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  • 09.01.2020 · IWW-Abrufnummer 213449

    Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 19.11.2019 – 5 Sa 97/19

    1. Eine körperliche Misshandlung von Heimbewohnern ist typischerweise geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Der Einsatz von Zwang und Gewalt gegen einen Heimbewohner stellt eine Misshandlung dar, die je nach den Umständen des Einzelfalles ein unterschiedliches Gewicht haben kann. Eine schwerwiegende Misshandlung liegt vor, wenn einem Heimbewohner Schmerzen oder Verletzungen zugefügt werden, beispielsweise durch Schläge, Stöße, grobes Zufassen.

    2. Wird ein demenzkranker Heimbewohner durch zwei Pflegekräfte bei massiver Gegenwehr zwangsweise gewaschen und rasiert, stellt das trotz hygienischer Gründe regelmäßig eine körperliche Misshandlung dar, die zu einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung berechtigen kann.


    Tenor:

    1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 04.01.2019 - 2 Ca 46/17 - teilweise abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Kündigung der Beklagten vom 30.01.2017 nicht vor dem 31.08.2017 geendet hat.

    2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

    3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

    4. Die Revision wird nicht zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.



    Die im März 1961 geborene Klägerin, die eine Ausbildung zur Verkäuferin abgeschlossen hat, nahm am 06.04.1992 bei der Beklagten eine Beschäftigung als Altenpflegehelferin auf. Die Beklagte betreibt bundesweit rund 100 Pflege- und Senioreneinrichtungen. Die Klägerin war am Standort A-Stadt eingesetzt und in den letzten etwa 15 Jahren im Pflegebereich für Demenzkranke tätig.



    Dort wohnte seit dem Jahr 2013 auch Herr S., geb. am 29.05.1944, der an hochgradiger Demenz und dem Korsakow-Syndrom litt. Herr S. hatte sein Zimmer im Trakt "Kornblumenweg", in dem hochgradig demente Menschen mit Unterbringungsbeschluss leben. Herr S. neigte ausweislich des Aufnahmebogens zu Distanz und ließ Körperberührungen nur ungern zu. Er konnte cholerisch und aufbrausend sein. Für Herrn S. war seine Lebensgefährtin, Frau R., als Betreuerin bestellt. Herr S., der etwa 170 cm groß war und etwa 70 kg wog, lehnte regelmäßig eine Körperpflege ab, sodass eine Begleitung zur Toilette, eine Ganzkörper- und Intimwäsche, eine Mund- und Zahnpflege, eine Rasur etc. nicht durchgeführt werden konnten, wie in der Pflegedokumentation vermerkt ist.



    Am Morgen des 20.01.2017 hielt sich Herr S. in einer Sitzecke des Wohnbereichs auf. Er hatte noch seinen Schlafanzug an, in den er bereits am Vortag eingenässt hatte. Er war seit mehreren Tagen nicht gewaschen und rasiert worden, da er die Körperpflege ausweislich der Pflegedokumentation abgelehnt hatte. Die Klägerin konnte ihn dazu bewegen, mit ihr zusammen das Bad in seinem Zimmer aufzusuchen. Er ließ sich von der Klägerin entkleiden und setzte sich auf den Duschstuhl. Beim Einseifen und Abduschen begann Herr S. bereits nach kurzer Zeit, sich zu wehren. Herr B., eine ausgebildete Pflegefachkraft, der gerade das Bett von Herrn S. neu bezog, kam der Klägerin zu Hilfe. Herr B. hielt - entweder allein oder zusammen mit der Klägerin - Herrn S. fest, sodass sich dieser nicht mehr wehren und die Klägerin ihn waschen und schließlich rasieren konnte. Herr S. versuchte sich nach Kräften zu wehren, indem er schrie und Herrn B. anspuckte und ihm in die Genitalien trat. Herr B. berührte Herrn S. mit der Hand im Gesicht, worauf ein Klatschen zu hören war. Unterdessen trat gegen 08:00 Uhr der Direktor des Heimes, Herr G., hinzu und äußerte sinngemäß: "So geht das hier nicht". Der genaue Hergang wird von den Parteien unterschiedlich dargestellt. Insbesondere ist streitig, ob auch die Klägerin Herrn S. festgehalten hat und in welcher Phase des Waschvorgangs der Direktor hinzutrat. Nach Beendigung der Körperpflege beruhigte sich Herr S. wieder und ließ sich - mittlerweile auf seinem Bett sitzend - von der Klägerin die Fingernägel schneiden.



    Der Direktor informierte die Pflegedienstleitung und forderte sie auf, eine Vertretung für die Station zu organisieren. Sodann suspendierte er die Klägerin und Herrn B. vom Dienst und lud sie zu einem Personalgespräch um 12:00 Uhr ein, an dem auch die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende teilnahm.



    Mit Schreiben vom 23.01.2017 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Klägerin. Der Betriebsrat hörte die Klägerin in seiner Sitzung am 26.01.2017 zu den Vorwürfen an. Er nahm noch am selben Tag Stellung und äußerte Bedenken.



    Mit Schreiben vom 30.01.2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich fristgemäß zum 31.08.2017, hilfsweise zum nächstzulässigen Termin. Die Klägerin bezog zuletzt eine monatliche Vergütung von € 1.700,- brutto bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden.



    Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung unwirksam sei. Sie habe keine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Ein Fehlverhalten liege nicht vor. Sie habe keine körperliche Gewalt gegen Herrn S. angewandt. Die Kündigung sei unverhältnismäßig. Zudem habe die Klägerin in den gesamten 25 Jahren ihrer Beschäftigung keine Abmahnung erhalten.



    Herr S. habe sich das Duschen anfangs gefallen lassen. Als die Klägerin beim Waschen in den Intimbereich gekommen sei, sei Herr S. verbal und körperlich aggressiv geworden. Herr S. habe als ehemaliger Grenzsoldat der DDR über eine Nahkampfausbildung verfügt. Es sei des Öfteren notwendig gewesen, Herrn S. mit mehreren Pflegekräften zu waschen. Herr B. habe die Hände von Herrn S. festhalten müssen, um Schläge abzuwehren. Herr S. habe mit Gewalt gegen Herrn B. reagiert. Die Klägerin hingegen habe Herrn S. weder festgehalten noch sich gegen ihn gelehnt. Herr S. sei nicht in der Duschecke fixiert worden. Die Klägerin habe das Bad kurz verlassen müssen, um Rasiercreme aus dem Stationsbadezimmer zu holen. Sie habe nicht gesehen, dass Herr S. von Herrn B. geohrfeigt worden sei. Allerdings habe sie ein leichtes Klatschen gehört, als sie während der Rasur den Rasierer im Handwaschbecken gereinigt habe. Im selben Moment habe der Direktor in der Tür gestanden.



    Im weiteren Verlauf des Prozesses hat die Klägerin vorgetragen, dass sie bei der Reinigung des Intimbereichs nur etwas Duschbad hineingetröpfelt habe, da Herr S. dort aufgrund einer Verletzung sehr empfindlich gewesen sei. Das habe Herr S. nicht als unangenehm empfunden.



    Spätestens seit Oktober 2006 habe der Direktor gewusst, dass Herr S. unter Zwang habe geduscht werden müssen und unter Zwang geduscht worden sei. Das ergebe sich aus einem Bericht eines früheren Mitarbeiters. Zudem habe die Betreuerin, Frau R., mehrfach auf die Notwendigkeit einer regelmäßigen Körperpflege hingewiesen.



    Die Behauptung, Herr S. habe offene Wunden gehabt und deshalb gewaschen werden müssen, hat die Klägerin später zurückgenommen. Bei einer mangelhaften Körperhygiene seien solche Wunden jedoch vorprogrammiert. Bei dem Personalgespräch am 20.01.2017 habe sich die Klägerin entschuldigt und in diesem Zusammenhang erklärt, dass sich das Geschehene nun auch nicht mehr ändern lasse.



    Die Klägerin hat erstinstanzlich, soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung, beantragt



    festzustellen, dass die gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 30.01.2017 ausgesprochene außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis weder fristlos zum 30.01.2017 noch fristgemäß zum 31.08.2017 beendet hat, und



    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.08.2017 hinaus fortbesteht.



    Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, dass die außerordentliche Kündigung wirksam sei. Die Klägerin habe ihre Pflichten als Pflegekraft schwerwiegend verletzt. Der Einsatz von Gewalt gegenüber Pflegebedürftigen und deren Misshandlung seien in keinem Fall hinnehmbar. Auch ein an Demenz erkrankter Mensch habe ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und auf einen würdevollen Umgang. Nach dem Pflegeleitbild der Beklagten, das auf jeder Etage aushänge, sei die Individualität und die Selbstbestimmung des einzelnen Menschen Kern des Handelns. Eine Gefahr für Leib und Leben habe weder bei Herrn S. noch bei anderen Mitbewohnern bestanden.



    Bei seinem Hausrundgang am 20.01.2017 habe der Direktor G. lautstarke Stimmen aus dem Zimmer von Herrn S. vernommen. Es seien Sätze gefallen wie: "Jetzt ist hier aber Schluss. Hören sie auf! Jetzt wird gefälligst gewaschen". Beim Betreten des Bades habe er gesehen, dass Herr S. auf dem Duschhocker in der Ecke gesessen habe, während die Klägerin rechts von ihm einen Arm festgehalten und sich mit ihrem gesamten Körpergewicht gegen ihn gelehnt habe. Herr B. auf der linken Seite habe mit der einen Hand den anderen Arm festgehalten und mit der anderen Hand versucht, Herrn S. weiter einzuseifen. Herr S. habe versucht aufzustehen, zu schlagen und zu treten, und laut gerufen. Die Klägerin habe Herrn S. mit lauter Stimme angeherrscht, dass er aufhören solle, sich zu wehren. Herr B. habe sodann kurz innegehalten, mit dem rechten Arm ausgeholt und Herrn S. mit der flachen Hand mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen, während die Klägerin Herrn S. festgehalten habe. Es habe laut geklatscht. Der Direktor habe die Klägerin und Herrn B. angewiesen, die Situation umgehend zu beenden, und ein Personalgespräch angekündigt.



    In diesem Personalgespräch habe der Direktor die Klägerin mit seinen Beobachtungen konfrontiert und gefragt, welches Verhalten in dieser Situation richtig gewesen wäre. Die Klägerin habe darauf auch die richtige Antwort gegeben, nämlich Herrn S. in Ruhe lassen und dies zu dokumentieren. Die Klägerin habe sich aber nicht entschuldigt, sondern nur lapidar erklärt, dass es sich jetzt eben nicht mehr ändern lasse.



    Eine vorherige Abmahnung sei entbehrlich gewesen. Die Klägerin habe gewusst, dass die Beklagte eine körperliche Gewaltanwendung gegenüber einer pflegebedürftigen Person in keinem Fall hinnehmen könne. Im Übrigen gehe die Klägerin nach wie vor davon aus, sich richtig verhalten zu haben.



    Zwar gebe es einen Eintrag des von der Klägerin erwähnten früheren Mitarbeiters, nach dem Herr S. unter Zwang gewaschen worden sei, weil es Beschwerden der Mitbewohner über Geruchsbelästigungen gegeben habe. Die Beklagte habe jedoch sofort darauf reagiert und deutlich gemacht, dass kein Zwang ausgeübt werden dürfe und er dies zu unterlassen habe.



    Angesichts zahlreicher Widersprüche im Vorbringen der Klägerin sei dieses prozessual nicht oder nur eingeschränkt verwendbar.



    Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptungen der Beklagten,



    • die Klägerin habe am 20.01.2017 gegen 08:00 Uhr Herrn S. in der Dusche am Arm festgehalten und sich mit ihrem gesamten Körpergewicht gegen ihn gelehnt, während der Zeuge B. den anderen Arm festgehalten habe,



    • die Klägerin habe Herrn S. mit lauter Stimme angeherrscht, er solle aufhören, sich zu wehren, und



    • Herr S. sei auch nach seinem Abwehrverhalten von der Klägerin und Herrn B. festgehalten und mit körperlicher Kraft in der Duschecke fixiert worden.



    Hierzu hat das Arbeitsgericht die Zeugen G. und B. vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 13.11.2018 verwiesen.



    Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe bewusst arbeitsvertragliche Pflichten verletzt, indem sie eine ihr zur Pflege anvertraute, erkrankte und daher schutzbedürftige Person unter Ausnutzung körperlicher Überlegenheit gegen ihren Willen zur Körperpflege gezwungen habe. Herr S. sei erkennbar nicht gewillt gewesen, das Waschen zu dulden. Dennoch habe sich die Klägerin gemeinsam mit Herrn B. hierüber hinweggesetzt und den Patienten mit Einsatz körperlicher Gewalt gereinigt, statt die Körperpflege zu beenden und dies zu dokumentieren. Über den Einsatz von Zwangsmitteln habe nicht die Klägerin, sondern der zuständige Arzt bzw. die Betreuerin zu entscheiden. Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, da der Klägerin jegliches Unrechtsbewusstsein fehle und deshalb auch zukünftig mit weiteren derartigen Pflichtverletzungen zu rechnen sei. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden, da die Beklagte ihm sowohl die einschlägigen Sozialdaten der Klägerin als auch den der Kündigung zugrunde liegenden Sachverhalt mitgeteilt habe.



    Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei angesichts einer 25-jährigen Beschäftigungszeit unverhältnismäßig. Das Arbeitsgericht habe den bisher ungestörten Verlauf des Arbeitsverhältnisses nicht berücksichtigt. Die Beklagte hätte zunächst eine Abmahnung aussprechen müssen. Das Arbeitsgericht habe nicht aufgeklärt, ob überhaupt ein Fehlverhalten der Klägerin vorliege, da es offen gelassen habe, wer Herrn S. festgehalten habe.



    Herr S. sei am 20.01.2017 freiwillig aus der Sitzgruppe mit in das Bad gekommen. Als die Klägerin seinen Kopf gewaschen habe, sei ihm das schon nicht recht gewesen. Sie habe auch noch den Oberkörper einseifen können. Beim Abduschen habe sich Herr S. dann gewehrt. Herr B. habe, seitlich neben Herrn S. stehend, beide Hände auf den Oberschenkeln festgehalten. Die Klägerin habe Herrn S. nicht festgehalten, sondern nur abgeduscht. Herr S. habe sich nicht mehr wehren können. Sie habe Herrn S. danach auf dem Duschhocker etwas nach vorne gezogen, da Wasser in der Dusche gestanden habe. Herr S. habe sich nicht abtrocknen lassen, weshalb sie ihm das Handtuch gegeben und er sich damit so gut es ging selbst abgetrocknet habe. Dabei habe sich Herr S. wieder beruhigt.



    In der Zwischenzeit habe sie das Rasieren vorbereitet und dazu kurz das Bad verlassen, um Rasierschaum aus dem Stationsbad zu holen. Als sie angefangen sei, ihn zu rasieren, habe er sich erneut gewehrt, und zwar mit Händen und Füßen und habe Herrn B. in die Genitalien getreten und ihn angespuckt. Herr B. habe daraufhin die Hände von Herrn S. auf den beiden Lehnen des Stuhls festgehalten, so dass sie Herrn S. habe rasieren können. Danach habe er sich gefreut, dass er wieder schick gewesen sei. Sie habe ihn daraufhin mit dem Stuhl ins Zimmer gefahren. Herr S. habe sich auf sein Bett gesetzt. Die Klägerin habe die noch nassen Stellen abgetrocknet und ihm die Fingernägel geschnitten. Anschließend sei Herr S. in den Frühstücksraum gegangen, um zu frühstücken. Der Direktor, Herr G., sei erst dazugekommen, als sie Herrn S. rasiert habe.



    Die Klägerin beantragt,



    das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 04.01.2019, Aktenzeichen 2 Ca 46/17, abzuändern und



    festzustellen, dass die gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 30.01.2017 ausgesprochene außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis weder fristlos zum 30.01.2017 noch fristgemäß zum 31.08.2017 beendet hat, und



    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.08.2017 hinaus fortbesteht.



    Die Beklagte beantragt,



    die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und



    - hilfsweise - das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, die € 5.000,- nicht überschreiten sollte, aufzulösen.



    Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen. Die Berufung der Klägerin sei schon nicht zulässig, da die Klägerin weder Umstände für eine Rechtsverletzung noch für eine mangelhafte Tatsachenfeststellung dargelegt oder neue Verteidigungsmittel benannt habe. Unabhängig davon sei die außerordentliche, zumindest aber die ordentliche Kündigung rechtmäßig. Die Klägerin zeige weiterhin keine Einsicht in ihr Fehlverhalten, das sie nach wie vor bestreite. Schon deshalb habe es einer vorherigen Abmahnung nicht bedurft.



    Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin sei nicht mehr möglich. Die Klägerin habe den Direktor der Beklagten gegenüber dem Integrationsamt, bei dem die Beklagte die Zustimmung zu einer weiteren Kündigung beantragt habe, bezichtigt, bei der gerichtlichen Zeugenvernehmung mehrfach gelogen zu haben. Das Vertrauensverhältnis sei dadurch völlig zerstört. Aufgrund dessen müsse sich die Abfindung am unteren Ende der Skala bewegen.



    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.



    Entscheidungsgründe



    Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nur teilweise begründet.



    I. Zulässigkeit der Berufung



    Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (BAG, Urteil vom 14. März 2017 - 9 AZR 633/15 - Rn. 11, juris).



    Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Klägerin. Es ist ohne weiteres erkennbar, welche tatsächlichen Feststellungen sie für unzureichend hält und welchen rechtlichen Wertungen des Arbeitsgerichts sie entgegentritt. Die Klägerin rügt im Wesentlichen, dass das Arbeitsgericht die Interessenabwägung fehlerhaft zu ihren Lasten vorgenommen habe und zu Unrecht von einer Entbehrlichkeit der Abmahnung ausgegangen sei. Ihre abweichende Rechtsauffassung hat sie kurz begründet, was im Interesse einer Bündelung des Prozessstoffs ausreichte. Eine umfangreiche Wiederholung des erstinstanzlichen Sachvortrags ist nicht erforderlich.



    II. Begründetheit der Berufung



    Die außerordentliche Kündigung von 30.01.2017 ist unwirksam. Die zugleich vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung ist hingegen wirksam. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin hat nicht vor dem 31.08.2017 geendet.



    1. Außerordentliche Kündigung



    Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 15, juris = NZA 2019, 445; BAG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 2 AZR 382/17 - Rn. 26, juris = NZA 2018, 845).



    Bei der Prüfung im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der - fiktiven - Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 28, juris = NZA 2019, 445).



    Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein "schonenderes" Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen. Der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere hinsichtlich einer möglichen Wiederholungsgefahr von Bedeutung. Je höher er ist, desto größer ist diese (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 29, juris = NZA 2019, 445).



    Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 30, juris = NZA 2019, 445).



    Die Rechtmäßigkeit einer Kündigung ist anhand der zum Zeitpunkt des Zugangs gegebenen objektiven Verhältnisse zu beurteilen (BAG, Urteil vom 17. Februar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 26, juris = ZTR 2016, 418; BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21, juris = NJW 2015, 1403). Ausschlaggebend ist, wie sich die Situation in dem betroffenen Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt bei objektiver Betrachtung darstellt.



    Eine körperliche Misshandlung von Heimbewohnern ist typischerweise geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Der Einsatz von Zwang und Gewalt gegen einen Heimbewohner stellt eine Misshandlung dar, die je nach den Umständen des Einzelfalles ein unterschiedliches Gewicht haben kann. Eine schwerwiegende Misshandlung liegt vor, wenn einem Heimbewohner Schmerzen oder Verletzungen zugefügt werden, beispielsweise durch Schläge, Stöße, grobes Zufassen (vgl. LAG Hessen, Urteil vom 30. März 2000 - 5/8 Sa 1230/99 - Rn. 22, juris: Zubettbringen mit Schlägen; ArbG Frankfurt, Urteil vom 20. Mai 2003 - 4 Ca 8822/02 - Rn. 16, juris: Hineinstoßen in eine Suppenschüssel). Gleiches gilt für eine zwangsweise und gewaltsame Zuführung von Getränken und Speisen (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 08. Dezember 2009 - 2 Sa 223/09 - juris) oder eine unrechtmäßige Fixierung. Der Schweregrad einer Misshandlung bestimmt sich insbesondere nach deren Dauer und Häufigkeit. Eine Misshandlung kann sich auch aus einem pflichtwidrigen Unterlassen ergeben, z. B. Versagung notwendiger Hilfeleistungen.



    Mit der Unterbringung in einem Heim ist nicht eine Einschränkung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit und des Persönlichkeitsrechts verbunden. Die Würde, Interessen und Bedürfnisse der Heimbewohner sind zu schützen; die Selbständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung sind zu wahren und zu fördern (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HeimG). Die Erkrankung oder Gebrechlichkeit eines Heimbewohners ändert daran nichts. Aufgrund dessen ist der Heimbewohner in besonderer Weise schutzbedürftig, da er je nach körperlicher und geistiger Verfassung nicht ausreichend in der Lage ist, seine Interessen selbst zu wahren. Das kann auch die grundlegenden Bedürfnisse, wie Essen, Trinken, Körperpflege, betreffen. Die Anwendung körperlicher Gewalt ist grundsätzlich unzulässig, bei einem kranken Menschen ebenso wie bei einem gesunden. Über evtl. notwendige Ausnahmen entscheiden die zuständigen Ärzte, Betreuer und staatlichen Institutionen.



    Die Klägerin hat am 20.01.2017 körperliche Gewalt gegen Herrn S. eingesetzt, um die Körperpflege vollständig durchführen und abschließen zu können. Sie hat Herrn S. entgegen seinem unmissverständlich erkennbaren Willen gewaschen und rasiert. Eine Körperpflege war zwar aus hygienischen Gründen geboten. Nicht geboten war hingegen der Einsatz von Zwangsmitteln noch lag hierfür eine Genehmigung vor. Der gut gemeinte Zweck rechtfertigt nicht das Mittel der Anwendung von Zwang. Eine akute Gefahr für Herrn S. oder andere Bewohner des Heims bestand nicht, die ein sofortiges Einschreiten erfordert hätte. Weder die Klägerin noch Herr B. waren berechtigt, über derartige Zwangsmaßnahmen zu entscheiden und diese anzuwenden. Die Betreuerin von Herrn S. mag zwar auf eine regelmäßige Körperpflege gedrungen haben. Den Einsatz von Zwangsmitteln hat sie damit jedoch nicht gebilligt.



    Unerheblich ist hingegen, wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, wer von beiden Herrn S. festgehalten hat. Es handelt sich um ein arbeitsteiliges Vorgehen, das die Klägerin gebilligt und genutzt hat, um Herrn S. gegen seinen erkennbaren Willen zu waschen und zu rasieren. Die Klägerin wusste, dass Herr S. kurz nach Beginn der Körperreinigung hiermit keinesfalls mehr einverstanden war. Herr S. wehrte sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Kräften und Mitteln gegen das Waschen bzw. Rasieren. Die Klägerin und Herr B. haben sich darüber hinweggesetzt und körperlichen Zwang angewandt, indem die Arme festgehalten wurden, sodass er sich nicht mehr wehren konnte. Mag die Klägerin Herrn S. auch ggf. nicht selbst festhalten haben. Das, wogegen sich Herr S. gerade massiv wehrte, nämlich das Waschen bzw. Rasieren, hat jedenfalls sie ausgeführt und dabei die Hilfestellung ihres Kollegen genutzt. Allein hätte sie angesichts der Gegenwehr von Herrn S. die Körperpflege überhaupt nicht durchführen können. Für Herrn S. handelte es sich erkennbar um eine erniedrigende, schmerzhafte Misshandlung und Verletzung seines Selbstbestimmungsrechts.



    Der Einsatz des körperlichen Zwangs beschränkte sich weder auf einen kurzen Augenblick noch bewegte er sich im niederschwelligen Bereich. Herr S. wurde nahezu während des gesamten Wasch- und Rasiervorgangs gegen seinen Willen festgehalten, und zwar so fest, dass er sich trotz Anspannung aller Kräfte der Situation nicht mehr entziehen konnte. Gegen die Überzahl von zwei Personen war er machtlos und musste die Behandlung über sich ergehen lassen. Schon aus der Erforderlichkeit des Einsatzes von zwei Personen ergibt sich, dass Herr S. nicht mit sanfter Gewalt bewegt wurde, die Körperpflege zu dulden. Die massive Gegenwehr mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln erforderte einen dem entsprechenden, erheblichen Krafteinsatz, der für Herrn S. schmerzhaft war.



    Nicht zuzurechnen ist der Klägerin jedoch eine evtl. von Herrn B. ausgeteilte Ohrfeige. Die Klägerin selbst hat Herrn S. nicht geschlagen. Wie stark der Schlag von Herrn B. ausgefallen ist, kann offen bleiben. Die Klägerin hat Herrn B. weder hierzu aufgefordert noch in sonstiger Weise eine solche Überreaktion veranlasst. Diese Form der Misshandlung hat ein deutlich größeres Gewicht als das vorangegangene Festhalten, das die Klägerin gebilligt und genutzt hatte, um Herrn S. waschen und rasieren zu können. Für die körperliche Züchtigung trägt allein Herr B. die Verantwortung.



    Die Klägerin hat schuldhaft gehandelt. Die Anwendung von Zwang und Gewalt gegenüber Pflegebedürftigen ist unzulässig, was der Klägerin bekannt war. Angesichts des langjährigen Einsatzes in der Pflege von Demenzkranken ist sie mit dem Krankheitsbild vertraut, insbesondere deren mangelnder Einsichtsfähigkeit. Wenn vorgesehene Pflegemaßnahmen nicht durchgeführt werden können, weil der Bewohner dies ablehnt, wird das in der Pflegedokumentation vermerkt. Diese Vorgehensweise war der Klägerin vertraut.



    Die Mitwirkung einer ausgebildeten Pflegekraft entlastet die Klägerin nicht von ihrer Verantwortung. Die Klägerin konnte nicht annehmen, dass der Einsatz von Zwangsmitteln zulässig ist, weil sich eine Fachkraft daran beteiligt hat. Die Klägerin hat nicht die Anordnungen eines Vorgesetzten ausgeführt, was das Maß der Schuld ggf. mindern kann. Herr B. als Fachkraft trägt nicht die alleinige Verantwortung für das gewaltsame Vorgehen, da er in der angespannten Situation nicht die Initiative und Leitung übernommen hat.



    Trotz dieser schwerwiegenden Pflichtverletzung war es der Beklagten zuzumuten, die Klägerin noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu beschäftigen. Eine sofortige, unverzügliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses war nicht notwendig, um einen effektiven Schutz der pflegebedürftigen Heimbewohner sicherzustellen. Das Interesse der Klägerin an der Einhaltung der Kündigungsfrist überwiegt insofern. Angesichts der langen Beschäftigungszeit von annähernd 25 Jahren, in denen es nicht zu Beanstandungen gekommen ist, war der Klägerin eine Übergangszeit zuzubilligen, um sich am Arbeitsmarkt neu zu orientieren und ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Das gilt insbesondere unter Berücksichtigung ihres Lebensalters, das die Stellensuche deutlich erschwert. Der Beklagten war es zuzumuten, die Klägerin während eines begrenzten und überschaubaren Zeitraums durch geeignete Fachkräfte engmaschiger zu führen und zu überwachen, um ein erneutes Fehlverhalten zu verhindern. Die von der Klägerin eingesetzten Mittel von Zwang und Gewalt sind ihrem Schweregrad nach nicht dem oberen oder obersten Bereich zuzuordnen. Es ist bei ihr nicht zu einem unkontrollierten Gewaltexzess gekommen wie ggf. bei Herrn B.. Insbesondere hat sie Herrn S. nicht geohrfeigt oder anderweitig geschlagen. Denkbar ist zudem, die Klägerin während der Dauer der Kündigungsfrist bei der Betreuung von weniger schwierigen Bewohnern einzusetzen, die pflegerische Maßnahmen nicht strikt ablehnen. Für einen begrenzten Zeitraum von sieben Monaten ist das hinnehmbar - jedenfalls nach einem 25 Jahre lang ungestört verlaufenen Arbeitsverhältnis.



    2. Ordentliche Kündigung



    Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).



    Eine Kündigung ist durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist. Eine Kündigung scheidet dagegen aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers - wie etwa eine Abmahnung - geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 2 AZR 42/16 - Rn. 11, juris = ZTR 2017, 434).



    Eine vorherige Abmahnung der Klägerin war entbehrlich. Sie hat ihre Pflichten als Pflegehelferin schwerwiegend verletzt. Die Beklagte kann das keinesfalls dulden. Der Einsatz von Gewalt und Zwang gegenüber Pflegebedürftigen verstößt gegen deren Rechte auf körperliche Unversehrtheit und Bewegungsfreiheit. Gewalt und Zwang wird von den Pflegedürftigen als erhebliche Beeinträchtigung empfunden, was im Übrigen für gesunde Menschen gleichermaßen gilt, erst recht, wenn es mit einem Ohnmachtsgefühl verbunden ist. Körperliche Gewalt ist keine Erziehungsmittel, um Menschen mit fehlender Einsichtsfähigkeit zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen, und sei es im eigenen Interesse, wie eben bei der Körperpflege. Gewalt bleibt Gewalt und wird als solche empfunden, auch wenn sie einem vermeintlich guten Zweck dienen soll. Ein an Demenz erkrankter Pflegebedürftiger kann das ohnehin nicht unterscheiden, wenn es ihm krankheitsbedingt an Einsichtsfähigkeit mangelt. Die Beklagte kann eine Misshandlung von Heimbewohnern nicht hinnehmen, da sie für ihren Schutz verantwortlich ist. Wenn sie dieser Verantwortung nicht oder nicht ausreichend nachkommt, gefährdet sie zudem ihre wirtschaftliche Existenz. Angesichts der massiven Gewaltanwendung gegenüber Herrn S. ist selbst eine einmalige Hinnahme der Pflichtverletzung ausgeschlossen, da die Beklagte als Betreiberin des Heims ein solches Verhalten zum Schutz der Bewohner strikt zu unterbinden hat. Die Klägerin konnte das erkennen, da keiner eine derartige Behandlung am eigenen Leib erdulden möchte.



    Die Abwägung der beiderseitigen Interessen steht einer fristgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht entgegen. Zugunsten der Klägerin sind ihre lange, ungestörte Beschäftigungszeit sowie ihr Lebensalter zu berücksichtigen. Trotz der aktuell guten Beschäftigungsaussichten für Altenpfleger und Pflegehelfer auf dem Arbeitsmarkt ist angesichts des Lebensalters der Klägerin zwar nicht mit einem nahtlosen Übergang in ein neues Arbeitsverhältnis zu rechnen. Allerdings bietet die Kündigungsfrist einen ausreichenden Zeitraum, um ein neues Arbeitsverhältnis begründen zu können.



    Die schutzwürdigen Interessen der Beklagten lassen eine Weiterbeschäftigung der Klägerin über das Ende der Kündigungsfrist hinaus nicht zu. Die Beklagte muss zuverlässig sicherstellen, dass gegenüber den Heimbewohnern weder offen noch verdeckt in irgendeiner Form Gewalt und Zwang ausgeübt wird. Sie muss sich insofern auf ihre Mitarbeiter, die mit den Pflegebedürftigen oft allein sind, uneingeschränkt verlassen können. Das ist bei der Klägerin nicht mehr gewährleistet. Die Klägerin hat sich nicht klar und eindeutig von ihrem Fehlverhalten distanziert. Unabhängig davon wie der Wasch- und Rasiervorgang im Einzelnen konkret abgelaufen ist, bleibt es auch nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin bei einer unzulässigen Anwendung von Zwang und Gewalt, die sich keinesfalls wiederholen darf. Bei Ausspruch der Kündigung hatte die Beklagte keinen Anlass, anzunehmen, dass eine derartige Misshandlung von Heimbewohnern durch die Klägerin zukünftig mit größter Wahrscheinlichkeit sicher auszuschließen ist.



    Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

    Vorschriften§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 626 Abs. 1 BGB, § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HeimG, § 1 Abs. 1 KSchG, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO