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  • · Fachbeitrag · Betriebsratstätigkeit

    Die zehn wichtigsten Fragen zur Freistellung von Betriebsratsmitgliedern

    von RA Dirk Helge Laskawy, FAArbR, und RAin Peggy Lomb, FAArbR, beide Aderhold Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Leipzig/München

    | Nachdem die alle vier Jahre stattfindenden Betriebsratswahlen gerade abgeschlossen sind, stellt sich die Frage nach der Ausgestaltung des frisch erworbenen Amtes. Der folgende Beitrag zeigt auf, wie und in welchem Umfang Betriebsratsmitglieder (BR-Mitglieder) von ihren täglichen Arbeits- aufgaben freizustellen sind. |

    1. Welchem Zweck dient die Freistellung eines BR-Mitglieds?

    Durch die Freistellung soll die Betriebsratsarbeit sichergestellt werden. Sie dient der Konzentration und Rationalisierung der Betriebsratstätigkeit. Mit der Arbeitsbefreiung verbundene Störungen des Betriebsablaufs werden vermieden, da die außerhalb von Sitzungen notwendige Betriebsratstätigkeit im Wesentlichen durch die freigestellten Mitglieder erledigt wird. Damit hat die Freistellung zudem den Zweck, den Kostenaufwand für den ArbG zu verringern (Joost, Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht, 2009, § 220, Rn. 44).

    2. Wann ist grundsätzlich ein BR-Mitglied freizustellen?

    Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind BR-Mitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit zu befreien, wenn und soweit es nach Art und Umfang des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Ab einer Belegschaft von 200 ArbN bedarf es für eine bestimmte Anzahl von Freistellungen keines Nachweises, da die Erforderlichkeit unwiderleglich vermutet wird.

     

    • Voraussetzungen einer Freistellung
    • Art und Umfang des Betriebs ermöglicht Befreiung (Verhältnismäßigkeit),
    • Befreiung muss nach objektiven Verhältnissen des Betriebs erforderlich sein.
     

    Die Zahl der Freistellungen ergibt sich aus § 38 Abs. 2 BetrVG und hängt von der Größe des Betriebs ab, gerechnet nach der Zahl der beschäftigten ArbN. So ist in Betrieben von 200 bis 500 ArbN mindestens ein BR-Mitglied freizustellen.

    3. Wer entscheidet über die Freistellung?

    Nach § 38 Abs. 2 BetrVG findet eine Beratung zwischen dem ArbG und dem Betriebsrat statt. Dadurch soll dem ArbG Gelegenheit gegeben werden, auf etwaige Bedenken hinzuweisen. Die Entscheidung bezüglich des freizustellenden BR-Mitglieds erfolgt aus der Mitte des Betriebsrats in geheimer Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl. Die Freistellung von der beruflichen Tätigkeit erfolgt dann durch den ArbG. Sein Einverständnis gilt als erteilt, wenn er nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Bekanntgabe der Namen die Einigungsstelle anruft (§ 38 Abs. 2 S. 7 BetrVG).

     

    4. Welche Arten der Freistellung sieht das Gesetz vor?

    Die „engste“ Form der Freistellung sieht § 37 Abs. 2 BetrVG vor. Die Vorschrift regelt eine Freistellung von der Arbeit zur Erfüllung von Betriebsratsinterna für eine begrenzte Zeit. Zwar bedarf es wegen der Unabhängigkeit des Betriebsrats keiner Zustimmung des ArbG zur Arbeitsbefreiung des BR-Mitglieds. Dennoch muss sich das BR-Mitglied vor Verlassen des Arbeitsplatzes ordnungsgemäß ab- und sich nach seiner Rückkehr zurückmelden (BAG 29.6.11, 7 ABR 135/09, Abruf-Nr. 112488).

     

    § 38 BetrVG berechtigt hingegen den Betriebsrat - ohne Nachweis entsprechender Tätigkeiten - zur vollständigen Freistellung eines oder mehrerer BR-Mitglieder. Das Gesamtvolumen der Freistellung kann auch in Form von Teilzeitfreistellungen aufgeteilt werden. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass der Betriebsrat darlegen muss, warum die Notwendigkeit der Aufteilung besteht, da die hierdurch entstehenden Teilfreistellungen und damit die Erhöhung der (teilweise) freigestellten „Köpfe“ für den ArbG einen erhöhten organisatorischen Aufwand darstellen.

    5. Wie ist der Vergütungsanspruch des BR-Mitglieds geregelt?

    Für das nach § 38 BetrVG freigestellte BR-Mitglied gilt wie für die Arbeitsbefreiung ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Es handelt sich um eine Vergütung für die fiktive Arbeitsleistung. Das BR-Mitglied ist so zu bezahlen, als hätte es gearbeitet (sog. Entgeltausfallprinzip). Neben dem Grundgehalt müssen dem ArbN sämtliche Nebenbezüge (Leistungszuschläge, Zulagen), allgemeine Zuwendungen (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Anwesenheitsprämien), sowie erfolgsabhängige Entgeltkomponenten (Tantiemen, Provisionen, Zielvereinbarungsprämien) gezahlt werden. Damit soll die finanzielle Gleichstellung sichergestellt werden.

    6. Welche Zuwendungen werden erstattet, welche nicht?

    Dem BR-Mitglied darf für die Wahrnehmung seines Amts keine Vergütung zufließen. Dieses würde dem in § 37 Abs. 1 BetrVG verankerten Ehrenamtsprinzip widersprechen. Mehrzuwendungen, die an BR-Mitglieder erfolgen, sind unzulässig und verstoßen hiergegen. Zudem dürfen dem BR-Mitglied keine Leistungen gewährt werden, die einen konkreten, wegen der Freistellung nicht mehr vorhandenen, Mehraufwand abdecken. Dies umfasst alle Beträge, die nicht für die Arbeit selbst, sondern als Ersatz für anfallende Aufwendungen gezahlt werden (Wegegelder, Beköstigungszulagen). Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der ArbG die Kosten, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstanden sind.

    7. Welchen besonderen Schutz erhält das BR-Mitglied?

    BR-Mitglieder, die sich ausschließlich der Betriebsratsarbeit widmen, ohne beruflicher Tätigkeit nachzugehen, werden ihrem Arbeitsplatz entfremdet. Daher erweitert das Gesetz den in § 37 Abs. 4, 5 BetrVG enthaltenen Arbeitsentgelt- und Tätigkeitsschutz auf zwei Jahre nach Ablauf der Amtszeit, wenn Mitglieder des Betriebsrats drei volle aufeinanderfolgende Amtszeiten freigestellt waren. Voraussetzung hierfür ist, dass eine vollständige Freistellung von der beruflichen Tätigkeit bestand. Zweck der nachwirkenden Schutzfrist ist, Schwierigkeiten zu lindern, die ein freigestelltes BR-Mitglied haben wird, sich wieder in den Betriebsablauf einzugliedern.

    8. Bestehen weitere Leistungsansprüche?

    Das freigestellte BR-Mitglied ist nur von seiner beruflichen Tätigkeit befreit, nicht von sonstigen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Es ist daher verpflichtet, während der vertraglichen Arbeitszeit im Betrieb anwesend zu sein und sich für dort anfallende Betriebsratstätigkeit bereitzuhalten. Die ursprünglich arbeitsvertraglich fixierte Hauptpflicht wird durch die Pflicht zur Erfüllung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben ersetzt. Damit kann dogmatisch die zugrunde liegende Freistellung als eine unechte Freistellung eingeordnet werden. Darüber hinaus unterliegt der ArbN hinsichtlich aller Nebenpflichten dem Direktionsrecht des ArbG. So sind die Grundsätze über Verhalten und Ordnung im Betrieb zu beachten. Die betriebliche Arbeitszeit ist einzuhalten; Einrichtungen der Zeiterfassung sind zu benutzen. Das freigestellte BR-Mitglied ist auch an die Einhaltung der arbeitsvertraglichen Treuepflichten gebunden. Ihm ist es untersagt, geschäftsschädigende Äußerungen zu tätigen oder Betriebsinterna nach außen zu tragen.

    9. Wann kann der Vergütungsanspruch entfallen?

    Verwendet das BR-Mitglied die Freistellungszeit zu anderen Zwecken als zur Erfüllung von Betriebsratsaufgaben, liegt eine Amtspflichtverletzung und eine Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis vor. Da in diesem Fall die Nichterbringung der Arbeitsleistung nicht durch die Betriebsratstätigkeit gerechtfertigt ist, entfällt der Anspruch auf das Arbeitsentgelt.

    10. Darf es eine finanzielle Besserstellung geben?

    Das in § 78 S. 2 BetrVG vorgesehene Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot verbietet jegliche Besser- oder Schlechterstellung aufgrund der Amtsausübung. Eine finanzielle Besserstellung des BR-Mitglieds ist nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG strafbewehrt. Nach § 119 Abs. 2 BetrVG kann nur der Betriebsrat, das Unternehmen oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft den Strafantrag stellen. Regelmäßig werden ArbG und Gewerkschaften bei der Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern kollusiv zusammengewirkt haben, sodass eine Strafantragstellung nicht zu erwarten ist.

     

    • Verbotene Besserstellungen für BR-Mitglieder sind
    • jede Vergütung für das BR-Amt, für amtsbezogene Qualifikationen oder Erfolge,
    • jede das hypothetische Arbeitsentgelt übersteigende Vergütung,
    • Höhergruppierungen oder Beförderungen aufgrund der Amtsausübung,
    • Aufwandsentschädigungen ohne den Nachweis konkreter Aufwendungen,
    • Freistellung von der Arbeitsleistung, die nicht durch die Betriebsratstätigkeit bedingt ist,
    • Bevorzugung bei der Vergabe von Nebenleistungen,
    • Vorteilsgewährung an Angehörige des BR-Mitglieds.
    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 105 | ID 42691087