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  • · Fachbeitrag · Vergütung

    Wann ist die Vergütung eines angestellten Rechtsanwalts sittenwidrig?

    Die in § 26 BORA enthaltene Vorgabe, Rechtsanwälte seien zu angemessenen Bedingungen zu beschäftigen, stellt keine eigene Anspruchsgrundlage dar. Sie hat auch keinen Einfluss auf den konkreten zu leistenden Sachvortrag des ArbN, der sich in sittenwidriger Weise zu niedrig entlohnt fühlt. Zu dem konkreten Sachvortrag gehört, welche Vergütungshöhe in welcher Region für angestellte Rechtsanwälte bestimmter Qualifikation, differenziert nach Kanzleigrößen, angemessen ist (BAG 17.12.14, 5 AZR 663/13, Abruf-Nr. 176327).

     

    Sachverhalt

    Der ArbN ist als angestellter Rechtsanwalt in einer Sozietät im OLG-Bezirk Hamm tätig. Sein Arbeitsvertrag sieht bei 20 Wochenstunden ein Bruttomonatseinkommen in Höhe von 1.200 EUR vor. Dies hielt der ArbN für sittenwidrig niedrig und erhob Zahlungsklage hinsichtlich der Differenz der gezahlten und der seines Erachtens nach angemessenen Vergütung.

     

    Hierzu trägt er vor, der Anspruch ergebe sich direkt aus § 26 BORA. Zudem sei das Gericht verpflichtet, ein Sachverständigengutachten unter Berücksichtigung seiner Qualifikation zur Frage des objektiven Werts seiner Arbeitsleistung als Rechtsanwalt einzuholen. Die Zahlungsklage unterlag auch in der Revisionsinstanz vor dem BAG der Abweisung.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 5. Senat des BAG stellt klar, dass die in § 26 BORA enthaltene Vorgabe, angestellte Rechtsanwälte nur zu angemessenen Bedingungen zu beschäftigen, keine eigene Anspruchsgrundlage darstellt. Sie beeinflusse auch nicht die im Rahmen der Prüfung, ob eine sittenwidrige Vergütungsabrede nach § 138 BGB vorliegt, anzustellende Beurteilung des auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung.

     

    Zwar gehe die Rechtsprechung davon aus, dass ein solches auffälliges Missverhältnis vorliege, wenn die Arbeitsvergütung zwei Drittel der in dem betreffenden Wirtschaftszweig üblichen Vergütung unterschreite. Für die Ermittlung des Werts der Arbeitsleistung sei aber nicht allein auf den Wirtschaftszweig des ArbG, sondern auch auf die Wirtschaftsregion abzustellen, in der die Tätigkeit ausgeübt werde. Bei einer auf den OLG-Bezirk Hamm abgestellten Betrachtung müsse der ArbN einen hinreichend konkreten Sachvortrag leisten, welche Vergütungshöhe in dieser Region für angestellte Rechtsanwälte üblich sei. Die vorgelegten Statistiken differenzierten hingegen weder nach dem Kanzleistandort, noch nach der Kanzleigröße oder der Qualifikation der angestellten Rechtsanwälte.

     

    Zu Recht sei auch in den Vorinstanzen die Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt worden, das auf einen reinen prozessual unzulässigen Ausforschungsbeweis hinausgelaufen wäre. Nach § 403 ZPO müsse die Partei, die ein Sachverständigengutachten verlange, jedenfalls das Ergebnis mitteilen, zu dem der Sachverständige kommen solle. Darüber hinaus müsse die abzuklärende Beweisfrage zweifelsfrei abgrenzbar sein.

     

    Der Beweisantritt des ArbN habe diese Bedingungen nicht ansatzweise erfüllt. Zwar habe er ein angeblich zu zahlendes Gehalt, nicht aber greifbare Anhaltspunkte für dessen Berechnung benannt. Auch sei nicht angegeben, mit welchen Mitteln der behauptete Wert der Arbeitsleistung ermittelt werden solle. Daher lägen auch die Voraussetzungen einer Schätzung der üblichen Vergütung für angestellte Rechtsanwälte durch das Gericht nach § 287 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 287 Abs. 1 ZPO nicht vor. Es fehlten die für eine Schätzung notwendigen Anknüpfungstatsachen.

     

    Praxishinweis

    Der ArbN, der sich unabhängig von der Art seiner Tätigkeit unterbezahlt fühlt und der Auffassung ist, er sei sittenwidrig niedrig entlohnt, muss dies anhand konkreter Tatsachen darlegen und beweisen. Wird die Schätzung der üblichen Vergütung dem Gericht überlassen oder lediglich ohne Anknüpfungstatsachen eine bestimmte Vergütung als angemessen behauptet, fehlt es der Differenzlohnzahlungsklage an ihrer Schlüssigkeit. Für den angestellten Rechtsanwalt bedeutet dies, dass er darlegen muss, welche Vergütung in dem entsprechenden Gerichtsbezirk für angestellte Anwälte seiner Qualifikation bei Kanzleien der Größe, in der er arbeitet, angemessen ist. Das Gericht kann dem unzufriedenen ArbN diese oft mit mühsamer Recherchearbeit verbundene Darlegung nicht abnehmen. Insbesondere ist es auch nicht Aufgabe eines Sachverständigen, diese Anknüpfungstatsachen zu ermitteln.

     

    Checkliste / Ist die Vergütung sittenwidrig?

    Bei der Prüfung der Frage, ob die Vergütung sittenwidrig ist, sind folgende Punkte zu beachten:

    •  
    • Ist der übliche Lohn in Tarifverträgen geregelt oder besteht eine betriebliche Lohnordnung? Wenn +, dann:
    • Wird dieser „Referenzlohn“ um mehr als 1/3 unterschritten? Wenn +, dann:
    • Ist der Tarifvertrag, die Lohnordnung oder die sonstige Regelung des Referenzlohns unmittelbar oder kraft vertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis anwendbar? Wenn -, dann:
    • ArbN muss konkrete Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich die Höhe der üblichen Vergütung im Wirtschaftszweig und der -region für die Arbeitsleistung ergibt. Zum Beispiel:
      • 50 Prozent der ArbN werden nach einem bestimmten Tarifvertrag für diese Arbeit in der Region vergütet.
      • ArbN mit gleicher Qualifikation bei vergleichbaren Betrieben erhalten bestimmtes Entgelt (zum Beispiel Auskunft der IHK o.ä.)
     

    Weiterführende Hinweise

    • Was gilt bei fehlender Vereinbarung über die Länge der Arbeitszeit? BAG in AA 15, 96.
    • Schuldet der Ausbilder gerade noch oder voll angemessene Ausbildungsvergütung? BAG in AA 14, 12.
    Quelle: Ausgabe 07 / 2015 | Seite 120 | ID 43463684