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  • · Haftungsrecht

    Viele Vorwürfe ‒ kein Erfolg vor Gericht

    Bild: ©geralt - pixabay.com

    von RA, FA MedR Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg, Hamburg, rechtsanwalt-schinnenburg.de

    | Eine Patientin machte vor Gericht umfangreiche Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadenersatz geltend. Dabei ging es um die Behandlung des Zahnes 37. Dieser schmerzte, weshalb der beklagte Zahnarzt ihn schließlich entfernte. Die Patientin scheiterte mit ihrer Klage in der Berufungsinstanz vollständig (OLG Brandenburg, Urteil vom 09.12.2021, Az. 12 U 172/20). Dies lag maßgeblich am Prozessrecht: Sie konnte ihre Behauptungen nicht beweisen bzw. wurde in zweiter Instanz mit ihrem Vorbringen nicht gehört. Dieser Fall ist sehr lehrreich, denn das Prozessrecht gilt für beide Parteien, d. h., es kann sich auch gegen den beklagten Zahnarzt wenden. |

    Vorwurf Nr. 1: Unbeachtete Schmerzensschreie

    Der erste Vorwurf der Patientin bestand darin, dass der Zahnarzt die Extraktion fortgesetzt habe, obwohl die Anästhesie nicht ausreichend wirkte und sie deshalb geschrien habe. Diesbezüglich wies das Gericht zunächst darauf hin, dass die Extraktion unstreitig indiziert gewesen sei. Offensichtlich lag ursprünglich auch eine Einwilligung der Patientin vor. Der Sachverständige fand bei der Verabreichung der Anästhesie auch keinen Behandlungsfehler: Der Zahnarzt hatte wegen der nicht ausreichenden Wirkung zweimal nachgespritzt und somit statt der eigentlich ausreichenden Menge von 2 ml Anästhetikum insgesamt 6 ml appliziert. Damit sei er unter der „toxischen Grenze“ von 10 ml geblieben. Dem Zahnarzt sei die nicht ausreichende Anästhesie nicht vorzuwerfen, die Schmerzen könnten an einer extremen Entzündung liegen.

     

    Die entscheidende Frage war folglich, ob der Zahnarzt die Extraktion hätte abbrechen müssen, weil die Anästhesie nicht ausreichend wirkte. Dies ganz besonders, weil die Patientin schrie. Das OLG verneinte dies aufgrund des widersprüchlichen Vortrags der Patientin. In der ersten Instanz hatte sie vortragen lassen, dass sie mehrfach gerufen habe, sie könne und wolle das nicht mehr. Deshalb sei die Fortführung der Extraktion nicht mehr von der ursprünglich erteilten Einwilligung gedeckt. In der Berufungsbegründung war von einer solchen Äußerung nicht mehr die Rede, bei einer Befragung durch das OLG erklärte sie, sie habe „nichts sagen können“. Damit ergab sich aus ihrer eigenen Äußerung, dass ihr erstinstanzlicher Vortrag unzutreffend war. Für das OLG folgte aus den Schmerzensschreien alleine nicht, dass die Patientin die Behandlung nicht fortsetzen will. Und der Zahnarzt habe mit der Gabe einer weiteren Anästhesie auf die Schmerzen angemessen reagiert.