial gerichtfertigt sein kann. Das setzt allerdings zwingend voraus, dass die gemeinsame Betrachtung der Einzelvorfälle einen tieferen Blick in Art und Ausmaß der Pflichtverletzungen erlaubt.


    Tenor:
    1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.


    2. Die Revision wird nicht zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung und um die Weiterbeschäftigung des Klägers während des Laufs des Kündigungsschutzprozesses.



    Die Beklagte betreibt auf Rügen eine Betriebsstätte zur Herstellung von Molkereiprodukten, die über den Einzelhandel vertrieben werden. Die Beklagte, die an ihrem Stammsitz bereits einen Betrieb zur Herstellung von Molkereiprodukten unterhält, hat die Betriebsstätte 2014 erworben. Die Beklagte geht davon aus, dass es in diesem Zusammenhang nicht zu einem Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB gekommen war. In der Betriebsstätte werden regelmäßig ungefähr 20 Arbeitnehmer im Sinne von § 23 KSchG beschäftigt. Zur Bildung eines Betriebsrats hat keine der Parteien vorgetragen.



    Der 1957 geborene Kläger ist seit dem 3. Juli 2014 bei der Beklagten in der vorerwähnten Betriebsstätte als technischer Leiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 3.500 Euro bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche beschäftigt. Er war bereits bei dem Vorbesitzer der Betriebsstätte in vergleichbarer Position tätig. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Kündigung der einzige Techniker in dieser Betriebsstätte der Beklagten. Ihm sind keine weiteren Arbeitnehmer unterstellt. Von 2015 bis 2017 war dort ein weiterer Techniker beschäftigt (Herr K.). Neben dem Kläger werden einige weitere Arbeitnehmer mit technischem Sachverstand beschäftigt, so insbesondere die Anlagenfahrer.



    Als Technischer Leiter ist der Kläger ganz allgemein gesprochen dafür zuständig, dass die im Betrieb eingesetzten technischen Anlagen laufen und sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befinden. Der Kläger ist dem Geschäftsführer direkt unterstellt. Kostenauslösende Maßnahmen (Einschaltung externer Handwerker und Dienstleister, Beschaffung von Ersatzteilen) müssen vom Geschäftsführer genehmigt werden. Der Kläger durfte nur Kosten bis zur Höhe von 500 Euro ohne Rücksprache auslösen. Allerdings war der Geschäftsführer - nach seinem eigenen Bekunden seit April 2017 bis in das Jahr 2019 hinein - wegen eines krankheitsbedingten nahezu vollständigen Ausfalls seines Sehvermögens nur noch sehr eingeschränkt in der Lage, die auswärtige Betriebsstätte auf der Insel Rügen zu führen. Während dieser Zeit hatte er Frau J., ebenfalls Beschäftigte in der Betriebsstätte, mit seiner Vertretung vor Ort beauftragt.



    Dem Kläger wird in Zusammenhang mit der Kündigung vorgeworfen, an mehreren wichtigen Betriebsanlagen seien schwerwiegende Mängel zu beobachten gewesen, die auf ein Fehlverhalten des Klägers schließen ließen. Die Entdeckung der Mängel an den technischen Anlagen steht in Zusammenhang mit einer Erkrankung des Klägers, die vom 26. März 2018 bis zum 29. Juli 2018 angedauert hat. Während dieser Zeit musste der Geschäftsführer der Beklagten die Aufgaben des Klägers mit übernehmen, wodurch dieser - so die Einlassung der Beklagten - erstmals Hinweise auf das Ausmaß des Versagens des Klägers bekommen habe.



    Die meisten Vorwürfe stehen in Zusammenhang mit der Wasseraufbereitungsanlage, die auf einem gasbetriebenen Dampfdruckkessel aufbaut. In dem Dampfdruckkessel wird Wasser mittels Befeuerung verdampft. Der Wasserdampf kommt im Rahmen des Herstellungsprozesses der Lebensmittel zur Verwendung. Dabei kommt es zu unmittelbarem Kontakt des Dampfes mit den entstehenden Lebensmitteln. Diese Anlage unterliegt einerseits wegen der Lebensmittelhygiene einer öffentlichen Kontrolle und andererseits auch wegen der Gefahren, die von dem dazugehörenden Dampfdruckkessel ausgehen. Die Anlage ist ungefähr 25 Jahre alt (Baujahr 1992). Wegen Auftragsschwankungen im Betrieb musste die Anlage im Streitzeitraum immer mal wieder abgeschaltet werden.



    Der Betrieb der Dampfdruckkesselanlage der Beklagten fällt unter den Anwendungsbereich der Betriebssicherheitsverordnung vom 3. Februar 2015 (BGBl. I S. 49, die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 30. April 2019, BGBl. I S. 554, geändert worden ist) mit dem dortigen Anhang 1.5 (Besondere Vorschriften für Druckanlagen). Ergänzend dazu können noch die sehr viel detaillierteren Regelungen aus der durch die vorgenannte Verordnung außer Kraft gesetzten Dampfkesselverordnung vom 8. September 1965 (BGBl. I Seite 1300 ff mit späteren Änderungen - DampfkVO) herangezogen werden. Daraus ergibt sich unter anderem, dass die Anlage "äußerlich" jedes Jahr extern kontrolliert werden muss (§ 17 DampfkVO) und das der Betreiber einen Kesselwärter zu bestellen hat, der den Betrieb des Kessels überwacht.



    Der Kesselwärter benötigt einen Sachkundenachweis für die Übertragung dieses Amtes (§ 27 Absatz 2 DampfkVO). Die Beklagte hat den Kläger mit der Einstellung Juli 2014 zum Kesselwärter bestellt, allerdings ohne sich zu vergewissern, ob er den erforderlichen Sachkundenachweis besitzt. Inzwischen bestreitet die Beklagte, dass der Kläger diesen Nachweis überhaupt besitzt.



    Nach Auffassung der Beklagten ergibt sich aus der Dampfkesselverordnung auch, dass der Betrieb ein Betriebsbuch zu der Dampfdruckkesselanlage zu führen hat, in dem die durchgeführten Prüfungen und Wartungen eingetragen werden müssen. Zum Beleg hat die Beklagte die Anlage BB 4 (hier Blatt 319 ff) überreicht, wo in Auszügen die Verordnung ... über die Aufstellung und den Betrieb von Dampfkesseln wiedergegeben ist. Ausweislich des Kopfteils der Anlage ist die Verordnung aufgrund des Kesselgesetzes erlassen worden. Dieses Gesetz hat der Nationalrat in Österreich 1992 beschlossen, was sich aus der Anlage auf dem zweiten Blick auch aus der Fußzeile ergibt, die den Herausgeber der Internetseite mit "www.ris.bka.gv.at" bezeichnet.



    Unabhängig davon, ob es in Deutschland eine gesetzliche Pflicht ist, zu einer Dampfdruckkesselanlage ein Betriebsbuch zu führen, steht fest, dass beim Vorbesitzer der Betriebsstätte ein Betriebsbuch geführt wurde, die letzten Eintragungen in diesem Buch jedoch aus dem Jahr 2014 stammen.



    Die Befeuerung der Druckkesselanlage war bereits durch den Vorbesitzer der Betriebsstätte 2013 von Öl auf Gas umgestellt worden. Für die Befeuerung der Anlage mit Gas gab es für den Vorbesitzer - so jedenfalls die klägerische Einlassung - eine vorläufige Betriebserlaubnis, die unter dem Vorbehalt stand, dass sich der Betreiber um eine abschließende Betriebserlaubnis kümmern müsse. Im März 2018 war diese Betriebserlaubnis immer noch nicht erteilt. Aus dem Sachvortrag der Parteien ergibt sich nicht einmal, dass die dafür erforderlichen Anträge bereits gestellt waren. Erst im Juli 2019 - also lange nach Ausspruch der Kündigung - ist der Betrieb der neuen Befeuerung mit Gas für die Dampfkesselanlage förmlich genehmigt worden (Anlage BB 11, hier Blatt 397 f).



    Der TÜV hat bei einer Prüfung der Anlage vor Ort am 4. Oktober 2017 drei schwerwiegende Mängel festgestellt und mit Schreiben vom 20. Oktober 2017 im Nachgang dazu gerügt, dass ihm noch kein Bericht zur Behebung dieser Mängel vorliege (Anlage BB 10, hier Blatt 395 f, es wird Bezug genommen). Im Einzelnen wird gerügt, dass noch immer keine Betriebsgenehmigung für die bereits 2013 erfolgte Umstellung von Öl- auf Gasbefeuerung vorliege. Außerdem wird gerügt, dass das Überdruckventil (der Kesseldruckbegrenzer) nicht prüfbar gewesen sei, da die maschinelle Regelabschaltung bei Überdruck nicht überbrückbar gewesen sei. Letztlich wird auch noch gerügt, dass der Wasserstandsbegrenzer, der dafür sorgen soll, dass sich die Anlage bei einem zu geringen Wasserstand abschaltet, bei einer Unterschreitung des Mindestniveaus um 10 Millimeter immer noch nicht angeschlagen habe.



    In der Folgezeit wurde die Anlage im November 2017 durch ein externes Fachunternehmen gewartet und bezüglich der Rügen zu 2 und 3 (Überdruckventil, Wasserstandselektrode) repariert. Die Durchführung dieser Maßnahme wurde vom Kläger aufgrund seiner Zuständigkeit begleitet. Unter anderem wurde das Überdruckventil der Dampfkesselanlage wegen Fehlfunktion gewartet und möglicherweise (streitig) auch ausgetauscht. Ausgetauscht wurde jedenfalls die Wasserstandselektrode.



    Auch der abermalige Ortstermin mit dem TÜV im Januar 2018 brachte nicht die erhoffte Abnahme der Anlage, da nach wie vor keine Betriebsgenehmigung für die auf Gas umgestellte Befeuerungsanlage vorhanden war. Möglicherweise war zu diesem Zeitpunkt auch das Überdruckventil schon wieder nicht mehr funktionstüchtig. In dem Zeitraum danach hat der Kläger jedenfalls für die Anlage ein neues Überdruckventil bestellt, das Anfang März 2018 geliefert wurde. Ende März 2018 bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit des Klägers war dieses Ersatzteil noch nicht verbaut.



    Zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit des Klägers Ende März 2018 waren die Wasseraufbereitungsanlage und der Dampfdruckkessel - nach Angaben des Klägers planmäßig - außer Betrieb gesetzt und sie sollten nach dem Willen des Geschäftsführers der Beklagten noch Ende März oder Anfang April 2018 wieder in Betrieb genommen werden. In diesem Zusammenhang wurde der erkrankte Kläger gebeten, mit Rat und Tat das Wiederanfahren der Anlage zu unterstützen. Die meisten Einzelheiten zu der erfolgten bzw. nicht erfolgten Unterstützung seitens des Klägers sind streitig. Letztlich konnte die Anlage in dieser Situation nur mit Hilfe einer externen Firma angefahren werden. Dabei hat nach streitig gebliebenen Angaben der Beklagten das externe Unternehmen festgestellt, dass sowohl das Überdruckventil als auch die Wasserstandsanzeige (schon wieder) nicht funktionsfähig waren.



    Weitere Vorwürfe beziehen sich auf drei andere technische Anlagen im Betrieb.



    Im Betrieb werden unter anderem ungefähr 10 Waagen betrieben, die bei der Portionierung der in den Handel kommenden Fertigprodukte eingesetzt werden. Diese Waagen müssen alle zwei Jahre amtlich neu geeicht werden und sie unterliegen auch in der Zeit zwischen den Eichungen einer öffentlichen Kontrolle durch das staatliche Eichamt. Bei einer außerordentlichen Kontrolle durch das Eichamt vor Ort wurde am 6. Februar 2018 festgestellt, dass drei der eingesetzten Waagen eigentlich schon zum Jahresbeginn 2018 hätten neu geeicht werden müssen. Da dieses Versäumnis eine Ordnungswidrigkeit darstellt, wurde die Beklagte durch das Eichamt aufgefordert, die verantwortliche Person zu benennen, worauf die Beklagte den Kläger benannt hat. Im Rahmen der Anhörung des Klägers zu der beabsichtigten Verhängung eines Bußgeldes hat der Kläger versucht, seine Verantwortung für die Eichung der Waagen zu leugnen und hat stattdessen eine Verantwortung seiner Kollegin, die als Produktionsleiterin eingestellt ist, behauptet. Im vorliegenden Rechtsstreit steht nicht mehr in Streit, dass die formale Verantwortung für die Einhaltung der Eichfristen beim Kläger liegt. Streitig ist nur noch die Frage, ob der Kläger sich intern darauf verlassen durfte, dass die Produktionsleiterin ihn auf den nahenden Ablauf der Eichfristen hinweisen würde.



    In der Produktion der Beklagten wird auch eine Abfüllanlage, die betriebsintern Mondini-Anlage genannt wird, genutzt. Diese verfügt über ein Not-Aus-System. Der Kläger hatte den Auftrag, den Not-Aus-Schalter dieses Systems wegen fehlender Funktionstüchtigkeit auszuwechseln bzw. die Auswechslung zu veranlassen. Zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit des Klägers Ende März 2018 lag das bereits gelieferte Originalersatzteil auf dem Schreibtisch des Klägers. Der Kläger hat nach eigenem Bekunden zunächst versucht, das Ersatzteil selbst zu verbauen, hatte sich dies dann aber letztlich nicht zugetraut.



    Bei der Beklagten müssen die dort betriebenen Rolltore und Hochregale (von den Parteien gelegentlich auch als Schwerlastregale bzw. Palettenregale bezeichnet) einmal jährlich durch die DEKRA oder einen ähnlichen Sachverständigen überprüft und abgenommen werden. Während der Erkrankung des Klägers ab Ende März 2018 stellte die Beklagte durch ihren Geschäftsführer fest, dass diese Überprüfung 2017 nicht stattgefunden hat. Die Verantwortung für die Einhaltung der Pflicht zur jährlichen externen Überprüfung und Abnahme liegt unstreitig beim Kläger. Dazu ist im Berufungsrechtszug bekannt geworden, dass der Kläger ein Angebot der DEKRA eingeholt hatte, dass in Summe mehr als 500 Euro Kosten vorgesehen hatte, bei getrennter Betrachtung der beiden Prüfposten jedoch jeweils weniger als 500 Euro. Dieses Angebot hat der Kläger im Juli 2017 mit der Bitte um Freigabe der Mittel an den Geschäftsführer versandt, der sich darauf mit Rückfragen zur Notwendigkeit der Kostenauslösung beim Kläger gemeldet hatte. Nachdem die DEKRA im September 2017 nachgefragt hatte, weshalb keine Reaktion auf das Angebot erfolgt sei, hat der Kläger diese Nachfrage an die bestellte Vertreterin des Geschäftsführers, Frau J., versandt, die dann aber nur angeregt hatte, Vergleichsangebote anderer Anbieter einzuholen. Im Ergebnis ist jedenfalls weder von Frau J. noch vom Geschäftsführer eine Freigabe der Mittel erfolgt, weshalb die Leistung nicht erbracht wurde.



    Am 30. Juli 2018, dem ersten Arbeitstag des Klägers nach Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit, hat zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Kläger in den Betriebsräumen ein Gespräch stattgefunden. In diesem Rahmen wurde dem Kläger die streitgegenständliche verhaltensbedingte Kündigung vom 30. Juli 2018 zum 31. August 2018 ausgehändigt. Zusätzlich wurde der Kläger bis zum 31. August 2018 von der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt.



    Der Kläger hat sich gegen diese Kündigung mit einer Klage, die beim Arbeitsgericht am 15. August 2018 eingegangen war, gerichtlich zur Wehr gesetzt. Der Kündigungsschutzantrag ist um den Antrag auf Weiterbeschäftigung für die Dauer des vorliegenden Kündigungsrechtsstreits ergänzt worden.



    Hilfsweise für den Fall des Unterliegens hat der Kläger die Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von rund 7.750 Euro brutto gefordert sowie die Zahlung von rund 4.400 Euro Überstundenvergütung wegen des positiven Abschlusssaldos seines Arbeitszeitkontos. Gegenüber diesen hilfsweise zur Entscheidung gestellten Zahlungsanträgen hat die Beklagte Aufrechnung mit diversen stichwortartig geschilderten Schadensersatzansprüchen in Höhe von rund 12.150 Euro erklärt. - Wegen der Einzelheiten des Streitgegenstandes der beiden Zahlungsanträge und wegen der Einzelheiten der zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Bezug genommen.



    Das Arbeitsgericht Stralsund hat dem klägerischen Kündigungsschutz- und Weiterbeschäftigungsantrag mit Urteil vom 15. November 2018 (4 Ca 199/18) entsprochen. Wegen des Erfolgs mit den Bestandsschutzanträgen hat das Arbeitsgericht nicht über die nur hilfsweise gestellten Zahlungsanträge und damit auch nicht über die zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche der Beklagten entschieden. - Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.



    Zusammengefasst hat das Arbeitsgericht angenommen, die Vorwürfe, die aus der Sicht der Beklagten die Kündigung begründen sollen, würden - jedenfalls überwiegend - ihrem Thema nach auf Pflichtverletzungen des Klägers hinweisen. Sie seien aber entweder so oberflächlich in den Rechtsstreit eingeführt worden, dass sie dem Urteil nicht zu Grunde gelegt werden könnten, oder die Beklagte habe sich nicht in ausreichendem Maße mit dem Entlastungsvorbringen des Klägers auseinandergesetzt. Ergänzend wird darauf abgestellt, dass keine der vorgeworfenen Pflichtverletzungen zuvor abgemahnt worden sei oder einzelne konkret vorgetragene Vorwürfe im Rahmen der Interessenabwägung die Kündigung nicht begründen könnten.



    Mit der rechtzeitig eingelegten und fristgerecht begründeten Berufung verfolgt die Beklagte das Begehren der vollständigen Klageabweisung weiter fort.



    Die Beklagte geht nach wie vor davon aus, dass die streitgegenständliche Kündigung vom 30. Juli 2018 das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. August 2018 beendet habe. Dem Kläger seien mehrere schwerwiegende Pflichtverletzungen unterlaufen. Die andere Bewertung durch das Arbeitsgericht könne vor dem Gesetz keinen Bestand haben. Die Beklagte kritisiert, das Arbeitsgericht habe die Schwere und die Bedeutung der im Raum stehenden Vorwürfe nicht hinreichend erkannt.



    Soweit die Vorwürfe in Zusammenhang mit der Wasseraufbereitungsanlage und ihrem Dampfdruckkessel stehen, wird dem Kläger mehrfaches Versagen vorgehalten.



    Es sei offensichtlich, dass der erneute Ausfall des Überdruckventils und der Wasserstandselektrode bereits im ersten Quartal 2018 darauf hindeute, dass der Kläger Ende November 2017 die Leistung des eingeschalteten externen Fachbetriebes zur Reparatur der Anlage nicht ordnungsgemäß geprüft habe. Eine andere Erklärung für den frühzeitigen erneuten Ausfall des Überdruckventils und des Wasserstandsensors sei ausgeschlossen. Außerdem sei im November 2017 das alte Überdruckventil nach Säuberung wieder eingebaut worden. Das sei nicht kunstgerecht gewesen, vielmehr hätte man ein neues Überdruckventil einbauen müssen.



    Dem Kläger wird in diesem Zusammenhang auch vorgeworfen, dass das inzwischen bestellte und Anfang März 2018 auch gelieferte neue Überdruckventil sich zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit des Klägers Ende März 2018 immer noch unverbaut auf seinem Schreibtisch befunden hat.



    Dem Kläger wird weiter vorgeworfen, dass er das Betriebsbuch der Wasseraufbereitungsanlage und des Dampfdruckkessels - entgegen der gesetzlichen Pflicht - seit Jahren nicht mehr fortgeführt habe. Die vom Kläger behauptete Fortführung des Betriebsbuchs mittels einer Excel-Tabelle müsse mit Nichtwissen bestritten werden. Aus der fehlenden Dokumentation der Prüfungen müsse im Weiteren auch geschlossen werden, dass die gesetzlich geforderten Wasseruntersuchungen gar nicht durchgeführt worden seien. Durch die nicht erfolgten Prüfungen seien inzwischen die Probleme an der Anlage entstanden, die nicht mehr ohne großen Aufwand behoben werden könnten.



    Zum Versuch der Wiederinbetriebnahme der Anlage Ende März bzw. Anfang April 2018 behauptet die Beklagte, der Kläger habe sich arbeitsvertragswidrig geweigert zur Inbetriebnahme der Anlage im Betrieb zu erscheinen. Das sei ihm trotz der Arbeitsunfähigkeit zuzumuten gewesen. Weitergehend habe er sich auch geweigert, wenigstens telefonisch mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Obwohl er sich angeblich wegen seiner Arbeitsunfähigkeit zu Hause aufgehalten habe, sei er für den Geschäftsführer telefonisch nicht erreichbar gewesen. Kollegen hätten den Kläger zwar telefonisch erreichen können, der Kläger habe ihnen jedoch mit Nachdruck verboten, ihn während seiner Arbeitsunfähigkeit nochmals zu kontaktieren.



    Die Kündigung sei auch wegen der klägerischen Nachlässigkeiten in Zusammenhang mit dem Ablauf der Eichfristen an den Waagen gerechtfertigt. Die Verharmlosung dieses Vorwurfs durch das Arbeitsgericht zeige, dass das Gericht die Bedeutung des Verstoßes nicht verstanden habe. Selbstverständlich dürfe sich der Kläger nicht darauf verlassen, dass ihm der anstehende Ablauf von Eichfristen aus der Produktion gemeldet werde. Vielmehr hätte der Kläger selbst durch geeignete Eintragungen im Kalender dafür Sorge tragen müssen, dass die Eichung der Waagen rechtzeitig veranlasst werde.



    Hinsichtlich der Probleme der Mondini-Anlage behauptet die Beklagte, die Anlage sei wegen einer Störung des Not-Aus-Systems gänzlich ausgefallen gewesen. Es sei daher unverantwortlich, wenn der Kläger das bereits gelieferte Ersatzteil (neuer Not-Aus-Schalter) nicht sofort verbaut habe. Es werde bestritten, dass der Kläger mit dem Einbau überfordert gewesen wäre. Und selbst dann, wenn man einen externen Fachbetrieb hätte einschalten müssen, hätte dies vom Kläger wegen des Produktionsstillstandes zügiger in die Wege geleitet werden müssen.



    Auch die unterlassene Prüfung der Rolltore und der Hochregale durch die DEKRA im Jahr 2017 gereiche dem Kläger zum Vorwurf. Er hätte beim Geschäftsführer oder bei Frau J. auf einer Bewilligung der Kosten bestehen müssen. Im Übrigen hätte er beide Aufträge ohne Zustimmung der Geschäftsleitung selbst auslösen können, da jeder der beiden Aufträge unter 500 Euro Kosten verursacht hätte.



    Ohne Bezug auf eine bestimmte technische Anlage wirft die Beklagte dem Kläger schließlich noch vor, dass er nicht in der Lage sei, an seinem Schreibtisch und in den ihm zugeordneten Räumen Ordnung zu halten. Dazu hat die Beklagte diverse Fotografien des Schreibtisches und weiterer Räume aus dem klägerischen Zuständigkeitsbereich zur Akte gereicht. Darauf wird Bezug genommen.



    In der Zusammenschau aller Ereignisse und Vorwürfe müsse man entweder zu dem Schluss gelangen, dass der Kläger seiner Aufgabe nicht gewachsen ist, oder aber, dass er sich nicht mehr mit dem gebotenen Maß an Ernsthaftigkeit und Anstrengung der Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben widme. Da es keine Erklärung für das nachhaltige Versagen des Klägers gebe, müsse man damit rechnen, dass sich vergleichbare Vorfälle auch in Zukunft ereignen werden. Das sei der Beklagten wegen der vom Kläger bekleideten Schlüsselposition nicht zuzumuten.



    Die Erteilung einer Abmahnung vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung sei entbehrlich gewesen. Dies folge aus der weigerlichen Haltung des Klägers, die Beklagte zu unterstützen. Damit habe er zu verstehen gegeben, die Arbeitsleistung nicht mehr zur Verfügung stellen zu wollen. Die weigerliche Haltung folge aus den erfolglosen Anrufversuchen beim Kläger während seiner Arbeitsunfähigkeit. Eine Versetzung des Klägers käme wegen der unzureichenden Einstellung des Klägers zu seiner Arbeit ebenfalls nicht in Betracht.



    Die Beklagte beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 15.11.2018, Az. 4 Ca 199/18, abzuändern und die Klage abzuweisen.



    Der Kläger beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.



    Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil unter Vertiefung seines Sachvortrages.



    In Bezug auf die Wasseraufbereitungsanlage mit ihrem Dampfdruckkessel habe sich der Kläger nicht pflichtwidrig verhalten. Bei der Wartung und Reparatur im November 2017 seien ausschließlich neue Teile eingebaut worden. Er habe die Leistung des externen Fachbetriebes ordnungsgemäß abgenommen. Bei der Abnahme hätte die Anlage ordnungsgemäß funktioniert. Das erneute Ausfallen des Überdruckventils und des Wasserstandsensors könne viele Ursachen habe. Das Betriebsbuch habe er seit 2014 als Excel-Tabelle auf seinem Arbeitsplatzcomputer fortgeführt. Die für den Betrieb der Anlage notwendigen regelmäßigen Prüfungen des Wassers seien alle erfolgt. Das könne die Beklagte nicht mit Nichtwissen bestreiten. Entsprechende Unterlagen müssten sich in den Akten der Beklagten befinden.



    Es treffe nicht zu, dass der Kläger während seiner Arbeitsunfähigkeit telefonisch nicht erreichbar gewesen sei. Der Kläger behauptet dazu, es habe am 26. März 2018 zwei Kollegen telefonisch darüber unterrichtet, wie die Anlage in Betrieb zu nehmen sei. Der Misserfolg dieses Versuches liege nicht an Mängeln der Anlage, sondern an der mangelnden Expertise der Kollegen, die er telefonisch unterstützt habe. Denn diese hätten es verabsäumt alle Schieber für die Wasserzufuhr vollständig zu öffnen. Das habe das Anlaufen der Anlage aus Sicherheitsgründen automatisch verhindert. Weitere Anrufversuche bei ihm habe es nicht gegeben. Im Übrigen könne hier schon deshalb keine Pflichtverletzung vorliegen, weil der Kläger arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei.



    In Zusammenhang mit der 2018 noch fehlenden Betriebsgenehmigung für die Gasbefeuerungsanlage für den Dampfdruckkessel sieht der Kläger ebenfalls keine Pflichtverletzung. Er verweist darauf, dass das Fehlen der Zulassung nicht in seine Verantwortung falle.



    Das Übersehen des Ablaufs der Eichfristen an den drei Waagen zum Jahresende 2017 könne die Kündigung nicht begründen. Zutreffend habe das Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang festgestellt, dass nur ein kleinerer Teil der Waagen betroffen gewesen sei und die Überschreitung der Eichfrist lediglich etwas mehr als einen Monat betragen habe. Der Kläger hätte sich auch darauf verlassen dürfen, dass er aus der Produktion Hinweise auf das Auslaufen der Eichfrist bekommt, denn dort gehe man täglich mit den Waagen um und nehme dabei notwendigerweise immer wieder wahr, für welchen Zeitraum noch eine Eichung vorliegt.



    Wegen der Probleme mit der Mondini-Anlage behauptet der Kläger, der Einbau des Not-Aus-Schalters für die Mondini-Anlage sei ohne Kenntnisse der Besonderheiten dieser Anlage nicht möglich. Das liege an dem Alter der Anlage. Der nachbestellte und gelieferte Not-Aus-Schalter gehöre technisch zu einem Nachfolgemodell der Anlage im Betrieb. Der Kläger habe diesen Schalter nicht einbauen können, da sich die Verdrahtung gegenüber dem zuvor eingebauten Modell geändert habe. Er habe daher einen örtlichen Handwerker kontaktiert, der ihm die Auftragserfüllung auch zugesagt habe, jedoch wegen anderer Aufträge derzeit keinen Termin hätte anbieten können.



    Zu der fehlenden Prüfung der Rolltore und Hochregallager im Jahre 2017 macht der Kläger geltend, er habe einen entsprechenden Auftrag für die DEKRA vorbereitet, der jedoch weder vom Geschäftsführer noch von Frau J. freigegeben worden sei. Da der Auftrag sowohl die Rolltore als auch die Hochregale umfasst habe, sei er nicht befugt gewesen, den Auftrag ohne Genehmigung seitens der Geschäftsführung auszuführen.



    Der zugegeben etwas unaufgeräumte Zustand seines Schreibtisches und einiger ihm unterstehender Betriebsräume könne eine Kündigung nicht rechtfertigen. Für den Zustand des Serverraum und des Serverschrankes sei der Kläger nicht verantwortlich, sondern eine namentlich benannte weitere Mitarbeiterin der Beklagten.



    Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.



    Ergänzend wird festgehalten, dass der Geschäftsführer der Beklagten nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vom 6. August 2019 unter dem 19. August 2019 persönlich einen Schriftsatz mit weiterem Sachvortrag bei Gericht eingereicht hat und sich danach auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 27. August 2019 nochmals zur Sache geäußert hat. Aus diesem Grund ist die Kammer am 30.10.2019 in der Besetzung aus der Kammerverhandlung vom 6. August 2019 nochmals zu einer Beratung zu der Frage zusammengetreten, ob Anlass besteht, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.



    Entscheidungsgründe



    Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht die streitgegenständliche Kündigung vom 30. Juli 2018 als unwirksam erachtet und daher auch dem Weiterbeschäftigungsantrag entsprochen. Das Berufungsgericht macht sich die vom Arbeitsgericht gegebene Begründung zu Eigen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt lediglich einige ergänzende Ausführungen.



    I.



    Die Berufung ist nicht begründet, soweit sich die Beklagte dagegen wehrt, dass das Arbeitsgericht dem Kündigungsschutzantrag des Klägers entsprochen hat (Urteilstenor zu 1). Der streitgegenständlichen ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung fehlt die soziale Rechtfertigung im Sinne von § 1 KSchG.



    Nach der Größe des Betriebes, in dem der Kläger eingesetzt war, und nach der Dauer der Zusammenarbeit der Parteien unterfällt das Arbeitsverhältnis der Parteien dem Kündigungsschutzgesetz (§§ 1, 23 KSchG). Die von der Beklagten vorgetragenen Kündigungsgründe vermögen weder einzeln noch in der Gesamtschau die streitgegenständliche Kündigung zu rechtfertigen.



    1.



    Die Vorwürfe in Zusammenhang mit dem Zustand der Wasseraufbereitungsanlage und ihres Dampfdruckkessels zum Zeitpunkt des Beginns der klägerischen Arbeitsunfähigkeit Ende März 2018 vermögen die Kündigung nicht zu rechtfertigen.



    a)



    Es kann nicht mit der für eine Kündigung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Kläger die Abnahme der Leistung der beauftragten externen Firma Ende November 2017 vorwerfbar fehlerhaft durchgeführt hat.



    Dem Gericht fehlt das technische Verständnis für die Beantwortung der Frage, ob der Ausfall des Überdruckventils und der Wasserstandselektrode nur wenige Wochen nach der Reparatur genau dieser Teile als Indiz dafür gewertet werden kann, dass die Reparatur mangelhaft durchgeführt wurde. Der Einschaltung eines gerichtlichen Sachverständigen zur weiteren Aufklärung dieses Aspekts ist allerdings nicht erforderlich. Das Gericht unterstellt zu Gunsten der Beklagten, dass der Wiederauftritt des Schadens an den beiden Anlagenteilen darauf hindeutet, dass die Anlage Ende November 2017 durch die beauftragte Firma nur mangelhaft repariert wurde.



    Es ist aber weiterhin nicht erkennbar, aus welchen Umständen geschlossen werden könnte, dass der Kläger diesen Mangel vorwerfbar nicht erkannt hat und er daher die Abnahme der Leistung der beauftragten Firma hätte verweigern müssen. Genau auf diese Lücke im Sachvortrag der Beklagten hat das Arbeitsgericht sein Urteil bezüglich dieses Vorwurfs gestützt und es gibt dazu keinen erweiterten Berufungsvortrag.



    Der Kläger hat zu seiner Entlastung vorgetragen, er habe vor der Abnahme der Leistung eine Funktionsprüfung durchgeführt und die beiden fraglichen Anlagenteile hätten funktioniert. Mit diesem Entlastungsvorbringen hat sich die Beklagte nicht auseinandergesetzt. Da die Beklagte im Kündigungsschutzprozess für den Vortrag des Kündigungsgrundes einschließlich des Fehlens von Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen beweisbelastet ist, hätte die Beklagte diese klägerische Einlassung entweder widerlegen müssen oder durch Vortrag weiterer Indizien klarmachen müssen, dass die angeblich vorgenommene Funktionsprüfung nicht dem technischen Standard entsprochen habe. Weder das eine noch das andere ist erfolgt.



    b)



    Dem Kläger gereicht es auch nicht zum Vorwurf, dass die beauftragte Firma im November 2017 nach der streitigen Einlassung der Beklagten das Überdruckventil nicht ausgetauscht hat, sondern lediglich das alte Überdruckventil gesäubert und dann wieder eingebaut haben soll.



    Die Beklagte hat für ihre Behauptung, das alte Überdruckventil sei wieder verbaut worden, keinen Beweis angetreten. Da die Einschaltung der externen Firma Kosten verursacht hat, wäre es der Beklagten ein Leichtes gewesen, anhand der Rechnung dieser Firma nachzuweisen, dass kein neues Überdruckventil verbaut wurde. Sollte die Beklagte so zu verstehen sein, dass die externe Firma den Einbau eines neuen Überdruckventils vorgetäuscht und in Rechnung gestellt habe, fehlt es an geeignetem Vortrag, aus dem das Gericht schließen kann, dass der Kläger diesen Betrug hätte erkennen müssen.



    Sofern sich der Kläger und die beauftragte Firma lediglich vor Ort operativ darauf verständigt haben sollten, zum Zwecke der Kostenreduzierung zunächst zu versuchen, die Funktionstüchtigkeit des alten Überdruckventils wiederherzustellen, ist dem Gericht nicht klar, welchen Vorwurf die Beklagte damit verbindet. Das hat bereits das Arbeitsgericht so gesehen und in der Berufung ist der damit verbundene Vorwurf nicht weiter erläutert worden.



    c)



    Aus dem Vorwurf, der TÜV hätte die Anlage im Januar 2018 abermals nicht abgenommen, weil unter anderem die Betriebsgenehmigung für die Umstellung der Befeuerung von Öl auf Gas noch nicht vorgelegen habe, ergibt sich kein Grund zur Kündigung des Klägers.



    Das Arbeitsgericht hat insoweit festgestellt, dass die Abwicklung des Schriftverkehrs mit der Zulassungsbehörde nicht in den Zuständigkeitsbereich des Klägers gefallen sei. Geht man davon aus, ist ohne weiteres klar, weshalb das Arbeitsgericht gefolgert hat, dem Kläger sei in diesem Zusammenhang kein Vorwurf zu machen. Die Beklagte hat auch im Berufungsrechtszug nicht näher erläutert, aus welchen Umständen sich ergibt, dass der Kläger für die Beantragung der Betriebsgenehmigung zuständig gewesen sein soll. Es mag sein, dass sich aus dem Text der Stellenbeschreibung für die Stelle des Klägers (in Kopie als Anlage B 1 überreicht, hier Blatt 67 f) entnehmen lässt, dass der Stelleninhaber auch für derartige Aufgaben zuständig ist. Da die Einholung einer Betriebsgenehmigung für eine umgebaute Anlage jedenfalls nicht zum Alltagsgeschäft des Klägers gehört, muss das Gericht trotzdem zumindest von einer gemeinsamen Verantwortung des Klägers und der Geschäftsführung für die Erlangung der notwendigen Betriebsgenehmigung ausgehen.



    Ein weiteres kommt hinzu. Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung erlebt. Aufgrund des Eindrucks, den sich das Gericht dadurch vom Kläger machen konnte, geht das Gericht davon aus, dass der Kläger durch die Abwicklung des Schriftverkehrs mit der Genehmigungsbehörde überfordert gewesen wäre. Der Kläger mag ausreichenden technischen Sachverstand haben und er mag auch in der Lage sein, seiner Kernaufgabe der Überwachung der technischen Anlagen der Betriebsstätte zu genügen. Er ist aber ganz sicher nicht in der Lage, ohne Anleitung und Aufsicht den schriftlichen Dialog mit einer Genehmigungsbehörde zu führen. Das muss dem Geschäftsführer der Beklagten in den Jahren der Zusammenarbeit mit dem Kläger seit Mitte 2014 auch aufgefallen sein. Es wäre daher verantwortungslos, wenn die Beklagte tatsächlich die Zuständigkeit für die Einholung der Genehmigung für die Befeuerung der Anlage mit Gas auf den Kläger delegiert hätte. Dies gilt gerade angesichts des Umstandes, dass die Wasseraufbereitungsanlage mit dem Dampfdruckkessel und der Gasbefeuerung eine der zentralen Produktionsanlagen in dem Betrieb darstellt.



    Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang dem Kläger ohne Vortrag näherer Einzelheiten auch vorwirft, er allein habe es zu verantworten, dass die Prüfung der Anlage durch den TÜV im Januar 2018 wegen des mangelhaften Gesamtzustandes der Anlage abgebrochen wurde, hat das Arbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass dieser Vortrag angesichts des klägerischen Bestreitens zu oberflächlich geblieben ist. Daran hat sich im Berufungsrechtszug nichts geändert. Selbst der Vorwurf, der Kläger hätte es unterlassen, die Anlage regelmäßig zu warten, ist angesichts des Bestreitens des Klägers zu oberflächlich. Für einen ausreichenden Sachvortrag hätte die Beklagte im Einzelnen vortragen müssen, wie sie sich eine ordnungsgemäße Erfüllung der Wartungsaufgabe des Klägers vorstellt. Dem hätten dann die tatsächlich vom Kläger erbrachten Leistungen gegenübergestellt werden müssen. Erst aus dem Vergleich der Soll-Vorgaben mit dem tatsächlichen Geschehen hätte das Gericht in die Lage versetzt, das Vorliegen eines Pflichtverstoßes festzustellen und diesen alsdann seiner Schwere nach zu bewerten.



    d)



    Aus dem Umstand, dass sich auf dem Schreibtisch des Klägers zu Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit Ende März 2018 immer noch das neu bestellte und Anfang März 2018 gelieferte neue Überdruckventil befunden hatte, ergibt sich ebenfalls kein tragfähiger Kündigungsvorwurf.



    Dazu hätte der Vorlauf dieses Problems genauer geschildert werden müssen. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, der Kläger hätte die Bestellung dieses Ersatzteils schon unmittelbar nach dem Zeitpunkt veranlasst, zu dem der TÜV im Januar 2018 die Prüfung der Anlage wegen der festgestellten Mängel abgebrochen hat, kann das Gericht nicht mit der für eine Kündigung erforderlichen Sicherheit feststellen, dass es im weiteren Verlauf zu unverzeihlichen Verzögerungen auf Seiten des Klägers gekommen war. Insoweit hat die Beklagte nicht einmal vorgetragen, wer das Ersatzteil hätte einbauen sollen. Wenn - was angesichts der Beauftragung einer Fremdfirma bei der Reparatur im November 2017 naheliegt - das neue Überdruckventil ebenfalls durch eine externe Firma hätte eingebaut werden müssen, geht aus dem Vortrag der Beklagten nicht hervor, welches Versäumnis dem Kläger hier zur Last fällt.



    e)



    Die Kündigung lässt sich auch nicht mit dem Vorwurf rechtfertigen, der Kläger hätte seit 2014 das Betriebsbuch nicht mehr ordnungsgemäß geführt.



    Es ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht ganz klar geworden, zu welchem Zweck jedenfalls bis in das Jahr 2014 hinein das Betriebsbuch geführt wurde. Während der Kläger das Betriebsbuch in einen Zusammenhang mit der Prüfung der Wasserqualität stellt und dazu behauptet, er habe die notwendigen Prüfungen stets vorgenommen und die Ergebnisses in einer Excel-Tabelle dokumentiert, stellt die Beklagte und insbesondere ihr Prozessbevollmächtigter das Betriebsbuch in den Zusammenhang mit dem Betreiben des Dampfdruckkessels. Die Frage kann letztlich dahinstehen, da sich weder aus der klägerischen Sichtweise noch aus der Sichtweise der Beklagten ein Kündigungsgrund ergibt.



    aa)



    Der Vorwurf der Beklagten, mit der unterlassenen Fortführung des Betriebsbuchs für die Dampfdruckkesselanlage habe der Kläger eine gesetzliche Pflicht, die die Beklagte trifft, verletzt, ist nicht erwiesen. Als Rechtsquelle für die Pflicht zur Führung eines Betriebsbuchs führt die Beklagte eine Verordnung an, die für Österreich und nicht für Deutschland erlassen wurde. Aus der im Tatbestand wiedergegebenen Rechtslage in Deutschland ergibt sich kein konkretes Erfordernis, ein Betriebsbuch zu führen. Es soll hier nicht in Abrede gestellt werden, dass sich eine solche Verpflichtung aus einer Unfallverhütungsvorschrift oder einer sachgerechten Einzelanordnung der zuständigen Berufsgenossenschaft ergeben kann. Dazu hätte die Beklagte dann aber näher vortragen müssen.



    Gleichwohl könnte der Kläger seine Pflichten vorwerfbar verletzt haben, wenn die Beklagte auch ohne nach dem Gesetz dazu verpflichtet zu sein, den Kläger angewiesen hat, das Betriebsbuch so (weiter) zu führen, wie das bis 2014 erfolgt war. Dazu mangelt es jedoch auch an geeignetem Sachvortrag.



    Im Übrigen kann das Gericht in der Führung eines Betriebsbuchs zur Dokumentation der notwendigen externen Prüfungen an der Dampfdruckkesselanlage keinen rechten Sinn erkennen, da es ausreichend sein dürfte, wenn die jeweils beauftragte externe Firma den ordentlichen Zustand der Anlage bescheinigt und diese Bescheinigung zu den Akten genommen wird.



    bb)



    Bezieht man dagegen die Pflicht, ein Betriebsbuch zu führen, auf die dem Kläger obliegende Pflicht regelmäßig die Wasserqualität zu prüfen und dies im erforderlichen Umfang zu dokumentieren, hätte sich die Beklagte mit dem Entlastungsvorbringen des Klägers nicht in ausreichendem Maße auseinandergesetzt.



    Der Kläger hat behauptet, die Eintragungen, die früher im Betriebsbuch vorzunehmen waren, hätte er in eine Excel-Tabelle auf seinem Arbeitsplatzcomputer eingetragen. Dieser Vortrag ist geeignet, den Vorwurf der Beklagten entweder gänzlich zu entkräften oder ihm jedenfalls ein Großteil seiner Schärfe zu nehmen. Da die Beklagte die Beweislast für das Vorliegen des Kündigungsgrundes trägt, muss sie sich mit dem Entlastungsvorbringen auseinandersetzen. Das ist nicht geschehen. Schon das einfache Bestreiten der Existenz einer solchen Tabelle ist unzureichend. Denn der Kläger hat hinreichend deutlich mitgeteilt, wo er diese Tabelle abgespeichert hat. Die Beklagte hätte dem nachgehen können. Das hat sie unterlassen.



    Vergleichbares gilt für den weitergehenden Vorwurf, der Kläger hätte die notwendigen Untersuchungen des Wassers in der Zeit seit 2014 nicht durchgeführt. Der Kläger hat das bestritten. Also hätte die Beklagte die Indizien in den Rechtsstreit einführen müssen, aus denen sie den Schluss gezogen hat, dass die notwendigen Untersuchungen gar nicht erfolgt sein können. An solchen Indizien fehlt es.



    Soweit die Beklagte meint, das Versäumnis ergebe sich bereits zwingend aus dem miserablen Gesamtzustand der Anlage zum Beginn der klägerischen Arbeitsunfähigkeit Ende März 2018 fehlt dem Gericht der technische Sachverstand, um diese Schlussfolgerung nachzuvollziehen. Für die Bestellung eines Sachverständigen besteht allerdings kein Anlass, da die Beklagte die Einzelheiten nicht mitgeteilt hat, aus denen sich der gewünschte Schluss ziehen lässt. Das Gericht wäre daher gar nicht in der Lage, für den Sachverständigen eine aufklärungsbedürftige Frage konkret zu formulieren.



    Ähnliches gilt für das Indiz, das sich aus der fehlenden Fortführung des Betriebsbuchs ergeben soll. Aus der fehlenden Dokumentation einer Tätigkeit kann nicht mit der für eine gerichtliche Entscheidung notwendigen Sicherheit auf das Unterlassen der Tätigkeit geschlossen werden. Zusätzlich hat der Kläger dazu Hinweise gegeben, anhand welcher Firmenunterlagen sich indirekt erschließen lasse, dass die Untersuchungen durchgeführt worden seien. Auch damit hat sich die Beklagte in keiner Weise auseinandergesetzt.



    f)



    Aus dem weitgehend streitig gebliebenen Verhalten des Klägers in Zusammenhang mit dem Versuch der Beklagten, die Anlage Ende März oder Anfang April 2018 wieder anzufahren, ergibt sich ebenfalls kein Kündigungsgrund.



    Dazu ist zunächst anzumerken, dass sich aus dem bezeichneten Umstand nur dann ein Kündigungsgrund ergeben könnte, wenn die Wasseraufbereitungsanlage mit dem Dampfdruckkessel Ende März bzw. Anfang April 2018 tatsächlich in einem technischen Zustand befunden hätte, der ein Anfahren der Anlage erlaubt hätte. Das hat ja die Beklagte - wie oben ersichtlich - bestritten. Sie wirft dem Kläger dort vor, durch die Vielzahl seiner Nachlässigkeiten hätte sich die Anlage Ende März 2018 in einem technischen Zustand, der ein Anfahren der Anlage verbiete, befunden. Wenn die Anlage nicht angefahren werden konnte oder jedenfalls nicht betriebssicher angefahren werden konnte, konnte den Kläger auch keine Pflicht treffen, daran trotz seiner Arbeitsunfähigkeit mitzuwirken.



    Aber selbst dann, wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass sie sich hilfsweise den klägerischen Vortrag zu eigen macht (Anlage war intakt), ergibt sich daraus kein Kündigungsgrund. Zu Gunsten der Beklagten kann dafür unterstellt werden, dass der Kläger aufgrund seiner Schlüsselstellung im Betrieb auch während einer Arbeitsunfähigkeit vom Grundsatz her verpflichtet war, bei Auftreten einer betrieblichen Zwangslage mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.



    Der Kläger hat behauptet, er habe dieser Pflicht Genüge getan, in dem er am 26. März 2018 zwei namentlich benannte Kollegen in die Inbetriebnahme der Anlage telefonisch eingewiesen habe. Mit diesem Entlastungsvorbringen hat sich die Beklagte nicht auseinandergesetzt. Schon deshalb kann sich aus dem angeblichen Unterlassen des Klägers kein Kündigungsgrund ergeben.



    Wenn man abermals zu Gunsten der Beklagten unterstellt, der klägerische Vortrag sei widerlegt, ergibt sich selbst dann kein Kündigungsgrund, wenn der Kläger wie behauptet auf Anrufe der Beklagten und ihres Geschäftsführers mit Absicht nicht reagiert hat. Denn es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger verdeutlicht wurde, dass es ohne seine Mithilfe nicht möglich sei, die betriebliche Zwangslage zu überwinden. Im Übrigen muss aus der Sicht des Gerichts bei der Bewertung des Pflichtverstoßes mitberücksichtigt werden, dass der Kläger in einem Konflikt zwischen seinem Genesungswunsch und der Erfüllung der betrieblichen Pflichten stand. Entscheidet er sich in einer solchen Konfliktsituation falsch, kann dies die Kündigung ohne vorherige einschlägige Abmahnung nicht rechtfertigen.



    2.



    Auch die Vorwürfe, die sich auf andere Anlagen im Verantwortungsbereich des Klägers beziehen, können die Kündigung nicht sozial rechtfertigen.



    a)



    Die mangelhafte Kontrolle des Ablaufs der Eichfristen Ende 2017 an drei im Betrieb eingesetzten Waagen vermag die streitgegenständliche Kündigung nicht zu rechtfertigen.



    Es handelt sich zwar um einen schweren Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers, was schon daraus erkennbar ist, dass es sich um eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit handelt. Ein Bekanntwerden dieses Versäumnisses wäre zudem geeignet, das Vertrauen der Konsumenten in die Produkte der Beklagten ernsthaft zu gefährden. Der Pflichtverstoß erhält auch dadurch zusätzliches Gewicht, dass der Kläger das Ablaufen der Eichfristen nicht selbst bemerkt hat, sondern das Problem erst im Rahmen einer staatlichen Kontrolle durch das Eichamt aufgedeckt wurde.



    Gleichwohl ist dieser Vorfall wegen einer fehlenden einschlägigen Abmahnung nicht geeignet, die ausgesprochene Kündigung zu rechtfertigen. Eine Kündigung darf nicht als Sanktion für Fehlverhalten in der Vergangenheit missverstanden werden. Vielmehr kann eine Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt sein, wenn sich aus gegebenem Fehlverhalten gegebenenfalls unter Mitberücksichtigung weiterer Umstände folgern lässt, dass auch in Zukunft mit vergleichbarem Fehlverhalten zu rechnen ist. Das Gericht sieht sich nicht in der Lage, diese Folgerung zu ziehen.



    Es fehlt bereits an einer hinreichenden Darstellung der Ursachen für das klägerische Versagen. Geht man mit dem Kläger davon aus, dass er sich - sicherlich unberechtigt - darauf verlassen hat, dass die Kollegen aus der Produktion ihn schon auf den drohenden Ablauf von Eichfristen hinweisen werden, lässt sich die zukünftige Wiederholung des Fehlers schon durch eine Einweisung in die Führung eines Kalenders am Arbeitsplatzcomputer verbunden mit der Weisung, diesen sorgfältig zu führen, beheben. Gegebenenfalls hätte man diese Weisung auch in Form einer Abmahnung erteilen können, um dem Kläger die Bedeutung der Angelegenheit deutlich vor Augen zu führen.



    Mit dem Arbeitsgericht geht auch das Berufungsgericht davon aus, dass der Ausspruch einer Abmahnung hier zur Behebung der Prognoseunsicherheit unverzichtbar gewesen wäre. Darauf wird Bezug genommen. Im Berufungsrechtszug sind diesbezüglich keine weiterführenden Ausführungen durch die Beklagte erfolgt.



    b)



    Aus dem Umstand, dass in der Mondini-Anlage der Not-Aus-Schalter trotz Lieferung zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit des Klägers noch nicht verbaut war, ergibt sich kein Kündigungsgrund.



    Unstreitig ist, dass das Bauteil für das Not-Aus-System noch auf dem Schreibtisch des Klägers lag. Hieraus kann jedoch noch nicht ohne Vortrag weiterer Umstände auf eine Pflichtverletzung des Klägers geschlossen werden. An dem Vortrag dieser weiteren Umstände fehlt es hier, was bereits das Arbeitsgericht zutreffend hervorgehoben hat.



    Schon die zeitlichen Abläufe liegen im Dunklen. Die Beklagte trägt nicht vor, seit wann der Kläger den Auftrag hatte und seit wann das Bauteil auf seinem Schreibtisch lag. Im Weiteren fehlt es an Vortrag, woraus geschlossen werden kann, dass der Kläger Zeit gehabt haben müsste, um das Bauteil einzubauen.



    Hinzu kommt, dass der Kläger behauptet hat, er sei nicht in der Lage, das Bauteil selbst einzubauen, da es sich um ein Ersatzteil für eine jüngere Generation der Anlage gehandelt habe und sich dabei "die Verdrahtung" verändert habe. Dem Gericht fehlt der technische Sachverstand, um diese Behauptung des Klägers tatsächlich nachvollziehen zu können. Es steht nur fest, dass es sich zumindest um plausiblen Vortrag handelt, der die Beklagte hätte veranlassen müssen, sich mit der Schlüssigkeit dieses Vortrags näher auseinanderzusetzen. Das ist nicht erfolgt.



    Zu der Hilfs-Behauptung der Beklagten, der Kläger hätte dann ein Fachunternehmen beauftragen müssen, hat der Kläger behauptet, er hätte bereits zu einem namentlich benannten örtlichen Handwerker Kontakt aufgenommen, es wäre aber bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Ende März 2018 nicht möglich gewesen, einen Termin zu vereinbaren. Diesem Vortrag ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten.



    c)



    Aus dem Umstand, dass es 2017 zu einer Lücke in den vorgeschriebenen externen Prüfungen der Rolltore und Regale gekommen ist, ergibt sich kein Kündigungsgrund. Aufgrund des weiteren Vortrags der Parteien im Berufungsrechtszug sieht sich das Berufungsgericht außer Stande, dem Kläger in diesem Zusammenhang überhaupt einen Vorwurf zu machen.



    Dem Kläger gereicht es nicht zum Vorwurf, dass er es unterlassen hat, den Auftrag solange in mehrere Lose aufzuteilen, bis er in der Lage gewesen wäre, den Auftrag ohne Einschaltung der Geschäftsführung alleine auszulösen. Das Gericht teilt die Rechtsauffassung des Klägers, dass eine derartige künstliche Aufteilung eines Vorhabens in mehrere Aufträge unredlich gewesen wäre. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch der Geschäftsführer, als er den Kostenvoranschlag im Juli 2017 zur Billigung vorgelegt bekommen hatte, nicht etwa gemeint hatte, es sei überflüssig gewesen, ihn einzuschalten. Vielmehr hat er sich dahin eingelassen, dass der Kläger erst einmal darlegen solle, weshalb es notwendig sei, diese Kosten auszulösen.



    Im weiteren Verlauf hat der Kläger sodann sogar sein Anliegen nochmals bei Frau J. vorgebracht, ohne dass er dadurch eine Freigabe der Mittel erwirken konnte.



    Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger die Rückfragen des Geschäftsführers und der Frau J. zu dem Vertragsangebot ausreichend beantwortet hatte, woran in der Tat erhebliche Zweifel bestehen. Entscheidend ist, dass sich die Geschäftsführung Finanzentscheidungen der gegebenen Größe vorbehalten hatte, und dass der Kläger durch die Bitte um Freigabe der Mittel unter Benennung des Auftragszwecks die Geschäftsführung auch auf die sachlichen Gründe für diesen Ausgabeposten hingewiesen hat. Damit war die Verantwortung für diese Angelegenheit vom Kläger auf die Geschäftsführung verlagert worden. Wenn die weitere Verfolgung der Angelegenheit dort versäumt wurde, ergibt sich daraus kein Vorwurf gegenüber dem Kläger.



    3.



    Aus dem unordentlichen Zustand des Schreibtisches des Klägers sowie des unordentlichen Zustandes weiterer Räume im Zuständigkeitsbereich des Klägers ergibt sich kein eigenständiger Kündigungsgrund.



    Bereits das Arbeitsgericht hatte sich außer Stande gesehen, allein aus dem vorgelegten Bildmaterial auf eine erhebliche Pflichtverletzung des Klägers zu schließen. Dem ist die Beklagte im Berufungsrechtszug nur unzureichend entgegengetreten.



    Soweit sich das Bildmaterial mit dem Serverraum und dem Serverschrank beschäftigt, hat der Kläger gemeint, für die IT-Anlage sei er nicht zuständig gewesen, weshalb er auch nicht für den auffallend ungeordneten Zustand der Verkabelung im Serverschrank zuständig sei, ist die Beklagte dem nicht ausreichend entgegengetreten. Es mag ja sein, dass man den Wortlaut der Stellenbeschreibung des Klägers auch so verstehen kann, dass sich seine Zuständigkeit auch auf die IT-Anlage bezieht. Das steht aber in einem Spannungsverhältnis zu dem unbestrittenen Vortrag, dass es für die IT eine gesonderte Zuständigkeit einer namentlich benannten Mitarbeiterin gebe. Ohne näheren Vortrag zu der Schnittstelle zwischen den Zuständigkeiten des Klägers und dieser Person, kann aus dem vorgelegten Bildmaterial nicht auf Fehlverhalten des Klägers geschlossen werden.



    Soweit im Berufungsrechtszug die Beklagte ergänzend vorträgt, einzelne Teile der elektrischen Anlage seien ohne die vorgeschriebenen Schutzabdeckungen betrieben worden, ist festzustellen, dass dies vom Kläger bestritten wurde. Trotzdem hat die Beklagte zu diesem Vorwurf keine weiteren Einzelheiten vorgetragen. Damit ist der Vorwurf zur Begründung eines Kündigungsgrundes zu oberflächlich vorgetragen.



    4.



    Auch aus der Zusammenschau der Vorwürfe lässt sich die soziale Rechtfertigung der Kündigung nicht ableiten.



    Es ist denkbar, dass sich erst aus einer gemeinsamen Betrachtung mehrerer Pflichtverletzungen, die jeweils für sich genommen möglicherweise eine Kündigung nicht rechtfertigen können, Hinweise auf das wahre Ausmaß des Fehlverhaltens ergeben. Liegt ein solcher Fall vor, ist es theoretisch denkbar, dass eine Kündigung, die sich auf eine Vielzahl kleinerer Pflichtverletzungen stützt, in der Summe dennoch sozial gerichtfertigt sein kann. Das setzt allerdings zwingend voraus, dass die gemeinsame Betrachtung der Einzelvorfälle einen tieferen Blick in Art und Ausmaß der Pflichtverletzung erlaubt. Das ist für das Gericht hier nicht erkennbar.



    Ein Großteil der Vorkommnisse kann schon nicht als Pflichtverletzung anerkannt werden, da sie entweder zu oberflächlich vorgetragen wurden oder die klägerische Einlassung nur unzureichend widerlegt wurde. Wenn es so etwas wie einen roten Faden gibt, der die verbleibenden Pflichtverletzungen verbindet, mag es der Verdacht sein, dass der Kläger seiner Aufgabe nicht in jeder Hinsicht gewachsen ist. Daraus ergibt sich aber kein eigener Kündigungsgrund. Da die Beklagte nicht vorgetragen hat, wie sie versucht hat, die möglicherweise bestehenden Defizite des Klägers zu beheben und ihm zu helfen, ist derzeit die Aussage nicht erlaubt, dass der Kläger mit seiner Aufgabe als technischer Leiter tatsächlich überfordert ist.



    II.



    Die Berufung ist auch unbegründet, soweit das Arbeitsgericht die Beklagte dazu verurteilt hat, den Kläger während des Laufs des vorliegenden Rechtsstreits weiter zu beschäftigen. Das Bundesarbeitsgericht hat anerkannt, dass der Arbeitnehmer, der mit seinem Kündigungsschutzantrag in erster Instanz obsiegt hat, auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum Ende des Rechtsstreits im Betrieb weiterbeschäftigt werden muss.



    Zu den anerkannten Ausnahmen von dieser Weiterbeschäftigungspflicht hat die Beklagte nichts vorgetragen.



    III.



    Da die beiden Hauptanträge des Klägers den Angriffen der Berufung standhalten, fallen auch im Berufungsrechtszug die beiden Hilfsanträge des Klägers (Zahlung von Urlaubsabgeltung und Überstunden) nicht zur Entscheidung an. Demnach besteht auch nach wie vor kein Anlass, sich mit den zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüchen der Beklagten gegenüber dem Kläger auseinanderzusetzen.



    IV.



    Der Rechtstreit ist trotz der nach Schluss der mündlichen Verhandlung unaufgefordert eingereichten Schriftsätze des Geschäftsführers vom 19. August 2019 und des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 27. August 2019 entscheidungsreif.



    Sachvortrag, der nach Schluss der mündlichen Verhandlung zur Akte gereicht wird, kann bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt werden. Das Gericht hat allerdings im Rahmen einer weiteren Kammerberatung darüber beraten, ob der neue Sachvortrag ausreichenden Anlass bietet, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten. Das ist vorliegend nicht der Fall.



    Unter welchen Bedingungen das Gericht erneut in die mündliche Verhandlung eintreten kann oder muss, ergibt sich aus § 156 ZPO.



    § 156 Absatz 2 ZPO regelt, unter welchen Voraussetzungen die mündliche Verhandlung wiedereröffnet werden muss. Die dort festgesetzten Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Insbesondere kann eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungs- oder Hinweispflicht nicht festgestellt werden (§ 156 Absatz 2 Nr. 1 ZPO).



    Mit den vorerwähnten Schriftsätzen hat die Beklagte stichwortartig neue bisher nicht schriftlich vorgetragene Gründe skizziert, die aus ihrer Sicht ebenfalls geeignet sind, die streitgegenständliche Kündigung sozial zu rechtfertigen. Im Einzelnen handelt es sich um die nicht weiter erläuterten Vorwürfe verstellter Fluchtwege, funktionsuntüchtiger Notbeleuchtung sowie mit Regalen und Akten zugestellter Schaltschränke.



    Dazu ist anzumerken, dass der Geschäftsführer der Beklagten diese Gesichtspunkte bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgebracht hatte, nachdem die Kammer in Anschluss an eine Beratung nach Erörterung der schriftlich vorgetragenen Kündigungsgründe angedeutet hatte, dass die Berufung wohl keinen Erfolg haben wird. Der Kläger hat alle neuen Vorwürfe noch in der mündlichen Verhandlung bestritten, worauf der Vorsitzende eine weitere vertiefende Erörterung dieser neuen Vorwürfe abgebrochen hatte. Die Beklagte als Berufungsführerin muss im Rahmen der gesetzlichen Frist zur Begründung der Berufung alle Gesichtspunkte vortragen, die sie gegen die angegriffene Entscheidung ins Feld führen will. Die lange nach Ablauf der Frist für die Begründung der Berufung neu erhobenen Vorwürfe gegen den Kläger waren nicht Teil der Berufungsbegründung. Das Gericht hätte diese Gesichtspunkte daher nur dann einer näheren Bewertung im Urteil unterziehen können, wenn sie auf unstreitigem Parteivortrag beruhen. Das ist hier erkennbar nicht der Fall. Es bestand somit auch kein Anlass, weitere Hinweise oder Auflagen zu erteilen.



    Da die Beklagte auch in den oben erwähnten Schriftsätzen nach Schließung der mündlichen Verhandlung nicht über eine stichwortartige Schilderung der Vorwürfe hinausgelangt ist, besteht immer noch kein Anlass, sich mit diesen Vorwürfen näher auseinanderzusetzten. Sie sind nach wie vor nur so pauschal vorgetragen, dass es für den Kläger immer noch möglich wäre, die zugrundeliegenden Tatsachen mit Nichtwissen im Sinne von § 138 Absatz 4 ZPO zu bestreiten bzw. zu behaupten, er könne sich zu den Vorwürfen nicht äußern, da sie weder zeitlich noch örtlich konkretisiert seien.



    Andere Gesichtspunkte, die es im Rahmen des gerichtlichen Ermessens nach § 156 Absatz 1 ZPO geboten erscheinen lassen, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Damit fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für den Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung.



    V.



    Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen, da das von ihr eingelegte Rechtsmittel keinen Erfolg hatte (§ 97 ZPO).



    Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.

    Vorschriften§ 613a BGB, § 23 KSchG, § 1 KSchG, §§ 1, 23 KSchG, § 156 ZPO, § 156 Absatz 2 ZPO, § 156 Absatz 2 Nr. 1 ZPO, § 138 Absatz 4 ZPO, § 156 Absatz 1 ZPO, § 97 ZPO, § 72 ArbGG