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  • · Fachbeitrag · Personelle Mitbestimmung

    Keine Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Vergütung des Vorsitzenden

    | Bei der Beurteilung der Frage, welche Vergütung dem Betriebsratsvorsitzenden bei betriebsüblicher beruflicher Entwicklung nach § 37 Abs. 4 BetrVG zusteht, und ob etwaige Zusagen des ArbG eine verbotene Begünstigung darstellen, besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG. Solche Fragen sind im Individualklageverfahren zu klären. |

     

    Sachverhalt

    Der heutige Betriebsratsvorsitzende war seit 1994 beim ArbG zunächst als Kfz-Mechaniker mit der Fachrichtung PKW-Instandhaltung beschäftigt. Seit 2006 verfügte er über eine Ausbildungsbefähigung. Mit der Betriebsratswahl 2006 wurde er freigestellt und bestand parallel die Meisterprüfung. Zum 1.1.08 wurde er zum Leiter der Ausbildungswerkstatt bestellt und in die Entgeltgruppe (EG) 9 eingruppiert. Wegen der Übertragung weiterer Aufgaben wurde er 2009 in EG 10 eingruppiert. Bei der Betriebsratswahl 2010 wurde er stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Unter gleichzeitiger Freistellung wurde er im Jahr 2012 in EG 11 eingruppiert. 2013 wurde ihm die Aufgabe als Abteilungsleiter Fahrzeugtechnik Kraftfahrzeuge (FK-U) übertragen. Zu diesem Zeitpunkt legte er sein Amt als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender unter gleichzeitigem Verzicht auf seine Freistellung nieder. Im hierzu abgeschlossenen Änderungsvertrag wurde festgelegt, dass er bis Ende 2013 nach EG 13 und ab Januar 2014 nach EG 14 vergütet werden sollte.

     

    Am 15.11.13 schlossen der heutige Betriebsratsvorsitzende und der ArbG eine Änderungsvereinbarung, wonach er rückwirkend ab dem 11.11.13 eine Tätigkeit in der Stabsabteilung Sicherheitsmanagement (SI) übernahm und eine Vergütung nach EG 11 erhielt. Hintergrund war das Ergebnis einer internen Revision. Dabei war festgestellt worden, dass er während seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter FK-U private Reparaturen habe vornehmen lassen, ohne diese zu bezahlen. Hierfür hatte er auch eine Abmahnung erhalten. Den Schaden hatte der heutige Betriebsratsvorsitzende reguliert und anschließend seine Tätigkeit in der Abteilung SI aufgenommen.

     

    Mit der Betriebsratswahl 2014 wurde er in den Betriebsrat gewählt und übernahm den Vorsitz unter vollständiger Freistellung. Am 18.3.15 unterzeichneten der damalige Geschäftsführer und ein leitender Personalmitarbeiter einen Vermerk, wonach der Betriebsratsvorsitzende ab dem 1.4.15 in die EG 14 eingruppiert wurde. Dies entspreche der betriebsüblichen Entwicklung. Man gehe davon aus, dass er die Vorgaben für einen Einsatz als Leiter der Abteilung Kfz-Werkstätten erfülle. Anfang 2018 überprüfte der ArbG die Eingruppierung. Er ersuchte den Betriebsrat um Zustimmung zur Umgruppierung des Betriebsratsvorsitzenden in EG 11. Der Betriebsrat verweigerte dies. Seit dem 1.4.18 vergütet der ArbG den Vorsitzenden nach EG 11. Das macht eine monatliche Differenz von knapp 1.700 EUR brutto aus. Über die Differenzzahlung ist ein weiterer Berufungsrechtsstreit anhängig.

     

    Entscheidungsgründe

    Der Antrag des ArbG auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats sowie der Widerantrag des Betriebsrats, dass der ArbG den Vorsitzenden ab dem 1.4.18 nach EG 14 zu vergüten habe, blieben vor dem Arbeitsgericht und vor dem LAG Düsseldorf (19.3.19, 8 TaBV 70/18, Abruf-Nr. 209009) erfolglos.

     

    Es gehe nicht um eine Umgruppierung, also um die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einem Entgeltschema. Vielmehr gehe es um die individualrechtlich zu beurteilende Frage, welche Vergütung dem Betriebsratsvorsitzenden bei betriebsüblicher beruflicher Entwicklung (§ 37 Abs. 4 BetrVG) zustehe. Fraglich sei, ob es zutreffe, dass dem Vorsitzenden, wie von ihm behauptet, der damalige Geschäftsführer im November 2013 mündlich gesagt habe, dass die Zuweisung der Tätigkeit in der SI nur für zwei Jahre erfolge und er danach wieder Abteilungsleiter FK-U sein solle. Darüber hinaus sei es fraglich, ob eine solche Zusage wirksam oder aber eine verbotene und damit unwirksame Begünstigung (§ 78 S. 2 BetrVG) des Vorsitzenden sei.

     

    Bei diesen individualrechtlichen Fragen aus dem Rechtsverhältnis von ArbG und Vorsitzenden habe der Betriebsrat kein Recht gemäß § 99 BetrVG, den Sachverhalt mitzubeurteilen. Diese Fragen seien in dem Individualverfahren vor der 7. Kammer zu klären.

     

    Relevanz für die Praxis

    Und genau diese Frage hat das LAG Düsseldorf aktuell geklärt: Der Betriebsratsvorsitzende sei unzulässig begünstigt worden.

     

    Das LAG (17.4.19, 7 Sa 1065/18, Abruf-Nr. 209008) wies ebenso wie das Arbeitsgericht Klage und Widerklage ab. Die unzulässige Begünstigung wegen seiner Betriebsratstätigkeit (§ 78 S. 2 BetrVG) folge daraus, dass die Eingruppierung in EG 14 zum 1.4.15 weder der betriebsüblichen noch der persönlichen Entwicklung des Betriebsratsvorsitzenden entspreche, nachdem dieser sich in der EG 13 nicht bewährt habe. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass er bereits anderthalb Jahre, nachdem er sich aufgrund seiner Verfehlung mit einer Tätigkeit nach EG 11 einverstanden erklärt und diese auch ausgeübt habe, in die EG 14 aufstieg. Für diese Entgeltgruppe setze der Tarifvertrag eine Tätigkeit voraus, die sich durch das Maß an Verantwortung erheblich aus EG 13 heraushebe. Auf den einzigen von ihm benannten vergleichbaren Mitarbeiter, der EG 15 erhält, könne der Betriebsratsvorsitzende sich für die betriebsübliche Entwicklung nicht berufen, denn es handele sich ebenfalls um ein Betriebsratsmitglied.

     

    Die angebliche Zusage des damaligen Geschäftsführers zur Dauer der Tätigkeit als Sachbearbeiter sei weder inhaltlich noch zeitlich hinreichend bestimmt. Zu berücksichtigen sei weiter, dass von 2.500 Mitarbeitern nur zwölf in der EG 14 sind. Weil der ArbG mit der Zahlung ebenfalls gegen das Begünstigungsverbot verstoßen habe, könne er die Vergütung für die Vergangenheit nicht zurückfordern (§ 817 S. 2 BGB).

     

    Anders als in dem Beschlussverfahren vor der 8. Kammer hat die 7. Kammer hier die Revision im Individualverfahren zugelassen.

     

    • § 37 BetrVG Ehrenamtliche Tätigkeit, Arbeitsversäumnis
    • (1) Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.
    • (2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
    • (3) Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. …
    • (4) Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers. „...“
     
    • § 78 BetrVG Schutzbestimmungen

    Die Mitglieder des Betriebsrats (…) dürfen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.

     

    Der Vorsitzende des Betriebsrats darf aufgrund seiner Stellung auch bei Freistellung in der beruflichen Tätigkeit nach § 38 Abs. 1 BetrVG, hinsichtlich der beruflichen Entwicklung weder bevorzugt noch benachteiligt werden. Dieser Grundsatz findet seinen Niederschlag in § 37 Abs. 4 BetrVG. Ob und inwieweit der ArbG diese Grundsätze richtig anwendet, also die fiktive berufliche Entwicklung korrekt einem im Betrieb anwendbaren Entgeltschema zugeordnet ist, ist eine Frage, die nicht im Beschlussverfahren, sondern ‒ wie dargelegt ‒ im Urteilsverfahren zu klären ist.

     

    Quelle: Ausgabe 06 / 2019 | Seite 97 | ID 45935238