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  • · Fachbeitrag · Beratungspraxis

    Der praktische Fall - Wie viel Druck muss der ArbG aushalten?

    von DirArbG Dr. Guido Mareck, Siegen

    | Im Bereich der Druckkündigung hat eine Entscheidung des BAG vom 18.7.13 (6 AZR 420/12, Abruf-Nr. 141177 ) für Aufsehen gesorgt. Der objektiv unbegründete Druck eines Vertragspartners des ArbG, bzw. des Insolvenzverwalters soll eine betriebsbedingte Druckkündigung grundsätzlich rechtfertigen können. Dies sahen die Vorinstanzen anders als der 6. Senat, der den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwies. |

     

    • Sachverhalt

    Der ArbN hatte mit der Insolvenzschuldnerin, die ein Hotel betrieb, in dem er zuvor als Gesellschafter und teilweise auch als Geschäftsführer beteiligt war, im Jahre 2007 einen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Nach Insolvenzeröffnung am 1.3.10 über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde ein Insolvenzverwalter bestellt, der den Hotelbetrieb weiterführte. Die Sparkasse als Grundpfandgläubigerin des Hotelbetriebs war zur Abgabe einer Verlustübernahmeerklärung von bis zu 100.000 EUR nur bereit, wenn der Insolvenzverwalter dem ArbN und dessen Ehefrau, die ebenfalls arbeitsvertraglich mit der Insolvenzschuldnerin bzw. dem -verwalter verbunden war, die Kündigung aussprechen würde. Unstreitig war auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien das Kündigungsschutzgesetz anwendbar.

     

    Mit Schreiben vom 2.3.10 kündigte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis mit dem ArbN zum 30.4.10. Dies begründete der Insolvenzverwalter damit, dass ohne die Verlustübernahmeerklärung der Sparkasse der Betrieb sofort hätte stillgelegt werden müssen. Mit einem weiteren Schreiben vom 20.4.10 sprach der Insolvenzverwalter gegenüber dem ArbN darüber hinaus eine außerordentliche fristlose Kündigung aus. Diese wurde u.a. auf Privateinkäufe mit einer EC-Karte und die Nichtherausgabe des Firmenwagens durch den ArbN gestützt.

     

    Der ArbN hat die Kündigungen form- und fristgemäß angegriffen. Der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage haben das Arbeitsgericht Magdeburg und das LAG Sachsen-Anhalt (29.3.12, 3 Sa 426/10) stattgegeben. Die Revision des Insolvenzverwalters war erfolgreich und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LAG.

     

    1. Welche Form der Druckkündigung gibt es?

    Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen der „unechten“ und der „echten“ Druckkündigung. Bei der „unechten“ Druckkündigung geht es um verhaltens- oder personenbedingte Kündigungsgründe, die in der Person des ArbN liegen, und auf die ein Dritter den ArbG lediglich aufmerksam macht. Bei der unechten Druckkündigung ist zu prüfen, ob diese Kündigungsgründe tatsächlich vorliegen und die Kündigung sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG ist.

     

    Die „echte Druckkündigung“ ist gegeben, wenn ein Dritter Druck auf den ArbG ausübt, der objektiv nicht gerechtfertigt ist. An diese „echte Druckkündigung“ sind auch nach Auffassung des BAG strenge Anforderungen zu stellen. Die Krux liegt darin, dass es sich hierbei nicht um eine echte betriebsbedingte Kündigung handelt, da die Beschäftigungsmöglichkeit objektiv nicht entfällt. Die Situation ähnelt derjenigen, in der sich der ArbG einem Auftragsverlust gegenübersieht, auf den er mit Personalabbau reagiert.

    2. Ist die Solidarität des ArbG bei der Druckkündigung nötig?

    Der 6. Senat des BAG argumentiert damit, dass der Druck eines Dritten als betriebliches Erfordernis anzuerkennen sei. Es komme nicht darauf an, ob die Druckausübung berechtigt sei. Darüber hinaus dürfe im Fall der bereits eingetretenen Insolvenz des Unternehmens die Zielsetzung der sanierenden Insolvenz nicht vereitelt werden.

     

    Der entscheidenden Frage, was unter „strengen Anforderungen“ genau zu verstehen ist, geht das BAG im Rahmen der Entscheidung hingegen aus dem Weg. Entscheidend sei, dass ohne das Eintreten der Sparkasse als Dritten, der die Drucksituation für die Kündigung geschaffen habe, der Insolvenzverwalter die Stilllegung des Betriebs auf der Gläubigerversammlung hätte vorschlagen müssen. Ohne Entlassung des ArbN (und seiner Ehefrau) wäre die Absicherung durch die Sparkasse und damit die Weiterführung des Betriebs, nicht möglich gewesen. Wenn die Drohung anders als durch die Kündigung nicht abgewendet werden kann und schwere wirtschaftliche Schäden für den ArbG drohen, kann eine echte Druckkündigung aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt sein.

    3. Echte Druckkündigung und System der Kündigungsgründe

    Die dogmatische Untermauerung der Argumentation des BAG fällt schwer. Der Druck, den ein Dritter gegenüber dem ArbG erzeugt, ist kein betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG. Er führt auch als solcher nicht zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten. Darüber hinaus ist die sonst nach § 1 Abs. 3 KSchG stets durchzuführende Sozialauswahl bei einer solchen Fallkonstellation nicht möglich. Auch der Zweck der Insolvenz schafft keine Sonderkündigungsrechte für den Insolvenzverwalter. Ein möglicher Schadenersatzanspruch des ArbN gegen den Dritten, der den Druck ausübt, mag zwar theoretisch denkbar sein. Er führt hingegen nicht zum Erhalt des Arbeitsplatzes.

    4. Fazit

    Für den ArbG in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation bzw. für den Insolvenzverwalter im Fall der Insolvenzeröffnung gilt, dass die echte betriebsbedingte Druckkündigung als grundsätzlich möglich anzuerkennen ist. Die „strengen Anforderungen“, die das BAG aufstellt, bedeuten, dass schwere wirtschaftliche Schäden für den Fall drohen, dass dem Druck nicht nachgegeben wird. Und andere Mittel, die geeignet sind, um den Schaden vom Betrieb abzuwenden, zumindest praktisch nicht gegeben sind.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 85 | ID 42643901