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  • · Fachbeitrag · Rechtsweg

    Der lange Weg eines Zeit-ArbN von den Gerichten für Arbeitssachen zum Landgericht

    | Die Ansprüche eines Zeitarbeitnehmers direkt gegenüber dem Kunden können nicht im arbeitsgerichtlichen Verfahren durchgesetzt werden. |

     

    Sachverhalt

    Der ArbN war bis zum 30.9.14 bei der c-GmbH (im Folgenden Verleiherin) als Pharmareferent beschäftigt. Die Verleiherin überließ den ArbN zur Arbeitsleistung an die Beklagte. Der Arbeitsvertrag zwischen dem ArbN und der Verleiherin enthält unter anderem folgende Regelung:

     

    „Soweit im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung der Kunde einen Bonus für den Arbeitnehmer auslobt und gegenüber dem Arbeitgeber zur Auszahlung bringt, wird der Arbeitgeber diesen ordnungsgemäß abrechnen und den sich aus der Abrechnung ergebenden Betrag an den Arbeitnehmer auszahlen. Ein darüber hinausgehender Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber aus Bonuszusagen eines Kunden besteht nicht. Der Arbeitgeber hat keinen Einfluss auf die Gewährung derartiger Boni durch den Kunden.“

     

    Bei der Beklagten bestand eine Prämienvereinbarung nach Maßgabe des Prämienplans 2013 bis 2014, der Tertialprämien vorsieht. Der ArbN verlangte von der Beklagten die Zahlung von Prämien für 2 Tertiale. Er trug vor, es hätten auch seine Teammitglieder, die teilweise bei der Beklagten beschäftigt und teilweise ebenfalls Leih-ArbN gewesen seien, diese Prämien erhalten. Die zwischen der Verleiherin und der Beklagten geschlossene ArbN-Überlassungsvereinbarung begründe einen Anspruch aus § 328 BGB gegen die Beklagte, der auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz („equal pay“) folge.

     

    Das Arbeitsgericht Bielefeld (7.2.17, 2 Ca 2792/16) erklärte den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht München. Der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde des ArbN half das Arbeitsgericht nicht ab. Das LAG Hamm (26.10.17, 2 Ta 170/17, Abruf-Nr. 200929) wies die sofortige Beschwerde des ArbN gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts zurück. Hiergegen wandte sich der ArbN mit der vom LAG zugelassenen Rechtsbeschwerde.

     

    Entscheidungsgründe

    Auch der 9. Senat des BAG (24.4.18, 9 AZB 62/17, Abruf-Nr. 201850) hielt die Rechtsbeschwerde für unbegründet. Das LAG habe zutreffend erkannt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet sei. Es handele sich nicht um eine Streitigkeit zwischen einem ArbN und seiner ArbG.

     

    Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. d ArbGG seien die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen ArbN und ArbG aus dem Arbeitsverhältnis sowie aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen. Hier läge zwar eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit vor, der Pharmareferent sei auch ArbN im Sinne von § 5 Abs. 1 ArbGG. Aber hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung des im Arbeitsvertrag mit der Verleiherin vereinbarten Bonus sei die Beklagte nicht ArbG im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG.

     

    Für den Begriff des ArbG gebe es keine gesetzliche Definition. Er lasse sich mittelbar aber aus dem Begriff des ArbN ableiten. ArbG sei danach derjenige, der mindestens einen ArbN oder eine arbeitnehmerähnliche Person nach § 5 ArbGG beschäftige. Bei einer legalen Arbeitnehmerüberlassung sei der Verleiher ArbG des Leih-ArbN. Mit diesem schließe der Leih-ArbN seinen Arbeitsvertrag. Mit dem Entleiher bestehe bei einer Tätigkeit im Rahmen legaler Arbeitnehmerüberlassung kein Arbeitsverhältnis. Ein solches gelte nach § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG a.F. nur dann zwischen dem Entleiher und dem Leih-ArbN als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 AÜG a.F. unwirksam sei. Hierauf berufe sich der Kläger hier aber nicht.

     

    Die Arbeitgeberstellung der Beklagten folge auch nicht aus der bei der Arbeitnehmerüberlassung gespaltenen ArbG-Stellung.

     

    Zunächst begründe § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG eine umfassende Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für individualrechtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Ziel des ArbGG sei es, alle bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten, die in greifbarer Beziehung zu einem Arbeitsverhältnis stehen, auch prozessual im Rahmen der Arbeitssachen zu erfassen. Der Leih-ArbN werde in die Betriebsorganisation des Entleihers eingegliedert. Dieser übe das Direktionsrecht aus und entscheide über die Zuweisung des konkreten Arbeitsplatzes und die Art und Weise der Erbringung der Arbeitsleistung. Der Leih-ArbN sei verpflichtet, die ihm aus dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher obliegende Arbeitspflicht gegenüber dem Entleiher zu erfüllen. Tatsächlich entständen somit auch zum Entleiher rechtliche Beziehungen mit arbeitsrechtlichem Charakter.

     

    Würden dem Entleiher wesentliche ArbG-Funktionen vom Verleiher übertragen, so müsse dieser gespaltenen ArbG-Stellung bei der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen Rechnung getragen werden. Ergäben sich bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Leih-ArbN und einem Entleiher aus dem Leiharbeitsverhältnis, sei nach Sinn und Zweck der Zuständigkeitsnorm des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet. So könne der Leih-ArbN nach § 13 AÜG von seinem Entleiher Auskunft über die im Betrieb des Entleihers geltenden Arbeitsbedingungen verlangen. Nach § 14 Abs. 2 S. 3 AÜG könne er gegenüber dem Entleiher die dort aufgeführten Rechte aus dem BetrVG geltend machen. Gemäß § 7 S. 2 BetrVG seien Leih-ArbN bei einem Einsatz von mehr als drei Monaten im Betrieb des Entleihers wahlberechtigt. Soweit der Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung gemäß den §§ 6 ff. AGG in Rede stände, gelte nach § 6 Abs. 2 S. 2 AGG auch der Entleiher als ArbG. Ebenso seien die Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d ArbGG zuständig bei unerlaubten Handlungen zwischen Leih-ArbN und Entleiher, soweit sie mit dem Leiharbeitsverhältnis im Zusammenhang ständen.

     

    Entgegen der Auffassung des ArbN folge aus der Regelung in § 5 Ziff. 5 des Arbeitsvertrags mit der Verleiherin keine Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen. Dabei könne zugunsten des ArbN unterstellt werden, dass diese Bonusregelung auch für die streitgegenständliche Prämie gelte. § 5 Ziff. 5 des Arbeitsvertrags begründe kein Arbeitsverhältnis und deshalb auch keinen Anspruch auf Arbeitsvergütung gegenüber der Beklagten. Diese sei am Arbeitsvertrag nicht beteiligt gewesen. Der Anspruch stehe auch nicht im Zusammenhang mit der bei der Arbeitnehmerüberlassung gespaltenen ArbG-Stellung. Arbeitsvertragliche Vereinbarungen zwischen dem Verleiher und seinen ArbN begründeten regelmäßig ausschließlich zwischen diesen Rechte und Pflichten.

     

    Relevanz für die Praxis

    Das BAG stellte auch klar, dass hier kein Sic-non-Fall vorliegt. In den sogenannten Sic-non-Fällen kann der eingeklagte Anspruch ausschließlich auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden, deren Prüfung gemäß § 2 ArbGG in die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen fällt. Dann sind die für die Rechtswegzuständigkeit maßgeblichen Tatsachen gleichzeitig Voraussetzung für die Begründetheit der Klage (doppelrelevante Tatsachen bei einer einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage). Der Klageerfolg hängt dann auch von den Tatsachen ab, die zugleich für die Bestimmung des Rechtswegs entscheidend sind ( BAG 17.2.03, 5 AZB 37/02).

     

    Im vorliegenden Fall habe der ArbN schon keine nachvollziehbaren Tatsachen für eine Pflicht der Beklagten aus § 328 BGB vorgetragen. Dabei könne dahinstehen, ob § 5 Ziff. 5 des Arbeitsvertrags eine arbeitsvertragliche Pflicht der Beklagten begründen würde und könnte. Der Arbeitsvertrag sei nur zwischen dem ArbN und der Verleiherin ohne Beteiligung der Beklagten geschlossen worden. Am Ende stand jedenfalls fest: Gemäß § 13 GVG ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.

     

    Quelle: Ausgabe 09 / 2018 | Seite 159 | ID 45454048