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  • · Fachbeitrag · Befristung

    Vergleich im schriftlichen Verfahren als Sachgrund für eine Befristung

    von RA Armin Rudolf, FA Arbeitsrecht, Hannover

    | Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht, § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG. Ein gerichtlicher Vergleich kann im Rahmen einer Güte- oder Kammerverhandlung vor den Arbeitsgerichten protokolliert werden. Dies begegnet keinerlei Bedenken. |

    1. Gesetzliche Grundlagen

    Gemäß § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG in Verbindung mit § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO kann ein gerichtlicher Vergleich auf zweierlei Art geschlossen werden, nämlich

    • indem die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten (§ 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO) oder
    • indem die Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch einen entsprechenden Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen (§ 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 2 ZPO).

     

    In beiden Fällen stellt das Gericht ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren das Zustandekommen des Vergleichs durch Beschluss fest.

    2. Rechtsprechung des BAG

    Das BAG erkennt nur einen Vergleichsabschluss gemäß § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 2 ZPO als gerichtlichen Vergleich im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG an, der geeignet ist, eine Befristung sachlich zu rechtfertigen.

     

    Zur Begründung hat das BAG in seinem Urteil vom 15.2.12 (7 AZR 734/10, Abruf-Nr. 140777) unter anderem ausgeführt, dass es bei einem Vergleichsabschluss gemäß § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO an der erforderlichen inhaltlichen Mitwirkung des Gerichts fehle, um den Schutzinteressen der ArbN zu genügen. Nur wenn das Gericht selbst zur Beendigung eines Rechtsstreits über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses einen Vergleich vorschlage, der eine weitere, allerdings zeitlich begrenzte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vorsehe, sei im Regelfall eine hinreichende Gewähr dafür gegeben, dass diese Befristung nicht gewählt worden ist, um dem betroffenen ArbN den Schutz zwingender Kündigungsschutzbestimmungen zu nehmen.

    3. Die abweichende Entscheidung des LAG Niedersachsen

    Das LAG Niedersachsen weicht in seinem Urteil vom 5.11.13 (1 Sa 489/13, Abruf-Nr. 140778) bewusst von der vorerwähnten Rechtsprechung des BAG ab. Vielmehr vertritt es die Auffassung, dass auch ein von beiden Parteien vorgelegter Einigungsentwurf, den das Gericht nach § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO feststellt, als gerichtlicher Vergleich im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG anzusehen sei, der einen wirksamen Sachgrund für den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags darstelle.

     

    Das LAG Niedersachsen begründet seine Auffassung unter anderem damit, dass der Wortlaut der Gesetzesvorschriften keine Anhaltspunkte dafür bietet, bei der Befristungsmöglichkeit des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG danach zu differenzieren, auf welche Art und Weise der gerichtliche Vergleich zustande gekommen ist. Maßgeblich sei, dass es sich um einen gerichtlichen Vergleich handele. Der Gesetzgeber habe durch die Neugestaltung des § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO bewusst die Möglichkeiten zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs erweitern wollen. Dadurch, dass das TzBfG seit der Einführung der neuen Vergleichsabschlussmöglichkeiten in § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO in der aktuellen Fassung bereits mehrfach geändert wurde, werde deutlich, dass der Gesetzgeber beide Alternativen des § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO als gerichtlichen Vergleich im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG gelten lassen wollte, sodass die Rechtsprechung des BAG dem gesetzgeberischen Willen zur Ausweitung gerichtlicher Vergleiche und deren vereinfachter Herbeiführung widerspreche.

    4. Kritik an der Entscheidung des LAG Niedersachsen

    Dem LAG Niedersachsen ist insoweit zuzustimmen, dass Gerichte auch im Falle eines Vergleichsabschlusses gemäß § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO angehalten sind, nicht nur zu prüfen, ob der von den Parteien unterbreitete Vergleichsvorschlag gegen gesetzliche Verbote oder gegen § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) verstößt. Die Gerichte haben vielmehr darüber hinaus gemäß § 17 Abs. 2 BeurkG zu kontrollieren, ob die Schutzinteressen des betroffenen ArbN im Vergleich ausreichend berücksichtigt worden sind. Problematisch ist, dass diese Überprüfung nicht so ohne Weiteres nachgewiesen werden kann. Anders verhält es sich, wenn das Gericht seinerseits einen Vergleichsvorschlag unterbreitet.

    5. Konsequenzen für die Praxis

    ArbG sollten trotz der für sie zu begrüßenden Sichtweise des LAG Niedersachsen unter keinen Umständen eine Befristung, die allein auf § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG gestützt wird, durch den Abschluss eines Vergleichs im schriftlichen Verfahren gemäß § 278 Abs. 6 ZPO regeln. Der sicherste Weg besteht darin, einen gerichtlichen Vergleich in einem Termin vor den Arbeitsgerichten protokollieren zu lassen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass in das Protokoll eine Formulierung aufgenommen wird, nach der der Vergleich auf den Vorschlag des Gerichts hin geschlossen wird.

     

    Für den Fall, dass trotz dieser Risiken eine Befristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG durch einen Vergleich im schriftlichen Verfahren geregelt werden soll, empfiehlt es sich, dem Gericht keinen ausformulierten Vergleichstext, sondern nur ein in groben Zügen zwischen den Parteien verabredetes „Eckpunktepapier“ zukommen zu lassen. Damit wird dokumentiert, dass der ausformulierte Vergleichsvorschlag nicht ungeprüft vom Gericht übernommen, sondern von diesem erstellt wurde.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2014 | Seite 66 | ID 42573718