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  • 17.10.2013 · IWW-Abrufnummer 133212

    Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Beschluss vom 08.07.2013 – 5 Ta 110/13

    1. Bei Rechtsstreitigkeiten über ein Arbeitgeberdarlehen ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG gegeben.e

    2. Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG liegt insbesondere dann vor, wenn das Darlehen durch entsprechende Lohneinbehalte des Arbeitnehmers zurückgezahlt werden soll.


    LAG Schleswig-Holstein

    08.07.2013

    5 Ta 110/13

    In dem Beschwerdeverfahren
    pp.
    hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 08.07.2013 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende
    beschlossen:
    Tenor:

    Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 15.05.2013 aufgehoben.

    Es wird festgestellt, dass für die Widerklage der Beklagten der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben ist.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
    Gründe

    I.

    Im Hauptsacheverfahren machen der Kläger Vergütungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis und die Beklagte im Wege der Widerklage Rückzahlungsansprüche aus einem dem Kläger gewährten Darlehen geltend.

    Der Kläger war bei der Beklagten vom 01.01.2012 bis zum 30.05.2012 als gewerblicher Arbeitnehmer zu einem Stundenlohn von € 8,55 brutto beschäftigt. Die Beklagte rechnete die Lohnansprüche des Klägers für Mai 2012 ab. Diese Abrechnung weist einen Auszahlungsbetrag von € 703,75 aus.

    Mit vor dem Arbeitsgericht erhobener Klage machte der Kläger Überstundenvergütung, Urlaubsabgeltung sowie die Auszahlung des abgerechneten Nettogehalts geltend. Die Beklagte berief sich auf tarifliche Ausschlussfristen und erhob Widerklage in Höhe von € 1.000,00.

    Die Beklagte hat zur Begründung der Widerklage vorgetragen,

    dass der Kläger die von ihrem Geschäftsführer gemietete Wohnung übernommen habe. Mit der Vermieterin zusammen hätten die Parteien vereinbart, dass die Vermieterin die vom Geschäftsführer gezahlte Kaution in Höhe von € 1.000,00 einbehält und der Kläger stattdessen die ihn treffende Kaution "in Höhe von € 1.000 € direkt an den Vormieter Steffan M.", d. h. ihren Geschäftsführer zahlt (Bl. 112 d. A.). Die Parteien seien übereingekommen, dass die Kaution für die Wohnung mit dem Lohn des Klägers verrechnet werden sollte. Dem Kläger sei das abgerechnete Mai-Gehalt in den Geschäftsräumen am 22.06.2012 ausgezahlt worden. Dieser habe das Geld indessen als Teilrückzahlung auf die Darlehnssumme zurückgegeben. Dies könne die Buchhalterin S. bezeugen.

    Der Kläger hat behauptet,

    die Eventualwiderklage sei unschlüssig. Selbst wenn ein solcher Anspruch bestünde, wäre er noch nicht fällig. Die Forderung stehe auch in keiner Verbindung mit der Lohnklage.

    Im Kammertermin hat das Arbeitsgericht Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin S. und sich sodann im Hinblick auf die Widerklage der Beklagten für sachlich unzuständig erklärt und nach entsprechender Abtrennung die Widerklage an das sachlich und örtlich zuständige Amtsgericht Pinneberg verwiesen (Bl. 141 f., 145 f. d. A.). Die Beklagte habe weder dargelegt, dass es sich um ein sog. Arbeitgeberdarlehen gehandelt habe, noch dargelegt, weshalb das Darlehen zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Kläger in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Klage stehe. Im Übrigen fehle es im Sinne eines rechtlichen Zusammenhangs (Aufrechnung) an der Darlegung der Beklagtenseite, dass das streitige Darlehen bereits fällig gestellt worden sei. Unabhängig von der Frage, ob es überhaupt einen ausreichenden rechtlichen oder unmittelbar wirtschaftlichen Zusammenhang hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche und der geltend gemachten Mietkaution des Beklagten gebe, handele es sich vorliegend um eine Streitigkeit aus einem Mietverhältnis (Mietkaution). Gemäß § 29a Abs. 1 ZPO sei für Streitigkeiten über Ansprüche aus Miet- und Pachtverhältnissen über Räume das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Räume befinden. Die Räumlichkeiten befänden sich in W. und damit im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Pinneberg.

    Gegen diesen ihm am 28.05.2013 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 11.06.2013 sofortige Beschwerde eingelegt. Es habe sich nicht um eine Streitigkeit aus einem Mietverhältnis gehandelt. Vielmehr seien Darlehensrückzahlungsansprüche Streitgegenstand der Widerklage. Der Kläger habe die von ihrem Geschäftsführer ursprünglich angemietete Wohnung als Nachmieter von der Vermieterin B. gemietet. Die Parteien hätten sich darauf geeinigt, dass die Vermieterin die Kaution ihres Geschäftsführers als Kaution des Klägers einbehalte und der Kläger die Summe in Höhe von € 1.000,00 an ihren Geschäftsführer zahlt. Der Darlehensbetrag sollte in Raten von dem Lohn des Klägers einbehalten werden, wenn Letzterer nicht zuvor nach Auszahlung der eigenen Kaution von seiner vorherigen Wohnung das Darlehen vollständig abgelöst hätte. Die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts sei gemäß § 2 Abs. 1 Ziff. 4a ArbGG wegen des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs mit dem Arbeitsverhältnis gegeben. Jedenfalls ergebe sich die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts aus § 2 Abs. 3 ArbGG.

    Mit - nicht gesondert begründetem - Beschluss vom 25.06.2013 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt.

    II.

    Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist an sich statthaft und form- und fristgerecht eingelegt, §§ 17a Abs. 2 u. 4 S. 3 GVG, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569, Abs. 1 u. 2 ZPO.

    Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

    Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen auch in Bezug auf die Widerklage gegeben.

    Mit der Widerklage macht die Beklagte Ansprüche aus einem behaupteten (Arbeitgeber-)Darlehen geltend. Insbesondere fordert die Beklagte nicht die Zahlung einer Kaution. Weder die Beklagte noch deren Geschäftsführer sind Vermieter des Klägers. Vielmehr hat der Geschäftsführer der Beklagten gegenüber seiner ehemaligen Vermieterin auf die Auszahlung seiner Kaution unter gleichzeitiger Erfüllung der Kautionshinterlegungspflicht des Klägers verzichtet. Im Gegenzuge hat sich der Kläger verpflichtet, an den Geschäftsführer der Beklagten den von diesem verauslagten Betrag für die von ihm, dem Kläger, bei der Vermieterin zu hinterlegende Kaution zurückzuzahlen. Dies ergibt sich eindeutig aus dem dreiseitigen Schreiben "Kautionsübergabe" (Anlage B 11). Die Widerklage betrifft mithin die Rückzahlungsansprüche eines dem Kläger vom Geschäftsführer der Beklagten gewährten Darlehens.

    Bei Rechtsstreitigkeiten über ein Arbeitgeberdarlehen ist nach der h. M. ein unmittelbar wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gegeben, der die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 4. lit. a ArbGG - ggf. auch/oder nach § 2 Abs. 1 Nr. 3. lit. a ArbGG - begründet (vgl. BAG, Urt. v. 19.01.2011 - 10 AZR 873/08 -, Rn. 16, [...]; BAG, Urt. v. 28.07.2009 - 3 AZR 250/07 -, [...]; BAG, Urt. v. 19.03.2009 - 6 AZR 557/07 -, [...]; LAG München, Beschl. v. 02.01.2007 - 4 Ta 361/06 -, [...]; Düwell/Lipke, ArbGG, 3. Aufl., § 2 Rz. 20; Grunsky, ArbGG, 7. Aufl. 1995, § 2 Rz. 85; ErfK/Koch, 13. Aufl., Rn. 23 zu § 2 ArbGG). Ein Arbeitgeberdarlehen liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis einem Arbeitnehmer Kapital zur vorübergehenden Nutzung, typischerweise zu günstigeren Bedingungen als auf dem Kapitalmarkt überlässt (ErfK/Preis, 13. Aufl., Rn. 426 zu § 611 BGB; HWK/Thüsing, 5. Aufl., Rn. 153 zu § 611 BGB). Mit der Gewährung eines Arbeitgeberdarlehens wird auf Seiten des Arbeitgebers häufig bezweckt, die Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb oder dessen Leistungsmotivation zu steigern. Das Arbeitgeberdarlehen unterscheidet sich mithin vornehmlich dadurch vom Privatdarlehen, dass der Darlehensnehmer zugleich Arbeitnehmer des Darlehensgebers ist und der Arbeitgeber das Darlehen wegen des bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses gewährt.

    Nach dem nicht widerlegten Vortrag der Beklagten liegen diese Voraussetzungen hier vor. Unstreitig war der Kläger zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung Arbeitnehmer der Beklagten. Darlehensgeber war der gesetzliche Vertreter der Beklagten. Unstreitig hat der Kläger auch Sonderkonditionen erhalten. Das Darlehen ist ihm - soweit ersichtlich - zinslos gewährt worden. Ein zinsloses Darlehen hätte er auf dem freien Kapitalmarkt nicht erhalten. Es ist auch kein anderer Grund als der zugrundeliegende Arbeitsvertrag ersichtlich, warum die Beklagte bzw. deren gesetzlicher Vertreter dem Kläger ein zinsloses Darlehen gewähren sollte. Anlass für die Darlehensgewährung war die bereits aufgrund des Arbeitsvertrages bestehende rechtliche Verbundenheit der Vertragspartner des Darlehensvertrages. Insbesondere hat der Kläger nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass er mit dem Geschäftsführer der Beklagten befreundet und dies alleiniger Beweggrund für die Darlehensgewährung gewesen sei. Schlussendlich hat die Beklagte unbestritten vorgetragen, dass das dem Kläger von ihrem Geschäftsführer gewährte Darlehen für die Kaution durch Lohneinbehalte vom Kläger zurückgezahlt werden sollte. Der Kläger hat in seiner Erwiderung vom 15.02.2013 auf die Widerklage gerade nicht bestritten, dass die Rückzahlung des Darlehens durch Lohneinbehalte erfolgen sollte, sondern diesbezüglich nur eingewandt, dass die Rückzahlungsansprüche noch nicht fällig gewesen sei.

    Gegen die Annahme eines Arbeitgeberdarlehens spricht auch nicht, dass die Vertragsparteien die Rückzahlungsmodalitäten (Fälligkeit, Lohneinbehalt, Höhe etwaiger Ratenzahlungen) nicht im Einzelnen im Voraus bestimmt haben. Wenn keine Fälligkeit oder Tilgungsmodalitäten vereinbart sind, gelten die gesetzlichen Bestimmungen, § 488 ZPO. Dies sind Fragen der Begründetheit, aber keine der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen.

    Nach alledem war der angefochtene Verweisungsbeschluss aufzuheben und der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten bezogen auf die Widerklage für gegeben zu erklären.

    Ein gesetzlich begründeter Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde lag nicht vor, §§ 78 Satz 1 und Satz 2 i. V. m. 72 Abs. 2 ArbGG, 574 Abs. 1 Ziff. 2. i. V. m. Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 ZPO.

    RechtsgebietArbGGVorschriften§ 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a ArbGG