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  • · Fachbeitrag · Praxisentwicklung

    Soll der Zahnarzt Gewinne schon heute versteuern, die erst morgen auf dem Konto sind?

    von StB, WP Michael Laufenberg und StB Thomas Ketteler-Eising,Laufenberg Michels und Partner, Köln, www.laufmich.de

    | Die Aufnahme eines neu eintretenden Zahnarztes in eine bestehende Praxis bedeutet aus steuerlicher Sicht: Ein Teil der bisherigen Praxis wird an den eintretenden Zahnarzt veräußert. Der aufnehmende Zahnarzt wird die sofortige Versteuerung seines Veräußerungsgewinns in der Regel vermeiden wollen. Eine Möglichkeit hierzu bietet das „Gewinnverzichtsmodell“. Wie genau das Modell funktioniert, zeigt dieser Beitrag. |

    Grundsätzliches zum Gewinnverzichtsmodell

    Wird dieses Modell gewählt, profitiert zunächst der bisherige Praxisinhaber während der Jahre, in denen er überproportional am Gewinn beteiligt ist, von der Tätigkeit und den Leistungen des neu eintretenden Zahnarztes. Die unterschiedliche Gewinnverteilung erfolgt so lange, bis der eintretende Zahnarzt nach und nach den Wert des erhaltenen Vermögens „abgearbeitet“ hat - je nach Verständnis der beteiligten frischgebackenen Praxispartner.

     

    Das Gewinnverzichtsmodell soll also die sofortige Versteuerung eines voll steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns vermeiden. Denn das Einkommensteuergesetz sieht Begünstigungen nur für Veräußerungsgewinne vor, die beim Verkauf der gesamten Praxis oder eines ganzen Praxisanteils (gesamte Beteiligung an einer Gemeinschaftspraxis) entstehen. Nicht begünstigt sind hingegen Gewinne, die bei der Veräußerung eines Praxisteils oder eines Teils des Praxisanteils entstehen - etwa durch Aufnahme eines weiteren Zahnarztes. Solche Gewinne sind regelmäßig im Jahr der Veräußerung „auf einen Schlag“ voll der Einkommensteuer zu unterwerfen.

     

    Vorteile des Gewinnverzichtsmodells

    Somit ist im Ergebnis kein Veräußerungsgewinn zu versteuern. Stattdessen erfolgt die Versteuerung der überhöhten Gewinnanteile jeweils mit Zufluss als laufender Gewinn. Dies führt zu einer Verteilung der Versteuerung über mehrere Jahre und ergibt aufgrund des progressiven Einkommensteuersatzes eine effektive Steuerersparnis - vorausgesetzt, der Praxisinhaber unterliegt nicht der Besteuerung im Spitzensteuersatz.

     

    Nachteile des Gewinnverzichtsmodells

    Vor Vereinbarung des Gewinnverzichtsmodells sollten allerdings auch einige außersteuerliche Aspekte bedacht werden: So bekommt der bisherige Praxisinhaber den Kaufpreis für seinen Anteil nicht sofort, sondern erst nach und nach. Zudem besteht das Risiko, dass die Gewinne nach der Anteilsübertragung tatsächlich geringer ausfallen als bei Vertragsschluss erwartet. Auch an eine mögliche spätere Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit des neuen Gesellschafters muss vor der Wahl dieses Modells gedacht werden.

     

    Ein Risiko liegt bei solchen Gestaltungen zudem darin, dass nicht ganz klar ist, wann der zusätzliche Gewinnanteil als Kaufpreisrate anzusehen ist. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hat sich aktuell in einem Fall, in dem es um diese Abgrenzung ging, gegen das Vorliegen von Kaufpreisraten entschieden (FG Düsseldorf vom 11. Oktober 2012, Az. 11 K 4736/07, Abruf-Nr. 130732). Das Revisionsverfahren ist aktuell vor dem Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

     

    • Beispiel: Der Zahnarzt nimmt einen Praxispartner auf

    Zahnarzt A betreibt eine Einzelpraxis, deren Verkehrswert sich auf etwa 450.000 Euro beläuft. Der Gewinn hat sich in den letzten drei Jahren nicht erheblich verändert und betrug etwa 100.000 Euro. Mit wesentlichen Änderungen des Gewinns ist in den nächsten Jahren ebenfalls nicht zu rechnen. Zum 1. Januar 2013 nimmt A den Zahnarzt B in seine Praxis auf. Anschließend sind beide Zahnärzte zu je 50 Prozent an der entstehenden Gemeinschaftspraxis beteiligt. Einen Kaufpreis für den Praxisanteil vereinbaren A und B nicht. Stattdessen kommen sie überein, dass dem A in den ersten neun Jahren nach Gründung der Gemeinschaftspraxis ein Gewinnanteil von 75 Prozent zusteht, B hingegen nur 25 Prozent. Nach Ablauf der neun Jahre sind beide Zahnärzte - entsprechend ihrer Beteiligung am Vermögen - auch zu jeweils 50 Prozent am Gewinn beteiligt.

    Da kein Kaufpreis für die Veräußerung des hälftigen Praxisanteils gezahlt wird, muss A im Jahr des Eintritts von B keinen Veräußerungsgewinn versteuern. Stattdessen versteuert A den zusätzlichen Anteil am Praxisgewinn, der ihm aufgrund der Aufnahme des B zusteht, als laufenden Gewinn. Die Versteuerung erfolgt jeweils in dem Jahr, in dem er den Gewinn erhält.

     

    Wesentliche Aspekte des Gewinnverzichtsmodells

    Bisher gibt es kaum Rechtsprechung zum Gewinnverzichtsmodell. Daher sind viele Fragen derzeit noch offen. Allgemein lassen sich die Merkmale dieses Modells im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen:

     

    • Neu eintretende Gesellschafter werden zulasten des bisherigen Praxisinhabers bzw. der Altgesellschafter am Praxisvermögen - verstanden als Summe, die den Praxiswert inkludiert - beteiligt.

     

    • Da die vereinbarten zusätzlichen Gewinnanteile zugunsten der eintretenden Gesellschafter keine Gegenleistung für die Einräumung der Vermögensbeteiligung darstellen, liegen keine Veräußerungen der ideellen Anteile an den Wirtschaftsgütern des Praxisvermögens vor.

     

    • Die neue Gemeinschaftspraxis muss nach Aufnahme von neuen Gesellschaftern die Buchwerte des Praxisvermögens fortführen, weil keine Veräußerungs- und Anschaffungsgeschäfte verwirklicht werden. Das Praxisvermögen wird also nicht aufgestockt - neues Abschreibungspotenzial entsteht daher nicht.

     

    Im Rahmen des Gewinnverzichtmodells besteht in steuerlicher Hinsicht die Gefahr, dass die Finanzverwaltung die jährlichen Zahlungen nicht als laufende Gewinnanteile anerkennt. Sind die als Vorabgewinn zu zahlenden Beträge im Hinblick auf die Höhe und den Zeitpunkt im Vertrag über die Aufnahme des weiteren Arztes bereits zu eindeutig festgelegt, beurteilt die Finanzverwaltung den Mehrgewinn als Raten des Kaufpreises. Diese sind dann nach den allgemeinen Grundsätzen für Veräußerungsgewinne zu versteuern.

     

    Dies bedeutet grundsätzlich, dass der Barwert der Vorabgewinne als Kaufpreiszahlung in das Privatvermögen anzusehen und im Zeitpunkt der Aufnahme des neuen Gesellschafters sofort zu versteuern ist. Begünstigungen werden dabei nicht gewährt.

     

    • Abwandlung des Beispiels

    A und B vereinbaren, dass A in den ersten neun Jahren ein Vorabgewinn in Höhe von 25.000 Euro zusteht - zulasten des Gewinnanteils des B. Der Anspruch auf den Vorabgewinn soll auch entstehen, wenn die Praxis einen Verlust erwirtschaftet. Nach Ablauf der neun Jahre sind beide Zahnärzte entsprechend ihrer Beteiligung am Vermögen jeweils hälftig am Gewinn der Gemeinschaftspraxis beteiligt.

    Da der als „Vorabgewinn“ bezeichnete Betrag, welcher A aufgrund der Aufnahme des B in die Zahnarztpraxis zusteht, bereits bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags über die Aufnahme des B im Hinblick auf seine Höhe und den Zeitraum, über den er gezahlt wird, bereits eindeutig feststeht, handelt es sich hierbei wirtschaftlich betrachtet um Kaufpreisraten. Der Vorgang ist daher als Veräußerungsvorgang zu beurteilen: A hat einen Gewinn aus der Veräußerung eines Teils seiner Zahnarztpraxis zu versteuern.

     

    Die Abgrenzung, ob die jährlichen Zahlungen laufende Gewinnanteile oder Kaufpreisraten darstellen, ist jedoch nicht immer eindeutig. Letztlich muss hier unter Abwägung aller Verhältnisse eine Entscheidung für den konkreten Einzelfall getroffen werden. Da es bisher kaum gerichtliche Entscheidungen zu diesem Bereich gibt, ist es derzeit schwierig, konkrete Abgrenzungskriterien zu bestimmen.

    Sachverhalt des aktuellen Urteils des Finanzgerichts

    Das FG Düsseldorf hat allerdings in dem vorgenannten aktuellen Urteil vom 11. Oktober 2012 in einem Fall die Abgrenzung zwischen laufenden Gewinnanteilen und Kaufpreisraten vorgenommen.

     

    Dem Urteil lag ein Fall zugrunde, in dem der Gesellschafter (G) einer laborärztlichen Gemeinschaftspraxis über viele Jahre hinweg seine Anteile jeweils anteilig auf verschiedene Neugesellschafter übertrug. Im Gegenzug wurde vereinbart, dass die neu eingetretenen Gesellschafter dem G jeweils einen Anteil an deren Gewinnabzugsrecht abtreten. Im Ergebnis verzichteten die neuen Gesellschafter also zugunsten des alten Gesellschafters G auf einen Teil des ihnen grundsätzlich zustehenden Gewinns. Der prozentuale Anteil am Gewinn, auf den die neuen Gesellschafter zugunsten des G verzichteten, wurde im Vertrag über die Anteilsübertragung festgelegt. Es wurde vereinbart, dass die zusätzlichen Gewinnanteile so lange an G auszuzahlen sind, bis ein in dem Vertrag ebenfalls festgelegter Höchstbetrag erreicht wird. Der zusätzliche Gewinnanspruch des G sollte von der Dauer und dem Bestand des Gesellschaftsverhältnisses unabhängig sein.

     

    Daher hatten die streitenden Parteien in dem vom FG Düsseldorf entschiedenen Fall Folgendes festgelegt: Falls die neuen Gesellschafter oder deren Nachfolger die Praxis nicht weiterbetreiben, sind die bis dahin nicht getilgten Teile der Höchstbeträge in gleichmäßigen monatlichen Teilbeträgen noch zu entrichten. Dabei wurde im Vertrag bereits festgelegt, bis zu welchem Zeitpunkt der restliche Höchstbetrag spätestens getilgt sein soll.

    Die Entscheidung des Finanzgerichts

    Das Finanzgericht entschied sich in diesem Fall für das Vorliegen laufender Gewinnanteile, also zugunsten des Gewinnverzichtsmodells. Eine Kaufpreiszahlung in Raten nahm das Gericht bei der getroffenen Vereinbarung nicht an. Ein Veräußerungsgewinn entsteht bei der Übertragung eines Praxisteils nach Auffassung des Finanzgerichts dann nicht, wenn

      • die Wirtschaftsgüter weiterhin mit ihrem Buchwert bilanziert werden (keine Aufdeckung stiller Reserven),
      • der bisherige Praxisinhaber keine Zahlungen außerhalb der betrieblichen Sphäre erhält und
      • eine in der künftigen Gewinnverteilung liegende Gegenleistung wegen ihrer Ungewissheit nicht angesetzt werden kann.

     

    Damit sei eine Vereinbarung, nach der der Übertragende eine gewisse Zeit einen unbestimmten höheren Gewinnanteil erhalten solle, so zu verstehen, dass auf einen Kaufpreis für die Übertragung der (anteiligen) Wirtschaftsgüter verzichtet werde und der Übertragende im Ausgleich dafür zunächst höhere Gewinnanteile erhalten solle.

     

    Ein Kaufpreis bzw. eine Kaufpreisrate liege nur dann vor, wenn die Gegenleistung bei Vereinbarung der Übertragung der Gesellschaftsanteile bereits der Höhe nach bestimmt oder bestimmbar ist. Dies sei hier nicht der Fall, da die Höhe der dem G zustehenden Gewinnanteile bei Abschluss der Verträge noch völlig unsicher und unklar gewesen sei.

     

    Auch die Tatsache, dass in den jeweiligen Gesellschaftsverträgen im Zusammenhang mit der Übertragung der Anteile bereits feste Höchstgrenzen vereinbart wurden, ändert nach Auffassung des Gerichts nichts an der - steuerlichen - Beurteilung.

     

    PRAXISHINWEISE | Nach der Entscheidung des FG Düsseldorf ist die Vereinbarung eines insgesamt zu tilgenden „Höchstbetrages“ unschädlich für die Annahme laufender Gewinnanteile anstelle von Kaufpreisraten. Das FG hat damit großzügig zugunsten der Praxisinhaber entschieden. Allerdings läuft derzeit das Revisionsverfahren beim BFH (Az. VIII R 47/12). Dieser kann die FG-Entscheidung kippen, sodass derzeit davon abgeraten wird, bei Abschluss eines Vertrages über die Aufnahme eines weiteren Zahnarztes die vom FG vertretene Auffassung ohne Weiteres zugrunde zu legen. Denn falls der BFH anders entscheidet, könnte dies am Ende doch zur Besteuerung eines Veräußerungsgewinns führen.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 14 | ID 38245620