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  • · Fachbeitrag · Befristung

    Wann ist ein gerichtlicher Vergleich ein wirksamer Befristungsgrund?

    Ein gerichtlicher Vergleich ist nur dann hinreichender Sachgrund für eine Befristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG, wenn der Vergleich auf Vorschlag des Gerichts zustande gekommen ist. Der Gesetzeszweck knüpft die Rechtfertigung dieser Befristungsvereinbarung daran, dass ein staatliches Gericht eigenverantwortlich an dem Vergleichsschluss mitgewirkt hat (BAG 14.1.15, 7 AZR 2/14, Abruf-Nr. 176324).

     

    Sachverhalt

    Die ArbN war seit 2008 aufgrund mehrfacher befristeter Arbeitsverträge beim ArbG tätig. Gegen die letzte Befristung erhob sie form- und fristgemäß Befristungskontrollklage. Im Verlauf des Rechtsstreits einigten sich die Parteien auf eine letztmalige Befristung.

     

    Der Anwalt der ArbN reichte einen Textvorschlag hinsichtlich einer Vergleichsformulierung beim Arbeitsgericht ein und bat um Feststellung eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO. Die zuständige Kammer des Arbeitsgerichts übersandte den eingereichten Text beiden Parteien mit einem Einleitungssatz in dem es unter anderem heißt: „Schlägt das Gericht den Parteien folgenden Vergleich vor …“. Der Anwalt des ArbG erklärte seine Zustimmung verbunden mit der Bitte an einer bestimmten Stelle das fehlende Wort „und“ einzufügen. Der Anwalt der ArbN stimmte ebenfalls dem Vergleichstext und der genannten Änderung zu.

     

    Mit Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO stellte das Gericht fest, dass die Parteien „einen Vergleich mit folgendem Inhalt geschlossen haben….

     

    Nach Ablauf der durch den Vergleich vereinbarten Befristung erhob die ArbN erneut Befristungskontrollklage. Die Klage war in der Revisionsinstanz vor dem BAG erfolglos.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 7. Senat des BAG hält die letzte Befristung für sachlich gerechtfertigt nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG. Er betont hingegen, dass nur Vergleiche, die aufgrund eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags geschlossen werden, solche nach § 278 Abs. 6 S. 1, 2. Alternative ZPO, in den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG fallen. Ein gerichtlicher Vergleich, der lediglich einen von den Parteien eingereichten Vergleichsvorschlag feststelle, also ein solcher nach § 278 Abs. 6 S. 1, 1. Alternative ZPO, erfülle diese Anforderung nicht.

     

    Dies ergebe sich aus dem Gesetzeszweck. Der knüpfe die besondere Rechtfertigung für die Befristungsvereinbarung daran, dass ein staatliches Gericht eigenverantwortlich an dem Vergleichstext mitgewirkt habe. Das Gericht sei in diesem Fall Garant für einen angemessenen Ausgleich der wechselseitigen, grundrechtsgeschützten Interessen der Arbeitsvertragsparteien. Dies sei hingegen bei einem Vergleich, der nach § 278 Abs. 6 S. 1, 1. Alternative ZPO lediglich eine Einigung zwischen den Parteien feststelle, nicht der Fall.

     

    Das BAG sah eine ausreichende Mitwirkung des Gerichts. Es habe sich den Vergleichsentwurf der Parteien ausdrücklich als eigenen Vorschlag zu eigen gemacht. Es habe diesen nach § 278 Abs. 6 S. 1, 2. Alternative ZPO unterbreitet und beiden Parteien zur Annahme übersandt. Das Gericht habe sich also nicht nur auf die Weiterleitung eines Vorschlags beschränkt. Die redaktionellen Änderung durch einen der Anwälte war nur die Korrektur einer offensichtlichen Unrichtigkeit. Ihr komme kein eigenes, entscheidendes Gewicht zu.

     

    Praxishinweis

    Die vom BAG vorgenommene Unterscheidung zwischen „Vergleichen der Parteien“ und „Vergleichen auf Vorschlag des Gerichts“ widerspricht der gelebten Praxis der Arbeitsgerichtsbarkeit. In dieser wird in der Regel nicht danach unterschieden, wer Urheber eines Vergleichsvorschlags ist. Die Einleitungs- und Schlussformeln in den Vergleichs- und Vorschlagstexten basieren meist nur auf der eher zufälligen Verwendung bestimmter Formulare für die Beschlussfassung nach § 278 Abs. 6 ZPO.

     

    Eine echte „eigene Mitwirkung“ des Gerichts, auf die der 7. Senat des BAG maßgeblich abstellt, kann entsprechenden Formulierungen nach der gelebten Wirklichkeit in der Praxis nicht entnommen werden. Gleichwohl empfiehlt es sich sowohl für den Parteivertreter des ArbG als auch des ArbN darauf zu achten, dass im Falle des Befristungssachgrunds nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG eine Vergleichsformulierung, die den entsprechenden Sachgrund tragen soll, zumindest den äußeren Anschein eines „echten“ eigenen Vorschlags des Arbeitsgerichts aufweist.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Erreichen des Rentenalters: BAG in AA 15, 63.
    • Was bedeutet „Vorbeschäftigung“ bei der sachgrundlosen Befristung? Rudolff in AA 14, 160.
    Quelle: Ausgabe 07 / 2015 | Seite 115 | ID 43463682