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  • · Fachbeitrag · Immaterieller Schadenersatz

    Auswertung von WhatsApp-Nachrichten des ArbN kostet den ArbG 7.500 EUR Schadenersatz

    | Eine nicht durch legitime Interessen des ArbG gedeckte, nicht erforderliche und unverhältnismäßige Auswertung von WhatsApp-Nachrichten auf einem Firmenhandy, das vom ArbN sowohl für dienstliche als auch private Zwecke genutzt wird, kann zu einem Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens des betroffenen ArbN in Höhe von 7.500 EUR führen. |

     

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten u. a. über außerordentlich und vorsorglich ordentlich ausgesprochene Kündigungen sowie um einen Schadenersatzanspruch des ArbN gemäß Art. 82 DSGVO.

     

    Der ArbN ist als Vertriebsleiter mit einem Bruttomonatsgehalt von 7.500 EUR beim ArbG (Softwareunternehmen) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält eine Regelung, dass sich das jährliche Gehalt nach Ablauf von einem Jahr Betriebszugehörigkeit um jeweils mindestens 5.000 EUR erhöht. Zudem ist er stiller Gesellschafter. Der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien enthält eine Regelung zur Verschwiegenheitspflicht. Auch im Gesellschaftsvertrag findet sich hinsichtlich der atypisch stillen Gesellschafterstellung des ArbN eine Stillschweigensklausel und ein Wettbewerbsverbot.

     

    In einem Gespräch am 2.7.20 wurden dem ArbN zwei Kündigungsschreiben übergeben, eines betreffend das Arbeitsverhältnis (außerordentliche Kündigung und vorsorglich ordentlich) und eine Kündigung des Vertrags über die stille Gesellschaft. Der ArbN gab aufforderungsgemäß seinen Firmenlaptop, das Handy, seinen Zutrittschip für das Büro, die Firmenkreditkarte und den Autoschlüssel des Firmenwagens ab. Er entfernte die SIM-Karte aus dem Handy, da es sich um seinen privaten Handyvertrag handelte, was im Einverständnis mit der Geschäftsführung des ArbG geschah.

     

    Der ArbN nutzte während des Arbeitsverhältnisses seinen privaten Handyvertrag. Der ArbG übernahm die monatlichen Zahlungen der Rechnungen. Mit dem Ausscheiden stellte er das Handy auf die Werkseinstellung zurück. Bezüglich der App „WhatsApp“ gibt es geschäftliche WhatsApp-Nachrichten zwischen ihm und dem ArbG, aber auch WhatsApp-Kontakte zu Freunden und z. B. seinem Bruder. Es war zu Beginn des Arbeitsverhältnisses die Vereinbarung getroffen worden, für die Dauer des Arbeitsverhältnisses die vom ArbN genutzte private Mobiltelefonnummer der dienstlichen Nutzung zuzuführen, wofür der ArbG die Kosten trägt.

     

    Der ArbN macht einen Anspruch auf Schadenersatz gemäß Art. 82 DSGVO geltend. Der ArbG habe unberechtigterweise private WhatsApp-Kommunikation zitiert. Es habe keine Einwilligung des ArbN in die Datenverarbeitung in Form der Auswertung der WhatsApp-Kommunikation gegeben. Der geltend gemachte Schadenersatz sei mit einem Quartalsverdienst angesiedelt.

     

    Der ArbG wirft dem ArbN vor, Betriebsinterna per WhatsApp weitergegeben zu haben. Es gäbe auch kein Beweisverwertungsverbot. Mit der Rückgabe des Handys habe er zu erkennen gegeben, dass der ArbG über dieses frei verfügen könne. Der ArbG habe das Handy gezielt nach wettbewerbswidrigem Verhalten des ArbN prüfen dürfen. Ihm sei Gelegenheit gegeben worden, seine persönlichen Daten vor Herausgabe des Handys zu löschen. Auch habe er keine andere Möglichkeit der Beweissicherung gehabt. Die Auswertung sei so geschehen, dass nach dienstlichen Schlüsselbegriffen gesucht worden sei. Der ArbG habe sich nicht für die private Korrespondenz interessiert.

     

    Entscheidungsgründe

    Das Arbeitsgericht Mannheim (20.5.21, 14 Ca 135/20, Abruf-Nr. 232726) bejahte ein Sachvortragsverwertungsverbot, soweit der ArbG sich auf die nachträgliche Kenntniserlangung durch WhatsApp-Nachrichten beruft. Da er sich auf die Gründe nicht stützen könne, könne er diese auch nicht als nachgeschobene Kündigungsgründe unter Wahrung der Zwei-Wochen-Frist einführen.

     

    Zwar kenne das deutsche Zivilprozessrecht ein Sachvortragsverwertungsverbot nicht. Ein Verwendungs- und Verwertungsverbot komme jedoch ausnahmsweise in Betracht, wenn eine erhebliche, im Einzelfall nicht gerechtfertigte Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliege und das Persönlichkeitsrecht des ArbN im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung überwiege (BAG 13.12.07, 2 AZR 537/06; BAG 31.1.19, 2 AZR 426/18). Hier liege ein Verstoß gegen § 26 BDSG mit einem Sachvortragsverwertungsverbot als Folge vor.

     

    Nach der BAG-Rechtsprechung greife in einem Kündigungsrechtsstreit kein Verwertungsverbot zugunsten des ArbN ein, wenn der ArbG die Kenntnis im Einklang mit den datenschutzrechtlichen Vorschriften erlangt und weiterverwendet habe. Hierzu gehöre die Kontrolle, ob der ArbN seinen Pflichten nachkomme. Der ArbG dürfe deshalb alle Daten speichern und verwenden, die er benötige, um die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast in einem potenziellen Kündigungsschutzprozess zu erfüllen. Allerdings müsse es auch erforderlich sein, die personenbezogenen Daten zu erheben und zu nutzen. Es müsse eine volle Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgen (vergleiche BAG 31.1.19, 2 AZR 426/18). Die Erhebung der Daten müsse geeignet, erforderlich und angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen.

     

    Der ArbN habe das Handy und die WhatsApp-Nachrichten sowohl privat als auch geschäftlich genutzt. Es habe eine Mischnutzung vorgelegen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass er seine bisherige privat genutzte Telefonnummer weiter nutze. Es gäbe im Unternehmen des ArbG keine Regelungen hinsichtlich der Auslesung von Informationen des Handys des ArbN. Nach den Angaben des ArbG befänden sich noch Tausende von Bildern auf diesem und auch Videos und alle möglichen privaten Mails. Von daher wiege der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des ArbN besonders schwer. Zwar habe der ArbG angegeben, an privaten Informationen kein Interesse gehabt zu haben und nur nach geschäftlichen Vorfällen gesucht zu haben. Ob dies zutreffe, könne der ArbN jedoch nicht überprüfen. Auch liege auf seiner Seite eine berechtige Privatheitserwartung vor.

     

    Zu berücksichtigen sei ferner, dass der ArbN offenkundig versucht habe, bei Rückgabe des Handys alle Daten zu löschen, denn weshalb sonst habe er das Handy auf Werkseinstellung zurückstellen sollen. Spätestens nachdem der ArbG nach Erhalt des Handys festgestellt habe, dass sich noch Tausende von Bildern etc. auf dem Handy befanden, sei offenkundig, dass dem ArbN die Löschung seiner Daten nicht gelungen sei.

     

    Es sei zugunsten des ArbG zu berücksichtigen, dass er die WhatsApp-Nachrichten des ArbN nicht ins Blaue hinein untersucht habe. Vielmehr habe bereits aufgrund der gelesenen E-Mails der Verdacht bzw. die Kenntnis von stattgefundenen Pflichtverletzungen bestanden. Im Rahmen der vollen Verhältnismäßigkeitsprüfung wäre jedoch unter Berücksichtigung beider Interessen ein weniger eingreifendes Mittel zumutbar gewesen. Das ergriffene Mittel sei weder erforderlich noch im Rahmen der Interessenabwägung verhältnismäßig im engeren Sinne. Einen weniger starken Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des ArbN hätte es dargestellt, wenn die Auswertung des Handys zumindest offen erfolgt wäre und dem ArbN die Möglichkeit gegeben worden wäre, zuvor seinen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

     

    Auf dem Handy seien private und dienstliche Nachrichten nicht getrennt worden. Hierzu habe es keine entsprechende organisatorische Anordnung seitens des ArbG gegeben. Daher schlage das Sachvortragsverwertungsverbot hinsichtlich der privaten Nachrichten auf die Nachrichten mit beruflichem Bezug durch. Es stehe mithin einer Auswertung ‒ auch mit Schlüsselbegriffen ‒ und deren Verwertung im Prozess entgegen.

     

    Relevanz für die Praxis

    7.500 EUR Schadenersatz: Hinsichtlich der Höhe des Schadens kam es nach dem Gericht auf die Intensität der Rechtsverletzung an. Auch von einem Mitverschulden des ArbN ging es aus, da er Nachrichten über WhatsApp an Dritte weitergeben habe. Es bleibt spannend: Gegen das Urteil wurde Berufung beim LAG Baden-Württemberg (12 Sa 56/21) eingelegt.

     

    Quelle: Ausgabe 01 / 2023 | Seite 3 | ID 48836342