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  • · Fachbeitrag · Arbeitszeitkonto

    Geringeres Zeitäquivalent für Urlaubsschichten

    In ein Arbeitszeitkonto sind die infolge einer Freistellung mit für Erholungsurlaub ausgefallenen Soll-Arbeitsstunden als Ist-Stunden einzustellen. Urlaubstage und Urlaubsstunden sind Teil der effektiven Jahresarbeitszeit. Selbst wenn eine Klausel, nach der für Urlaubsschichten nicht wie für Arbeitsschichten 24 Stunden, sondern nur 19,4 Stunden dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden, nicht gegen das Transparenzgebot verstoßen würde, wäre die Klausel nach § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG unzulässig (BAG 19.6.12, 9 AZR 712/10, Abruf-Nr. 131279).

     

    Sachverhalt

    Der ArbN, der für den ArbG, der ein Chemiewerk betreibt, im Bereich der Werkfeuerwehr seit dem 1.5.03 tätig ist, hatte mit dem ArbG unter dem 30.4.03 einen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen.

     

    In diesem ist u.a. vereinbart, dass der ArbN einen Stundenlohn in Höhe von 12,74 EUR brutto einheitlich für jede Schichtstunde erhält. Des Weiteren ist vereinbart, dass der ArbN eine Monatspauschale auf Basis eines Vergütungsanspruchs für jahresdurchschnittlich 276 Monatsstunden in Höhe von 3.517 EUR brutto erhält. Hinsichtlich der Arbeitszeit ist geregelt, dass der ArbN im 24-Stunden-Schichtsystem, also eine 24-Stunden-Schicht und dann 24 Stunden arbeitsfreie Zeit, arbeitet. Darüber hinaus hat er einen Anspruch auf 39 unbezahlte Freischichten im Jahr. Insofern besteht eine 24-Stunden-Schicht aus jeweils 8 Stunden reiner Arbeitszeit, Arbeitsbereitschaft und Ruhebereitschaft am Dienstort. Die Pauschalen beziehen sich auf 11,5 Schichten pro Monat.

     

    In Ziffer 5 des Arbeitsvertrags heißt es u.a.:

     

    • „Urlaub, Urlaubsvergütung, Urlaubsgeld
    • Der Mitarbeiter erhält 42 Kalendertage Urlaub. Dieses entspricht im 24/24-Stunden-Schichtsystem 21 Schichten. Während des Urlaubs werden die Monatspauschalen insofern unverändert weitergezahlt. Pro Kalendertag des Urlaubs geht ein Zeitäquivalent in das Arbeitszeitkonto des Mitarbeiters ein, das der durchschnittlichen vereinbarten Arbeitszeit pro Kalendertag innerhalb eines Kalenderjahres entspricht...“

     

    Unter dem 14.2.03 schlossen die ArbG und die zuständige Gewerkschaft ver.di einen Haustarifvertrag, in dem u.a. in § 3 Abs. 3 hinsichtlich des Urlaubs Folgendes geregelt ist:

     

    • „Das Urlaubsentgelt errechnet sich nach dem Bruttoverdienst, den der ArbN/die ArbN in den letzten 12 Monaten vor Beginn des Urlaubs erhalten hat. Einmalzahlungen, wie z.B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Fahrtkostenzuschüsse, Spesen, Jubiläumszahlungen usw., werden dem Bruttoverdienst nicht zugerechnet. Das kalendertägliche Urlaubsentgelt errechnet sich aus 1/338tel ...“

     

    Der ArbN erhielt zuletzt eine monatliche Vergütung in Höhe von 3.832,85 EUR brutto. In dem vom ArbG geführten Arbeitszeitkonto werden monatlich 276 Soll-Stunden, entsprechend 11,5 Schichten, eingestellt und pro Urlaubsschicht erfolgt eine Gutschrift von 19,4 Stunden statt 24 Stunden bei einer tatsächlich gearbeiteten Schicht.

     

    Der ArbN meint, die Einstellung von Urlaubsschichten mit einem Zeitäquivalent von 19,4 Stunden statt 24 Stunden sei fehlerhaft. Die Klausel in Nr. 5 des Formulararbeitsvertrags sei unwirksam.

     

    Der ArbG meint, ein unstreitiger Urlaubsanspruch von 21 Schichten zu 24 Stunden bedeute nicht, dass jede Schicht auch mit 24 Stunden dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben sei. Mit 19,4 Stunden pro Urlaubsschicht erhalte der ArbN bereits eine höhere Gutschrift, als ihm vertraglich zustehe. Das Arbeitsgericht Wesel und das LAG Düsseldorf haben die Klage abgewiesen. Die Revision des ArbN war erfolgreich.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 9. Senat des BAG hat zunächst die Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht und ausgeführt, das gegenwärtige Feststellungsinteresse folge bereits aus der abweichenden Führung des Arbeitszeitkontos durch den ArbG. Hinsichtlich der Differenzen für Zeiträume in der Vergangenheit gebiete es die Prozessökonomie nicht, den ArbN auf die Möglichkeit der Leistungsklage auf Gutschrift einer bestimmten Stundenzahl zu verweisen.

     

    Auch der Sache nach gab das BAG dem ArbN recht. Er habe einen Anspruch auf Gutschrift von 24 Stunden pro Urlaubsschicht auf dem Arbeitszeitkonto, jedenfalls ab Januar 2009. Dieser Anspruch folge daraus, dass die Regelung in Nr. 5 des Arbeitsvertrags unwirksam sei. An dessen Stelle träten die gesetzlichen Normen des § 11 BUrlG und § 611 BGB in Verbindung mit den Regelungen des Arbeitsvertrags.

     

    Nr. 5 des Arbeitsvertrags genüge nicht den Anforderungen des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Klausel sei nicht ausreichend transparent formuliert. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liege darin, dass der ArbN keine bzw. nur eine erschwerte Möglichkeit habe, die betreffende Regelung zu verstehen. Der ArbG als Klauselverwender sei verpflichtet, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren. Er dürfe allerdings hierdurch als Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen auch nicht überfordert werden (BAG AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 44).

     

    Die arbeitsvertragliche Regelung, wonach pro Kalendertag des Urlaubs ein Zeitäquivalent in das Zeitkonto des Mitarbeiters eingehe, das der durchschnittlich vereinbarten Arbeitszeit pro Kalendertag innerhalb des Kalenderjahres entspreche, sei nicht durchschaubar. Ein ArbN habe nach seinem Verständnis und seiner Erwartung nicht ohne Erläuterung erkennen können, dass Urlaubsschichten dem Arbeitszeitkonto mit einer geringeren Stundenzahl gutgeschrieben werden als Arbeitsschichten. Dies gelte in verstärktem Maße, da der ArbG im Arbeitsvertrag davon abgesehen habe, die durchschnittlich vereinbarte Arbeitszeit pro Kalendertag innerhalb eines Kalenderjahres anzugeben.

     

    Des Weiteren führt das BAG aus, dass auch dann, wenn die Regelung in Nr. 5 des Arbeitsvertrags klar und durchschaubar formuliert gewesen wäre, zum Beispiel in dem angegeben worden wäre, dass Urlaubsschichten mit 19,4 Stunden und nicht wie Arbeitsschichten mit 24 Stunden dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden, die Klausel unzulässig wäre. Sie weiche gemäß §§ 13 Abs. 1 S. 3, 1, 3 BUrlG von zwingenden Vorschriften des BUrlG ab. Der ArbN habe nach § 1 BUrlG in jedem Kalenderjahr gegen den ArbG Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. In das Arbeitszeitkonto seien die infolge der Freistellung ausgefallenen Sollarbeitsstunden als Ist-Arbeitsstunden einzustellen. Urlaubstage und Urlaubsstunden seien Teil der effektiven Jahresarbeitszeit.

     

    Würden Ausfallzeiten dem ArbN nicht gutgeschrieben, bedeute dies nichts anderes, als dass die hierfür zustehende Urlaubsvergütung diesem vorenthalten werde. Der durch den Urlaub ausfallende Teil der Arbeitszeit (Zeitfaktor) gehöre zum unabdingbaren Teil der Bezahlung im Sinne der §§ 1, 3 BUrlG. Grundsätzlich seien alle infolge der Arbeitsbefreiung ausfallenden Arbeitsstunden zu vergüten. Diese Regelung könne selbst von den Tarifvertragsparteien nicht zulasten des ArbN verändert werden. Die Handhabung des ArbG habe sich auch zulasten des ArbN ausgewirkt, da der ArbG nur 19,4 statt 24 Stunden dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben habe. Die Anzahl der geschuldeten Schichten für den ArbN würde sich bei richtiger Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto entsprechend verringern. Nach dem Arbeitsvertrag werde der Stundenlohn einheitlich für jede Schichtstunde gezahlt, sodass nicht zwischen reiner Arbeitsleistung und etwa Ruhebereitschaft differenziert werde.

     

    Die teilweise Unzulässigkeit der Klausel des Arbeitsvertrags begründe nach § 306 Abs. 1, § 139 BGB eine Teilnichtigkeit, sodass der Vertrag im Übrigen bestehen bleibe und Gesetzesrecht an dessen Stelle trete.

     

    Praxishinweis

    Der Parteivertreter sowohl des ArbG als auch des ArbN muss wissen, dass eine Regelung, nach der Urlaubsschichten nur geringer als Arbeitsschichten vergütet oder gutgeschrieben werden, unwirksam ist. Unabhängig von der Transparenz oder Intransparenz solcher im Arbeitsvertrag teilweise zu findender Klauseln verstoßen diese gegen zwingendes Gesetzesrecht, indem sie den in §§ 1, 3, 13 BUrlG enthaltenen Regelungen zuwiderlaufen. Alle infolge der Freistellung durch Urlaub ausfallenden Arbeitsstunden sind in vollem Umfang zu vergüten bzw. in ein etwaiges Arbeitszeitkonto einzustellen. Hiervon kann, wie das BAG betont, weder durch Arbeitsvertrag noch durch Tarifverträge abgewichen werden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Prüfen Sie Ihr Wissen: Urlaub und Urlaubsabgeltung, Mareck in AA 12, 177
    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 78 | ID 39090390