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  • · Fachbeitrag · Zuweisungsrecht

    Kriterien der Zuweisung eines neuen Arbeitsorts durch Versetzung des ArbN

    von DirArbG Dr. Guido Mareck, Siegen

    Eine vertragliche Festlegung des Arbeitsorts ist ausgeschlossen, wenn im Arbeitsvertrag einer Flugbegleiterin neben der konkreten Angabe des Arbeitsorts bestimmt ist, dass der ArbG berechtigt ist, die ArbN auch an anderen Orten im gesamten Unternehmen einzusetzen. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Verpflichtung des ArbG, eine „Heimatbasis“ anzugeben. Die Entscheidung über eine Versetzung hat nach billigem Ermessen im Sinne der § 106 S. 1 GewO, § 315 BGB zu erfolgen, wobei einer nicht missbräuchlichen Unternehmerentscheidung erhebliches Gewicht zukommt (BAG 26.9.12, 10 AZR 311/11, Abruf-Nr. 131879).

     

    Sachverhalt

    Die ArbN ist seit dem 25.10.99 beim ArbG als Flugbegleiterin für ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 2.020 EUR tätig. In einem Schreiben des ArbG vom 1.4.00 heißt es u.a., man freue sich, der ArbN „eine Stationierung in Hannover anbieten zu können“. Der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien vom 26.11.01 enthält u. a. folgende Bestimmung:

     

    „Der ArbG kann die ArbN vorübergehend oder auf Dauer auf einem anderen Flugmuster, einem anderen Ort sowie befristet auch bei einem anderen Unternehmen einsetzen.“

     

    Nach Maßgabe einer Vorlage der Geschäftsführung vom 26.9.08 entschied sich der ArbG, seine Station am Standort Hannover zum 31.12.09 zu schließen. Hier waren zuletzt 40 ArbN beschäftigt. Am 7.7.09 schloss der ArbG mit der zuständigen Personalvertretung eine „Vereinbarung über die Beendigung der Stationierung von Cockpit-Kabinenpersonal in Hannover“.

     

    Der ArbG bot der ArbN - die sich auf freie Arbeitsplätze des ArbG an den Standorten Frankfurt a.M. und Hamburg nicht beworben hat - an, im Wege der Abordnung zu einer ihrer Tochtergesellschaften weiterhin von Hannover aus zu schlechteren Tarifbedingungen tätig zu sein. Hierzu war die ArbN nur zu unveränderten Arbeitsbedingungen bereit.

     

    Nach ordnungsgemäßer Beteiligung der Personalvertretung versetzte der ArbG die ArbN mit Schreiben vom 17.9.09 mit Wirkung zum 1.1.10 von Hannover nach Frankfurt a.M. Hilfsweise kündigte der ArbG das Arbeitsverhältnis verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis ab dem 1.4.10 mit dem Stationierungsort Frankfurt zu ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen. Dieses Angebot wurde von der ArbN unter Vorbehalt angenommen. Die gegen die Versetzung und hilfsweise Änderungskündigung gerichtete Klage der ArbN war in erster Instanz erfolgreich, blieb aber vor dem LAG Niedersachsen (1 Sa 571/10) und dem BAG ohne Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Das BAG führt aus, dass nach einer Überprüfung des Arbeitsvertrags der ArbN nach den §§ 305 ff. BGB feststehe, dass ein konkreter Einsatzort - nämlich Hannover - nicht vertraglich festgelegt sei und der ArbG bei der Versetzung im Ergebnis die Anforderungen billigen Ermessens gewahrt habe.

     

    Durch die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag sei hinreichend klargestellt, dass die Bestimmung des Einsatzorts Hannover nur die damalige Ausübung des Weisungsrechts des ArbG in Bezug auf den Arbeitsort darstelle. Ein Verzicht auf das Bestimmungsrecht hinsichtlich des Arbeitsorts sei weder durch den Arbeitsvertrag, noch durch die Mitteilung des ArbG vom 1.4.00 gegeben. Dies sei für die ArbN bei der Versetzung nach Hannover auf ihren Wunsch hin am Anfang des Arbeitsverhältnisses auch klar erkennbar gewesen.

     

    Der ArbG sei zwar gesetzlich verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Dies führe aber nicht zu einer Pflicht, diese arbeitsvertraglich als Arbeitsort so festzulegen, dass Versetzungen und Änderungen nur noch über den Weg der Änderungskündigung möglich seien. Auch die Konkretisierung des Arbeitsorts auf Hannover durch die langjährige Tätigkeit der ArbN an diesem Ort lehnt das BAG ausdrücklich ab.

     

    Der ArbG habe bei der Versetzungsentscheidung auch die Grenzen billigen Ermessens nach § 106 GewO, § 315 BGB gewahrt, was nach § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich überprüfbar sei. Insofern sei zu Recht die unternehmerische Entscheidung zur Schließung des Standorts Hannover und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Konsequenzen zum Zeitpunkt der Versetzung der ArbN durch das LAG Niedersachsen in die Abwägung einbezogen worden. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Entscheidung nicht „nachhaltig“ gewesen sei. Es sei nicht erkennbar, ob und wann in absehbarer Zeit wieder Flüge von Hannover aus beginnen würden. Flugzeuge und Crews seien vom ArbG nicht mehr in Hannover stationiert. Daüber hinaus habe der ArbG auch Regelungen in Zusammenarbeit mit der Personalvertretung geschaffen, um die Mehraufwendungen der betroffenen ArbN an Freizeit und Fahrtkosten abzumildern.

     

    Die erhobene Änderungsschutzklage sei unbegründet, da die vom ArbG angestrebten Änderungen sich schon durch rechtmäßige Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 S. 1 GewO durchsetzen ließen. Eine Änderungskündigung sei daher überflüssig gewesen.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung stärkt die Freiheit des ArbG, den Arbeitsort zu bestimmen bzw. durch Versetzung des ArbN zu ändern. Nicht jede Aufnahme eines bestimmten Arbeitsorts im Arbeitsvertrag ist eine Festlegung „auf alle Zeiten“. Der ArbG muss aber darauf achten, sich im Rahmen der sogenannten Versetzungsklausel Änderungen des Arbeitsorts vorzubehalten.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Die Krux mit den Versetzungsklauseln im Arbeitsvertrag - Weniger ist mehr: Laskawy/Rehfeld, AA 12, 43
    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 120 | ID 39996560