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  • · Fachbeitrag · Außerordentliche Kündigung

    Gefälschte Pflegedokumentation kann zur fristlosen Kündigung führen

    | Macht eine Pflegekraft in der Pflegedokumentation vorsätzlich Falschangaben und trägt ein, bei einer Patientin in der Wohnung gewesen zu sein, obwohl sie nur telefonischen Kontakt hatte, kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein. |

     

    Sachverhalt

    Die ArbN war seit über fünf Jahren als Altenpflegerin beschäftigt. Sie wurde vom ArbG mehrfach abgemahnt, unter anderem, weil sie eine Patientin nicht richtig versorgt hatte und dies falsch dokumentiert worden war. Anfang April 2019 fuhr die ArbN nicht persönlich zu einer Patientin, um dieser die Nachttablette zu geben, sondern telefonierte lediglich mit ihr. Den Leistungsnachweis für den nächtlichen Besuch zeichnete die ArbN jedoch trotzdem ab. Sie bestätigte auf dem Tagestourennachweis, die Patientin in der Zeit von 22:55 Uhr bis 23:06 Uhr versorgt zu haben. Der ArbG kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 5.4.19 fristlos. Die ArbN erhob Kündigungsschutzklage.

     

    Entscheidungsgründe

    Das Arbeitsgericht Siegburg wies die Klage ab (7.8.19, 3 Ca 992/19, Abruf-Nr. 211189). Es hielt die fristlose Kündigung für gerechtfertigt. Der vorsätzliche Verstoß eines ArbN gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom ArbG nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, könne an sich ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sein.

     

    Nach Auffassung des Gerichts müsse der ArbG auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner ArbN vertrauen können. Übertrage der ArbG den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den ArbN selbst und fülle ein ArbN die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so sei dies ein schwerer Vertrauensmissbrauch. Nach Auffassung der 3. Kammer habe die ArbN trotz vorheriger Abmahnung vorsätzlich falsche Daten eingetragen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Gefälschte Bewerbungsunterlagen, Atteste, Zeugnisse, Urlaubsscheine, Arbeitszeiten oder sogar Unterschriften von Vorgesetzten ‒ im Arbeitsrecht gibt es das alles, häufig nicht selten, aber auch mit unterschiedlichen Konsequenzen. So kommen von der Abmahnung über die Anfechtung des Arbeitsvertrags bis hin zur fristlosen Kündigung alle Möglichkeiten des ArbG hiergegen vorzugehen, in Betracht. Nachfolgend einige Entscheidungen aus der Vergangenheit:

     

    Rechtsprechungsübersicht / Wichtige Entscheidungen zum Thema Gefälschte Unterlagen

    Hessisches LAG

     23.3.15, 16 Sa 646/14,

    Abruf-Nr. 211232

    Manipuliertes Attest

    So entschied das Hessische LAG im Fall einer ArbN, die ein von einer anderen Person manipuliertes Attest eingereicht hatte. Darin waren die eingetragenen Daten ihren tatsächlichen Fehlzeiten wegen Krankheit ihres Kindes angepasst worden. Durch eine Rückfrage beim Arzt kam die Fälschung heraus und der ArbG kündigte der ArbN fristlos. Trotz einer 20-jährigen Zugehörigkeit zum Unternehmen, hielt das LAG die fristlose Kündigung für rechtmäßig.

     LAG Baden-Württemberg 13.10.06, 5 Sa 25/06,

    Abruf-Nr. 159221

    Gefälschte Bewerbungsunterlagen

    Auch die Folgen bei gefälschten Bewerbungsunterlagen sind nicht ohne. Das LAG Baden-Württemberg hielt die Anfechtung eines Arbeitsvertrags durch den ArbG für wirksam: Mehr als acht Jahre nach dem Vertragsschluss fand der ArbG heraus, dass der ArbN seine Noten im Ausbildungszeugnis selbst „verbessert“ hatte. Obwohl die Leistungen des ArbN stets beanstandungsfrei waren, konnte der ArbG den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten.

     

    Der ArbG sei an der Anfechtung auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert gewesen. Zwar mag die erbrachte Leistung beanstandungsfrei gewesen sein. Das Arbeitsverhältnis sei jedoch gerade nicht insgesamt beanstandungsfrei gewesen. Es komme nicht nur auf die geschuldete Leistung an, sondern auch auf den Zweck der vorgelegten Unterlagen. Dieser bestehe bei einem Berufsausbildungszeugnis nicht nur im Nachweis des Bestehens der Abschlussprüfung, sondern auch in der Bescheinigung der Qualifikation. Die durch § 123 Abs. 1 BGB geschützte Willensfreiheit des ArbG werde bei Vorlage eines gefälschten Ausbildungszeugnisses in besonderem Maße beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung dauere auch noch an. Es sei auch nicht auszuschließen, dass Dritten bekannt werde, dass die ArbG Mitarbeiter trotz Vorlage von gefälschten Unterlagen weiterbeschäftige, nur weil diese ihre Arbeit ordnungsgemäß geleistet hätten.

     LAG München

     28.6.07, 4 Sa 159/07,

    Abruf-Nr. 160888

    Gefälschte Prüfungszeugnisse

    Auch im Falle einer Krankenschwester war der Arbeitsvertrag wirksam angefochten: 14 Jahre lang hatte sie der ArbG auf Grundlage gefälschter ausländischer Prüfungszeugnisse beschäftigt, bis ihm dies auffiel.

     LAG Nürnberg

    24.4.15, 8 Sa 399/14,Abruf-Nr. 211233

    Unterschriftenfälschung von Vorgesetzten I

    Zweifelsfrei ist eine einer Kreditsachbearbeiterin nachgewiesene Unterschriftenfälschung in bankinternen Unterlagen bzw. auch der begründete Verdacht einer solchen grundsätzlich ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Eine in einem graphologischen Privatgutachten attestierte einfache Wahrscheinlichkeit einer Unterschriftenurheberschaft reiche aber nicht aus, die für eine Verdachtskündigung erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit einer Unterschriftenfälschung zu begründen.

    Arbeitsgericht Frankfurt a. M. 23.6.10, 7 Ca 263/10,

    Abruf-Nr. 211234

    Unterschriftenfälschung von Vorgesetzten II

    Der ArbN einer Sparkasse fälschte die Unterschrift seines Chefs ‒ und wurde daraufhin fristlos entlassen. Zu Unrecht, sagt das Arbeitsgericht Frankfurt a. M. Fälscht der ArbN sein Arbeitszeugnis, um sich damit bei einem neuen ArbG zu bewerben, ist dies kein Kündigungsgrund für den alten ArbG, wenn der ArbN die Fälschung mittels seines privaten Computers, nicht aber mithilfe von Betriebsmitteln, durchgeführt hat. Denn das Verhalten des ArbN hat ‒ trotz strafrechtlicher Bedeutung ‒ keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2019 | Seite 165 | ID 46139080