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  • · Fachbeitrag · Befristung

    So nicht: ArbG versteckt unter „Sonstiges“ wichtige Klauseln für den ArbN

    von Dr. Lothar Beseler, RA und VRiLAG a.D., Meerbusch

    | Wenn in Arbeitsverträgen im Hinblick auf gesetzliche Bestimmungen ein eigenständiger Regelungsgehalt fehlt, ist es gut vertretbar, dass dies auch für die tariflichen Bestimmungen gilt. Wird im Arbeitsvertrag auf die Regelungen des Haustarifvertrags oder tarifliche Bestimmungen Bezug genommen, ist damit die Geltung von „tariflichen Bestimmungen“ für konkret benannte Einzelfälle einzelvertraglich vereinbart. |

     

    Sachverhalt

    Bei dem ArbG gab es einen Haustarifvertrag (HTV-TzBfG). Danach konnten befristete Arbeitsverträge gemäß § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG „mit einer kalendermäßigen Befristung ohne sachlichen Grund bis zu einer Höchstdauer von vier Jahren und eine sechsmalige Verlängerungsmöglichkeit“ vereinbart werden. Die Parteien stritten über die Wirksamkeit eines ab dem 1.1.17 zunächst bis zum 31.12.17 und durch Zusatzvereinbarungen bis zum 31.12.19 ohne Sachgrund befristeten Arbeitsvertrags.

     

    Im befristeten Arbeitsvertrag des nicht tarifgebundenen ArbN wird im Musterarbeitsvertrag in § 3 Vergütung auf ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld „entsprechend den Regelungen des Haustarifvertrags“ verwiesen. So heißt es weiter:

     

    • Auszug Arbeitsvertrag
    • 9. Beendigung des Arbeitsverhältnisses
      • a. Die Kündigungsfrist richtet sich nach den gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen der ... GmbH. (...)
    • 10. Sonstiges
      • a. Auf das Arbeitsverhältnis sind die jeweils geltenden gesetzlichen, tarifvertraglichen und betrieblichen Bestimmungen anzuwenden. (…)
     

    Einen sachlichen Grund für die Befristung gab es nicht. Der ArbG meinte, die Befristung sei aufgrund des in Bezug genommenen Haustarifvertrags wirksam. Der ArbN vertrat die Auffassung, dass die Befristung wegen der Überschreitung des Zweijahreszeitraums des § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG unwirksam sei.

     

    Entscheidungsgründe

    Das LAG Sachsen (1.12.20, 3 Sa 165/20, Abruf-Nr. 224807) folgte der Auffassung des ArbN. Es weist zunächst darauf hin, dass nach Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bestehe, ob die Klausel unter Ziffer 10 a) des Arbeitsvertrags tatsächlich eine Vereinbarung der Anwendung des Haustarifvertrags enthalte. Dies habe zur Folge, dass gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des ArbG ‒ als Verwender der AGB ‒ davon auszugehen sei, dass die Klausel keine entsprechende Inbezugnahme enthalte.

     

    Die „Geltung“ der tarifvertraglichen Bestimmungen sei nach dem Wortlaut der Klausel Voraussetzung für deren „Anwendung“, ohne dass die Geltung von tarifvertraglichen Bestimmungen angeordnet werde. Im Unterschied zu sonst üblichen Inbezugnahmeklauseln sei auch nicht formuliert, dass die für den ArbG jeweils geltenden tariflichen Bestimmungen/Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden seien. Vielmehr werde allein auf die jeweils geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen abgestellt. Damit sei ein Verständnis dahingehend möglich, dass (nur) die Tarifverträge anzuwenden seien, die für beide Parteien z. B. kraft beiderseitiger Tarifbindung oder Allgemeinverbindlichkeitserklärung gelten würden. Die Tatsache, dass die Klausel mit einem solchen Verständnis nur eine bloße Selbstverständlichkeit wiedergebe und keinen Regelungsgehalt habe, stehe einer solchen Auslegung nicht entgegen, denn dies gelte eindeutig auch für die ebenfalls in Ziffer 10 a) enthaltene „Bestimmung“, dass auf das Arbeitsverhältnis die jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden seien.

     

    Nach Auffassung des LAG handelt es sich zudem in § 10 a) des Arbeitsvertrags um eine überraschende Klausel i. S. d. § 305c BGB. Es heißt weiter:

     

    „Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Überraschenden Klauseln muss ein „Überrumpelungseffekt“ innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Da sich das Überraschungsmoment auch aus dem Erscheinungsbild des Vertrags ergeben kann, ist es möglich, dass auch das Unterbringen einer Klausel an einer unerwarteten Stelle im Text sie deswegen als Überraschungsklausel erscheinen lässt. Das Überraschungsmoment ist umso eher zu bejahen, je belastender die Bestimmung ist. Im Einzelfall muss der Verwender darauf besonders hinweisen oder die Klausel drucktechnisch hervorheben...“

     

    Ausgehend hiervon lasse sich das Unterbringen der Klausel als eine von drei Regelungen unter der Überschrift „Sonstiges“ an letzter Stelle in einem fünfseitigen Arbeitsvertrag die Inbezugnahmeklausel als Überraschungsklausel erscheinen. Die Einbeziehung der vom ArbG abgeschlossenen Haustarifverträge in das Arbeitsverhältnis sei für den ArbN auch mit einer erheblichen Belastung verbunden. So enthalte der Haustarifvertrag u. a. eine Ausschlussklausel, deren Nichtbeachtung zum Untergang von bestehenden Ansprüchen innerhalb kurzer Frist führen könne. Der HTV-TzBfG enthalte eine gegenüber der gesetzlichen Regelung des § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG erhebliche Erweiterung der Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung zum Nachteil des ArbN. Ein verständiger Vertragspartner könne daher erwarten, dass eine Inbezugnahme solcher tariflicher Vorschriften in einer Weise erfolge, die ihrer Bedeutung gerecht wird.

     

    Der ArbG habe in vier von zehn Vertragsziffern auf ca. zwei der fünf Vertragsseiten unter eigenständigen und sinnfälligen Überschriften umfangreich Regelungen in den Vertrag aufgenommen, die seine Rechte wahren sollten. Die Inbezugnahmeklausel, die für die Rechte der ArbN von erheblicher Bedeutung sei, würde der ArbG „versteckt“ mit zwei weiteren Bestimmungen unter der nichtssagenden Überschrift „Sonstiges“ einbinden, ohne dass die Bestimmung aufgrund der drucktechnischen Darstellung besonders ins Auge springe. Eine vergleichbare Unterbringung werde in Fällen von einzelvertraglichen Ausschlussfristen, deren Text sich zumindest im Vertrag selber befinde, regelmäßig als überraschend angesehen (BAG 31.8.05, 5 AZR 545/04).

     

    Erst recht müsse dies dann für eine pauschale Inbezugnahme von Tarifverträgen gelten, deren Inhalt, z. B. das Bestehen tariflicher Ausschlussfristen, der ArbN erst durch Lektüre der jeweiligen Tarifverträge erkennen könne. Ein verständiger ArbN müsse bei einem so detaillierten Vertrag wie dem vorliegenden nicht damit rechnen, dass eine Klausel von so erheblicher Bedeutung, wie die Inbezugnahme von (Haus-)Tarifverträgen, unter der Überschrift „Sonstiges“ „versteckt“ werde. Es wäre dem ArbG auch unproblematisch möglich gewesen, die Klausel ihrer Bedeutung angemessen in einer eigenen Ziffer mit einer eigenen Überschrift (z. B. „Anwendung bzw. Geltung von Tarifverträgen“) unterzubringen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der Hinweis in § 10 a) des Arbeitsvertrags auf die jeweils geltenden gesetzlichen, tariflichen und sonstigen betrieblichen Regelungen macht nicht hinreichend deutlich, dass der HTV-TzBfG in Bezug genommen wird, zumal in anderen Vertragsregelungen konkret auf den Haustarifvertrag verwiesen wird. Sollte es sich tatsächlich um eine Verweisungsklausel auf den HTV-TzBfG handeln, ist die Klausel unter „Sonstiges“ versteckt.

     

    Die Rechtsprechung musste sich wiederholt gerade bei Befristungsabreden damit beschäftigen, dass entsprechende Klauseln nicht ausreichend auch drucktechnisch hervorgehoben wurden:

     

    Rechtsprechungsübersicht / Wichtige Entscheidungen zum Thema Befristungsabreden

    BAG

     16.4.08, 7 AZR 132/07,

    Abruf-Nr. 082856

    Enthält ein Formulararbeitsvertrag neben einer drucktechnisch hervorgehobenen Befristung für die Dauer eines Jahres im nachfolgenden Vertragstext ohne besondere Hervorhebung eine weitere Befristung zum Ablauf der sechsmonatigen Probezeit, wird die Probezeitbefristung als überraschende Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil.

     LAG Schleswig-Holstein

     24.1.07, 3 Sa 489/06,

    Abruf-Nr. 159783

    Bei einer optischen Hervorhebung des Zeitraums einer sachgrundlosen Befristung in einem Formulararbeitsvertrag braucht der Vertragspartner nicht damit zu rechnen, dass daneben in der gleichen Vertragsbestimmung im Kleingedruckten ohne gestalterische Hervorhebung eine wesentlich kürzere Probezeitbefristung geregelt ist.

     LAG Niedersachsen

     27.2.18, 10 Sa 25/17,

    Abruf-Nr. 201287

    Eine Probezeitvereinbarung, die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter der Überschrift „Sonstiges“ an anderer Stelle als die weiteren Beendigungsmodalitäten ohne drucktechnische Hervorhebung untergebracht ist, kann als überraschende Klausel unwirksam sein.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2021 | Seite 167 | ID 47610064