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  • · Fachbeitrag · Steuergestaltung

    Vermeiden Sie Steuerfallen bei der Auflösung von Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften

    von Steuerberater Björn Ziegler, Kanzlei Lauterbach Zeutschner Seltsam, Würzburg

    | Partner einer Gemeinschaftspraxis sind beruflich quasi verheiratet. Wie in jeder Ehe gibt es da auch Streit und im schlimmsten Fall die Scheidung. Damit die berufliche Trennung nicht so teuer wird wie manch echte Scheidung, müssen Sie vor allen Dingen die steuerlichen Fallstricke kennen. Der nachfolgende Beitrag zeigt Ihnen, wie Sie es vermeiden, dass in teilweise banalen Fällen auf die Trennung noch der Steuerschreck folgt. |

    Verschiedene Formen der Auflösung

    Im Folgenden werden drei Fallbeispiele behandelt, die aus steuerlicher Sicht bei der Auseinandersetzung ganz unterschiedlich zu bewerten sind:

     

    • Auflösung einer Zweier-Gemeinschaftspraxis
    • Ausscheiden eines Zahnarztes aus einer Zweier- oder Dreier-Gemeinschaftspraxis
    • Auflösung einer Praxisgemeinschaft

     

    In allen Fällen geht es darum, das Vermögen und gegebenenfalls die Patientenkartei untereinander aufzuteilen, ohne dass der Fiskus die verteilten Werte - insbesondere den Praxiswert - besteuert. Zunächst erscheint das simpel: Jeder nimmt etwas aus der Gemeinschaft mit und verwendet es weiterhin für seine zahnärztliche Tätigkeit. Der gesunde Menschenverstand signalisiert: Hier kann doch keine Steuer anfallen!

     

    Das Steuerrecht macht es jedoch komplizierter, denn steuerlich gibt es zum Beispiel bei einer Zweier-Gemeinschaftspraxis drei Vermögenstöpfe: jeweils einen für jeden Zahnarzt und zusätzlich den Topf der Gesellschaft. Immer wenn etwas von einem in den anderen Topf wandert, kann Steuer anfallen. Das Gesetz sieht zwar Ausnahmen vor, die Steuerneutralität ist jedoch lückenhaft geregelt und an Behaltefristen geknüpft. Das größte Steuerrisiko schlummert dabei im ideellen Praxiswert.

    Risiko aus stillen Reserven

    Für den ideellen Praxiswert gilt, was Sie schon von Investitionen zum Beispiel in Praxisgeräte kennen: Jede größere Investition wird aktiviert und ihr Kaufpreis über mehrere Jahre verteilt abgeschrieben, bis nur noch ein Euro Erinnerungswert stehenbleibt. Im Normalfall haben die Wirtschaftsgüter auch dann noch einen Restwert. Ein Beispiel aus der Praxis findet sich im Bereich der Kunst: Liegt der Restwert beispielsweise für ein abgeschriebenes Gemälde bei 1.000 Euro, handelt es sich bei den 999 Euro Differenz um die sogenannten stillen Reserven.

     

    Die größte stille Reserve schlummert in Ihrem ideellen Praxiswert (Goodwill). Entweder Sie haben sich diesen selbst erarbeitet - dann steht er mit null Euro in den Büchern. Oder Sie haben einen Praxisanteil übernommen - dann ist der Kaufpreis für den ideellen Wert nach sechs bis zehn Jahren voll abgeschrieben. Je nach Ertragskraft der Praxis können dann im Goodwill stille Reserven von deutlich über 100.000 Euro je Gesellschafter ruhen.

    Was regelt Ihr Gesellschaftsvertrag?

    Um die Versteuerung der stillen Reserven vermeiden zu können, müssen Sie zunächst in den Gesellschaftsvertrag schauen. Dieser trifft in den meisten Fällen die folgenden Regelung:

     

    • Kündigt ein Gesellschafter, scheidet er aus der Gesellschaft aus. Der/die verbleibenden Gesellschafter führen die Praxis fort.
    • Der Kündigende hat
      • a) einen Abfindungsanspruch oder
      • b) einen Anspruch auf Mitnahme „seiner“ Patienten.
    • Die Verbleibenden können ggf. eine Anschlusskündigung aussprechen, wodurch die Gesellschaft aufgelöst wird.
    • Daneben können Gesellschafter jederzeit die Beendigung der Gesellschaft beschließen.

     

    Für die oben genannten Beispielfälle - Auflösung einer Zweier-Gemeinschaftspraxis, Ausscheiden eines Zahnarztes aus einer Zweier- oder Dreier-Gemeinschaftspraxis, Auflösung einer Praxisgemeinschaft - ergeben sich ganz individuelle Wege und steuerliche Folgen, die nun erörtert werden.

    Auflösung einer Zweier-Gemeinschaftspraxis

    Zunächst beleuchten wir anhand eines Praxisbeispiels den Fall, dass eine Zweier-Gemeinschaftspraxis scheitert und aufgelöst wird:

     

    • Beispiel 1

    Zwei Zahnärzte zerstreiten sich und möchten die Gemeinschaftspraxis auflösen. Da die Räume zu groß sind, will jeder für sich in neue Räume umziehen. Patientenkartei und Inventar sollen aufgeteilt werden.

     

    In diesem Fall sollten die Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft und die Realteilung beschließen. Steuerlich ist diese in § 16 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) geregelt. Nimmt jeder seinen Patientenstamm mit, sind die Buchwerte fortzuführen. Dann müssen die Gesellschafter jedoch eine dreijährige Sperrfrist einhalten, innerhalb derer sie die übernommenen wesentlichen Wirtschaftsgüter nicht veräußern oder anderweitig einbringen dürfen! Will sich beispielsweise einer der beiden Zahnärzte ein Jahr nach der Trennung mit einem neuen Partner zusammenschließen, darf er seine Praxis nicht in eine neue Gemeinschaftspraxis einbringen. Er darf sie auch nicht verkaufen - aus welchen Gründen auch immer. Anderenfalls fällt rückwirkend Steuer auf die von ihm übernommenen stillen Reserven an.

     

    PRAXISHINWEIS |  Der steuerpflichtige Gewinn aus der Aufdeckung der stillen Reserven wird wie laufender Gewinn der Gemeinschaftspraxis behandelt und grundsätzlich beiden Gesellschaftern zugerechnet. In Ihrem Vertrag sollten Sie daher regeln, dass derjenige, der eine Sperrfrist verletzt, den Gewinn hieraus alleine versteuern muss. Er hat in der Folge später auch höhere Abschreibungen auf den aufgestockten Buchwert. Die Sperrfrist läuft von dem Tag an, an dem die Steuererklärung für das Trennungsjahr abgegeben wurde. Sie beginnt und endet also unterjährig.

     

    Wird eine Realteilung durchgeführt, erhalten Sie dasselbe Ergebnis wie mit dem gemeinsamen Auflösungsbeschluss auch bei einer Auflösung der Gesellschaft, welche durch beiderseitige Kündigung erzwungen wird.

     

    Einseitige Übernahme gemeinsamer Praxisschulden

    Im Zuge der Realteilung dürfen auch gemeinsame Praxisschulden - beispielsweise aus einer OPG-Finanzierung - einseitig übernommen werden, um Ungleichgewichte im Patientenvolumen auszutarieren. Steuern fallen erst dann an, wenn einer der Beteiligten an den anderen einen sogenannten Spitzenausgleich aus eigenen Mitteln zahlen muss.

     

    Bilanzierungspflicht strittig

    Bei der Realteilung erwartet die Finanzverwaltung von der Gemeinschaftspraxis eine Auflösungsbilanz. Wird die Praxis zum 31.12. eines Jahres aufgelöst, bedeutet das die vorgezogene Versteuerung der ausstehenden KZV-Schlusszahlungen und der erst im Folgejahr bezahlten Privatliquidationen.

     

    Dass auch offene Fremdlaborrechnungen gewinnmindernd wirken, ist nur ein schwacher Trost. Der Bundesfinanzhof hat kürzlich gegen die Finanzverwaltung entschieden: Nach Ansicht der Richter ist keine Bilanz erforderlich, solange kein Spitzenausgleich unter den Gesellschaftern gezahlt wird (Urteil vom 11. April 2013, Az. III R 32/12, Abruf-Nr. 132783).

    Ausscheiden aus Zweier- oder Dreier-Gemeinschaftspraxis

    Nachfolgend erläutern wir, was steuerlich zu beachten ist, wenn ein Zahnarzt aus einer Zweier- oder Dreier-Gemeinschaftspraxis ausscheidet:

     

    • Beispiel 2

    Nur einer der beiden Zahnärzte einer Gemeinschaftspraxis möchte gehen, der andere will den Standort fortführen. Der Ausscheidende nimmt seinen Patientenstamm, Teile des Personals und ein paar Geräte mit.

     

    In diesem Fall wird nur ein Gesellschafter kündigen, da der andere den Mietvertrag und die Arbeitsverträge fortführen will. Der Gesellschaftsanteil des Ausscheidenden wächst dem verbleibenden Gesellschafter an und er übernimmt die Rechtsstellung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Zu dieser Konstellation entschied der Bundesfinanzhof im Jahr 1998, dass sie keine Realteilung darstellt. Die Mitnahme des Patientenstamms und der Geräte wird als „Sachwertabfindung“ bezeichnet.

     

    Die Buchwertfortführung regelt hierbei § 6 Abs. 5 EStG: Der Ausscheidende übernimmt Vermögen gegen Rückgabe (Minderung) seiner Gesellschaftsrechte. Für ihn gilt auch hier eine dreijährige Sperrfrist, die einzuhalten ist und die ebenfalls an den Abgabetag der Steuererklärung anknüpft. Die Gewinnzurechnung bei Verstoß gegen diese Frist sollte wiederum im Gesellschaftsvertrag gesondert geregelt sein. Der verbleibende Zahnarzt dürfte in diesem Fall aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge keiner Sperrfrist unterliegen - er kann daher frei über weitere Kooperationen nachdenken.

     

    Unterschied zur Realteilung

    Im Unterschied zur Realteilung führt jede Übernahme von Praxisverbindlichkeiten durch den Ausscheidenden in Beispiel 2 zu einem steuerpflichtigen Vorgang. Übernimmt der ausscheidende Zahnarzt zum Beispiel ein Restdarlehen aus einer OPG-Anschaffung, weil er wertmäßig mehr als die Hälfte der Patienten abzieht, löst das teilweise Steuern aus.

     

    Für wen gelten die Rechtsfolgen?

    Die dargestellten Rechtsfolgen gelten übrigens auch bei der Auflösung oder beim Ausscheiden aus einer Dreier-Gemeinschaftspraxis. Wird die Gesellschaft zerschlagen, liegt eine Realteilung vor. Scheidet nur ein Gesellschafter aus, stellt dies eine Sachwertabfindung dar. Hieraus resultiert dann ein Problem, wenn zwei Zahnärzte ihren Mitgesellschafter loswerden möchten, dieser aber kein Interesse an der Auflösung der Gesellschaft hat.

     

    Vorsicht bei geplanter Mitnahme des Praxisvermögens!

    Kündigen beide Gesellschafter mit dem Ziel, ihre Patienten mitzunehmen, dürfte das zunächst funktionieren, denn der verbleibende kann sich die Abfindung in der Regel weder leisten noch kann er die Masse an Patienten bewältigen. Doch Vorsicht: Die beiden Gesellschafter dürfen ihr übernommenes Praxisvermögen dann aber nicht in ihre neue Zweier-Gemeinschaftspraxis einbringen! Für eine direkte Übertragung von der alten Dreier-Gemeinschaftspraxis in die neue Zweier-Gemeinschaftspraxis fehlt eine Gesetzesvorschrift. Hier klafft eine tückische Regelungslücke in den Vorschriften zur Buchwertfortführung!

     

    PRAXISHINWEIS |  Im Beispielfall können die Gesellschafter ihren übernommenen Patientenstamm der neuen Zweier-Gesellschaft nur zur Verfügung stellen, nicht aber einbringen. Er wird dann Teil ihres steuerlichen Sonderbetriebsvermögens bei der neuen Zweier-Gesellschaft; das ist zu Buchwerten möglich. Im Vertrag sollte für die Nutzungsüberlassung kein gesonderter Vorabgewinn oder Ähnliches geregelt sein, da das Umsatzsteuerprobleme nach sich zieht.

     

    Auflösung einer Praxisgemeinschaft

    Die oben beschriebenen Grundsätze gelten auch für die Übernahme von Wirtschaftsgütern einer Praxis- oder Apparategemeinschaft. Immer wenn die Einbringung in eine neue Gemeinschaft geplant ist, droht die Aufdeckung der stillen Reserven. Da die Praxisgemeinschaft keinen ideellen Wert hat, ist das Risiko betragsmäßig überschaubar.

     

    Umsatzsteuer

    Bei alledem darf die Umsatzsteuer nicht vergessen werden. Verfügt die Gemeinschaftspraxis über ein umsatzsteuerpflichtiges Eigenlabor, muss sie ihrem ehemaligen Gesellschafter für übertragene Laborgeräte oder Goldvorräte gegebenenfalls eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis erteilen.

     

    • Beispiel 3

    Aus der Dreier-Gemeinschaftspraxis scheidet ein Zahnarzt aus. Er nimmt das Cerec-Gerät und seine Patienten mit.

     

    Gemeinschaftspraxis ist umsatzsteuerlich selbstständiger Unternehmer

    Da die Gemeinschaftspraxis umsatzsteuerlich ein selbstständiger Unternehmer ist, muss sie unabhängig von ihren Gesellschaftern gesehen werden. Sie übereignet dem ausscheidenden Zahnarzt das Cerec-Gerät in Anrechnung auf seine Abfindung. Das ist genauso zu behandeln, wie wenn sie ihn erst ausbezahlen und er anschließend mit diesem Geld das Cerec-Gerät abkaufen würde. Da aus dem Kauf des Geräts in der Regel Vorsteuer gezogen wurde, muss der „Verkauf“ mit Ausweis der Umsatzsteuer erfolgen.

     

    Gleiches dürfte für die Realteilung einer Gemeinschaftspraxis gelten, da die Geräte und Vorräte auch hier vom Unternehmer „Gemeinschaftspraxis“ zum Unternehmer „Zahnarzt“ wechseln.

     

    PRAXISHINWEIS |  Rechtssicherheit auch bei Realteilung bietet in dieser Hinsicht ein echter Verkauf gegen Zahlung des Kaufpreises durch den Gesellschafter an die aufzulösende Gesellschaft. Das Geld fließt dann in die Auseinandersetzungsmasse ein - und Sie beugen Diskussionen mit dem Finanzamt vor.

     

    Ausnahmen bei überörtlicher Gemeinschaftspraxis

    Bei überörtlichen Gemeinschaftspraxen kann es eine Ausnahme von diesem Grundsatz geben. Für eine „Geschäftsveräußerung im Ganzen“ regelt § 1 Abs. 1a USt nämlich, dass bei der Übertragung keine Umsatzsteuer anfällt. Voraussetzung ist, dass ein lebensfähiger Teilbetrieb übernommen wird. Das ist insbesondere bei überörtlichen Gemeinschaftspraxen denkbar, wenn ein ausscheidender Zahnarzt einen selbstständigen Standort übernimmt und fortführt.

     

    FAZIT |  Bei der Auseinandersetzung von Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften gibt es einige Stolperfallen. Vorsicht ist insbesondere hinsichtlich der Sperrfristen geboten, die eine anschließende Kooperation mit neuen Partnern erschweren. Der Umweg führt hier über das Sonderbetriebsvermögen. Gesellschaftsschulden können nur bei einer echten Realteilung als Manövriermasse herangezogen werden, ohne dass dies Steuer auslöst. Eine Vertragsklausel über die Gewinnzurechnung bei steuerschädlichem Verhalten nach der Trennung sollte in jedem Gesellschaftsvertrag enthalten sein bzw. nachträglich eingefügt werden. Wenn Sie dann noch an die Umsatzsteuer gedacht haben, steht der steuerneutralen Trennung nichts mehr im Wege.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 6 | ID 42381881