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  • 26.04.2012 · IWW-Abrufnummer 121528

    Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Beschluss vom 15.03.2012 – 1 Ta 29/12

    Prozesserklärungen von Parteien sind nach den für Willenserklärungen des BGB (§ 133 BGB) geltenden Grundsätzen auszulegen. Danach kann nicht jedes Vorbringen einer Partei im Nachgang des Erlasses einer sie belastenden gerichtlichen Entscheidung nur als Rechtsmittel dagegen ausgelegt werden. Erforderlich hierfür ist, dass in der Erklärung irgendwie zum Ausdruck kommt, dass die Entscheidung fehlerhaft sein soll und sie deshalb im (kostenpflichtigen) Rechtsmittelverfahren überprüft werden soll.


    Tenor:

    Der Beschluss des Rechtspflegers des Arbeitsgerichts Trier vom 25. Januar 2012 - 1 Ca 281/10 - über die Nichtabhilfe der sofortigen Beschwerde der Beschwerdeführerin wird aufgehoben. Das Arbeitsgericht wird angewiesen, über den Antrag der Klägerin auf - Erlass der Gerichtskosten - zu entscheiden.

    Gründe

    I. Das Arbeitsgericht hat der Klägerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.

    Nachdem die Klägerin trotz mehrfacher vergeblicher Aufforderung mitzuteilen, ob sich in der Folgezeit ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht gebessert haben nicht reagiert hat, hat der Rechtspfleger mit Beschluss vom 30. September 2011 den Bewilligungsbeschluss der Richterin vom 5. Mai 2010 aufgehoben. Diesen mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Beschluss hat der Rechtspfleger am 6. Oktober 2011 dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt.

    Mit Schreiben vom 16. Dezember 2011 - Eingang beim Arbeitsgericht am 29. Dezember 2011 - hat die Klägerin dem Arbeitsgericht folgendes mitgeteilt:

    "Da mein Arbeitsvertrag nicht verlängert wurde und ich keine Einkünfte mehr beziehe bin ich nicht in der Lage, die Gerichtskosten zu begleichen und bitte Sie um Kostenbeihilfe bzw. Erlassung der Gerichtskosten".

    Der Rechtspfleger hat dieses Schreiben als Rechtsmittel gegen den Aufhebungsbeschluss angesehen und die Klägerin mehrfach vergeblich aufgefordert, "geeignete Nachweise" vorzulegen, wie und wovon sie derzeit ihren Lebensunterhalt bestreite. Da die Klägerin dem nicht nachgekommen ist hat der Rechtspfleger mit Beschluss vom 25. Januar 2012 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

    Das erkennende Gericht hat der Klägerin, zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten, mit Schreiben vom 06.02.2012 mitgeteilt, dass es Zweifel habe, ob es sich bei dem Vorbringen der Klägerin, das zudem erheblich verfristet sei, überhaupt um eine sofortige Beschwerde handeln soll. Trotz verlängerter Frist hat die Klägerin hierzu keine Stellungnahme abgegeben.

    II. Der Aufhebungsbeschluss war aufzuheben, da das Vorbringen der Klägerin in ihrem persönlichen Schreiben vom 16. Dezember 2011 nicht als ein Rechtsmittel gegen den Aufhebungsbeschluss auszulegen war. Prozesserklärungen der Parteien sind nach den für Willenserklärungen des BGB (§ 133 BGB) geltenden Grundsätzen auszulegen. Daher ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, sondern der in der Erklärung verkörperte Wille ist anhand der erkennbaren Umstände zu ermitteln. Im Zweifel ist gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig und der rech verstandenen Interessenlage entspricht (BAG NZA 2006, 162 - BAG NZA 2010, 243; Schwab/Weth, ArbGG, 3. Aufl., § 64 Rz 145).

    Nicht jedes Vorbringen einer Partei kann nur und ausschließlich als ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung ausgelegt werden. Erforderlich ist, dass in der Erklärung irgendwie zum Ausdruck kommt, dass die Entscheidung fehlerhaft sein soll und dass es der Wille ist, dass diese Entscheidung im Rechtsmittelverfahren überprüft werden soll. Hierbei ist zudem zu bedenken, dass unbegründete Rechtsmittel in aller Regel Gerichtskosten auslösen, so dass eine Partei zusätzlich auch noch - außer dass sie in der Sache nichts erreicht - mit Gerichtskosten belastet wird. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das Vorbringen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 16. Dezember 2011 an das Arbeitsgericht nicht als ein Rechtsmittel gegen den Aufhebungsbeschluss auszulegen. Der Aufhebungsbeschluss, der mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war, wurde der Klägerseite wirksam am 6. Oktober 2011 zugestellt. Innerhalb der Monatsfrist ist keine Erklärung der Klägerin beim Arbeitsgericht eingegangen aus der irgendwie ersichtlich war, dass sie den Aufhebungsbeschluss für inhaltlich fehlerhaft hält. Erst am 29. Dezember 2011 hat die Klägerin mitgeteilt, dass ihr Arbeitsvertrag nun nicht mehr verlängert wurde und sie deshalb keine Einkünfte mehr beziehe, so dass sie nicht in der Lage sei, die Gerichtskosten zu begleichen. Sie bittet daher um eine "Kostenbeihilfe" bzw. "Erlassung der Gerichtskosten". Mit diesen Erklärungen hat die Klägerin zum Ausdruck gegeben, dass sich nachträglich ihre Verhältnisse wieder verschlechtert haben und sie nunmehr nicht in der Lage sei, die angeforderten Kosten zurückzuzahlen. Dieses Vorbringen der Klägerin kann nicht in ein kostenauslösendes Rechtsmittelverfahren umgedeutet werden. Es wird Aufgabe des Arbeitsgerichts sein, nunmehr zu prüfen, ob wegen nachträglicher Veränderungen die bestehende Kostenforderung der Staatskasse gegenüber der Klägerin gestundet oder gar erlassen werden kann.

    Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

    VorschriftenBGB § 133, ZPO § 127 Abs. 2