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  • · Fachbeitrag · Arbeitszeit

    Wer nicht hört, muss fühlen: Verstoß gegenArbeitszeit kostet ArbG 10.000 EUR Ordnungsgeld

    | Auch wenn Personaleinsatzbeauftragte keine Personalverantwortung innehaben, ist ihr Handeln dem ArbG zurechenbar. Verstöße gegen titulierte Pflichten sind damit gegen den ArbG vollstreckbar. |

     

    Sachverhalt

    Das Arbeitsgericht München verpflichtete den ArbG (15.10.14, 34 BV 628/13), es zu unterlassen, ArbN, deren Zeitguthaben den Wert der zweifachen individuellen wöchentlichen Arbeitszeit überschritten haben („rote Phase“), täglich länger als die im jeweiligen Dienstplan festgelegte Arbeitszeit zu beschäftigen oder eine solche Beschäftigung zu dulden, sofern nicht der Betriebsrat dem zugestimmt hat, solange die Betriebsvereinbarung von 2007 gelte. Mit Beschluss vom 27.9.16 drohte das Arbeitsgericht auf Antrag des Betriebsrats dem ArbG für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000 EUR an.

     

    In der folgenden Zeit beantragte der Betriebsrat, gegen den ArbG ein Ordnungsgeld bis zu 10.000 EUR in zwei Fällen festzusetzen. Zwei ArbN befänden sich in der „roten Phase“ ihres Arbeitszeitkontos. Dennoch habe der ArbG eine Arbeitsplanung für die Mitarbeiterinnen dem Betriebsrat zur Zustimmung vorgelegt, wonach diese weiterhin Mehrarbeit hätten leisten sollen. Die Planung habe ein Plus über der individuellen wöchentlichen Arbeitszeit enthalten. Der Betriebsrat habe diesen Plan abgelehnt und dies dem ArbG mitgeteilt. Dennoch hätten die beiden ArbN Mehrarbeit leisten müssen.

     

    Das Arbeitsgericht wies den Antrag des Betriebsrats auf Festsetzung eines Ordnungsgelds zurück. Der Betriebsrat legte hiergegen sofortige Beschwerde ein, der das Arbeitsgericht nicht abhalf und sie dem LAG vorlegte.

     

    Entscheidungsgründe

    Das LAG München (19.6.18, 7 Ta 281/17, Abruf-Nr. 205175) verhängte nunmehr gegen den ArbG ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 EUR. Das Ordnungsgeld sei in der vorliegenden Höhe zwingend geboten, denn der ArbG habe, was er selbst einräumt, in zwei Fällen gegen seine Unterlassungsverpflichtung verstoßen.

     

    Der ArbG könne sich nicht auf fehlendes Verschulden berufen. Seine Ausführungen, dass kein Verschulden seiner Organmitglieder vorliege, sei unerheblich. Darauf komme es nicht an. Dem ArbG sei vielmehr vorzuhalten, dass ganz offensichtlich die Vorkehrungen nicht ausreichend gewesen seien, auf die er sich beruft. Damit liege ein Organisationsverschulden vor. Nach eigenem Sachvortrag habe der Personaleinsatzbeauftragte die unzulässige Personalplanung unverändert an den Betriebsrat weitergegeben und sei nicht eingeschritten. Bereits dies spreche gegen die Behauptung des ArbG, dass er seine Personaleinsatzbeauftragten hinreichend mündlich unterrichtet und belehrt habe. Es sei offensichtlich, dass nach der Organisation des ArbG in der Filiale die beiden ArbN die Personaleinsatzplanung vornehmen konnten und durften. Dann müsse sich der ArbG ein fehlerhaftes Handeln dieser Personen zurechnen lassen.

     

    Die Auffassung des ArbG gehe ins Leere, dass ihm die Zuwiderhandlungen nicht zugerechnet werden könnten, weil die beiden Personaleinsatzbeauftragten keine Leitungsaufgaben innehätten. Diese Argumentation sei erfolglos. Ansonsten könne der ArbG die Gestaltung seiner Personaleinsatzpläne grundsätzlich auf einen Personenkreis ohne Leitungskompetenz delegieren und sich bei einem fehlerhaften Handeln dieser Personen seiner Verantwortung mit dem Scheinargument „fehlende Leitungsaufgabe“ entziehen. Im Übrigen erscheine es äußerst zweifelhaft, denjenigen Personen, die zur Personaleinsatzplanung befugt seien, auch nur vertretungsweise, eine Leitungskompetenz abzusprechen.

     

    Hinsichtlich der Höhe des festzusetzenden Ordnungsgelds sei zu berücksichtigen gewesen, dass gerade im Hinblick auf einen äußerst langwierigen und umfangreichen Rechtsstreit im Zusammenhang mit dem Einsatz von ArbN in der „roten Phase“ ein gravierender Verstoß vorliege, wenn trotz des Widerspruchs des Betriebsrats gegen eine Einteilung von ArbN, die sich bereits in der roten Phase befinden, eine solche erfolge. Diese in besonderer Weise gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Betriebspartner (§ 2 Abs. 1 BetrVG) zuwiderlaufende Vorgehensweise bedürfe einer Sanktion. Daher sei ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000 EUR für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung geboten.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der ArbG muss sich vor Augen halten, dass Handlungen oder Unterlassungen, zu denen er gegenüber dem Betriebsrat auf Grundlage eines Beschlusses des Arbeitsgerichts oder eines Vergleichs verpflichtet ist, im Vollstreckungsverfahren erzwingbar sind.

     

    In der Praxis erfolgt eine solche Vollstreckung auf Antrag des Betriebsrats nach § 85 Abs. 1 S. 3 ArbGG, § 888 bzw. § 890 ZPO durch Festsetzung eines Zwangs- bzw. Ordnungsgelds durch das Arbeitsgericht. Hierbei beträgt die maximale Höhe des einzelnen Zwangsgelds bei Handlungen nach § 888 Abs. 1 S. 2 ZPO 25.000 EUR. Bei Unterlassungen und Duldungen darf das einzelne Ordnungsgeld gemäß § 890 Abs. 1 S. 2 ZPO aber 250.000 EUR nicht übersteigen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Infostand der Gewerkschaft kann durch den Betriebsrat nicht verhindert werden: LAG Köln in AA 19, 5
    • Unwirksame AVE hindern Zwangsvollstreckung nicht: LAG Berlin-Brandenburg in AA 18, 148
    • Einigungsstelle kann nicht immer Vorgaben an ArbG beschließen: LAG Schleswig-Holstein in AA 18, 93
    Quelle: Ausgabe 02 / 2019 | Seite 26 | ID 45685307