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  • · Fachbeitrag · Personalsuche

    Vorsicht bei der Formulierung von Stellenanzeigen - sonst drohen Klagen!

    von RA und Unternehmensberater Marc Strüder, Bochum

    | Zahnärzte haben Zahnarzthelferinnen. Das ist kein Vorurteil - nach Auskunft der Bundeszahnärztekammer liegt der Frauenanteil bei den „Auszubildenden zur Zahnmedizinischen Fachangestellten“ bei über 99 Prozent. Auch wenn dahinter wohl eher eine traditionell gewachsene Entwicklung als eine offene Diskriminierung steckt, sollte der Zahnarzt Stellenausschreibugen strikt geschlechtsneutral formulieren. Durch das Gleichstellungsgesetz drohen zudem weitere, kaum erkennbare Gefahren. |

     

    Grund für die Vorsicht, die nun geboten ist, sind die Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Es verbietet nicht nur die einseitige Suche nach weiblichen Auszubildenden, sondern zielt darauf ab, im Arbeitsleben generell Diskriminierungen zu verhindern - also eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung aufgrund bestimmter Merkmale. Das AGG gilt nicht nur im bestehenden Arbeitsverhältnis, sondern auch bereits bei Bewerbungen und bei der Formulierung von Stellenausschreibungen.

     

    • § 1 Allgemeines Gleichstellungsgesetz

    Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

     

    Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen einer „unmittelbaren“ und einer „mittelbaren“ Benachteiligung.

    Vorliegen einer unmittelbaren Benachteiligung

    Bei einer unmittelbaren Benachteiligung erfährt eine Person wegen eines der Merkmale eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person 
ohne dieses Merkmal in einer vergleichbaren Situation. In der Praxis liegt eine solche unmittelbare Benachteiligung also vor, wenn lediglich eine „Zahnmedizinische Fachangestellte“ gesucht wird - alle männlichen Bewerber werden dadurch ausgeschlossen.

     

    Abgelehnter Bewerber mit guten Chancen auf Schmerzensgeld

    Bewirbt sich ein Mann auf die vorgenannte Stelle, wird jedoch eine Frau eingestellt, hat er vor Gericht gute Chancen auf „eine angemessene Entschädigung in Geld“ (§ 15 Abs. 2 AGG), sprich: Schmerzensgeld. Denn der Anspruch auf Schmerzensgeld hat nur die Voraussetzung, dass eine Benachteiligung im Sinne des AGG vorliegt. Ein Verschulden des Arbeitgebers muss hingegen nicht vorliegen - Nichtwissen rettet den Zahnarzt also nicht. Bedingung ist jedoch, dass es sich um eine ernst gemeinte Bewerbung gehandelt hat.

     

    Zahnarzt muss (schwierigen) Gegenbeweis führen

    Der abgelehnte Bewerber muss lediglich Indizien vorbringen, die eine Benachteiligung wegen seines Geschlechts vermuten lassen. Dann muss der Zahnarzt beweisen, dass kein Verstoß gegen das AGG vorlag. Dieser Beweis dürfte bei seiner Stellenausschreibung, in der lediglich nach Frauen gesucht wird, kaum zu führen sein. Auch beim Alter lassen sich die offensichtlichen Diskriminierungen leicht vermeiden: In einer Ausschreibung sollten keinesfalls Altersgrenzen wie „ab 35“ oder „bis 25“ aufgeführt werden.

     

    PRAXISHINWEIS |  Vermeiden Sie in Stellenausschreibungen daher Altersgrenzen und suchen Sie immer nach Bewerbern beiderlei Geschlechts - entweder mit dem Zusatz „(m/w)“ oder mit einer geschlechtsneutralen Stellenbeschreibung wie etwa „Zahnmedizinische/r Fachangestellte/r“ oder „Bürokraft“.

     

    Vorliegen einer mittelbaren Benachteiligung

    Schwieriger wird es aber bei einer mittelbaren Benachteiligung. Sie liegt vor, wenn Personen aufgrund von neutral wirkenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren benachteiligt werden können - und zwar aufgrund ihrer Rasse oder Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters oder wegen ihrer sexuellen Identität.

     

    Ist eine Stellenausschreibung, in der ein „junger Bewerber (m/w)“ für ein „junges Team“ gesucht wird, schon eine Altersdiskriminierung? Das Bundesarbeitsgericht meint: Ja! (Urteil vom 19. August 2010, Az. 8 AZR 530/09, Abruf-Nr. 102727). Als diskriminierend dürfte auch die Suche nach einer „Muttersprachlerin“ oder jemandem mit „perfekten Deutschkenntnissen“ zu beurteilen sein: Sie grenzt nämlich - mittelbar - alle Bewerber aus, die aus dem Ausland kommen. Und auch die Frage nach dem Familienstand lässt darauf schließen, ob jemand in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft verbunden ist - und fragt damit unzulässig nach der sexuellen Identität.

     

    Während die unmittelbare Diskriminierung nur schwer gerechtfertigt werden kann - nur die im AGG (§§ 8-10 und 20) selbst enthaltenen Gründe sind hierbei möglich - ist dies bei der mittelbaren Benachteiligung etwas leichter: etwa, wenn die Auswahlkriterien durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sind und die Mittel zu seiner Erreichung angemessen und erforderlich sind. Aber Obacht: Diese Anforderungen sind immer noch so hoch, dass sie bei den genannten Beispielen so gut wie nie erfüllt sein dürften!

     

    FAZIT |  Achten Sie darauf, bei Stellenausschreibungen keine Passage in den Text aufzunehmen, die einen Bezug auf die in § 1 AGG genannten Merkmale zulässt. Ausschließlich neutrale Kriterien gehören in die Ausschreibung: Was wird von dem Bewerber bzw. der Bewerberin erwartet? Welche Eignung und Befähigung soll er oder sie mitbringen? Was muss er oder sie künftig leisten? - Ausschließlich diese „neutralen“ Kriterien gehören in die Ausschreibung, und lediglich diese Kriterien sollten Sie im Bewerbungsgespräch abfragen. Kontrollieren Sie unbedingt die Stellenanzeige vor ihrer Veröffentlichung, denn auch Fehler von zwischengeschalteten Agenturen oder Vermittlern werden Ihnen zugerechnet!

    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 8 | ID 40244090