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  • · Haftungsrecht

    COVID-19-Schutzimpfung in der Zahnarztpraxis: Aufklärung, Behandlung und Haftung

    Bild: ©geralt - pixabay.com

    von RA, FA MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de

    | Zahnärztinnen und Zahnärzte dürfen seit Inkrafttreten des § 20b Infektionsschutzgesetz (IfSG) am 12.12.2021 auch Patienten gegen COVID-19 impfen. Voraussetzung ist eine sechsstündige Schulung. Diese Schutzimpfung ist ein komplexes rechtliches Thema, insbesondere nicht restlos geklärt sind Berufshaftpflichtfragen. Im Folgenden lesen Sie, was Sie beachten müssen, um sich vor Haftungsansprüchen zu schützen. |

    Haftet der impfende Zahnarzt bei Impfschäden?

    Nein! Erleidet ein durch den Zahnarzt Geimpfter einen Impfschaden, so haftet der Zahnarzt dafür nicht. (Zahn-)Ärzte sind insofern privilegiert. Der Geimpfte ist hier dennoch nicht schutzlos. Haftbar für solche Impfschäden können sein: der Impfstoffhersteller (§ 84 Arzneimittelgesetz, AMG) oder der Staat, gegen den Versorgungsansprüche entstehen können (§ 60 IfSG).

     

    Unter einem Impfschaden versteht man „die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung“2 IfSG).

     

    • (Bisher) keine Impfung von unter 12-Jährigen

    Der Impfstoff Comirnaty (Biontech/Pfizer) ist für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ab 12 Jahren zugelassen. Die Zulassung für Kinder zwischen 5 und 11 Jahren wird derzeit geprüft. Verwendet der (Zahn-)Arzt den Impfstoff bei einem Kind unter 12 Jahren, handelt es sich um einen Off-Label-Use. Da das Impfen an sich schon keine originär zahnärztliche Aufgabe ist, sollten Zahnärzte Eltern, die ihre Kinder unter 12 Jahren impfen lassen wollen, an deren Kinder- bzw. Hausarzt verweisen. Jeder Off-Label-Use birgt besondere Haftungsrisiken.

     

    Haftet der Zahnarzt bei Aufklärungs- und Behandlungsfehlern?

    Ja! Für Aufklärungs- und Behandlungsfehler haftet der Zahnarzt. Insbesondere bei der Aufklärung der Patienten schleichen sich leider immer wieder Fehler ein, die zu gravierenden Haftungsansprüchen führen können.

     

    Aufklärungsfehler

    Der Zahnarzt muss den Patienten selbst mündlich aufklären. Das Aufklärungsformular kann nur unterstützend wirken, es ersetzt die mündliche Aufklärung aber nicht. Die Praxis sieht dagegen oft so aus, dass der impfende (Zahn-)Arzt dem Patienten das jeweilige Musterformular des RKI zur COVID-19-Impfung übergibt (laufend aktualisiert online unter Shortlink ogy.de/lojo), mit ihm einige kurze Worte wechselt und den Patienten dann impft. Teilweise werden die Musterformulare dabei derart klein kopiert, dass sie auf ein DIN-A4-Blatt (Vorder- und Rückseite) passen ‒ in der Form sind sie kaum lesbar und auch wenig verständlich.

     

    Problematisch ist zudem häufig die Aufklärung Minderjähriger, die durch die Zulassung der mRNA-Impfstoffe ab dem Alter von 12 Jahren zusätzliche praktische Relevanz erlangt hat. Hier wird oft zu wenig auf die Aufklärung des Kindes (und dessen bestehendes Vetorecht!) selbst geachtet und zu sehr auf die Einwilligung der Sorgeberechtigten abgestellt.

     

    • So vermeiden Sie Aufklärungsfehler

    Das Gespräch über das Für und Wider der Impfung und den „passenden“ Impfstoff muss im Vordergrund stehen. Der Zahnarzt muss mit dem Patienten über diese Abwägungsfaktoren kurz sprechen und er muss auch kurz darüber sprechen, welcher Impfstoff „passt“. Dies muss dokumentiert werden. Dazu sind Stichworte in das Aufklärungsformular zu schreiben (z. B. „Corminaty > Spikevax u. a. wg. Kreuzimpfung“).

     

    Auch beim Thema Kinderimpfung sind die besprochenen Kernthemen mittels Stichworten zu dokumentieren, als da wären Einwilligungsfähigkeit („Kind einsichtsfähig“) und individuelle Abwägung der Impffähigkeit sowie der Impfbedürftigkeit (z. B. „hohes Infektionsrisiko durch Gesamtschule“ oder „Risikogruppe Atemwegserkrankungen“ oder „Risikogruppe Immunschwäche“).

     

    Behandlungsfehler

    Die folgenden potenziellen Behandlungsfehler sollten jedem impfenden Zahnarzt bewusst sein, um Haftungsfallen zu umgehen:

    • Der Patient ist darüber zu belehren, dass er nach der Impfung 15 Minuten in der Praxis bleiben muss, um unmittelbare allergische Reaktionen abzuwarten, auf die das Praxisteam ggf. unmittelbar medizinisch reagieren muss. Weist der Zahnarzt den Patienten nicht auf die Wartezeit hin, verlässt der Patient die Praxis und es kommt außerhalb der Praxis zu einer folgenschweren Impfreaktion, so haftet der Zahnarzt für die Folgen.
    • Dosiert der Zahnarzt den Impfstoff zu hoch oder zu niedrig oder verabreicht er den Impfstoff versehentlich in die Vene statt in den Muskel, so haftet er dafür.
    • Ebenso haftet er dafür, wenn er nicht qualifiziertes Personal für die Impfung einsetzt oder Hygienestandards verletzt.
    • Fehlerhaft handelt auch der Zahnarzt, der einen Patienten impft, obgleich dieser nicht geimpft werden darf (Kontraindikation aufgrund von Allergien, Vorerkrankungen, Unverträglichkeiten etc.).

     

    Wichtigste Vorkehrung zur Verhinderung von Behandlungsfehlern ist die Einführung von Standard Operating Procedures (SOPs) die den technischen Ablauf einer Impfung beschreiben und die Einzelschritte definieren. Der Zahnarzt ist gut beraten, diese SOP schriftlich (und mit Datumsangabe) als Dienstanweisung niederzulegen und diese dem Personal auszuhändigen.

     

    MERKE | Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) weist darauf hin, dass „alle Zahnärztinnen und Zahnärzte durch ihre Berufshaftpflichtversicherung gegen Haftpflichtansprüche aus ihrer beruflichen, sprich zahnärztlichen Tätigkeit versichert sind“, dass Impfen jedoch eine ärztliche und keine zahnärztliche Leistung sei. Eine Reihe von Versicherungsunternehmen hat der BZÄK „auf Nachfrage bestätigt, dass eine gesetzliche Öffnung der Impfungen gegen SARS-CoV-2 die Impfung zur beruflichen Tätigkeit der Zahnärzteschaft macht“. Es ist der BZÄK „jedoch nicht bekannt, ob alle Versicherungsunternehmen diese Auslegung stützen“. Um Lücken im Versicherungsschutz vorzubeugen empfiehlt die BZÄK, sich vor Aufnahme der Impftätigkeit von der eigenen Versicherung schriftlich bestätigen zu lassen, dass eine Impftätigkeit vom Versicherungsschutz erfasst ist.

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2022 | Seite 3 | ID 47944676