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  • · Nachricht · Reportage

    „Arbeitgeber und Anwälte haben Beratungsbedarf“

    | Raoul Classen ist Detektiv und operativer Leiter bei der DETEK AG ( www.detek.de ). Er greift dort auf ein Netzwerk von etwa hundert Ermittlern, Experten und Gutachter zu. Classen ermittelt häufig für Arbeitgeber und auch Anwaltskanzleien. Es geht um Industriespionage, Observationen, Diebstahl in Unternehmen und fragwürdige Krankmeldungen. Womit ihn Arbeitsrechtler und Unternehmen beauftragen, erklärt er im Interview. |

     

    Frage: Warum wenden sich häufig Arbeitgeber und Unternehmer an Sie?

     

    Antwort: Sie beauftragen mich für Sicherheits- und Schwachstellenanalysen. Ich prüfe dann, wie deren interne Sicherheitsstandards aussehen. Viele Unternehmen denken dabei nur an den Bereich EDV und Internet, aber die firmeninterne IT ist nur ein Teil des Ganzen.

     

    Frage: Immerhin ein Anfang.

     

    Antwort: Meine Erfahrung ist, dass sich die Unternehmen in Deutschland fast ganz auf IT konzentrieren, was die Sicherheit angeht, alles andere aber sträflich vernachlässigen. Ich erlebe das immer noch bei dem Klassiker schlechthin, wenn Arbeitgeber oder Manager im ICE sitzen, ihre Laptop-Bildschirme leicht einzusehen sind, auf denen sie Tabellen mit Umsatzdaten oder Berichten lesen oder laut telefonieren. Eine Sensibilisierung gibt es da häufig immer noch nicht. Während Firewalls & Co. Lieblingsthemen sind, wandert oft in der gleichen Firma der Papiermüll mit sensiblen Daten oder Aktenbestandteile ungeschreddert in den Müll. Ein Paradies für jeden Informationssammler und damit auch Mitbewerber und Konkurrenten eines Unternehmens.

     

    Frage: Außerdem sichern Sie Besprechungen und Konferenzen ab. Wie machen Sie das?

     

    Antwort: Viele Arbeitgeber oder Anwälte sind schon sehr vorsichtig. Sie bestehen darauf, dass keine Handys mitgebracht werden, wenn z. B. über Patente oder sensible Unternehmensinterna gesprochen wird. Aber die Miniaturisierung ist so weit fortgeschritten, dass Aufzeichnungsgeräte leicht mitgebracht werden können. Die Abhörtechnik hat sich sehr verfeinert und verbessert, man kann nicht immer wieder in neue, oft sehr teure Geräte investieren, die solche Attacken abwehren. Wir bieten visuelle Überprüfungen, suchen Räume akribisch ab, entfernen Gegenstände und entwickeln vor allem ein Sicherheitskonzept, das Arbeitgeber auch danach einhalten können und damit von einmal etablierten Sicherheitsstandards profitieren. Je weniger in einem Raum vorhanden ist, desto besser: Am besten nur ein Glastisch, Stühle und schallschluckende Vorhänge.

     

    Frage: Deutschland war schon immer erheblich von Industriespionage betroffen.

     

    Antwort: Die hat auch deutlich zugenommen in den letzten Jahren. Groß kommuniziert wird das häufig nicht, denn nicht nur die Chinesen sind hier sehr aktiv, sondern eben auch die Engländer und Franzosen. Seit 1997/98 beispielsweise gibt es in Paris die École de guerre économique ( www.iww.de/s5664 ), also eine Schule für Wirtschaftskrieg, die beim Verteidigungsministerium angesiedelt ist. Geleitet wird sie von einem ehemaligen französischen General. Man lernt dort, wie man erfolgreich Industrie- oder Wirtschaftsspionage betreibt. Die Kurse sind stets ausgebucht und viele Manager oder Menschen in höheren Positionen in Frankreich haben die Kurse einmal besucht. Eigentlich sind alle Industrieländer in der Spionage aktiv, aber wer spricht schon gerne an, dass sich die NATO-Partner untereinander ausspionieren.

     

    Frage: Sie beraten Arbeitgeber und Unternehmer auch vor Auslandsreisen.

     

    Antwort: Es kommt häufig vor, dass Reisen in schwierige oder kritische Länder anstehen. Ein Wirtschaftsrechtler z. B. musste nach Shanghai zu einem Mandanten und sorgte sich bezüglich seiner Daten, möglicher Präsentationen und den sicheren Austausch vor Ort. Wir empfehlen dann häufig, ein komplett neues Laptop mitzunehmen oder es nur einmal zu gebrauchen und wie man ein Hotelzimmer überprüft, in dem möglicherweise Kameras installiert sind. Auch im Taxi am Flughafen sitzt möglicherweise nicht nur einfach ein Taxifahrer, sondern jemand, der den Fahrgast auszuhorchen versucht. Ebenso werden attraktive Bekanntschaften oft nicht zufällig an der Hotelbar gemacht, sondern die Personen suchen gezielt den Kontakt zu ausländischen Gästen, die dann später mitunter erpressbar sind.

     

    Frage: Arbeitgeber beauftragen sie auch bei Problemen mit eigenen Mitarbeitern. Welche sind das?

     

    Antwort: Das kann geschehen, das trifft dann auch gleich einen wichtigen Punkt. Detektive müssen beweisverwertbar arbeiten, Ermittlungen müssen daher stets im legalen Bereich abgesteckt sein. Deshalb arbeite ich auch gerne mit Anwälten, da mir diese als juristische Profis auch einen zulässigen Rahmen vorgeben. Wir hatten einen Fall, in dem Mitarbeiter in Verdacht standen, Firmenwaren zu stehlen. Wir haben den Personenkreis observiert und auch das Lager ausfindig gemacht, in dem die gestohlene Ware gelagert wurde. Zusammen mit Anwalt und Firmenchef sind wir spontan an einem Tag dorthin gefahren, als entwendete Ware dorthin transportiert wurde und haben die beteiligten Mitarbeiter gestellt, Firmeninhaber und auch ein Betriebsratsmitglied waren dabei.

     

    Frage: Und wie steht es mit dem Klassiker: Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit?

     

    Antwort: Das kommt auch immer wieder vor. Natürlich kann man nur dann tätig werden, wenn es einen konkreten Hinweis gibt, dass die krankgeschriebene Person sich widersprüchlich verhält, also z. B. mit einer Sehnenscheidenentzündung schwere Bretter aus dem Baumarkt abholt oder bei körperlich schwerer Arbeit gesehen wurde.

     

    Frage: Dann genügen einfach ein paar ausdrucksstarke Fotos von dem „Kranken“ bei der Arbeit?

     

    Antwort: Eben das ist schwierig geworden, man muss Fotos unkenntlich machen. Ich kenne einen Fall, bei dem eine krankgeschriebene Person observiert wurde, die einen schweren Korb aus dem Waschsalon trug, obwohl sie einen erkrankten Arm hatte. Es kann dann Probleme vor Gericht wegen verletzter Persönlichheitsrechte geben, wenn die Fotos nicht bearbeitet sind, also Gesichter und Augen verpixelt werden. Daher sind Beobachtungen, exakte Ermittlungsberichte und präzise Zeugenaussagen vor Gericht, die ein Detektiv professionell erledigt, viel wichtiger. Ich kann mich nicht erinnern, dass ein Auftraggeber in den letzten Jahren einen Prozess verlor, weil wir irgendwie schlecht beobachtet oder unsere Aussagen nicht detailliert genug für das Gericht waren. Fotos sind bei der Ermittlungsarbeit lediglich flankierend und unterstützend, aber nicht so entscheidend wie eine exakt dokumentierte Beobachtung.

     

    Frage: Wie finden Arbeitgeber und Anwälte gute Detektive?

     

    Antwort: Es gibt Verbände, in denen Detektive organisiert sind, ich selbst bin im Bundesverband Deutscher Detektive e.V. ( www.bdd.de ). Wer sich mit der Ermittler-Branche überhaupt nicht auskennt, kann über die Verbände suchen. Auftraggeber sollten auch nicht vergessen, dass der Kontakt und ein Auftragsverhältnis zu einem Detektiv immer auch der Zugriff auf ein erweitertes Experten-Netzwerk ist. Ich selbst nutze die Expertise von etwa hundert Ermittlern, Experten und Gutachter zu. Darunter ist z. B. auch ein Sprachprofiler, der sich erpresserische oder Droh-E-Mails z.B. an Unternehmen anschaut und mit Mustern und Vergleichsmaterial abgleicht, ob diese von einer verdächtigen Person stammen. Ich ziehe bei Bedarf Fachleute unterschiedlichster Art hinzu, Arbeitgeber und Anwälte haben hierzu oft gar nicht die zeitlichen Ressourcen und Möglichkeiten, sich solch fachliches Know-how zu suchen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • In diesen Fällen muss der Arbeitnehmer entstandene Detektivkosten erstatten, Abruf-Nr. 46684507
    • Fingierte Kündigungsgründe des Arbeitgebers verpflichten zu Entschädigung, Abruf-Nr. 45949025
    • Observation durch einen Detektiv mit heimlichen Videoaufnahmen, AA 15, 82
    Quelle: ID 47835133