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  • · Fachbeitrag · Mietrecht

    Praxismietvertrag ohne Datum unterschrieben: Kündigung und schließlich Räumungsklage

    von RA, FA MedR Philip Christmann, Berlin, christmann-law.de

    | Der Praxismietvertrag sollte für niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte langfristige Sicherheit bringen. Doch scheinbar (!) geringfügige Formfehler können weitreichende Konsequenzen haben. Wenn nämlich unklar ist, ob die gesetzlich vorgesehene Schriftform eines Praxismietvertrags eingehalten wurde, so ist dieser von jeder Seite ordentlich kündbar. Das Schriftformerfordernis gilt auch für Nachtragsvereinbarungen des Praxismietvertrags, mit denen z. B. die geänderte Größe der gemieteten Praxisräumlichkeiten abgedeckt wird. Unterzeichnen die Beteiligten den Vertrag erst nach der ordentlichen Kündigung, so kann dies den Vertrag nicht retten, weil die Unterschrift erst ab dem Tag ihrer Unterzeichnung gilt und nicht rückwirkend zum Zeitpunkt des Aufsetzens der Vertragsänderung (Oberlandesgericht (OLG) Celle, Beschluss vom 30.06.2023, Az. 2 U 27/23). |

    Sachverhalt

    Im Jahr 2015 schlossen ein Vermieter und mehrere Ärzte einen Mietvertrag über Praxisräume, selbstverständlich ‒ wie bei solchen Verträgen üblich und zu empfehlen ‒ mit einer festen Laufzeit sowie mit Verlängerungsoptionen für die Mieter. Im Frühjahr 2021 wurde eine Nachtragsvereinbarung zu diesem Mietvertrag entworfen, nach der u. a. die gemieteten Praxisräume vergrößert wurden. Beide Seiten unterzeichneten diese Nachtragsvereinbarung, die Ärzte allerdings ohne Datumsangabe, sodass unklar war, wann die Unterschrift erfolgte. Inzwischen kam es zwischen den Mietvertragsparteien zum Streit. Der Vermieter erklärte am 26.04.2021 die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Die Ärzte zahlten später auch die Miete nicht mehr, weshalb der Vermieter dann zusätzlich noch am 02.03.2023 außerordentlich kündigte.

     

    Der Vermieter klagte in der Folge auf Räumung der Praxis. Dabei berief er sich u. a. darauf, dass der Mietvertrag in Form der Nachtragsvereinbarung nicht formwirksam schriftlich geschlossen gewesen sei, als er die Kündigung am 26.04.2021 erklärt hatte. Deshalb sei der Vertrag nun ‒ nach Ablauf der Kündigungsfrist ‒ beendet und die Ärzte müssten die Praxis verlassen. Die Ärzte sahen das ganz anders, sie konnten keinen Formfehler erkennen, denn sie hätten die Nachtragsvereinbarung vor dem 26.04.2021 unterzeichnet und damit die gesetzliche Schriftform gewahrt. Das Landgericht Hannover gab der Räumungsklage des Vermieters statt. Die Mieter (Ärzte) hätten nicht nachweisen können, wann genau sie die Nachtragsvereinbarung zum Mietvertrag unterschrieben hätten. Und ein formunwirksamer Mietvertrag sei ordentlich kündbar. Die Kündigung des Vermieters vom 26.04.2021 habe daher den Mietvertrag zum Jahresende beendet. Die Ärzte gingen in Berufung, wobei sie sich u. a. darauf beriefen, wegen der angespannten Lage auf dem Mietmarkt gar keine Praxisräume mehr finden zu können und daher jetzt in ihrer beruflichen Existenz bedroht zu sein.

    Entscheidungsgründe

    Das OLG Celle kündigte nun per Beschluss an, die Berufung der Ärzte als unbegründet zurückweisen zu wollen. § 550 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verlange ‒ wenn auch nicht ausdrücklich ‒ die Schriftform eines Mietvertrags bzw. eines Vertrags, der einen Mietvertrag ändert, verkürzt oder verlängert.

     

    Wird bei einem Mietvertrag die Schriftform nicht gewahrt, so sei dieser Vertrag ordentlich kündbar. Tatsächlich hätten die Ärzte auch nicht nachweisen können, wann genau sie die Nachtragsvereinbarung unterzeichnet haben. Eine Datumsangabe fehle. Die befragten Ärzte konnten sich auch nicht mehr erinnern, wann genau sie die Unterschriften getätigt hatten. Sofern man davon ausgehe, dass die Unterzeichnung nach dem 26.04.2021 erfolgt sei, wirke die Unterzeichnung (und damit die Einhaltung der Schriftform nach § 126 BGB) nicht zurück, so das OLG. Vielmehr wirke die Unterzeichnung erst ab dem Tag, an dem sie stattgefunden habe. Auch ließ das Gericht die angebliche Existenzgefährdung der Ärzte nicht gelten. Dazu hätten die Ärzte mehr zu ihrer wirtschaftlichen Lage vortragen müssen, was sie aber nicht getan hätten.

    Folgen für die Praxis(-räume)

    Vielen Ärzten ist das ‒ im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnte ‒ Schriftformerfordernis bei Mietverträgen von über einem Jahr Dauer gar nicht bekannt. Erst recht ist ihnen nicht bekannt, dass ein formunwirksamer Mietvertrag (sprich auch ein Vertrag, der den ursprünglichen Mietvertrag ändert) ordentlich kündbar ist. Das bedeutet, dass die im Mietvertrag vereinbarten und die Interessen der Ärzte schützenden Mindestlaufzeiten damit aufgehoben sind. Formfehler können also die Existenz der Arztpraxis bedrohen und sind daher unbedingt zu vermeiden.

     

    • Checkliste: Unterzeichnung von Praxismietverträgen

    Alle Verträge sind deshalb immer unter Datumsangabe zu unterzeichnen!

    • Wer auf Nummer sicher gehen will, vermerkt sogar die Uhrzeit der Unterzeichnung neben der Datumsangabe.
    • Die Unterschrift sollte immer unter dem Text stehen, dies verhindert böswillige nachträgliche Einfügungen oder Manipulationen.
    • Freiräume in den Vertragstexten sind mit diagonalen Sperrstrichen zu versehen, um ebensolche Nachtragungen im Fließtext zu verhindern.
    • Man sollte immer mit seinem eigenen, dokumentenechten Kugelschreiber unterzeichnen.
    • Jede Partei sollte jede einzelne Seite wichtiger Verträge (und für Ärzte gehört dazu jedenfalls der Praxismietvertrag) mit einem Unterschriftenkürzel versehen.
    • Idealerweise unterzeichnet man den Vertrag in doppelter Ausfertigung und jede Seite erhält eine von allen Beteiligten unterzeichnete Originalversion.
    • Ansonsten gilt: Von jedem unterzeichneten Schriftstück fertigt man sich sofort eine Kopie an, notfalls fotografiert man das gesamte Schriftstück Seite für Seite mit dem Mobiltelefon ab.
    • Es ist daher der sicherste Weg, wenn sich alle Beteiligten zur Vertragsunterzeichnung an einem Ort treffen, dort die Verträge in mehrfacher Ausfertigung selbst unter Datumsangabe unterzeichnen. Dies ist zwar aufwendig, aber unbedingt zu empfehlen.
    • Vertragsunterzeichnungen im sogenannten Umlaufverfahren sind zwar bequemer, führen aber ‒ wie im vorliegenden Fall ‒ häufig zu Problemen und machen die Dokumente auch anfälliger für Manipulationen.
     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2023 | Seite 15 | ID 49621763