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  • · Fachbeitrag · Leiharbeit


    Vorübergehende Leiharbeit - Wie ist der Betriebsrat zu beteiligen?


    von RA und VRiLAG a.D. Dr. Lothar Beseler, Meerbusch


    | Nach § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG muss die Überlassung von Leih-ArbN an Entleiher „vorübergehend>“ erfolgen. Umstritten ist u.a., ob der Betriebsrat einer Einstellung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG widersprechen kann, wenn der ArbG einen Leih-ArbN nicht zeitbefristet mit oder ohne sachlichen Grund einstellt. |

    1. Auslegung des Begriffs „vorübergehend“


    Folgende Meinungen zum Begriff „vorübergehend“ werden vertreten:


    • Es handelt sich um einen bloßen Programmsatz ohne Rechtsfolgen.

    • Es muss ein Sachgrund entsprechend § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG gegeben sein. 

    • Es muss ein Sachgrund i.S. des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 3 TzBfG vorliegen.

    • Die Überlassung ist entsprechend § 14 Abs. 2 TzBfG auf 2 Jahre oder § 14 Abs. 3 TzBfG auf 5 Jahre ohne sachlichen Grund zulässig.

    • „Vorübergehend“ ist ein Plausibilitätskriterium bzw. eine Missbrauchsgrenze.


    2. Problem: Zwei gegensätzliche LAG-Entscheidungen


    Zum Widerspruch des Betriebsrats (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG) gibt es zwei gegensätzliche Entscheidungen. Hier wurde Rechtsbeschwerde zum BAG eingelegt!


    • 1.Der Dauerverleih von ArbN im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit ist seit der Neufassung des AÜG vom 20.12.11 - mit dem die Richtlinie 2008/104/EG umgesetzt wurde - unzulässig.

    • 2.Beabsichtigt der ArbG die unbefristete Einstellung eines ArbN auf einem Dauerarbeitsplatz, kann der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 AÜG, § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verweigern.

    • 3.Stellt der ArbG grundsätzlich nur noch Leih-ArbN ein, um eine Senkung der Personalkosten zu erreichen, kann dies unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als institutioneller Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG begründen. Dann kann auch nicht festgestellt werden, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war (§ 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG).

    • 1.Die Versetzung des Leih-ArbN in einen anderen Betrieb des Entleihers unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats des Entleihbetriebs gem. § 99 BetrVG. § 14 Abs. 3 AÜG unterscheidet nicht zwischen Versetzung und Einstellung, sondern statuiert das Mitbestimmungsrecht vor der Übernahme zur Arbeitsleistung.
    • 2.§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG steht einem vorübergehenden Einsatz eines Leih-ArbN auf einem Dauerarbeitsplatz nicht entgegen. 

    • 3.Zur Auslegung des Begriffs „vorübergehend“ i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG ist nicht das TzBfG heranzuziehen. Daher kann ein vorübergehender Einsatz eines Leih-ArbN nur angenommen werden, wenn ein sachlicher Grund entsprechend § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG vorliegt.

    Gegen die Entscheidung des LAG Niedersachsen ist einzuwenden, dass ein Widerspruchsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nur besteht, wenn die Maßnahme selbst gegen einen Tarifvertrag oder eine Norm verstößt. Dazu muss hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen, dass der Zweck der Norm darin besteht, die personelle Maßnahme selbst zu verhindern (BAG NZA 11, 1435). § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG will aber nicht die Einstellung von Leih-ArbN selbst verhindern, sondern nur den Dauereinsatz.


    3. Unterrichtspflicht des ArbG gegenüber dem Betriebsrat


    Da mit dem Widerspruchsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG kaum der dauerhafte Einsatz von Leih-ArbN verhindert werden kann, ist bei der Unterrichtungspflicht des ArbG nach § 99 Abs. 1 BetrVG anzusetzen. Der Entleiherbetrieb muss seinem Betriebsrat die Namen der einzustellenden Leih-ArbN (BAG NZA 11, 871), deren vorgesehene Tätigkeit, ihre Anzahl und Qualifikation, die Gründe für ihren Einsatz, die Einsatzzeiten (Beginn und Ende) und Einsatztage mitteilen. Die Informationspflicht erstreckt sich auf die Wochenarbeitsstunden, die vorgesehenen Arbeitsplätze sowie die Auswirkungen für die Stammbelegschaft. Fehlt es an der ordnungsgemäßen Unterrichtung, beginnt die Frist des § 99 Abs. 3 BetrVG nicht zu laufen (BAG NZA 12, 288). 


    Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung wegen unvollständiger Unterrichtung, kann der ArbG im Zustimmungsersetzungsverfahren die fehlenden Informationen nachholen. Mit der Nachholung der Unterrichtung wird nun die Wochenfrist in Lauf gesetzt. Das Zustimmungsersuchen muss nicht wiederholt werden, ein Hinweis hierauf ist nicht erforderlich (BAG NZA 12, 288). 


    Checkliste / Unterrichtungspflicht an den Betriebsrat

    Der ArbG muss vor der Einstellung von Leih-ArbN den Betriebsrat über folgende Punkte unterrichten:


    • Anzahl der einzusetzenden Leih-ArbN

    • Gründe für den Einsatz

    • vorgesehene Arbeitsplätze

    • Name und Vorname, Anschrift, Geburtsdatum

    • Qualifikation und evtl. vorhandene Sprachkenntnisse

    • vorgesehene Tätigkeit

    • Einsatztage und Einsatzstunden und gesamte Einsatzdauer

    • Auswirkungen auf die Stammbelegschaft


    Ist die Unterrichtung unvollständig, kann der Betriebsrat die Zustimmung verweigern und/oder nach § 101 BetrVG die Aufhebung der Maßnahme verlangen.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 67 | ID 38587420