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  • 17.10.2013 · IWW-Abrufnummer 133211

    Hessisches Landesarbeitsgericht: Beschluss vom 25.06.2013 – 12 Ta 169/13

    Hat der Arbeitgeber bei einer Nettolohnvereinbarung eine Gehaltsabrechnung zu erteilen, ist diese Verpflichtung erst fällig, wenn der Arbeitnehmer ihm seine Steuermerkmale mitgeteilt hat, sei es durch Vorlage der Lohnsteuerkarte oder Mitteilung der ID-Nummer (§ 39 b, § 39 e EStG). Er ist nicht gehalten, eine Abrechnung nach § 39 c EStG unter Zugrundlegung der höchsten Steuerklasse durchzuführen, weil sich dadurch die von ihm zu entrichtende Lohnsteuer erhöhen würde.


    LAG Hessen

    25.06.2013

    12 Ta 169/13

    Tenor:

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Schuldnerin zu 5/6, die Gläubigerin zu 1/6.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
    Gründe

    I.

    Die Parteien streiten nach beiderseitiger Erledigungserklärung noch über die Kosten des Zwangsgeldverfahrens.

    Die Schuldnerin hat sich mit ihrer am 11.03.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen einen ihr am 04.03.2013 zugestellten Zwangsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt (6 Ca 6467/12) vom 26.02.2013 gewandt, durch den sie zur Erfüllung der im gerichtlichen Vergleich vom 08.10.2012 (Bl. 22 d.A.) eingegangenen Verpflichtungen angehalten worden ist, nämlich der Gläubigerin ein einfaches Arbeitszeugnis sowie eine Gehaltsabrechnung zu erteilen.

    Die Gläubigerin hat der Schuldnerin am 28.11.2012 eine Kopie der vollstreckbaren Ausfertigung des gerichtlichen Vergleichs von Anwalt zu Anwalt zugestellt. Am 10.01.2013 hat die Gläubigerin ihren Zwangsgeldantrag beim Arbeitsgericht eingereicht.

    In einem Telefonat mit dem Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin am ß01.03.2013 wies die Schuldnerin darauf hin, dass sie zur Erteilung der Abrechnung für die Gläubigerin die ID-Nummer des Finanzamts benötige. Der Bevollmächtigte sagte die Mitteilung der ID-Nummer des Finanzamts am selben Tage schriftlich zu (Bl. 46 d.A.) und stellte sie mit Schreiben vom 25.03.2013 der Schuldnerin zur Verfügung. Unter dem 24.04.2013 übersandte die Schuldnerin ein Arbeitszeugnis, das nicht das vereinbarte Ausstellungsdatum 30.09.2012 trug.

    Mit Anschreiben vom 13.05.2013, das am 17.05.2013 einging, übersandte die Schuldnerin der Gläubigerin die Gehaltsabrechnung und das Arbeitszeugnis.

    In der Beschwerdeinstanz haben die Parteien übereinstimmend das Zwangsgeldverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt.

    II.

    Das Zwangsvollstreckungsverfahren ist in der Hauptsache erledigt, nachdem die Parteien übereinstimmend entsprechende Erklärungen abgegeben haben. Daher ist gemäß § 91 a ZPO analog unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstandes nach billigem Ermessen nur noch über die Kosten zu entscheiden. Das bedeutet in der Regel, dass derjenige die Kosten zu tragen hat, der voraussichtlich unterlegen wäre. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens.

    Unter Anwendung dieses Maßstabs waren den Parteien die Kosten jeweils anteilig aufzuerlegen, der Schuldnerin zu 5/6 und der Gläubigerin zu 1/6.

    1. Die Schuldnerin hat die Kosten aus der Vollstreckung der Verpflichtung zur Erteilung eines Arbeitszeugnisses (Wert € 1.250,--) zu tragen; denn sie hat ein Arbeitszeugnis, das die in Ziff. 4 des gerichtlichen Vergleichs eingegangene Verpflichtung erfüllt, erst nach Erlass des Zwangsgeldbeschlusses durch das Arbeitsgericht erteilt. Der Zwangsgeldantrag war auch zunächst zulässig und begründet. Die formellen Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung) waren gegeben. Die Zeugniserteilung ist eine unvertretbare Handlung gemäß § 888 ZPO. Die in Ziffer 4 des gerichtlichen Vergleichs vereinbarte Verpflichtung zur Erteilung eines Zeugnisses hat einen vollstreckungsfähigen Inhalt. Damit musste die Gläubigerin zur Durchsetzung ihres Anspruchs die Zwangsvollstreckung einleiten.

    2. Die Gläubigerin hat die Kosten aus der Vollstreckung der Verpflichtung zur Erteilung einer Abrechnung für den Monat September 2012 (Wert € 250,--) zu tragen; denn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Gehaltsabrechnung durch die Schuldnerin lagen bis zum Erlass des Zwangsgeldbeschlusses nicht vor. Es fehlte an der Zurverfügungstellung der Lohnsteuermerkmale seitens der Gläubigerin, die insoweit eine Mitwirkungspflicht traf. Zum richtigen Abzug der Lohnsteuer nach § 39 b EstG bedarf der Arbeitgeber der Kenntnis der Lohnsteuermerkmale des Arbeitnehmers, um die Abzüge richtig berechnen, bzw. bei der Nettolohnvereinbarung die anfallenden Lohnsteuern auf die garantierte Nettozahlung richtig hochrechnen zu können. Hierzu war die Schuldnerin bis zum Erlass des Zwangsgeldbeschlusses nicht in der Lage, denn die Gläubigerin hatte ihr weder eine Lohnsteuerkarte (§ 39 b EStG) vorgelegt noch ihre ID-Nummer (§ 39 e EStG) mitgeteilt, die diese Informationen beinhalten. Auf die Möglichkeit, die Abrechung bei Nichtvorlage oder Mitteilung nach § 39 c Abs. 1 EStG unter Zugrundelegung der höchsten Steuerklasse durchzuführen, ist der Arbeitgeber bei der Vereinbarung einer Nettovergütung nicht zu verweisen, denn dann würde aufgrund eines Versäumnisses des Arbeitnehmers die vom Arbeitgeber zu tragende Steuerschuld erhöht. Die Zwangsvollstreckung hätte hier erst nach Mitteilung der ID-Nummer und Verstreichen des nächsten Abrechnungstermins eingeleitet werden dürfen.

    Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 S.2 iVm § 72 Abs.2 ArbGG) waren nicht ersichtlich.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 91a ZPO § 888 ZPO § 39e EStG § 39c EStG § 39b EStG