Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Rückzahlungsklauseln

    Mitarbeiterfortbildung: Wann und wie kann der Praxisinhaber die Kosten zurückverlangen?

    von Rechtsanwalt Michael Lennartz und Rechtsanwalt Anno Haak LL.M., lennmed.de Rechtsanwälte, Bonn, Berlin, Baden-Baden

    | Gerade in dynamischen, regelmäßigen Veränderungen unterworfenen Bereichen wie der Zahnmedizin und dem Praxismanagement ist Fort- und Weiterbildung essenziell. Praxisinhaber haben ein Interesse an gut ausgebildeten Arbeitnehmern. Sie wollen aber auch, dass die Investition in die Weiterbildung der eigenen Praxis zugute kommt und sich davor schützen, dass der Arbeitnehmer die Praxis nach absolvierter Fortbildung verlässt. Für diesen Fall kann er Rückzahlungsklauseln vereinbaren. Lesen Sie, was Sie beachten müssen, damit solche Klauseln auch wirksam sind. |

    Hohe Anforderungen an Rückzahlungsklauseln

    In Fortbildungsvereinbarungen sind Rückzahlungsklauseln, mit denen von dem Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen die Erstattung der Kosten der Qualifizierung verlangt werden kann, inzwischen üblich. Doch bei solchen Klauseln haben die Arbeitsgerichte ‒ insbesondere das Bundesarbeitsgericht (BAG) ‒ über die vergangenen Jahrzehnte immer engere Grenzen gezogen. Deshalb ist es wichtig, hier stets auf dem aktuellen Stand der Rechtsprechung zu sein und Verträge entsprechend zu gestalten. Das kann erhebliche Summen wert sein.

     

    Maßnahmen müssen Chancen des Arbeitnehmers verbessern

    Grundsätzlich können überhaupt nur Kosten für Qualifizierungsmaßnahmen zurückverlangt werden, die die Chancen des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt unabhängig von der Beschäftigung in der Praxis verbessern. Schulungen rein im Interesse der konkreten Praxis (z. B. Einführungskurs zur Bedienung der neuen Praxis-Abrechnungssoftware) sind von der Erstattung von vornherein ausgeschlossen.

     

    Strenge gerichtliche Inhaltskontrolle bei Rückzahlungsklauseln

    Rückzahlungsklauseln sind in der Regel sogenannte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), weil der Arbeitnehmer auf die Gestaltung der Rückzahlungsklausel de facto keinen Einfluss nehmen kann. Um eine Verhandlung auf Augenhöhe zu bejahen, müsste die Klausel „ernsthaft zur Disposition“ gestellt werden (zuletzt BAG, Urteil vom 10.05.2016, Az. 9 AZR 434/15, Abruf-Nr. 188578). Das muss der Arbeitgeber ggf. auch darlegen und beweisen können.

     

    Das wird nach aller Erfahrung nicht gelingen, wenn die Klausel am Ende so unterschrieben wird, wie sie vom Arbeitgeber im ersten Entwurf vorgeschlagen wurde (so auch im Fall des BAG). Deshalb unterliegen die Rückzahlungsklauseln einer strengen gerichtlichen Inhaltskontrolle, auf die man vorbereitet sein sollte.

     

    Drei Kernprobleme bedrohen Zulässigkeit der Klauseln

    Rückzahlungsklauseln können vor allem aus drei Gründen scheitern, nämlich

    • 1. wegen der Unzulässigkeit der Gründe der Rückzahlungspflicht,
    • 2. wegen der ungenauen Bezeichnung der im Fall des Falles zu erstattenden Kosten und
    • 3. wegen der Unzulässigkeit der Bindungsdauer des Arbeitnehmers nach Ende der Fortbildung.

     

    Dabei ist der etwas schwammige gesetzliche Maßstab stets im Auge zu behalten, dass der Arbeitnehmer durch die arbeitgeberseitig vorgegebene Regelung nicht „unangemessen“ benachteiligt werden darf. Außerdem muss die Klausel „transparent“ ‒ das heißt auf einen Blick verständlich ‒ sein (§ 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB).

    1. Gründe der Rückzahlungspflicht

    Als zulässig herausgebildet hat sich die Regelung, dass der Arbeitnehmer die Kosten der Fortbildung erstatten muss, wenn er das Arbeitsverhältnis innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach dem Abschluss der Qualifizierung aus eigenem Antrieb oder Verschulden beendet. So nimmt er das vom Arbeitgeber finanzierte zusätzliche Know-how in einen anderen Betrieb mit ‒ muss aber auch für die Kosten einstehen.

     

    PRAXISHINWEIS | Es muss ausdrücklich klargestellt sein, dass die Rückzahlungspflicht nur dann entsteht, wenn das Arbeitsverhältnis aus Gründen endet, die ausschließlich der Arbeitnehmer verschuldet hat. Das kann eine verhaltensbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber, eine vom Arbeitgeber nicht verursachte Eigenkündigung des Arbeitnehmers bzw. ein aus solchen Gründen geschlossener Aufhebungsvertrag sein.

     

    Unzulässig: Rückzahlungspflicht bei reiner Arbeitgeberkündigung

    Das BAG spricht hier davon, dass der Arbeitnehmer die Gelegenheit haben muss, die Rückzahlung „durch Betriebstreue zu vermeiden“ (vgl. BAG, Urteil vom 18.03.2014, Az. 9 AZR 545/12, Abruf-Nr. 150388). Mit dieser Möglichkeit der Vermeidung ist es nicht zu vereinbaren, wenn die Rückzahlungspflicht grundsätzlich auch dann entsteht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber aus Gründen gekündigt wird, auf die der Arbeitnehmer keinen Einfluss hat (z. B. aus betriebsbedingten Gründen).

     

    Mehrdeutige Formulierung begründet Unwirksamkeit der Klausel

    Schon eine einzige ungenaue Formulierung kann die Unwirksamkeit der Erstattungspflicht auslösen, wie eine Entscheidung des BAG aus dem Dezember 2011 zeigt (BAG, Urteil vom 13.12.2011, Az. 3 ASZR 791/09). Der dort zu beurteilende Vertrag hatte eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers bei jeder eigenen Kündigung des Arbeitsvertrags vorgesehen. Das BAG war der Meinung, damit würden auch Kündigungen des Arbeitnehmers erfasst, die nur eine Reaktion auf ein Fehlverhalten des Arbeitgebers seien. Das sei unbillig ‒ die Klausel war unwirksam.

     

    Möglich: Rückzahlung bei vorzeitigem Abbruch der Fortbildung

    Zulässig ist eine Erstattungspflicht für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis endet, bevor die Fortbildung überhaupt abgeschlossen wird, oder für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwar andauert, die Qualifizierung aber vorzeitig abgebrochen wird.

     

    Aber auch insofern gilt: Anknüpfungspunkt kann immer nur ein vom Arbeitnehmer verschuldeter Abbruch der Weiterbildungsmaßnahme sein (BAG, Urteil vom 19.01.2011, Az. 3 AZR 621/08, Abruf-Nr. 110305). Die Regelung muss eindeutig an ein (Fehl-)Verhalten des Arbeitnehmers anknüpfen. Schon eine offene Formulierung (z. B. schlicht „Abbruch der Fortbildung“) kann unwirksam sein, insbesondere wenn die Fortsetzung einer mehrstufigen Maßnahme (auch) vom Arbeitgeber abhängt.

    2. Höhe der Rückzahlung

    Zunächst kann der Arbeitgeber selbst entscheiden, ob er nur die Fortbildungskosten trägt oder auch den Arbeitnehmer für die Qualifizierung bezahlt freistellt und Reise- sowie Verpflegungskosten übernimmt. Dementsprechend ist es grundsätzlich auch zulässig, nicht nur die Kosten der Fortbildung selbst, sondern auch die etwaige Fortzahlung des Lohns bei bezahlter Freistellung sowie Reise- und Verpflegungskosten bei auswärtigen Veranstaltungen zurückzufordern. Natürlich darf immer nur maximal das zurückgefordert werden, was dem Arbeitnehmer auch zuvor vorgestreckt wurde.

     

    Pauschale Formulierungen meiden

    Die Höhe der zu erstattenden Kosten muss aber dennoch ‒ oder gerade deshalb ‒ so penibel wie bei Vertragsschluss möglich angegeben werden. Die Formulierung, zu erstatten seien „die dem Arbeitgeber entstandenen Aufwendungen für die Weiterbildung einschließlich der Lohnfortzahlungskosten für die bezahlte Freistellung“ genügt nicht (BAG, Urteil vom 06.08.2013, Az. 9 AZR 442/12).

     

    Die Kosten müssen vielmehr im Einzelnen aufgelistet werden. Dabei sind nicht nur die eigentlichen Lehrgangskosten aufzuführen, sondern auch die Kosten der Lohnfortzahlung bei Freistellung im Einzelnen einschließlich der Angabe, ob diese brutto oder netto, mit oder ohne Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung zu erstatten sind.

     

    PRAXISHINWEIS | Im Übrigen muss konkret angegeben werden, in welcher Höhe ggf. vom Arbeitgeber übernommene Reise- und Verpflegungskosten entstehen und zurückzuzahlen sind.

     

    Was passiert bei Abbruch des Lehrgangs?

    Für den Fall des vorzeitigen Abbruchs eines Lehrgangs muss die Rückzahlungspflicht auf die bis zum Abbruch tatsächlich entstandenen Kosten begrenzt werden (BAG, Urteil vom 19.01.2011, Az. 3 AZR 621/08).

     

    Pauschalen in engen Grenzen möglich

    Pauschalen sind grundsätzlich zulässig. Dies gilt aber nur, wenn transparent wird, wie sich die Pauschale zusammensetzt und dem Arbeitnehmer der Nachweis ermöglicht wird, dass die Kosten tatsächlich höher waren als die Pauschale.

    3. Bindungsdauer und Staffelung der Rückzahlung

    Die Frage, wie lange man den Arbeitnehmer an die Praxis binden kann, während derer eine Kündigung durch den Arbeitnehmer die Rückzahlungspflicht auslöst, ist einzelfallabhängig. Es haben sich zwar Zeitstaffeln herausgebildet. Allerdings betont das BAG in jedem Fall, dass es sich dabei nur um Richtwerte handelt, von denen im Einzelfall abgewichen werden könne (BAG, Urteil vom 14.01.2009, Az. 3 AZR 900/07).

     

    Kostenintensive Fortbildung rechtfertigt längere Bindungsdauer

    So kann auch eine längere Bindung bei sehr kurzen, aber besonders kostenintensiven und werthaltigen Qualifizierungen zulässig sein. Insofern ist immer ein Abgleich der Richtwerte mit den Umständen des Einzelfalls und der aktuellen Rechtsprechung erforderlich.

     

    PRAXISHINWEIS | Bei der Wahl der Bindungsdauer sollten Sie Vorsicht walten lassen. Es gilt: lieber zu kurz gebunden als zu lang. Denn das „Prognoserisiko“, dass eine Abweichung von den Richtwerten unberechtigt ist, trägt der Arbeitgeber. Eine Korrektur auf das zulässige Maß ist nur in Ausnahmefällen möglich.

     

    Jährliche Staffelung der Rückzahlungspflicht inzwischen zweifelhaft

    Klar ist, dass die Rückzahlungspflicht umso geringer werden muss, je länger das Arbeitsverhältnis nach Ende der Fortbildung Bestand hat. Ob dabei eine jährliche Staffelung zulässig ist, ist inzwischen zweifelhaft. Eine monatliche Reduzierung (z. B. Sinken der Rückzahlungsverpflichtung bei einer Bindung von zwei Jahren um 1/24 pro Monat) ist in jedem Fall zu bevorzugen.

     

    FAZIT | Eine wirksame Rückzahlungsklausel in Fortbildungsvereinbarungen mit dem Arbeitnehmer kann stets nur bei genauer Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls wirksam vereinbart werden. Dabei ist abschließend auch zu bedenken: Eine unwirksame Klausel ist in aller Regel unrettbar verloren ‒ eine Reduzierung der unzulässigen Klausel auf das zulässige Maß durch das Gericht kommt im Streitfall in aller Regel nicht in Betracht. Andererseits macht eine unwirksame Rückzahlungsklausel nicht die ganze Fortbildungsvereinbarung unwirksam. Das heißt: Ist die Rückzahlungsklausel unzulässig, behält der Arbeitnehmer den Benefit seiner Fortbildung, auch wenn er sofort nach dem Ende kündigt. Schön für den Arbeitnehmer ‒ der Arbeitgeber hat dann allerdings nichts davon und bleibt auf seinen Kosten sitzen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Eine Musterformulierung des IWW Instituts für eine Rückzahlungsklausel von Fortbildungskosten finden Sie unter zp.iww.de bei Downloads („Musterverträge und -schreiben“). Wie oben beschrieben ist diese jeweils auf individuelle Gegebenheiten anzupassen.
    Quelle: Ausgabe 09 / 2017 | Seite 11 | ID 44816567